Verwaltungsgericht Halle Urteil, 23. Aug. 2012 - 4 A 159/11

ECLI:ECLI:DE:VGHALLE:2012:0823.4A159.11.0A
bei uns veröffentlicht am23.08.2012

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasserherstellungsbeitrag.

2

Sie sind Miteigentümer der Flurstücke 321 und 322 der Flur 11 in der Gemarkung A-Stadt, die eine Größe von 204 m² und 30 m² aufweisen. Die Grundstücke sind unbebaut und grenzen rückwärtig an das Flurstück 69, das durch die {A.} erschlossen wird, in der der Beklagte einen Schmutzwassersammler verlegt hat und das sich ebenfalls im Eigentum der Kläger befindet und mit einem Wohnhaus bebaut ist. Die {A.} verläuft in Nord-Südrichtung. In nördlicher Richtung setzt sich straßennahe Bebauung fort. In südlicher Richtung folgen auf der Anbauseite der Kläger einige unbebaute Grundstücke, bevor sich im Abstand von ca. 60 m eine weitere Bebauung befindet. Etwa parallel zur {A.} verläuft östlich die {B.} Straße, die straßennah bebaut ist. Die rückwärtigen, zum Teil mit Nebenanlagen bebauten Bereiche dienen im Wesentlichen als Hausgärten.

3

Mit Bescheid vom 09. Juli 2010 zog der Beklagte die Kläger für die Flurstücke 321 und 322 zu einem Schmutzwasserherstellungsbeitrag in Höhe von 491,40 Euro heran. dabei legte er deren Grundstücksfläche sowie einen Vollgeschossfaktor von 1,0 für ein Vollgeschoss sowie einen Beitragssatz von 2,10 Euro/m² zugrunde.

4

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machten die Kläger geltend, dass es sich bei den Grundstücken um Hinterliegergrundstücke ohne öffentliche Zuwegung handele, die als Grünland genutzt würden. Zudem legten sie eine Auskunft der Stadt Sangerhausen vor, wonach sich die Flurstücke im Außenbereich befänden.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Juni 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Dass es sich bei den Grundstücken um Hinterliegergrundstücke handele, stehe der Beitragspflicht nicht entgegen, da das an die Straße angrenzende und durch den Schmutzwasserkanal erschlossene Grundstück ebenfalls in ihrem Eigentum stehe, so dass ein Anschluss der Grundstücke an den Kanal in der Hand der Kläger liege.

6

Die Kläger haben am 23. Juni 2011 Klage erhoben. Sie machen geltend, dass die Tiefenbegrenzungsregelung mangels Orientierung an der ortsüblichen Bebauungstiefe unwirksam sei, was die Unwirksamkeit der Beitragssatzung zur Folge habe.

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Sie beantragen,

8

den Bescheid des Beklagten vom 09. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Juni 2011 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er macht geltend: Die Tiefenbegrenzungsregelung sei wirksam. Sie stelle eine pauschale Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich dar. Im Hinblick darauf seien nur die Grundstücke in den Blick zu nehmen, die vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. Die durchschnittliche Tiefe derartiger Grundstücke in den für das Verbandsgebiet als repräsentativ zugrunde gelegten Ortschaften der Stadt {C.} betrage ca. 105 m, weshalb die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung von 50 m gerechtfertigt sei. Auf die Frage, in welcher Tiefe die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke ende, komme es nicht an. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass sich auch bei Grundstücken, die in den Außenbereich übergehen, im Anschluss an die letzte Bebauung Flächen befänden, die zwar dem Außenbereich zuzuordnen sein mögen, aber durch die Nutzung etwa als Garten ebenfalls durch die öffentliche Einrichtung bevorteilt würden. Insoweit bestehe kein Unterschied zu Grundstücken, die sich vollständig im Innenbereich befänden, aber ebenfalls nicht vollständig überbaubar seien. Jedenfalls ließe die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung die Wirksamkeit der Satzung im Übrigen unberührt. Sie sei zum einen kein notwendiger Mindestbestandteil. Es spreche auch nichts für einen mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers, im Falle der Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung die Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung anzunehmen. Die Tiefenbegrenzungsregelung betreffe lediglich die Fälle der Abgrenzung von Innenbereich und Außenbereich und daher nur einen Bruchteil der Fälle der Beitragsveranlagung.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage hat Erfolg.

13

Der angefochtene Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

Er kann nicht auf die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten vom 07. Dezember 2010 (ABAS 2010) gestützt werden, da diese in ihrem beitragsrechtlichen Teil betreffend die öffentliche Einrichtung „Gebührengebiet I“ unwirksam ist. Andere satzungsrechtliche Grundlagen, die den mit dem angegriffenen Bescheid geltend gemachten Beitragsanspruch rechtfertigen können, bestehen ebenfalls nicht, da auch das vorangegangene Satzungsrecht des Beklagten in Bezug auf die Beitragserhebung nichtig ist (OVG LSA, Urteil vom 05. Mai 2011 – 4 L 175/09 – Juris).

15

Die ABAS 2010 ist in ihrem beitragsrechtlichen Teil betreffend die öffentliche Einrichtung „Gebührengebiet I“ unwirksam, weil die in § 4 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 getroffene Tiefenbegrenzungsregelung unwirksam ist (I.) und dies die Gesamtunwirksamkeit des beitragsrechtlichen Teils der ABAS 2010 in Bezug auf die öffentliche Einrichtung „Gebührengebiet I“ nach sich zieht (II.).

16

I. § 4 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 ABAS 2010 bestimmt, dass maßgebliche Grundstücksfläche für Grundstücke in Ortsrandlagen, wo die Grenze des Innenbereichs zum Außenbereich verläuft, die Fläche ist zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer Linie, die in gleichmäßigem Abstand von 50 m dazu verläuft.

17

Diese Regelung hat den Zweck, das (beitragsrechtlich) bevorteilte Bauland vom (beitragsrechtlich) nicht bevorteilten Außenbereich typisierend abzugrenzen und lässt sich dabei von der Vermutung leiten, dass die vom Innenbereich in den Außenbereich hineinragenden Grundstücke ab einer bestimmten Grundstückstiefe dem Außenbereich zuzurechnen und deshalb baulich nicht mehr nutzbar sind. Eine derartige typisierende Regelung ist grundsätzlich zulässig. Sie soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität ausschließen, dass für konkrete Einzelfälle überprüft wird, in welchem Maß ein Grundstück bebaut werden darf (OVG LSA, Beschluss vom 10. März 2006 – 4 L 250/05 – Juris Rn 4 f.).

18

Es versteht sich allerdings von selbst, dass die Tiefenbegrenzungslinie nicht willkürlich gewählt werden darf. Sie muss vielmehr der Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA Rechnung tragen, wonach Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind. Da – bei der Verwendung des Vollgeschossmaßstabs, wie hier – Anknüpfungspunkt für den beitragsrechtlichen Vorteil die baulich nutzbare Grundstücksfläche ist, muss die konkrete Ausgestaltung der Tiefenbegrenzungsregelung zur Abgrenzung der baulich nutzbaren Flächen in den konkreten örtlichen Verhältnissen ihren Widerhall finden (zur Tiefenbegrenzung im Innenbereich OVG LSA, Urteil vom 23. August 2001 – 1 L 134/01 – Juris Rn 29, Urteil vom 07. September 2000 – 1 K 14/00 – Juris). Das ist dann der Fall, wenn die Grundstücke im Gebiet der abzurechnenden öffentlichen Einrichtung, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, typischerweise bis zu der gewählten Tiefenbegrenzungslinie im Innenbereich liegen.

19

Dagegen kommt es nicht darauf an, welche Tiefe diese Grundstücke aufweisen. Soweit in der vom Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Juni 2008 (3 A 465/05 DE) ohne Begründung unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OVG Münster und des VGH München im unbeplanten die ortsübliche Tiefe der Baugrundstücke als maßgeblich erachtet wurde, ist dem aus vorgenannten Gründen nicht zu folgen. Die Tiefe der Baugrundstücke, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, sagt über deren bauliche Nutzbarkeit nämlich nichts aus.

20

Im Hinblick darauf ist die vom Beklagten vorgelegte Liste über die tatsächliche Tiefe repräsentativ ausgewählter Grundstücke, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, nicht geeignet, die gewählte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m zu rechtfertigen.

21

Auch mit dem vom Beklagte vorgelegten Kartenmaterial für als repräsentativ für das Gebührengebiet I ausgewählte fünf Ortslagen lässt sich die in § 4 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 ABAS 2010 festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht rechtfertigen. Im Hinblick darauf, dass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich grundsätzlich am letzten Baukörper verläuft (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2005 – BVerwG 4 B 3.05 – Juris Rn 7; OVG LSA, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 L 132/11 – Juris Rn 6), ergibt sich unter Zugrundelegung der in den vorgelegten Karten eingezeichneten Bebauung, dass hinsichtlich der Grundstücke, die teilweise im Innen- und teilweise im Außenbereich liegen, die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht typischerweise im Abstand von 50 m zur Straße verläuft, sondern vielmehr regelmäßig einen deutlich geringeren Abstand zur Straße aufweist.

22

Dass sich bei Grundstücken, die in den Außenbereich übergehen, im Anschluss an die letzte Bebauung auch Flächen befinden, die – im Außenbereich gelegen – etwa als Garten genutzt werden und insoweit der Hauptnutzung dienen, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, diese Flächen im Rahmen der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie zu berücksichtigen. Der abzugeltende beitragsrechtliche Vorteil knüpft wie der vom Beklagten gewählte Verteilungsmaßstab (Vollgeschossmaßstab) an die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks an (vgl. § 3 Abs. 1 ABAS 2010). Die Tiefenbegrenzungsregelung dient dabei – wie bereits dargelegt – der Ermittlung der im Bauland liegenden und daher beitragsrechtlich bevorteilten Fläche. Da Außenbereichsflächen – anders als Innenbereichsflächen – baulich nicht nutzbar sind, ist es dem Satzungsgeber verwehrt, die Tiefenbegrenzungsregelung nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke zu orientieren, sondern dem Außenbereich zuzuordnende Flächen einzubeziehen. Dies begründet, anders als der Beklagte meint, keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Grundstücken, die sich vollständig im unbeplanten Innenbereich befinden, da diese – anders als die im Außenbereich gelegenen Flächen – in vollem Umfang Bauland (und daher beitragsrechtlich bevorteilt), wenn auch nicht vollständig überbaubar, sind. Auch aus der vom Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Tiefenbegrenzung im unbeplanten Innenbereich im Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 01. September 2004 – BVerwG 9 C 15.03 – Juris) lässt sich nichts dafür gewinnen, dass Außenbereichsflächen, die sich an Innenbereichsflächen anschließen, bei der Festlegung einer Tiefenbegrenzungslinie als beitragsrechtlich bevorteilte Flächen Berücksichtigung finden dürfen. Im Übrigen widerspricht es dem Zweck der pauschalen Abgrenzung von Innen- und Außenbereich, die Tiefenbegrenzungsregelung nicht an der baurechtlichen Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich zu orientieren.

23

Findet vor diesem Hintergrund die gewählte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m in den örtlichen Verhältnissen im Gebührengebiet I nicht ihren Widerhall, hat der Beklagte das ihm im Rahmen der Umsetzung des § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA bei der Festlegung von Maßstabsregelungen zustehende Ermessen überschritten mit der Folge der Unwirksamkeit der betreffenden Satzungsregelung.

24

II. Die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung in § 4 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 ABAS 2010 hat die Unwirksamkeit der beitragsrechtlichen Regelungen der Satzung betreffend das Gebührengebiet I zur Folge. Die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung führt nur dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers).

25

Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Tiefenbegrenzungsregelung in einer Beitragssatzung nicht notwendig vorhanden sein muss. Auch wenn die Satzung des Beklagten im Falle der Unwirksamkeit des § 4 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatzes 2 keine ausdrückliche Regelung für Grundstücke, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, enthielte, ließe sich zudem wohl aus der Gesamtschau der sonstigen Regelungen entnehmen, dass in einem derartigen Fall lediglich der Teil des Grundstücks als beitragsrechtlich bevorteilt zugrunde zu legen ist, der im Innenbereich liegt, sodass die Satzung im Übrigen wohl auch sinnvoll bliebe.

26

Es ist jedoch nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass der Beklagte im Falle des Wissens um die Unwirksamkeit der gewählten Tiefenbegrenzungsregelung die Satzung ohne eine solche erlassen hätte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung bei jedem Grundstück im Gebiet der öffentlichen Einrichtung des Beklagten, das im Übergangsbereich vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich liegt, eine konkrete Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden müsste. Im Hinblick auf die Größe des Abrechnungsgebiets (Gebührengebiet I), zu dem u.a. die Stadt Allstedt mit 14 Ortschaften und die Stadt Sangerhausen mit 11 Ortschaften gehören, würde eine solche grundstücksbezogene Einzelbeurteilung einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten. Zudem ließe eine einzelfallbezogene Flächenabgrenzung eine erhebliche Zahl von Streitigkeiten mit den Grundstücksinhabern um die genau festzulegende Grenze zwischen Innenbereichs- und Außenbereichsflächen erwarten. Im Hinblick darauf lässt sich ein hypothetischer Wille des Satzungsgebers, dass er die beitragsrechtlichen Regelungen betreffend das Gebührengebiet I der ABAS 2010 ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung für Grundstücke, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, erlassen hätte, nicht hinreichend sicher annehmen. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen des Beklagten die von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen Fälle nur einen Bruchteil der gesamten der Beitragsveranlagung unterliegenden Grundstücke erfassen. Denn der – vom Beklagten nicht näher benannte – Bruchteil umfasst im Hinblick auf die Größe des Abrechnungsgebiets jedenfalls mehrere hundert Fälle, wenn nicht mehr. Vor diesem Hintergrund erscheint nicht fernliegend, dass der Satzungsgeber eine Tiefenbegrenzungsregelung mit einer geringeren Tiefenbegrenzungslinie, die in den örtlichen Verhältnissen ihren Widerhall findet, erlassen hätte (vgl. auch OVG LSA, Urteil vom 21. Februar 2012 – 4 L 98/10 – Juris Rn 25; OVG Weimar, Urteil vom 18. Dezember 2000 – 4 N 472/00 – Juris Rn 126; OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 26. September 2002 – 2 D 9/02.NR – Juris Rn 58).

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 19. Juni 2012 - 2 L 132/11

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

Gründe I. 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids, mit dem die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf jeweils 650 m² großen Teilflächen der Grundstücke der Gemarkung A-Stadt, Flur A,

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids, mit dem die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf jeweils 650 m² großen Teilflächen der Grundstücke der Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstücke 1321 und 1329 im Gemeindegebiet der Beigeladenen festgestellt werden soll.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Vorhaben der Klägerin sei planungsrechtlich unzulässig. Der für die Bebauung vorgesehene Bereich sei nicht als Ortsteil im baurechtlichen Sinne anzusehen; denn nach der Inaugenscheinnahme, der Liegenschaftskarte und der Luftaufnahme bestehe kein Bebauungszusammenhang zu den Wohnhäusern in den Gebieten der Bebauungspläne „Am H-Busche“ in Norden und „S-Breite“ im Osten. Die vorgesehene Bebauung stelle auch keinen Lückenschluss zwischen der südlichen Bebauung im Wohngebiet „Am H-Busche“ und der Bebauung an der A-Straße (u. a. mit dem Wohnhaus der Klägerin) dar. Bei der zuletzt genannten Bebauung handele es sich um eine Splittersiedlung. Die dort nur vereinzelt gebliebenen Gebäude bildeten keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil; auch ein Bebauungszusammenhang zu der weiter im Westen gelegenen Bebauung mit großen Mehrparteienhäusern bestehe nicht. Selbst wenn die Bebauung an der A-Straße mit dem Wohnhaus der Klägerin als Innenbereich zu qualifizieren wäre, läge der übrige Teil der Gartenanlage im Außenbereich; der Bebauungszusammenhang würde nördlich des Wohnhauses der Klägerin enden. Das – nicht gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte – Vorhaben der Klägerin sei im Außenbereich unzulässig, weil die geplante Wohnbebauung aufgrund seiner Vorbildwirkung die Entstehung, Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Der Gefahr einer negativen Vorbildwirkung stehe nicht entgegen, dass die Straße „Am Hollerbusch“ als Erschließungsstraße für weitere Grundstücke nicht mehr zur Verfügung stehe. Diese Gefahr beschränke sich nicht auf den Bereich, der unmittelbar durch eine Verlängerung der Straße „Am Hollerbusch“ erschlossen werden könnte. Die Verwirklichung der von der Klägerin beabsichtigten Wohnbebauung könnte bei den Grundstückseigentümern im gesamten Bereich der von den Straßen „A-Straße“ und „E-Straße“ und dem Wohngebiet „S-Breite“ umschlossenen Fläche Interesse an der Errichtung von Wohnhäusern erwecken. Dabei sei nicht ausgeschlossen, dass die Grundstücke über die A-Straße oder die E-Straße – auch durch Schaffung neuer Wege – erschlossen werden könnten.

II.

3

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 –, NVwZ-RR 2011, 546, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

5

1.1. Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die von ihr vorgesehene Bebauung stelle sich als zwanglose Fortsetzung der Bebauung im jeweiligen Geltungsbereich der Bebauungspläne der Beigeladenen „Am H-Busche“ und „S-Breite“ dar.

6

Der Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB endet in aller Regel am letzten Baukörper (BVerwG, Urt. v. 12.10.1973 – 4 C 3.72 –, BRS 27 Nr. 56; Beschl. v. 12.03.1999 – 4 B 112.98 –, NVwZ 1999, 763 [765]). Zwar können örtliche Besonderheiten es rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (BVerwG, Beschl. v. 17.01.2005 – 4 B 3.05 –, Juris, m.w.N.). Eine solche Besonderheit ist entgegen der Annahme der Klägerin aber nicht darin zu erkennen, dass auch die Fläche südlich des Wendehammers – faktisch – noch bebaut werden könnte. Vorhandene Verkehrs- und Versorgungsverbindungen sind noch kein Verknüpfungselement, die eine „organische Beziehung" zu einer bebauten Ortslage im Sinne siedlungsstruktureller Unbedenklichkeit herstellen (BVerwG, Urt. v. 25.01.1985 – 4 C 29.81 – BauR 1985, 427 [428]). Im Falle der Beplanung einer Fläche am Ortsrand fällt die Trennungslinie zwischen Innen- und Außenbereich grundsätzlich mit der „äußeren" Grenze des Bebauungsplanbereichs zusammen, es sei denn, die Grenzziehung ist durch die tatsächliche Entwicklung – wie etwa durch die Fortsetzung der Bebauung über das Plangebiet hinaus – überholt (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 26.06.1987 – 2 R 234/85 –, Juris). Letzteres ist hier nicht der Fall.

7

1.2. Die Klägerin macht weiter geltend, der Standort ihres Vorhabens liege innerhalb eines Zusammenhangs maßstabsbildender Wohnbebauung der Bebauungsplangebiete „Am H-Busche“ und „S-Breite“. Die Entfernung zwischen den nächst gelegenen Wohnhäusern in den beiden Plangebieten betrage nur 75 m, so dass von einer Baulücke gesprochen werden müsse. Auch dieser Einwand stellt die Zuordnung der Bauflächen zum Außenbereich nicht in Frage. Selbst wenn ein Bebauungszusammenhang zwischen den beiden beplanten Gebieten bestehen sollte, ist nicht ersichtlich, dass die beiden Teilflächen, auf denen die Klägerin die beiden Wohngebäude errichten will, an diesem Bebauungszusammenhang teilnehmen. Die Klägerin zeigt schon nicht auf, wo in diesem Fall die Trennlinie zwischen Innen- und Außenbereich konkret verlaufen soll. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass auch bei Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs zwischen beiden Plangebieten der Bebauungszusammenhang südlich des Wohngebiets „Am H-Busche“ mit den beiden letzten dort errichteten Wohngebäuden endet.

8

1.3. Die Klägerin wendet ferner ein, es bestehe ein Bebauungszusammenhang zwischen der Bebauung im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Am H-Busche“ und der weiter südlich liegenden Bebauung an der A-Straße. Innerhalb dieses Bebauungszusammenhangs lägen die zur Bebauung vorgesehenen Flächen teilnähmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle die Bebauung an der A-Straße keine Splittersiedlung dar. Die insgesamt sieben Wohngebäude einschließlich der Nebengebäude auf ihrem Grundstück hätten das für einen Ortsteil erforderliche „gewisse Gewicht“. Im Vergleich mit anderen Ansiedlungen auf dem Gebiet der Beigeladenen auch im unmittelbaren Umfeld stellten sie einen verdichteten und über einen unerwünschten Siedlungssplitter hinausgehenden Bebauungskomplex dar. Es handele sich um eine durch verschiedenartige Nutzungen geprägte Keimzelle, die nach der Siedlungsstruktur der Beigeladenen auf angemessene städtebauliche Fortentwicklung angelegt sei, wozu auch die B-Plangebiete „Am H-Busche“ und „S-Breite“ beitrügen. Auch damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen.

9

Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – 4 B 7.07 –, BauR 2007, 1383). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. kleine Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (BVerwG, Beschl. v. 02.08.2001 – 4 B 26.01 –, ZfBR 2002, 69 [70]). Ob eine Bebauung eine Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) und damit Teil des Außenbereichs oder Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und damit bebauungsrechtlicher Innenbereich ist, beurteilt sich nach der Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde (BVerwG, Beschl. v. 19.09.2000 – 4 B 49.00 –, ZfBR 2001, 64, m.w.N.). Die Annahme, dass es sich bei einem Bebauungskomplex um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB handelt, kann sich schon wegen der geringen Anzahl der vorhandenen Bauten und ebenso auch deshalb verbieten, weil der Bebauungskomplex bereits quantitativ in einem Missverhältnis zu den in der Gemeinde sonst vorhandenen Ortsteilen steht (BVerwG, Beschl. v. 12.06.1973 – IV B 79.72 –, BRS 27 Nr. 41). Wenn deutliche Siedlungsschwerpunkte in näherer Umgebung vorhanden sind, bleibt eine Streubebauung mit nur wenigen Gebäuden eine Splittersiedlung und damit insgesamt dem Außenbereich zugeordnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.04.1994 – 4 B 77.94 –, BauR 1994, 494).

10

Mithin ist zur Beantwortung der Frage, ob die sieben Wohngebäude an der A-Straße südlich der Grundstücke der Klägerin das für einen Ortsteil erforderliche „gewisse Gewicht“ besitzen, nicht allein ihre Zahl aussagekräftig; vielmehr ist wesentlich auch darauf abzustellen, wie sich diese Ansammlung von Wohngebäuden in ihrer Größe zu den sonstigen Bebauungskomplexen auf dem Gebiet der Beigeladenen verhält.

11

Die Klägerin trägt zur Größe der übrigen Bebauungskomplexe im Gemeindegebiet der Beigeladenen nichts vor. Ihr Vorbringen, im Vergleich mit anderen Ansiedlungen auf dem Gebiet der Beigeladenen auch im unmittelbaren Umfeld stellten die Wohngebäude an der A-Straße im hier maßgeblichen Abschnitt einen verdichteten und über einen unerwünschten Siedlungssplitter hinausgehenden Bebauungskomplex dar, ist insoweit unergiebig. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass in einer Kleinstadt mit etwa 22.000 Einwohnern, eine Ansammlung von sieben Gebäuden ein solches Gewicht besitzt, dass sie alleine einen Ortsteil bilden können. Die Siedlungsstruktur, wie sie sich aus den vorliegenden Plänen ergibt, legt eher das Gegenteil nahe. Auch ein Vergleich mit den benachbarten Bebauungsplangebieten „Am H-Busche“ und „S-Breite“ genügt nicht, da zwischen ihnen und größeren Bebauungskomplexen auf dem Gebiet der Beigeladenen nach den Luftbildaufnahmen von google-earth ein Bebauungszusammenhang besteht.

12

1.4. Damit bedarf keiner Vertiefung, ob die von der Klägerin zur Bebauung vorgesehenen Flächen auch dann dem Außenbereich zuzuordnen wären, wenn die Bebauung an der A-Straße als im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGb zu qualifizieren wäre.

13

1.5. Die Klägerin ist schließlich der Auffassung, selbst im Außenbereich seien die von ihr geplanten Wohngebäude zulässig, weil sie nicht die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung der vom Verwaltungsgericht angenommenen Splittersiedlung befürchten ließen. Allein die Gefahr, dass sich dem zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben später auf benachbarten Grundstücken Vorhaben anschließen könnten, genüge nicht. Vielmehr müsse hinzutreten, dass mit der Begründung dieser Gefahr zugleich ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet werde oder schon vollzogen sei. Dies sei bei Wohngebäuden im Außenbereich ausnahmsweise dann nicht der Fall, wenn ein Vorhaben an dem geplanten Standort in eine organische Beziehung zu der bereits vorhandenen Bebauung trete, sofern diese selbst keine zu missbilligende Splittersiedlung darstelle. Eine solche Ausnahmesituation sei hier anzunehmen, da sich die von ihr vorgesehene Bebauung als eine organisch geringfügige Weiterentwicklung des Wohngebiets „Am H-Busche“ darstelle und eine Verlängerung der Erschließungsstraße dann nicht mehr in Betracht komme. Eine negative Vorbildwirkung sei nicht zu erkennen. Die nördlich und westlich von ihrem Grundstück liegende Schrebergartensiedlung sei kein Teil einer Splittersiedlung, so dass eine Bebauung dieses Bereichs keine Verfestigung der Splittersiedlung, sondern eine Erweiterung bewirken würde. Die östlich gelegenen unbebauten Flächen der Flurstücke 1285 und 1284 trennten die Wohnbebauung „S-Breite“ sowie die in einem Bauquartier liegenden Wohnhäuser „Hollerbusch“ und ihr Wohngebäude optisch und räumlich ab. Auch die unbebauten ca. 38 m breiten Flächen (des Flurstücks 1285) seien nicht Teil der Splittersiedlung. Bezüglich sich weiter östlich anschließender Grünflächen, die in den Geltungsbereich des Bebauungsplans „S-Breite“ einbezogen seien, könne die Beigeladene ihre Planungshoheit ausüben, so dass auch hier eventuelle Anfragen zwecks Bebauung dementsprechend begründet werden könnten. Die Häuser A-Straße 25, 26 und 26a wären Teil der Splittersiedlung und ebenfalls von einer großen Schrebergartenanlage eingerahmt, die außerstande sei, einen Bebauungszusammenhang mit Einzelhäusern herzustellen. Auch mit diesem Vortrag vermag die Klägerin nicht durchzudringen.

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Eine – durch verbindliche Bauleitplanung nicht geordnete – Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist ein Vorgang der städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise, die zu vermeiden ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB ist. Die Anschlussbebauung von der bebauten Ortslage aus in den Außenbereich hinein ist in der Regel ein Vorgang der – siedlungsstrukturell unerwünschten – Zersiedlung, wenn das Vorhaben konkret geeignet ist, Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen. In einem solchen Fall erfordern es die öffentlichen Belange, den ersten Ansätzen entgegenzutreten (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 25.01.1985, m.w.N.). Ein Vorhaben, durch das unter Auffüllung von Freiflächen zwischen Splittersiedlungen erst ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil entstehen oder ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil durch Bebauung eines Zwischenraums zu einer vorhandenen Splittersiedlung erweitert würde, beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung öffentliche Belange (BVerwG, Beschl. v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 –, ZfBR 2000, 425). Entsprechendes gilt, wenn durch ein Vorhaben der Ortsteil weiter in den Außenbereich hinein erweitert und durch eine deshalb zu befürchtende Nachfolgebebauung der Freiraum bis zu einer bislang einen Siedlungssplitter darstellenden Bebauung aufgefüllt würde (vgl. OVG NW, Beschl. v. 17.10.2007 – 7 A 1930/07 –, Juris).

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Die vom Verwaltungsgerichts in der Sache getroffene Einschätzung, die Gefahr einer solchen Nachfolgebebauung bestehe für den gesamten Bereich der von den Straßen „A-Straße“ und „E-Straße“ und dem Wohngebiet „S-Breite“ umschlossenen Fläche, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Würde das Vorhaben der Klägerin verwirklicht, könnte einer Nachfolgebebauung auf diesen (Teil-)Flächen in der Tat nur noch schwerlich etwas entgegengesetzt werden. Diese befinden sich in einer vergleichbaren planungsrechtlichen Situation wie die zur Bebauung vorgesehenen Teilflächen der Grundstücke der Klägerin. Sie liegen zwar nicht zwischen dem Gebiet des Bebauungsplans „Am H-Busche“ und der Splittersiedlung an der A-Straße. Eine planungsrechtlich vergleichbare Konstellation ergibt sich aber aus ihrer Lage zwischen zwei beplanten Gebieten (Flurstücke 1284 und 1285) bzw. zwischen dem B-Plangebiet „Am H-Busche“ und dem Ortsteil westlich der Kleingartenanlage (Flurstück 1321/708). Den Eigentümern dieser Flächen könnte nicht mehr mit Überzeugungskraft entgegen gehalten werden, eine Bebauung über die Grenzen des Bebauungsplans „Am H-Busche“ hinaus in Richtung Wohngebiet „S-Breite“ oder in Richtung Stadtkern und damit eine Auffüllung der vorhandenen Freiflächen sei planungsrechtlich unzulässig, weil damit eine siedlungsstrukturell unerwünschte Ausweitung der Bebauung in den Außenbereich verbunden sei. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob diese Flächen Teil einer Splittersiedlung sind oder nicht.

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Unabhängig davon könnte auch einer Nachfolgebebauung auf den beiden Grundstücken der Klägerin selbst und eine damit einhergehende Auffüllung des Freiraums zwischen dem Baugebiet „Am H-Busche“ und der Splittersiedlung an der A-Straße nur noch schwerlich etwas entgegengesetzt werden, wenn das Vorhaben der Klägerin verwirklicht würde. Die Größe der Grundstücke der Klägerin ließe es jedenfalls zu, dass auf ihnen weitere Wohngebäude errichtet werden. Dem dürfte nicht entgegen stehen, dass die vorhandene (öffentliche) Erschließungsstraße des Baugebiets, die Straße „Am Hollerbusch“, (derzeit) an dem Wendehammer endet. Eine wegemäßige Erschließung weiterer Vorhaben auf den weiter südlich gelegenen Grundstücksteilen könnte durch eine von dieser Straße oder ggf. von der A-Straße aus über das Grundstück der Klägerin führende Zuwegung gesichert werden.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 9.1.1 und 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 [1328]).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.