Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 11. Sept. 2014 - 13 K 1830/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet
1
Tatbestand:
2Am späten Abend des °°. E. °°°° forderte die Polizei einen Krankentransportwagen zur Notfallrettung sowie einen Notarzt zur Polizeiwache C. an. Anlass hierfür war, dass der Kläger per SMS detaillierte Suizidgedanken geäußert und zudem Handlungen gegen seine Kinder beschrieben hatte. Er war daraufhin von Polizeibeamten zunächst auf die Polizeiwache verbracht worden. Dort wurde er dem Notarzt vorgestellt. Nachdem der Kläger einer psychiatrischen Vorstellung im T. . B. -Krankenhaus in C. eingewilligt hatte, transportierten ihn die Rettungssanitäter mit dem Krankentransportwagen von der Polizeiwache dort hin. Der ihn erstbehandelnde Notarzt stellte hierfür eine Verordnung zur Krankenbeförderung aus.
3Mit Gebührenbescheid vom 11. März 2013 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine „Einsatzpauschale RTW“ i.H.v. 363,00 € und eine „Einsatzpauschale NEF“ i.H.v. 410,00 € fest.
4Der Kläger legte mit Schreiben vom 18. März 2013 mit der Begründung, er habe weder die Polizei noch den Rettungsdienst gerufen, „Widerspruch“ gegen den Gebührenbescheid ein. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin schriftlich mit, dass ein Widerspruch nicht möglich und zulässiges Rechtsmittel die Erhebung einer Klage sei.
5Der Kläger hat am 2. April 2013 Klage gegen den Gebührenbescheid vom 11. März 2013 erhoben.
6Er hat keinen Klageantrag gestellt.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages führt sie aus, dass aufgrund der Tatsache, dass die Inanspruchnahme des Krankentransport-und Rettungsdienstes unstrittig stattgefunden habe, der Kläger hierfür hinreichende Veranlassung gegeben habe und privat versichert sei, der Gebührenbescheid rechtmäßig gegen den Kläger erlassen worden sei.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten genommen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12Das Gericht kann trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser mit der ordnungsgemäßen Ladung hierauf hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
13Die zulässige Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Fall VwGO ist unbegründet. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 11. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
14Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes sind die §§ 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) i.V.m. der Satzung der Stadt C. über die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme des Rettung- und Krankentransportdienstes vom 08.05.2009 in der Form der ersten Änderung vom 13.12.2012 (im folgenden Rettungsdienstgebührensatzung – RGS – genannt). Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
15Der Kläger ist auch zu Recht als Gebührenschuldner gemäß § 3 RGS herangezogen worden. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift ist Gebührenschuldner derjenige, der die Einrichtung des Krankentransport-und Rettungsdienstes in Anspruch nimmt. Die Inanspruchnahme beginnt mit der Bestellung (Abs. 1 S. 2).
16Inanspruchnahme bedeutet dabei willentliche Entgegennahme der Leistung.
17Hiernach hat der Kläger die in Rede stehende Leistung des Rettungsdienstes als Benutzer des Rettungstransportwagens in Anspruch genommen, indem er von der Polizeiwache C. in das T. .-B. -Krankenhaus in C. transportiert worden ist. Ausweislich der Ausführungen zum Notfallgeschehen im Notarzteinsatzprotokoll hat der Kläger einer psychiatrischen Vorstellung im T. . B. -Krankenhaus C. auch zugestimmt. Dies lässt nur darauf schließen, dass er freiwillig und ohne Zwang mit dem Rettungstransportwagen in das Krankenhaus transportiert worden ist. Dagegen ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Frage der Inanspruchnahme nicht erheblich, wer den Rettungsdienst informiert hat. Wer anlässlich eines Notfalls den Rettungsdienst hierüber informiert, nimmt, wenn er im konkreten Fall nicht selbst Notfallpatient ist, damit nicht selbst den Rettungsdienst in Anspruch.
18Der Kläger nahm den städtischen Rettungsdienst auch entsprechend der in § 2 Rettungsdienstgesetz normierten Aufgabenstellung in Anspruch. Gemäß § 2 Abs. 1 RettG ist es Aufgabe des Rettungsdienstes, bei Notfallpatientinnen und Notfallpatienten lebensrettende Maßnahmen am Notfallort durchzuführen, deren Transportfähigkeit herzustellen und sie unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und Vermeidung weiterer Schäden mit Notarzt- oder Rettungswagen oder Luftfahrzeugen in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu befördern. Notfallpatientinnen und Notfallpatienten sind Personen, die sich in Folge von Verletzung, Krankheit oder sonstigen Umständen entweder in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhalten.
19Die der Anforderung eines Rettungstransportwagens zugrunde liegende Annahme eines solchen Notfalles seitens der Rettungsdienstkräfte war aufgrund der vom Kläger geäußerten Suizidgedanken zweifellos gerechtfertigt. Im Rahmen der von ihnen durchgeführten ex-ante-Betrachtung war eine Gesundheits- und sogar Lebensgefahr für den Kläger jedenfalls nicht ausgeschlossen.
20Dem damit zu Recht von der Beklagten in Anspruch genommenen Kläger bleibt nur die Möglichkeit, vom zuständigen Krankenversicherungsträger oder ggf. von seiner privaten Krankenversicherung Ersatz der Gebühren zu verlangen, zumal dem Kläger die Erforderlichkeit des Rettungstransportes seitens des ihn untersuchenden Notarztes durch eine „Verordnung einer Krankenbeförderung“ bescheinigt worden ist.
21Der Gebührenbescheid ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden. Der für die Inanspruchnahme eines Krankenkraftwagens zur Notfallrettung gemäß § 2 Abs. 1 RettG NRW in Rechnung gestellte Betrag von 363,00 € stimmt mit Ziffer 2 und der für die Inanspruchnahme eines Notarzteinsatzfahrzeuges nebst Notarztes, ärztlicher Leistungen und eingesetzter Medikamente in Rechnung gestellte Betrag von 410,00 € mit Ziffer 3 des Gebührentarifes in der Anlage zur Rettungsdienstsatzung überein.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.