Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 14. Nov. 2007 - 7 K 1854/05

bei uns veröffentlicht am14.11.2007

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Der am … in der Türkei geborene Kläger ist kurdischer Volks- und moslemischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 13.07.1992 mit seiner Ehefrau (F.) und einem der gemeinsamen Kinder auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Drei weitere aus der Ehe hervorgegangene Kinder reisten im Sommer 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein. 1994/1995 reiste die „Zweitfrau“ des Klägers (Y.), mit der er nach eigenen Angaben nach muslimischem Ritus verheiratet ist, mit sechs Kindern nach Deutschland ein, die aus der Verbindung mit ihr und dem Kläger hervorgegangen sind. Mit Bescheid vom 23.03.1998 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Am 23.04.1998 erteilte das Landratsamt Emmendingen dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Der zu diesem Zeitpunkt mit seiner Ehefrau, seiner „Zweitfrau“ und 12 seiner 17 Kinder in W. (K.), wohnhafte Kläger stellte am 18.09.2000 beim Landratsamt Emmendingen einen Antrag auf Einbürgerung nach § 85 AuslG. Aufgrund eines am 05.06.2001 durchgeführten Sprachtests kam das Landratsamt Emmendingen zu der Beurteilung, die Sprachkenntnisse des Klägers seien eher schlecht und ein weiterer Test sei erforderlich. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 16.11.2001 führte das Landratsamt Emmendingen aus, anlässlich seiner Sprachprüfungen habe festgestellt werden müssen, dass er der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Auch setze die Einbürgerung voraus, dass der Einbürgerungsbewerber für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen den Unterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Der Kläger beziehe bereits seit Jahren Sozialhilfe und lebe in einer Obdachlosenunterkunft. Darüber hinaus widerspreche das Führen einer Doppelehe der hiesigen Rechts- und Wertordnung. In einem Aktenvermerk des Landratsamts Emmendingen vom 03.12.2001 heißt es, der Kläger habe gebeten, keinen Ablehnungsbescheid zu erlassen. Er bemühe sich um die Teilnahme an einem Sprachkurs und wolle den Sprachtest wiederholen. Ihm sei erklärt worden, dass es nicht dem deutschen Rechtswesen entspreche, zwei Ehefrauen zu haben. Der Kläger habe erwidert, die zweite Frau sei nur seine Freundin. Unter dem 06.06.2002 teilte das Landratsamt Emmendingen dem Kläger mit, leider habe er die Sprachprüfung am 15.05.2002 nicht bestanden. Nachdem dies nun bereits die dritte Sprachprüfung gewesen sei, sei man nicht mehr bereit, den Antrag zurückzustellen. Daraufhin nahm der Kläger mit Schreiben vom 10.06.2002 den Einbürgerungsantrag zurück.
Ab 05.09.2002 war der Kläger mit Hauptwohnung in Hamburg und mit Nebenwohnung in W. gemeldet. Er stellte bei der Freien und Hansestadt Hamburg einen Einbürgerungsantrag. Er erklärte, er lebe seit 05.09.2002 getrennt. Mit Einbürgerungsverfügung vom 25.03.2003 stellte die Stadt Hamburg fest, die Erfordernisse für die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit seien erfüllt. Am 26.03.2003 unterzeichnete der Kläger ein „Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung - Loyalitätserklärung -„. Zugleich erhielt er die am 25.03.2003 ausgefertigte Einbürgerungsurkunde. Am 05.05.2003 beantragte der Kläger bei der Stadt F. die Gewährung von Sozialhilfe. Er erklärte, er sei am 01.05.2003 von Hamburg nach F. gezogen. In Aktenvermerken des Landratsamts Emmendingen vom 09.10.2003 und vom 04.05.2004 heißt es, der Kläger habe sich ab 29.08.2003 mit alleinigem Wohnsitz in F., und ab 23.10.2003 mit alleinigem Wohnsitz in W. angemeldet. Am 23.10.2003 erklärten der Kläger und seine Ehefrau, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr dauernd getrennt.
Mit Schreiben vom 30.03.2005 teilte das Landratsamt Emmendingen dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, die Einbürgerung wegen Unzuständigkeit der Behörde, wegen arglistiger Täuschung und wegen Unwirksamkeit des Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zurückzunehmen. Der Kläger habe sich in Hamburg nur angemeldet, um sich einbürgern zu lassen. In Wirklichkeit habe er seinen dauernden Aufenthalt immer in W. gehabt. In seinem Einbürgerungsantrag habe er wahrheitswidrig angegeben, es handle sich um seinen „Erstantrag“, um so eine Nachfrage der Hamburger Behörde beim Landratsamt Emmendingen zu verhindern. Außerdem habe er bewusst über sein Getrenntleben von seiner Ehefrau getäuscht. Schließlich habe er ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben, obwohl er mit zwei Frauen verheiratet sei und gewusst habe, dass dies einer Einbürgerung entgegenstehe. Das Bekenntnis sei somit unwirksam, so dass es an einer wesentlichen Einbürgerungsvoraussetzung fehle. Der Einwand, Y. sei nur eine Freundin, werde als Schutzbehauptung gewertet. Es sei unglaubwürdig, dass ein Muslim mit seiner Freundin acht Kinder zeuge und mit ihnen und seiner ersten Frau unter einem Dach zusammenlebe. Der Kläger erwiderte: Er sei in Hamburg wohnhaft gewesen. Der zeitweilige Umzug habe familiäre Gründe gehabt. Er habe angegeben, dass es sich um einen Erstantrag handle, weil er der Auffassung gewesen sei, dass es sich erst dann um ein anzugebendes Verfahren handle, wenn es zu einer Entscheidung gekommen sei. Auch über das Getrenntleben von seiner Ehefrau habe er nicht getäuscht. Es bestehe kein Anlass, an seinem Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu zweifeln. Standesamtlich habe er lediglich F. geheiratet. Y. gelte nach deutschem Recht nicht als Ehefrau. Entsprechend habe sie auch im Asylverfahren kein Familienasyl erhalten.
Mit Bescheid vom 22.04.2005 nahm das Landratsamt Emmendingen die Einbürgerung des Klägers in den deutschen Staatsverband mit Wirkung zum 26.03.2003 zurück. Der Kläger wurde aufgefordert, umgehend die Einbürgerungsurkunde, seinen deutschen Reisepass und seinen Bundespersonalausweis dem Landratsamt Emmendingen auszuhändigen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Einbürgerung durch die Freie und Hansestadt Hamburg sei rechtswidrig gewesen. Die Behörde sei nicht zuständig gewesen. Die Einbürgerung sei durch arglistige Täuschung erschlichen worden. Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei unwirksam. Es gebe mehrere Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger während des in Hamburg laufenden Verfahrens überwiegend in W. aufgehalten habe. Beide Frauen und sämtliche Kinder seien weiterhin in W. wohnhaft gewesen, der Kläger sei mit Nebenwohnsitz in W. gemeldet gewesen, ein Mietvertrag für die Wohnung in Hamburg sei nicht vorgelegt worden, die Getrenntlebend-Erklärung sei erst zwei Tage vor der Einbürgerung in W. abgegeben worden. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger von Hamburg nach W. gefahren sei, um dort eine solche Erklärung abzugeben. Als Wohnung sei in der Erklärung über das Getrenntleben weiterhin W. angegeben. In den Akten befinde sich eine ärztliche Bescheinigung eines Arztes aus W. vom 14.03.2003. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ein Mensch, der in Hamburg wohne, einen Arzt in W. konsultiere, selbst wenn er bei diesem früher in Behandlung gewesen sei. Die Frist nach § 48 Abs. 4 LVwVfG sei gewahrt. Die Jahresfrist gelte nicht im Fall arglistiger Täuschung nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG. Das Landratsamt Emmendingen habe bereits im November 2003 erfahren, dass er eingebürgert worden sei. Die mit Schreiben vom 25.11.2003 angeforderten Akten der Stadt Hamburg seien aber erst nach Intervention des Innenministeriums Baden-Württemberg am 26.04.2004 beim Landratsamt Emmendingen eingegangen. Die Rücknahme unterliege dem Ermessen der Behörde. Hier seien jedoch keine Gesichtspunkte erkennbar, die zugunsten des Klägers angeführt werden könnten.
Der Kläger erhob am 27.04.2005 Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf den Vortrag im Schreiben vom 11.04.2005.
Der Kläger beantragte am 10.05.2005 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und trug u. a. vor, die Tatsache, dass er mit seiner Ehefrau und mit der nach islamischem Recht angetrauten zweiten Frau zusammen 17 Kinder habe und zeitweilig auch mit beiden Frau zusammengelebt habe, verstoße keineswegs gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Lebensgemeinschaften ehelicher und familiärer Art, die wie die Mehrehe nach Maßgabe ausländischen Rechts eingegangen worden seien, nicht ohne weiteres dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterlägen, sage nichts über die Frage, ob ein Ausländer, der in einer solchen Lebensgemeinschaft lebe, eingebürgert werden könne. Eine solche moralische Bedingung kenne das Einbürgerungsrecht nicht. Es wäre auch schwer mit der Tatsache zu vereinbaren, dass deutsche Staatsbürger in allen möglichen Lebensgemeinschaften zusammenlebten. Dem Sachbearbeiter in Hamburg habe er alles gesagt, was dieser habe wissen wollen. Der habe auch gesagt, dass zunächst seine Akte in Emmendingen angefordert werde. Seine Lebensumstände und die Zahl seiner Kinder, die in W. lebten, habe er dem Sachbearbeiter gesagt und der habe es eingetragen. Er habe auch erklärt, dass ein Teil seiner Kinder ehelich sei, ein anderer Teil nichtehelich. Darüber hinaus sei er nichts gefragt worden, insbesondere nicht, ob er mit der Mutter seiner nichtehelichen Kinder zusammenlebe.
Die erkennende Kammer hat mit Beschluss vom 09.06.2005 - 7 K 1006/05 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Landratsamts Emmendingen vom 22.04.2005 wiederhergestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch bezüglich der Nrn. I bis III, V und VI der Entscheidung des Landratsamts mit der Maßgabe zurück, dass die Ziff. III Satz 1 die Fassung erhalte, der Kläger werde aufgefordert, dem Landratsamt Emmendingen nach Bestands- bzw. Rechtskraft dieser Entscheidung die genannten Unterlagen auszuhändigen. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt: Für die Zuständigkeit im Einbürgerungsverfahren komme es nicht auf den melderechtlichen Status, sondern auf den dauernden, also tatsächlichen Aufenthalt an. Bei der Rücknahme seines Einbürgerungsantrags beim Landratsamt Emmendingen am 10.06.2002 habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde der Stadt Hamburg erwähnt, von der bekannt sei, dass sie solche „Schwierigkeiten wie in Emmendingen nicht mache“. Nicht einmal drei Monate später habe sich der Kläger ohne seine Familie in Hamburg angemeldet. Die Behauptung, der Kläger sei zweimal innerhalb von zehn Tagen (am 14.03.2003 und am 24.03.2003) nach W. gefahren, um einmal seinen Arzt zu besuchen und zum anderen die Getrenntlebend-Erklärung in W. abzugeben, obwohl er beides bei einem tatsächlichen dauernden Aufenthalt in Hamburg hätte dort bewerkstelligen können, sei unglaubwürdig. Dies gelte auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger kein Einkommen habe, sondern Sozialhilfeempfänger sei. Der Kläger habe weder angeführt, welche familiären Probleme bestanden haben sollten, noch worin die gute Möglichkeit gelegen habe, in Hamburg zu wohnen bzw. zu leben.
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Der Kläger hat am 07.10.2005 Klage erhoben. Ergänzend trägt er vor: Gemäß Art. 16 GG dürfe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden. Jedenfalls nur in schwerwiegenden Fällen von Täuschung sei der Staat berechtigt, eine einmal erteilte Einbürgerung zurückzunehmen. Er habe in Hamburg Wohnsitz genommen, um Abstand zu gewinnen von der familiären Situation. In Hamburg habe er einen Landsmann (B.) gekannt, der ihm ein Zimmer habe vermieten können. Auch nach seinem Umzug habe er weiterhin seinen Arzt in W. gehabt, der ihn seit langen Jahren kenne und auf dessen Behandlung er im Hinblick auf seine Herzinfarkte und andere schwerwiegende Erkrankungen großen Wert lege. Er sei dahingehend informiert worden, dass für die Getrenntlebend-Erklärung W. zuständig sei, weil die Ehe bzw. der letzte gemeinschaftliche Wohnsitz der Ehepartner in W. gewesen sei. Er (der Kläger) sei ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Hamburger Behörde mit der Anforderung der Akte in Emmendingen über sämtliche Vorgänge informiert sei. Die Frist des § 48 Abs. 4 LVwVfG sei nicht gewahrt. Der Beklagte sei unabhängig von der Kenntnis der Hamburger Akte in der Lage gewesen, nachzuprüfen, ob der Kläger die Einbürgerung durch arglistige Täuschung erlangt habe. Insbesondere habe er überprüfen können, ob der Kläger seinen dauernden Aufenthalt weiterhin in W. gehabt habe. Im Übrigen habe das Innenministerium Baden-Württemberg bereits Anfang April 2004 über die Akte verfügt.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Landratsamts Emmendingen vom 22.04.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27.09.2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ergänzend führt er aus: Hamburg biete sich für einen in W. ansässigen Menschen nicht für einen Wohnsitzwechsel an, wenn er weiterhin mit seiner Familie und mit seinem Arzt in regelmäßiger Verbindung bleiben möchte. Die vom Kläger geführte Doppelehe verstoße nach wohl überwiegender Auffassung nicht gegen den ordre public des Art. 6 EGBGB, so dass es durchaus möglich sei, als Ausländer in Deutschland gemeinsam mit beiden Frauen und sämtlichen Kindern zu leben. Einer Einbürgerung stehe das insoweit entgegen, als hierin ein Verstoß gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu sehen sei. Dieses Prinzip werde insoweit durch die islamische Mehrehe verletzt, als diese nur dem Mann nicht aber der Frau gestattet sei. Daher sei offensichtlich, dass der Kläger keine innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland dokumentiert habe.
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In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2007 hat die Kammer den Kläger angehört und zu der Frage, wo hielt sich der Kläger in den Jahren 2002 und 2003 auf, die Zeugen B., F. und Y. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
17 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts Emmendingen (zwei Bände), des Regierungspräsidiums Freiburg (ein Heft), die Sozialhilfeakten des Landratsamts Emmendingen (Bände V und VI), ein Heft Akten der Arbeitsgemeinschaft Emmendingen, ein Heft Sozialhilfeakten der Stadt F., ein Heft Akten der Arbeitsgemeinschaft F. sowie die Gerichtsakten 7 K 1006/05 und A 7 K 11984/95 vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts Emmendingen vom 22.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27.09.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung kann grundsätzlich § 48 Abs. 1 LVwVfG sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, DVBl 2006, 910; BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132/07 -, in juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.09.2007 - 13 S 2794/06 - u. v. 09.08.2007 - 13 S 2885/06 -, in juris). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a. a. O.) hat hierzu ausgeführt, die im Staatsangehörigkeitsrecht vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit stellten kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln solle, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kämen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthalte nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt seien. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG, auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthielten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. § 24 StAngRegG sei nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 85 ff. AuslG anwendbar.
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Der Beklagte ist für die Rücknahme der von der Freien und Hansestadt Hamburg vorgenommenen Einbürgerung zuständig. Gemäß § 45 Abs. 5 LVwVfG entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (BVerwG, Beschl. v. 25.08.1995, DÖV 1995, 1046). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 a LVwVfG ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Der Kläger hatte am 22.04.2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in W. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 04.05.2004 zog der Kläger am 23.10.2003 nach W. (alleiniger Wohnsitz). Der Kläger und seine Ehefrau erklärten am 23.10.2003, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr dauernd getrennt, W. verfügte, der Kläger werde rückwirkend zum 23.10.2003 wieder in die Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen, er habe sich am 23.10.2003 wieder in W. mit alleinigem Wohnsitz angemeldet. Im Widerspruchsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.04.2005 ist die Anschrift des Klägers in W. angegeben.
21 
Der Beklagte hat die Einbürgerung auch innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG zurückgenommen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Erst die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinn, die für die Entscheidung der Behörde über die Rücknahme relevant sind oder sein können einschließlich der für die zu treffende Ermessensentscheidung u. U. relevanten Tatsachen, setzt die Frist in Lauf (vgl. Kopp/Ramsauer, 9. Aufl, VwVfG, § 48 RdNr. 152 ff.). Die erforderliche Kenntnis hatte das Landratsamt Emmendingen erst, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2005 zur beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung angehört worden war. Zudem lagen die Akten der Freien und Hansestadt Hamburg dem Landratsamt Emmendingen erst am 26.04.2004 vor. Dass die Akten schon früher beim Innenministerium Baden-Württemberg eingegangen waren, ist unerheblich, denn die Kenntnis einer anderen Behörde genügt nicht. Vielmehr ist die Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme zuständigen Amtswalters erforderlich. Dieser muss die die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen kennen. Die Tatsachen müssen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1985, NVwZ 1986, 119; Urt. v. 24.01.2001, BVerwGE 112, 360; Kopp/Ramsauer, a. a. O., RdNr. 158).
22 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben. Die Vorschrift bedarf verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbare Weise erwirkt worden ist.
23 
Die mit Bescheid vom 22.04.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung ist „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Der Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, ist offen. In seinem Urteil vom 09.08.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, bei einem Zeitraum von über 10 Jahren könne jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. In seinem Urteil vom 17.09.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen sei und dass es sich bei dem Zeitraum vom 22.05.2003 bis 31.08.2005 (knapp über zwei Jahre) noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. In dem vom Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) zu entscheidenden Fall lag zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme ein Zeitraum von weniger als 25 Monaten (02.02.2000 - 27.02.2002). Im vorliegenden Fall beträgt der Zeitraum ebenfalls weniger als 25 Monate (25.03.2003 - 22.04.2005). Damit ist die gebotene Rechtssicherheit auch im vorliegenden Fall noch gewährleistet ist.
24 
Die nach § 85 AuslG vorgenommene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig. Denn sie ist von der örtlich unzuständigen Behörde vorgenommen worden (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 48 RdNr. 52). Gemäß § 91 Satz 2 AuslG in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung gelten für das Verfahren bei der Einbürgerung einschließlich der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit die Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts. Nach §§ 17 Abs. 1, 27 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung ist zuständig zur Einbürgerung die Einbürgerungsbehörde, in deren Bereich der Erklärende oder der Antragsteller seinen dauernden Aufenthalt hat. Der Begriff des dauernden Aufenthalts stimmt mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Wesentlichen überein (Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 91 RdNr. 4). Unter gewöhnlichem Aufenthalt ist das längere Verweilen mit der Absicht des Verbleibens zu verstehen. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich u. U. aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt. Der Lebensmittelpunkt muss auf absehbare Dauer an diesem Ort bestehen (vgl. Renner, a. a. O., § 85 RdNr. 11).
25 
Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger in der Zeit vom 05.09.2002 (Antragstellung) bis zur Einbürgerung (März 2003) seinen Lebensmittelpunkt nicht in Hamburg hatte.
26 
Die Behauptung des Klägers, er habe zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg gehabt, ist widerlegt. Zwar hat der Kläger angegeben, er sei im Juni oder Juli 2002 nach Hamburg gegangen. Auch war er ab 05.09.2002 mit Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet. Der Kläger war aber am 09.09.2002 persönlich beim Landratsamt Emmendingen. In einem Aktenvermerk des Sozialamts vom 09.09.2002 heißt es, der Kläger habe am 09.09.2002 vorgesprochen und mitgeteilt, dass die Hilfegewährung für ihn ab Oktober 2002 eingestellt werden könne; er beabsichtigte, zu einem seiner Neffen zu ziehen. Auf Frage, wohin er verziehen werde, habe der Kläger noch keine konkrete Auskunft geben können; er habe gemeint, entweder Köln oder Hamburg; er habe in Deutschland neun Neffen (u. a. in Köln und Hamburg). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt erklärt, das habe er nie gesagt; ob er im September 2002 beim Sozialamt in Emmendingen gewesen sei, daran könne er sich nicht erinnern. Das unsubstantiierte Bestreiten des Klägers führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit des Aktenvermerks. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiterin des Sozialamts den Sachverhalt erfunden haben könnte. Daher kann dem Kläger nicht geglaubt werden, dass er bereits im Juni oder Juli 2002 in Hamburg auf Wohnungssuche war und ab 05.09.2002 dort wohnte. Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt - vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde - dauernden Aufenthalt in Hamburg genommen hat. Vielmehr bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er sich lediglich in Hamburg angemeldet hat, - ohne auf Dauer dort zu leben - um dort seine Einbürgerung zu erreichen.
27 
Im Widerspruchsbescheid heißt es, bei der Rücknahme seines Einbürgerungsantrags beim Landratsamt Emmendingen habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde der Stadt Hamburg erwähnt, von der bekannt sei, dass sie solche „Schwierigkeiten wie in Emmendingen nicht mache“. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten erklärt, diese Äußerung sei tatsächlich gefallen. Auch hierzu hat der Kläger angegeben, das habe er nicht gesagt. Hinweise darauf, dass ein Vertreter bzw. Mitarbeiter des Landratsamts Emmendingen wahrheitswidrig angegeben haben könnte, der Kläger habe sich entsprechend geäußert, bestehen nicht.
28 
Des Weiteren fehlt es an einem widerspruchsfreien Vortrag zur angeblichen Unterkunft des Klägers in Hamburg. Im Einbürgerungsantrag ist eingetragen, die Miete des Klägers betrage etwa 200,-- EUR einschließlich Nebenkosten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, in Hamburg habe er keine Miete bezahlt; selbst wenn es in seinem Antrag auf Einbürgerung stehe, er habe nichts bezahlt; wie die Angabe in den Antrag komme, wisse er nicht. Zutreffend ist, dass die Angabe wohl nicht vom Kläger sondern vom Sachbearbeiter eingetragen wurde. Der Kläger hat den Antrag aber unterschrieben und bestätigt, er habe ihn selbst gelesen und genehmigt. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 im Verfahren 7 K 1006/05 hat der Kläger angegeben, die meisten Eintragungen seien vom Sachbearbeiter auf seine Angaben hin eingetragen worden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sachbearbeiter einen bestimmten Mietzins eingetragen haben könnte, ohne dass der Kläger entsprechende Angaben gemacht hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 erklärt, in Hamburg habe er einen Mietvertrag gehabt, den er bei der Anmeldung auch vorgelegt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hingegen angegeben, von einem Mietvertrag wisse er nichts, er wisse auch nichts davon, dass er einen solchen Mietvertrag der Behörde vorgelegt habe. Nach Auffassung der Kammer sind diese Widersprüche ein weiteres Indiz dafür, dass der Kläger nicht in Hamburg gelebt hat und dass seine Angaben zur Unterkunft nicht der Wahrheit entsprechen.
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Gegen einen längeren Aufenthalt des Klägers in Hamburg spricht weiter, dass er u. a. am 14.03.2003 - wie er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben hat - seinen Arzt in W. aufsuchte - auf dessen Behandlung er nach den Ausführungen in der Klagebegründung großen Wert legt - und am 24.03.2003 die Erklärung, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe, in W. abgab. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, es sei richtig, dass er die Erklärung abgegeben habe, er sei mit dem Schnellzug hergefahren und gleich wieder zurück. Allerdings ist der Akte der Stadt Hamburg zu entnehmen, dass der Kläger die Erklärung dort nicht persönlich vorlegte. Vielmehr ging die Erklärung noch am 24.03.2003 per Telefax bei der Stadt Hamburg ein. Die Erklärung wurde - soweit ersichtlich - 08.45 Uhr an die B. GmbH Hamburg geschickt und von dieser 11.45 Uhr an die Stadt Hamburg weitergeleitet. Dass die Erklärung an die Stadt Hamburg geschickt wurde, erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht.
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Unklar geblieben ist zudem, wie der Kläger seinen angeblichen Aufenthalt in Hamburg und die zahlreichen Fahrten nach F. bzw. W. finanziert haben will. In der Sozialhilfeakte der Stadt F. heißt es in einem Aktenvermerk vom 12.05.2003 unter „Lebensunterhalt in Hamburg“, der Neffe des Klägers habe sämtliche Kosten bezahlt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei von B. versorgt worden, auch A. habe ihm Geld gegeben; manchmal hätten ihn auch seine Kinder mit Geld unterstützt; daran, ob ihm B. auch Geld gegeben habe, könne er sich nicht mehr erinnern; immer wenn er Geld gebraucht habe, habe ihm einer von beiden Geld gegeben; er nehme von jedem Geld und verzichte auf Sozialhilfe. Dieser Vortrag ist im Hinblick darauf, dass der Kläger bis einschließlich September 2002 vom Landkreis Emmendingen und ab 05.05.2003 von der Stadt F. Sozialhilfe erhielt, nicht nachvollziehbar.
31 
Weitere Umstände sprechen dafür, dass der Kläger seinen dauernden Aufenthalt nicht in Hamburg hatte: Er war weiterhin mit Nebenwohnsitz in W. gemeldet, obwohl er angeblich nie dort übernachtete und nicht mit seinen Frauen sprach. Mit Verfügung vom 09.10.2001 war der Kläger in die gemeindliche Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen worden, diese Verfügung wurde erst zum 29.08.2003 aufgehoben. Nicht plausibel ist des weiteren, warum der mittellose Kläger gerade nach Hamburg gezogen sein sollte, obwohl seine Kinder in F. und W. wohnten, so dass der kranke Kläger lange Fahrten und hohe Kosten hätte in Kauf nehmen müssen, um seine Kinder - wie angeblich geschehen - zu besuchen. Mit welchen Zügen und mit welchen Fahrkarten und wie oft der Kläger angeblich in den Raum F. fuhr, konnte er nicht plausibel darlegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er (bei Besuchen) am selben Tag zurückgefahren sei; wie oft er von Hamburg nach F. gefahren sei, wisse er nicht; er wisse auch nicht, ob es jede Woche oder jeden Monat gewesen sei; er sei manchmal drei oder vier Tage bei seinen Kindern gewesen; es sei nicht so, dass er am Samstag gekommen und am Sonntag schon wieder gefahren sei. In der eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 hat der Kläger erklärt, in Hamburg habe er eine gute Möglichkeit gehabt, zu wohnen und zu leben. In der mündlichen Verhandlung hat er hingegen angegeben, er habe eine Wohnung gesucht, aber keine gefunden; Anfang des neunten Monats habe er sich dann wegen einer Wohnung an B. gewandt. Auch das Argument, er sei nach Hamburg gezogen, um Abstand zu gewinnen bzw. um möglichst weit weg zu sein, überzeugt angesichts der angeblich wiederholten Besuche des Klägers bei seinen Kindern nicht. Auch nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger kurze Zeit nach Erhalt der Einbürgerungsurkunde nicht (mehr) in Hamburg gelebt. In der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er meine, er sei im Jahre 2003 im fünften oder sechsten oder vierten Monat von Hamburg wieder zurückgekehrt. Gegenüber dem Sozialamt F. hat der Kläger angegeben, er habe ab 01.05.2003 eine Wohnung in F. gemietet. Unter dem am 05.05.2003 gestellten Sozialhilfeantrag steht „K., 03.05.03“. Auf Vorhalt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei nicht richtig, dass K. als Ausstellungsort angegeben sei; wer das Wort K. eingetragen habe, wisse er nicht; in dem Antrag stamme nur die Unterschrift von ihm, er sei doch nicht verrückt, er schreibe doch nicht K., wenn er in F. einen Antrag stelle. Der Umstand, dass der Antrag offenbar in W., Ortsteil K., ausgefüllt wurde, spricht dafür, dass der Kläger damals bei seinen Frauen in W. lebte und nicht von Hamburg nach F. zog.
32 
Auch aufgrund der Angaben des Zeugen B. hat die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg hatte. Der Aussage des Zeugen ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt auf absehbare Dauer in Hamburg hatte. Zwar hat der Zeuge angegeben, der Kläger sei auch sehr oft eine ganze Woche in Hamburg gewesen; er habe ja auch noch andere Verwandte in Hamburg gehabt. Der Zeuge hat aber auch erklärt, der Kläger sei ab und zu von Hamburg weggefahren, er sei in F. oder Lübeck gewesen, manchmal sei er auch eine ganze Woche weggewesen. Zudem bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Er hat angegeben, er habe dem Kläger jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben. Hingegen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung u. a. ausgeführt, ob ihm der Zeuge auch Geld gegeben habe, daran könne er sich nicht erinnern. Es liegt aber nahe, dass sich der Kläger erinnern würde, wenn der Zeuge ihm jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben hätte.
33 
Die Zeugin F. konnte nicht bestätigen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg hatte. Sie hat angegeben, sie wisse nichts darüber, ob er in Hamburg gewesen sei. Der Zeugin kann aber auch nicht geglaubt werden, dass der Kläger nach einem Streit um Geld weggegangen und nicht wieder in die eheliche Wohnung in W. zurückgekommen ist bzw. nicht mehr dort übernachtet hat. Die Erklärung, der Kläger lebe von seiner Ehefrau seit 05.09.2002 dauernd getrennt, wurde am 24.03.2003 in W. von der Zeugin F. und vom Kläger unterzeichnet. Der Kläger muss also mit der Zeugin gesprochen und mit ihr beim Amt für öffentliche Ordnung gewesen sein. Am 23.10.2003 haben F. und der Kläger bei W. eine Erklärung unterzeichnet, in der es heißt, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr getrennt. Ab diesem Tag wurde der Kläger auch wieder in die Obdachlosenunterkunft W. eingewiesen. Vom Sozialamt des Landkreises Emmendingen erhielten die Zeugin, der Kläger und ihre Kinder ab Oktober 2003 wieder als Bedarfsgemeinschaft Sozialhilfe. Der Kläger beantragte am 15.04.2004 und am 24.09.2004 für die Bedarfsgemeinschaft die Gewährung von Bekleidungsgeld. In einem Aktenvermerk des Sozialamts des Landkreises Emmendingen heißt es, bei einem Hausbesuch am 02.11.2004 habe der Kläger angegeben, er habe zwei Ehefrauen und besitze in jedem Stockwerk ein Schlafzimmer mit Doppelbett. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Frage erklärt, im Oktober 2003 habe er eine Erklärung abgegeben, dass er nicht mehr von seiner Frau F. getrennt lebe, er habe sie um Verzeihung gebeten, sie hätten sich kurz vertragen, er habe sich damals auch in W. angemeldet; als es um das Geld gegangen sei, hätten sie sich erneut gestritten. Somit ist aufgrund der Aussage der Zeugin F. auch nicht bewiesen, dass der Kläger seit 2002 nicht in W. gelebt hat.
34 
Auch die Zeugin Y. hat nicht bestätigt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Einbürgerung in Hamburg gelebt hat. Zwar hat sie angegeben, er sei seit etwa fünf Jahren weg, sie hat aber zugleich ausgeführt, sie wüsste nicht, wo er hingegangen sei. Die Angabe der Zeugin, sie und der Kläger hätten seit fünf Jahren ununterbrochen getrennt gelebt, ist zudem unglaubwürdig. Wie oben ausgeführt, bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger jedenfalls von Oktober 2003 bis April 2005 in häuslicher Gemeinschaft mit F. und Y. in W. gelebt hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben, er wohne mit seiner Frau Y. in Freiburg. In einem von Y. unterzeichneten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 18.04.2005 wird der Kläger als Partner in eheähnlicher Lebensgemeinschaft bezeichnet. Entsprechend bewilligte die Arbeitsgemeinschaft Freiburg mit an Y. adressiertem Bescheid vom 18.05.2005 Leistungen auch für den Kläger als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Einlassung des Klägers, er habe sich ohne Zustimmung von Y. unter deren Anschrift angemeldet, ist nicht nachvollziehbar. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamts W. hatte der Kläger zudem am 18.10.2007 seinen Zweitwohnsitz unter der Anschrift von Y. in W. Auch dies spricht gegen ein dauerndes Getrenntleben seit 2002.
35 
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger selbst durch bewusste Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat, dass es sich also um eine „erschlichene“ Einbürgerung handelt. Denn der Kläger hat wahrheitswidrig behauptet, er wohne in Hamburg, um die Einbürgerung durch die dortige Behörde zu erwirken. Die falsche Angabe zum Wohnsitz war kausal dafür, dass die Stadt Hamburg den Kläger eingebürgert hat. Es handelt sich daher bei der Rücknahme der Einbürgerung um einen vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich durch Anwendung des § 48 LVwVfG“ lösen lässt (vgl. BVerfG, a. a. O.).
36 
Da aufgrund der Täuschung über den Aufenthalt des Klägers in Hamburg die Rücknahmemöglichkeit nach § 48 LVwVfG eröffnet ist, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Rücknahme auch aufgrund anderer vom Beklagten genannter Gesichtspunkte gegeben sind.
37 
Der Beklagte hat das ihm gemäß § 48 LVwVfG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Landratsamt Emmendingen hat erkannt, dass die Rücknahme im Ermessen der zuständigen Behörde liegt. Es hat ausgeführt, der Kläger werde durch die Einbürgerung nicht staatenlos, seine Integration habe nicht einen Stand erreicht, der es als unzumutbare Härte erscheinen ließe, in Deutschland wieder als Ausländer zu leben. Vielmehr seien seine Sprachkenntnisse so gewesen, dass ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 1 AuslG zu bejahen gewesen wäre. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da er alle Gründe für die Rücknahme seiner Einbürgerung selbst gesetzt und dabei keineswegs aus Unwissenheit gehandelt habe. Im Hinblick darauf, dass die Einbürgerung erst vor gut zwei Jahren erfolgt sei, sei es auch gerechtfertigt, die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu erklären. Im Widerspruchsbescheid wird weiter ausgeführt: Der Kläger erfülle weder aktuell noch nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung seit dem 01.01.2005 die Einbürgerungsvoraussetzungen, da er weiterhin die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG erfülle und daher weder eine Einbürgerung nach § 8 noch nach § 10 StAG möglich wäre. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger sich seit 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Eine Ausweisung habe der Kläger als Asylberechtigter auch nach Rücknahme der Einbürgerung nicht zu fürchten, so dass ein Aufenthalt in Deutschland unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit gesichert sei. Von den übrigen Mitgliedern der Familie besitze nach Aktenlage keines die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Frage des Grundsatzes der einheitlichen Staatsangehörigkeit zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie sei daher nicht zu prüfen.
38 
Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte schutzwürdige Belange des Klägers verkannt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.; Hamb. OVG, Beschl. v. 28.08.2001, NVwZ 2002, 885; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.; Engst, Die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte am Beispiel der Einbürgerung, JuS 2007, 225).
39 
Insbesondere ist die Ermessensentscheidung nicht deshalb fehlerhaft, weil im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung eine Einbürgerung rechtlich möglich gewesen wäre. Es kann offen bleiben, ob ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Anspruch auf Einbürgerung der Rücknahme überhaupt entgegenstünde (vgl. Hamb. OVG, a. a. O.; Nieders. OVG, Urt. v. 22.10.1996, NdsRpfl. 1997, 85; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.). Jedenfalls hatte der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahme wohl keinen Anspruch auf Einbürgerung, weil er nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte. Nach § 10 StAG in der vom 18.03.2005 bis 27.08.2007 gültigen Fassung ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht aber nicht, wenn der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Der Kläger war bei mehreren Sprachtests gescheitert. In einem Aktenvermerk des Sozial- und Jugendamts F. vom 12.05.2005 heißt es, die Verständigung sei äußerst schwierig, da die Deutschkenntnisse des Klägers sehr schlecht seien; in einem Aktenvermerk vom 20.05.2003 wird ausgeführt, der Kläger habe am 20.05.2003 zusammen mit Herrn D. vorgesprochen; Herr D. helfe bei der Übersetzung, da der Kläger sehr schlecht Deutsch spreche. In einem Aktenvermerk der Arbeitsgemeinschaft F. über eine persönliche Vorsprache am 13.11.2006 heißt es: Der Kläger spreche sehr schlecht Deutsch. Daher sei sein Sohn als Übersetzer mitgekommen. In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2007 wurde die Anhörung des Klägers zunächst in deutscher Sprache durchgeführt. Die Verständigung mit dem Kläger war sehr mühsam. Es war nur sehr schwer möglich, seine Ausführungen zu verstehen. Daher wurden nach einer gewissen Zeit die Fragen des Gerichts von der Dolmetscherin in die kurdische Sprache übersetzt und der Kläger antwortete auf Kurdisch. Zur Überzeugung der Kammer hat sich ergeben, dass der Kläger nicht zu ausreichender Kommunikation in deutscher Sprache fähig ist und dass er sich im täglichen Leben, aber auch im Rahmen der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich nicht zurechtfinden und dass mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch nicht geführt werden kann (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.01.2005, VBlBW 2006, 70; BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, DVBl 2006, 922).
40 
Die Aufforderung an den Kläger, dem Landratsamt Emmendingen nach Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidung die Einbürgerungsurkunde, seinen deutschen Reisepass und seinen Bundespersonalausweis auszuhändigen, ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufforderung ist § 52 Satz 1 LVwVfG. Hiernach kann die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist, die aufgrund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Diese Voraussetzungen liegen - nach der Änderung der Rückgabeaufforderung im Widerspruchsbescheid - vor.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
18 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts Emmendingen vom 22.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27.09.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
19 
Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung kann grundsätzlich § 48 Abs. 1 LVwVfG sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, DVBl 2006, 910; BVerwG, Beschl. v. 13.06.2007 - 5 B 132/07 -, in juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.09.2007 - 13 S 2794/06 - u. v. 09.08.2007 - 13 S 2885/06 -, in juris). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a. a. O.) hat hierzu ausgeführt, die im Staatsangehörigkeitsrecht vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit stellten kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln solle, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kämen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthalte nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt seien. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG, auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthielten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. § 24 StAngRegG sei nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 85 ff. AuslG anwendbar.
20 
Der Beklagte ist für die Rücknahme der von der Freien und Hansestadt Hamburg vorgenommenen Einbürgerung zuständig. Gemäß § 45 Abs. 5 LVwVfG entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (BVerwG, Beschl. v. 25.08.1995, DÖV 1995, 1046). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 a LVwVfG ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Der Kläger hatte am 22.04.2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in W. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 04.05.2004 zog der Kläger am 23.10.2003 nach W. (alleiniger Wohnsitz). Der Kläger und seine Ehefrau erklärten am 23.10.2003, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr dauernd getrennt, W. verfügte, der Kläger werde rückwirkend zum 23.10.2003 wieder in die Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen, er habe sich am 23.10.2003 wieder in W. mit alleinigem Wohnsitz angemeldet. Im Widerspruchsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.04.2005 ist die Anschrift des Klägers in W. angegeben.
21 
Der Beklagte hat die Einbürgerung auch innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG zurückgenommen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Erst die positive und vollständige Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinn, die für die Entscheidung der Behörde über die Rücknahme relevant sind oder sein können einschließlich der für die zu treffende Ermessensentscheidung u. U. relevanten Tatsachen, setzt die Frist in Lauf (vgl. Kopp/Ramsauer, 9. Aufl, VwVfG, § 48 RdNr. 152 ff.). Die erforderliche Kenntnis hatte das Landratsamt Emmendingen erst, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2005 zur beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung angehört worden war. Zudem lagen die Akten der Freien und Hansestadt Hamburg dem Landratsamt Emmendingen erst am 26.04.2004 vor. Dass die Akten schon früher beim Innenministerium Baden-Württemberg eingegangen waren, ist unerheblich, denn die Kenntnis einer anderen Behörde genügt nicht. Vielmehr ist die Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme zuständigen Amtswalters erforderlich. Dieser muss die die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen kennen. Die Tatsachen müssen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1985, NVwZ 1986, 119; Urt. v. 24.01.2001, BVerwGE 112, 360; Kopp/Ramsauer, a. a. O., RdNr. 158).
22 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben. Die Vorschrift bedarf verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbare Weise erwirkt worden ist.
23 
Die mit Bescheid vom 22.04.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung ist „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Der Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, ist offen. In seinem Urteil vom 09.08.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, bei einem Zeitraum von über 10 Jahren könne jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. In seinem Urteil vom 17.09.2007 (a. a. O.) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen sei und dass es sich bei dem Zeitraum vom 22.05.2003 bis 31.08.2005 (knapp über zwei Jahre) noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. In dem vom Bundesverfassungsgericht (a. a. O.) zu entscheidenden Fall lag zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme ein Zeitraum von weniger als 25 Monaten (02.02.2000 - 27.02.2002). Im vorliegenden Fall beträgt der Zeitraum ebenfalls weniger als 25 Monate (25.03.2003 - 22.04.2005). Damit ist die gebotene Rechtssicherheit auch im vorliegenden Fall noch gewährleistet ist.
24 
Die nach § 85 AuslG vorgenommene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig. Denn sie ist von der örtlich unzuständigen Behörde vorgenommen worden (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 48 RdNr. 52). Gemäß § 91 Satz 2 AuslG in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung gelten für das Verfahren bei der Einbürgerung einschließlich der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit die Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts. Nach §§ 17 Abs. 1, 27 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - in der ab 01.01.2000 gültigen Fassung ist zuständig zur Einbürgerung die Einbürgerungsbehörde, in deren Bereich der Erklärende oder der Antragsteller seinen dauernden Aufenthalt hat. Der Begriff des dauernden Aufenthalts stimmt mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Wesentlichen überein (Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 91 RdNr. 4). Unter gewöhnlichem Aufenthalt ist das längere Verweilen mit der Absicht des Verbleibens zu verstehen. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich u. U. aufhält, die erkennen lassen, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt. Der Lebensmittelpunkt muss auf absehbare Dauer an diesem Ort bestehen (vgl. Renner, a. a. O., § 85 RdNr. 11).
25 
Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger in der Zeit vom 05.09.2002 (Antragstellung) bis zur Einbürgerung (März 2003) seinen Lebensmittelpunkt nicht in Hamburg hatte.
26 
Die Behauptung des Klägers, er habe zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg gehabt, ist widerlegt. Zwar hat der Kläger angegeben, er sei im Juni oder Juli 2002 nach Hamburg gegangen. Auch war er ab 05.09.2002 mit Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet. Der Kläger war aber am 09.09.2002 persönlich beim Landratsamt Emmendingen. In einem Aktenvermerk des Sozialamts vom 09.09.2002 heißt es, der Kläger habe am 09.09.2002 vorgesprochen und mitgeteilt, dass die Hilfegewährung für ihn ab Oktober 2002 eingestellt werden könne; er beabsichtigte, zu einem seiner Neffen zu ziehen. Auf Frage, wohin er verziehen werde, habe der Kläger noch keine konkrete Auskunft geben können; er habe gemeint, entweder Köln oder Hamburg; er habe in Deutschland neun Neffen (u. a. in Köln und Hamburg). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Vorhalt erklärt, das habe er nie gesagt; ob er im September 2002 beim Sozialamt in Emmendingen gewesen sei, daran könne er sich nicht erinnern. Das unsubstantiierte Bestreiten des Klägers führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit des Aktenvermerks. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiterin des Sozialamts den Sachverhalt erfunden haben könnte. Daher kann dem Kläger nicht geglaubt werden, dass er bereits im Juni oder Juli 2002 in Hamburg auf Wohnungssuche war und ab 05.09.2002 dort wohnte. Die Kammer hat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt - vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde - dauernden Aufenthalt in Hamburg genommen hat. Vielmehr bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er sich lediglich in Hamburg angemeldet hat, - ohne auf Dauer dort zu leben - um dort seine Einbürgerung zu erreichen.
27 
Im Widerspruchsbescheid heißt es, bei der Rücknahme seines Einbürgerungsantrags beim Landratsamt Emmendingen habe der Kläger die Einbürgerungsbehörde der Stadt Hamburg erwähnt, von der bekannt sei, dass sie solche „Schwierigkeiten wie in Emmendingen nicht mache“. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten erklärt, diese Äußerung sei tatsächlich gefallen. Auch hierzu hat der Kläger angegeben, das habe er nicht gesagt. Hinweise darauf, dass ein Vertreter bzw. Mitarbeiter des Landratsamts Emmendingen wahrheitswidrig angegeben haben könnte, der Kläger habe sich entsprechend geäußert, bestehen nicht.
28 
Des Weiteren fehlt es an einem widerspruchsfreien Vortrag zur angeblichen Unterkunft des Klägers in Hamburg. Im Einbürgerungsantrag ist eingetragen, die Miete des Klägers betrage etwa 200,-- EUR einschließlich Nebenkosten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, in Hamburg habe er keine Miete bezahlt; selbst wenn es in seinem Antrag auf Einbürgerung stehe, er habe nichts bezahlt; wie die Angabe in den Antrag komme, wisse er nicht. Zutreffend ist, dass die Angabe wohl nicht vom Kläger sondern vom Sachbearbeiter eingetragen wurde. Der Kläger hat den Antrag aber unterschrieben und bestätigt, er habe ihn selbst gelesen und genehmigt. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 im Verfahren 7 K 1006/05 hat der Kläger angegeben, die meisten Eintragungen seien vom Sachbearbeiter auf seine Angaben hin eingetragen worden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sachbearbeiter einen bestimmten Mietzins eingetragen haben könnte, ohne dass der Kläger entsprechende Angaben gemacht hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 erklärt, in Hamburg habe er einen Mietvertrag gehabt, den er bei der Anmeldung auch vorgelegt habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hingegen angegeben, von einem Mietvertrag wisse er nichts, er wisse auch nichts davon, dass er einen solchen Mietvertrag der Behörde vorgelegt habe. Nach Auffassung der Kammer sind diese Widersprüche ein weiteres Indiz dafür, dass der Kläger nicht in Hamburg gelebt hat und dass seine Angaben zur Unterkunft nicht der Wahrheit entsprechen.
29 
Gegen einen längeren Aufenthalt des Klägers in Hamburg spricht weiter, dass er u. a. am 14.03.2003 - wie er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben hat - seinen Arzt in W. aufsuchte - auf dessen Behandlung er nach den Ausführungen in der Klagebegründung großen Wert legt - und am 24.03.2003 die Erklärung, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe, in W. abgab. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, es sei richtig, dass er die Erklärung abgegeben habe, er sei mit dem Schnellzug hergefahren und gleich wieder zurück. Allerdings ist der Akte der Stadt Hamburg zu entnehmen, dass der Kläger die Erklärung dort nicht persönlich vorlegte. Vielmehr ging die Erklärung noch am 24.03.2003 per Telefax bei der Stadt Hamburg ein. Die Erklärung wurde - soweit ersichtlich - 08.45 Uhr an die B. GmbH Hamburg geschickt und von dieser 11.45 Uhr an die Stadt Hamburg weitergeleitet. Dass die Erklärung an die Stadt Hamburg geschickt wurde, erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht.
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Unklar geblieben ist zudem, wie der Kläger seinen angeblichen Aufenthalt in Hamburg und die zahlreichen Fahrten nach F. bzw. W. finanziert haben will. In der Sozialhilfeakte der Stadt F. heißt es in einem Aktenvermerk vom 12.05.2003 unter „Lebensunterhalt in Hamburg“, der Neffe des Klägers habe sämtliche Kosten bezahlt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei von B. versorgt worden, auch A. habe ihm Geld gegeben; manchmal hätten ihn auch seine Kinder mit Geld unterstützt; daran, ob ihm B. auch Geld gegeben habe, könne er sich nicht mehr erinnern; immer wenn er Geld gebraucht habe, habe ihm einer von beiden Geld gegeben; er nehme von jedem Geld und verzichte auf Sozialhilfe. Dieser Vortrag ist im Hinblick darauf, dass der Kläger bis einschließlich September 2002 vom Landkreis Emmendingen und ab 05.05.2003 von der Stadt F. Sozialhilfe erhielt, nicht nachvollziehbar.
31 
Weitere Umstände sprechen dafür, dass der Kläger seinen dauernden Aufenthalt nicht in Hamburg hatte: Er war weiterhin mit Nebenwohnsitz in W. gemeldet, obwohl er angeblich nie dort übernachtete und nicht mit seinen Frauen sprach. Mit Verfügung vom 09.10.2001 war der Kläger in die gemeindliche Obdachlosenunterkunft in W. eingewiesen worden, diese Verfügung wurde erst zum 29.08.2003 aufgehoben. Nicht plausibel ist des weiteren, warum der mittellose Kläger gerade nach Hamburg gezogen sein sollte, obwohl seine Kinder in F. und W. wohnten, so dass der kranke Kläger lange Fahrten und hohe Kosten hätte in Kauf nehmen müssen, um seine Kinder - wie angeblich geschehen - zu besuchen. Mit welchen Zügen und mit welchen Fahrkarten und wie oft der Kläger angeblich in den Raum F. fuhr, konnte er nicht plausibel darlegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er (bei Besuchen) am selben Tag zurückgefahren sei; wie oft er von Hamburg nach F. gefahren sei, wisse er nicht; er wisse auch nicht, ob es jede Woche oder jeden Monat gewesen sei; er sei manchmal drei oder vier Tage bei seinen Kindern gewesen; es sei nicht so, dass er am Samstag gekommen und am Sonntag schon wieder gefahren sei. In der eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 hat der Kläger erklärt, in Hamburg habe er eine gute Möglichkeit gehabt, zu wohnen und zu leben. In der mündlichen Verhandlung hat er hingegen angegeben, er habe eine Wohnung gesucht, aber keine gefunden; Anfang des neunten Monats habe er sich dann wegen einer Wohnung an B. gewandt. Auch das Argument, er sei nach Hamburg gezogen, um Abstand zu gewinnen bzw. um möglichst weit weg zu sein, überzeugt angesichts der angeblich wiederholten Besuche des Klägers bei seinen Kindern nicht. Auch nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger kurze Zeit nach Erhalt der Einbürgerungsurkunde nicht (mehr) in Hamburg gelebt. In der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er meine, er sei im Jahre 2003 im fünften oder sechsten oder vierten Monat von Hamburg wieder zurückgekehrt. Gegenüber dem Sozialamt F. hat der Kläger angegeben, er habe ab 01.05.2003 eine Wohnung in F. gemietet. Unter dem am 05.05.2003 gestellten Sozialhilfeantrag steht „K., 03.05.03“. Auf Vorhalt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei nicht richtig, dass K. als Ausstellungsort angegeben sei; wer das Wort K. eingetragen habe, wisse er nicht; in dem Antrag stamme nur die Unterschrift von ihm, er sei doch nicht verrückt, er schreibe doch nicht K., wenn er in F. einen Antrag stelle. Der Umstand, dass der Antrag offenbar in W., Ortsteil K., ausgefüllt wurde, spricht dafür, dass der Kläger damals bei seinen Frauen in W. lebte und nicht von Hamburg nach F. zog.
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Auch aufgrund der Angaben des Zeugen B. hat die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg hatte. Der Aussage des Zeugen ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt auf absehbare Dauer in Hamburg hatte. Zwar hat der Zeuge angegeben, der Kläger sei auch sehr oft eine ganze Woche in Hamburg gewesen; er habe ja auch noch andere Verwandte in Hamburg gehabt. Der Zeuge hat aber auch erklärt, der Kläger sei ab und zu von Hamburg weggefahren, er sei in F. oder Lübeck gewesen, manchmal sei er auch eine ganze Woche weggewesen. Zudem bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Er hat angegeben, er habe dem Kläger jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben. Hingegen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung u. a. ausgeführt, ob ihm der Zeuge auch Geld gegeben habe, daran könne er sich nicht erinnern. Es liegt aber nahe, dass sich der Kläger erinnern würde, wenn der Zeuge ihm jede Woche etwa 50,-- EUR Taschengeld gegeben hätte.
33 
Die Zeugin F. konnte nicht bestätigen, dass der Kläger zur Zeit der Einbürgerung seinen dauernden Aufenthalt in Hamburg hatte. Sie hat angegeben, sie wisse nichts darüber, ob er in Hamburg gewesen sei. Der Zeugin kann aber auch nicht geglaubt werden, dass der Kläger nach einem Streit um Geld weggegangen und nicht wieder in die eheliche Wohnung in W. zurückgekommen ist bzw. nicht mehr dort übernachtet hat. Die Erklärung, der Kläger lebe von seiner Ehefrau seit 05.09.2002 dauernd getrennt, wurde am 24.03.2003 in W. von der Zeugin F. und vom Kläger unterzeichnet. Der Kläger muss also mit der Zeugin gesprochen und mit ihr beim Amt für öffentliche Ordnung gewesen sein. Am 23.10.2003 haben F. und der Kläger bei W. eine Erklärung unterzeichnet, in der es heißt, sie lebten seit 23.10.2003 nicht mehr getrennt. Ab diesem Tag wurde der Kläger auch wieder in die Obdachlosenunterkunft W. eingewiesen. Vom Sozialamt des Landkreises Emmendingen erhielten die Zeugin, der Kläger und ihre Kinder ab Oktober 2003 wieder als Bedarfsgemeinschaft Sozialhilfe. Der Kläger beantragte am 15.04.2004 und am 24.09.2004 für die Bedarfsgemeinschaft die Gewährung von Bekleidungsgeld. In einem Aktenvermerk des Sozialamts des Landkreises Emmendingen heißt es, bei einem Hausbesuch am 02.11.2004 habe der Kläger angegeben, er habe zwei Ehefrauen und besitze in jedem Stockwerk ein Schlafzimmer mit Doppelbett. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Frage erklärt, im Oktober 2003 habe er eine Erklärung abgegeben, dass er nicht mehr von seiner Frau F. getrennt lebe, er habe sie um Verzeihung gebeten, sie hätten sich kurz vertragen, er habe sich damals auch in W. angemeldet; als es um das Geld gegangen sei, hätten sie sich erneut gestritten. Somit ist aufgrund der Aussage der Zeugin F. auch nicht bewiesen, dass der Kläger seit 2002 nicht in W. gelebt hat.
34 
Auch die Zeugin Y. hat nicht bestätigt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Einbürgerung in Hamburg gelebt hat. Zwar hat sie angegeben, er sei seit etwa fünf Jahren weg, sie hat aber zugleich ausgeführt, sie wüsste nicht, wo er hingegangen sei. Die Angabe der Zeugin, sie und der Kläger hätten seit fünf Jahren ununterbrochen getrennt gelebt, ist zudem unglaubwürdig. Wie oben ausgeführt, bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger jedenfalls von Oktober 2003 bis April 2005 in häuslicher Gemeinschaft mit F. und Y. in W. gelebt hat. Zudem hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 04.05.2005 angegeben, er wohne mit seiner Frau Y. in Freiburg. In einem von Y. unterzeichneten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 18.04.2005 wird der Kläger als Partner in eheähnlicher Lebensgemeinschaft bezeichnet. Entsprechend bewilligte die Arbeitsgemeinschaft Freiburg mit an Y. adressiertem Bescheid vom 18.05.2005 Leistungen auch für den Kläger als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Einlassung des Klägers, er habe sich ohne Zustimmung von Y. unter deren Anschrift angemeldet, ist nicht nachvollziehbar. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamts W. hatte der Kläger zudem am 18.10.2007 seinen Zweitwohnsitz unter der Anschrift von Y. in W. Auch dies spricht gegen ein dauerndes Getrenntleben seit 2002.
35 
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger selbst durch bewusste Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat, dass es sich also um eine „erschlichene“ Einbürgerung handelt. Denn der Kläger hat wahrheitswidrig behauptet, er wohne in Hamburg, um die Einbürgerung durch die dortige Behörde zu erwirken. Die falsche Angabe zum Wohnsitz war kausal dafür, dass die Stadt Hamburg den Kläger eingebürgert hat. Es handelt sich daher bei der Rücknahme der Einbürgerung um einen vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich durch Anwendung des § 48 LVwVfG“ lösen lässt (vgl. BVerfG, a. a. O.).
36 
Da aufgrund der Täuschung über den Aufenthalt des Klägers in Hamburg die Rücknahmemöglichkeit nach § 48 LVwVfG eröffnet ist, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Rücknahme auch aufgrund anderer vom Beklagten genannter Gesichtspunkte gegeben sind.
37 
Der Beklagte hat das ihm gemäß § 48 LVwVfG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Landratsamt Emmendingen hat erkannt, dass die Rücknahme im Ermessen der zuständigen Behörde liegt. Es hat ausgeführt, der Kläger werde durch die Einbürgerung nicht staatenlos, seine Integration habe nicht einen Stand erreicht, der es als unzumutbare Härte erscheinen ließe, in Deutschland wieder als Ausländer zu leben. Vielmehr seien seine Sprachkenntnisse so gewesen, dass ein Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 1 AuslG zu bejahen gewesen wäre. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen, da er alle Gründe für die Rücknahme seiner Einbürgerung selbst gesetzt und dabei keineswegs aus Unwissenheit gehandelt habe. Im Hinblick darauf, dass die Einbürgerung erst vor gut zwei Jahren erfolgt sei, sei es auch gerechtfertigt, die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu erklären. Im Widerspruchsbescheid wird weiter ausgeführt: Der Kläger erfülle weder aktuell noch nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung seit dem 01.01.2005 die Einbürgerungsvoraussetzungen, da er weiterhin die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG erfülle und daher weder eine Einbürgerung nach § 8 noch nach § 10 StAG möglich wäre. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger sich seit 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Eine Ausweisung habe der Kläger als Asylberechtigter auch nach Rücknahme der Einbürgerung nicht zu fürchten, so dass ein Aufenthalt in Deutschland unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit gesichert sei. Von den übrigen Mitgliedern der Familie besitze nach Aktenlage keines die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Frage des Grundsatzes der einheitlichen Staatsangehörigkeit zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie sei daher nicht zu prüfen.
38 
Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte schutzwürdige Belange des Klägers verkannt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2007, a. a. O.; Hamb. OVG, Beschl. v. 28.08.2001, NVwZ 2002, 885; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.; Engst, Die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte am Beispiel der Einbürgerung, JuS 2007, 225).
39 
Insbesondere ist die Ermessensentscheidung nicht deshalb fehlerhaft, weil im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung eine Einbürgerung rechtlich möglich gewesen wäre. Es kann offen bleiben, ob ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Anspruch auf Einbürgerung der Rücknahme überhaupt entgegenstünde (vgl. Hamb. OVG, a. a. O.; Nieders. OVG, Urt. v. 22.10.1996, NdsRpfl. 1997, 85; Nieders. OVG, Urt. v. 13.07.2007, a. a. O.). Jedenfalls hatte der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahme wohl keinen Anspruch auf Einbürgerung, weil er nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte. Nach § 10 StAG in der vom 18.03.2005 bis 27.08.2007 gültigen Fassung ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht aber nicht, wenn der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Der Kläger war bei mehreren Sprachtests gescheitert. In einem Aktenvermerk des Sozial- und Jugendamts F. vom 12.05.2005 heißt es, die Verständigung sei äußerst schwierig, da die Deutschkenntnisse des Klägers sehr schlecht seien; in einem Aktenvermerk vom 20.05.2003 wird ausgeführt, der Kläger habe am 20.05.2003 zusammen mit Herrn D. vorgesprochen; Herr D. helfe bei der Übersetzung, da der Kläger sehr schlecht Deutsch spreche. In einem Aktenvermerk der Arbeitsgemeinschaft F. über eine persönliche Vorsprache am 13.11.2006 heißt es: Der Kläger spreche sehr schlecht Deutsch. Daher sei sein Sohn als Übersetzer mitgekommen. In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2007 wurde die Anhörung des Klägers zunächst in deutscher Sprache durchgeführt. Die Verständigung mit dem Kläger war sehr mühsam. Es war nur sehr schwer möglich, seine Ausführungen zu verstehen. Daher wurden nach einer gewissen Zeit die Fragen des Gerichts von der Dolmetscherin in die kurdische Sprache übersetzt und der Kläger antwortete auf Kurdisch. Zur Überzeugung der Kammer hat sich ergeben, dass der Kläger nicht zu ausreichender Kommunikation in deutscher Sprache fähig ist und dass er sich im täglichen Leben, aber auch im Rahmen der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich nicht zurechtfinden und dass mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch nicht geführt werden kann (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.01.2005, VBlBW 2006, 70; BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, DVBl 2006, 922).
40 
Die Aufforderung an den Kläger, dem Landratsamt Emmendingen nach Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidung die Einbürgerungsurkunde, seinen deutschen Reisepass und seinen Bundespersonalausweis auszuhändigen, ist ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufforderung ist § 52 Satz 1 LVwVfG. Hiernach kann die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist, die aufgrund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Diese Voraussetzungen liegen - nach der Änderung der Rückgabeaufforderung im Widerspruchsbescheid - vor.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 14. Nov. 2007 - 7 K 1854/05 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 10


(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit gekl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16


(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. (2) Ke

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 11


Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, d

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 17. Sept. 2007 - 13 S 2794/06

bei uns veröffentlicht am 17.09.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 09. Aug. 2007 - 13 S 2885/06

bei uns veröffentlicht am 09.08.2007

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. August 2006 - 11 K 4702/04 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am 10.2.1958 geborener ehemaliger libanesischer Staatsangehöriger, reiste im Sommer 1986 zusammen mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21.10.1987 ab. In der Folgezeit erhielt der Kläger erstmalig am 19.9.1991 eine Aufenthaltsbefugnis, welche fortlaufend verlängert wurde; seit dem 21.6.2001 verfügte er über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 9.2.2001 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1987, 1989 und 1991 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens gab der Kläger gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart eine Loyalitätserklärung ab, wonach er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Am 22.5.2003 wiederholte der Kläger gegenüber der Beklagten diese Loyalitätserklärung. Vor Bescheidung des Einbürgerungsantrags stellte die Beklagte Ermittlungen an, ob der Einbürgerung öffentliche Belange entgegenstehen; sie richtete hierzu mehrere Anfragen an Sicherheitsbehörden. Hierauf teilte die Landespolizeidirektion Stuttgart II unter dem 4.4.2001 mit, dass gegen den Kläger bzw. seine Ehefrau weder Ermittlungsverfahren anhängig seien noch sonst in polizeilicher Hinsicht nachteilige Erkenntnisse bestünden. Bereits mit Schreiben vom 3.4.2001 bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Landeshauptstadt Stuttgart um Übersendung der bei ihr über den Kläger geführten Ausländerakten. Auf telefonische Nachfrage teilte das Landeskriminalamt - wie in einem Aktenvermerk festgehalten ist - mit, die Akten würden aufgrund der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppen benötigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg erteilte auf die durchgeführte Sicherheitsanfrage im Falle des Klägers - anders als hinsichtlich seiner Familienangehörigen - am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfung noch nicht habe abgeschlossen werden können. Mit Urkunde der Landeshauptstadt Stuttgart vom 20.5.2003, ausgehändigt am 22.5.2003, wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
Mit Schreiben vom 19.4.2005 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg der Landeshauptstadt Stuttgart mit, dass über den Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse im Zusammenhang mit der „Hizb Allah“ (Partei Gottes) vorlägen. Danach habe der Kläger von deutschem Boden aus diese Organisation unterstützt, welche einen islamischen Gottesstaats befürworte und deren Bestrebungen auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt gegen Israel gerichtet seien. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9.5.2005 zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an, worauf er sich nicht äußerte.
Mit Bescheid vom 31.8.2005 nahm die Landeshauptstadt Stuttgart die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 mit Wirkung ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde auf. Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führte die Landeshauptstadt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da er über seine Aktivitäten für extremistische Organisationen getäuscht habe. Auch habe der Kläger vor Vollzug der Einbürgerung eine falsche Loyalitätserklärung abgegeben, welche nicht von seiner inneren Überzeugung getragen gewesen sei. Die Einbürgerung des Klägers sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da ein Ausschlussgrund gemäß § 86 Nr. 2 AuslG bestanden habe. Ausweislich einer Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg sei der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der verfassungsfeindlichen „Hizb Allah“ bekannt geworden. So habe er in dem Zeitraum vom 4. April 1999 bis zum 24. Mai 2003 an zahlreichen, in der Verfügung im Einzelnen aufgeführten, Veranstaltungen der „Hizb Allah“ teilgenommen, auf welchen verfassungsfeindliche, vor allem gegen das Existenzrecht Israels gerichtete Reden gehalten worden seien. Auch sei der Kläger auf einer Vollversammlung der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. in Leonberg am 2.5.1999 als deren Schatzmeister in den Vorstand gewählt worden, im Jahre 2001 habe man ihn in diesem Amt bestätigt. Bei der im Jahre 1982 gegründeten „Hizb Allah“ handle es sich um eine islamistisch-schiitische Organisation, welche im Libanon inzwischen eine herausragende politische Rolle spiele. Ihre Miliz habe sich im südlichen Libanon als militärische Macht etabliert, wobei zu ihren Aktivitäten auch die Entführung israelischer Soldaten, Selbstmordattentate und Geiselnahmen gehörten. Durch eine bewusst militante Prägung ihrer männlichen Anhänger schaffe sie sich ein gewaltbereites Potential, das vor allem gegen Israel zum Einsatz komme. Bei den Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in Deutschland stünden diese antiisraelischen und antijüdischen Zielsetzungen sowie die finanzielle und moralische Unterstützung der Kämpfer gegen Israel im Vordergrund. Die „Hizb Allah“ vertrete das Konzept eines konstitutionellen Gottesstaates mit herrschendem schiitischem Klerus nach iranischem Vorbild und lehne die Wertordnung des Grundgesetzes ab. An den inkriminierten Bestrebungen und Aktivitäten der „Hizb Allah“ nehme auch ein dieser Organisation nahestehender Ortsverein teil, was auch dann gelte, wenn dessen Tätigkeit nicht ausschließlich darin bestehe, die Ziele der „Hizb Allah“ mitzutragen.
Der Kläger habe sich aktiv als Vorstandsmitglied in einem derartigen Verein betätigt und über einen längeren Zeitraum zustimmend oder jedenfalls ohne Widerspruch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Dies stelle eine Bestrebung dar, über welche der Kläger die Einbürgerungsbehörde getäuscht habe. Die am 22.5.2003 erfolgte Einbürgerung stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erfolgten Einbürgerung überwiege das Interesse des Klägers am weiteren Fortbestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit. In das Ermessen werde dabei vor allem auch eingestellt, dass der Kläger durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht staatenlos werde. Seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband sei unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgt, weil die libanesischen Behörden die Entlassung aus der libanesischen Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigerten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids zurückwies.
Die am 6.12.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil des Einzelrichters (§ 6 VwGO) vom 25.9.2006 abgewiesen.
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In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die angegriffene Rücknahme der Einbürgerung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 LVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung sei mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn diese durch bewusste Täuschung erwirkt worden sei und die Rücknahme zeitnah erfolge. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erlangten Einbürgerung stehe weder das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG noch grundsätzlich das Verbot des Verlustes der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen entgegen. Die auf § 85 AuslG a.F. gestützte Einbürgerung des Klägers stelle sich als von Anfang an rechtswidrig dar. Der Kläger habe nicht, wie von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefordert, ein von innerer Überzeugung getragenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. An den in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG normierten Voraussetzungen habe es bereits im Einbürgerungszeitpunkt gefehlt, da der Kläger entgegen der von ihm am 2.7.2001 und am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen Bestrebungen unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätten. Die dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgehaltenen Veranstaltungsteilnahmen stellten inkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG dar, da sie die verfassungsfeindlichen Ziele der Bestrebung förderten und ihre potentielle Gefährlichkeit erhöhten. Der Kläger habe über Jahre hinweg zum Unterstützungskreis der „Hizb Allah“ gehört; er habe nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung an der Gründung der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart mitgewirkt und von 1999 bis zum Jahre 2004 dem Vorstand dieses Vereins angehört. Die „Hizb Allah“ habe die islamische Kulturgemeinschaft Stuttgart dazu benutzt, ihre eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu propagieren und durchzusetzen. Die islamische Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart weise eine derartige Nähe zur „Hizb Allah“ auf, dass der Verein als von der „Hizb Allah“ beeinflusst und gesteuert anzusehen und seine Aktivitäten als „Hizb Allah“-Aktivitäten zu qualifizieren seien. Auch verfolge die im Jahre 1982 gegründete „Hizb Allah“ Bestrebungen, welche durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die „Hizb Allah“ gelte als gewaltbereite Terrororganisation mit dem erklärten Ziel der Vernichtung Israels.
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Der Kläger habe auch vor seiner Einbürgerung nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der Bestrebungen der „Hizb Allah“ abgewandt zu haben. Ein derartiges Abwenden habe er weder in seinen Erklärungen vom 2.7.2001 bzw. 22.5.2003 noch in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht. Da es somit an der gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefehlt habe, hätte die Beklagte die begehrte Einbürgerung zwingend ablehnen müssen. Der Kläger habe seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt. Er habe es in seinen Bekenntniserklärungen vom 2.7.2001 und 22.5.2003 bewusst unterlassen, Angaben über seine Tätigkeit in der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart und seine weiteren Unterstützungshandlungen für die „Hizb Allah“ zu tätigen. Er habe in seinen Loyalitätserklärungen bewusst wahrheitswidrig versichert, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstützen. Als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. und als Teilnehmer an zahlreichen Veranstaltungen habe ihm die Unterstützung inkriminierter Bestrebungen bewusst sein müssen. Daher leide die von der Landeshauptstadt Stuttgart verfügte Rücknahme der rechtswidrigen Einbürgerung nicht an einem Ermessensfehler bzw. stelle sich nicht als unverhältnismäßig dar.
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Gegen das am 17.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof verlängerten Berufungsbegründungsfrist beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 zu ändern und die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme seiner Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, er habe eine rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige bzw. bewusste Täuschung erwirkt. Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung, nämlich eine rechtswidrige Täuschungshandlung zur Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, lägen nicht vor. Zutreffenderweise gehe die angegriffene Verfügung zwar davon aus, dass er als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart tätig geworden sei. Dieser Umstand sei der Beklagten jedoch lange vor Verfügung der Einbürgerung bekannt gewesen, da seine Bestellung zum Schatzmeister dem Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart bereits am 2.6.1999 angezeigt worden sei. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens habe die Beklagte auch von den Bedenken des Landeskriminalamts hinsichtlich seiner vermuteten Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen Kenntnis erlangt. In Übereinstimmung hiermit habe das Landesamt für Verfassungsschutz auf die Anfrage der Beklagten vom 17.2.2003 hin lediglich eine Zwischennachricht erteilt, wonach seine sicherheitsmäßige Überprüfung nicht abgeschlossen sei. Sämtliche für die Einbürgerung relevanten Erkenntnisse hätten sich im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in der Akte der Beklagten befunden und seien dieser daher bewusst gewesen. Bereits aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass er einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten habe, welcher für die Einbürgerung kausal gewesen sei. Der Beklagten sei es verwehrt, die Rücknahmeentscheidung auf diese Umstände zu stützen, da sie die Einbürgerung in Kenntnis des konkreten und bekannten Sachverhalts verfügt habe. Unzutreffenderweise setze das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts seine Tätigkeit als Kassierer bei der islamischen Kulturgemeinschaft mit einer Unterstützung radikaler Ziele der „Hizb Allah“ gleich. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der „Hizb Allah“ tatsächlich um eine Organisation handle, welche durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichteter Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährde. Entgegen der Annahme der Beklagten gebe es die „Hizb Allah“ als solche nicht, vielmehr seien bei dieser Organisation verschiedene Flügel und Richtungen erkennbar. Die „Hizb Allah“ sei im heutigen Libanon, dem wohl demokratischsten Staat im Nahen Osten, als größte Organisation der Muslime im Parlament vertreten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Versuch unternommen, den Libanon in einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu verwandeln, vielmehr erkenne sie das pluralistische System des Libanon ausdrücklich an. Im Übrigen verfolge die „Hizb Allah“ nicht ausschließlich politische Ziele, sondern unterhalte im Libanon sehr viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Es sei daher verfehlt, die „Hizb Allah“ auf das angebliche Ziel der Vernichtung Israels und der Verübung von Gewalttaten zu reduzieren. Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die „Hizb Allah“ außerhalb des Libanon oder gar in Deutschland antidemokratische und verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Unabhängig hiervon stelle das angegriffene Urteil die ihm unterstellte Verbindung als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft zum vermeintlich gewaltbereiten Teil der „Hizb Allah“ nicht dar. Eine Verbindung zwischen dem Kulturverein und den Rednern, welche angeblich der „Hizb Allah“ nahestünden, lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Tatsachen ihm verfassungsfeindliche Ziele unterstellt würden. Er selbst habe die Teilnahme an den vorgehaltenen Veranstaltungen des islamischen Kulturvereins nie bestritten, diese sei jedoch lediglich in seiner Funktion als Kassierer erfolgt. Er habe an diesen Veranstaltungen teilgenommen, um Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern des Kulturvereins zu erheben, wofür man ihn als Kassierer gewählt habe. Die gesammelten Gelder würden benötigt, um den Verein und dessen kulturelle Veranstaltungen zu finanzieren. Er selbst habe auf keiner einzigen Veranstaltung das Wort ergriffen oder eine Meinung kundgetan, aus der auf eine verfassungswidrige Haltung geschlossen werden könne. Aus seiner bloßen Anwesenheit bei den in der angegriffenen Verfügung aufgeführten Veranstaltungen lasse sich in keiner Weise schließen, dass er den Inhalt der Reden geteilt und damit selbst verfassungswidrige Zielsetzungen unterstützt habe. Lediglich hilfsweise sei zu beachten, dass er sich durch die Widerspruchsbegründung, die Klagebegründung und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts von ihm unterstellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert habe.
15 
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hebt hervor, die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle im Falle einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wahrheitswidrig eine Erklärung hinsichtlich seiner Verfassungstreue abgegeben habe. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele der islamischen Kulturgemeinschaft nicht geteilt, sei als unglaubhaft und verfahrensangepasst zu bewerten. Gerade in Anbetracht seiner Funktion als Schatzmeister sei nicht nachzuvollziehen, dass er über die Ausrichtung dieser Vereinigung nicht in Kenntnis gewesen sei; dies gelte auch hinsichtlich der Ausführungen bezüglich einer Aufsplitterung der „Hizb Allah“ in verschiedene mehr oder weniger gewaltbereite Flügel.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Landeshauptstadt Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
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2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. August 2006 - 11 K 4702/04 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein im Jahre 1962 geborener ehemaliger pakistanischer Staatsangehöriger, reiste erstmalig am 6.10.1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Nach Rücknahme seines Asylantrags kehrte er zunächst am ... freiwillig nach Pakistan zurück, reiste jedoch am ... erneut als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 21.4.1987 ab, welcher nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Klage bestandskräftig wurde. Am ... heiratete der Kläger in Stockholm eine deutsche Staatsangehörige, worauf ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Gestützt auf § 9 Abs.1 RuStAG in der damals gültigen Fassung beantragte er am... bei den seinerzeit örtlich zuständigen Behörden des Saarlands seine Einbürgerung. Zur Begründung des Einbürgerungsantrags verwies der Kläger auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Frau und den Willen, mit ihr auf Dauer in Deutschland zu leben. Mit Urkunde des Saarländischen Ministeriums des Innern vom ... ausgehändigt am ... wurde der Kläger in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Die Ehe des Klägers wurde auf Antrag seiner Frau mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Familiengericht - vom ... geschieden. Im Urteil des Familiengerichts ist als Trennungsdatum August 1992 angegeben. In der Folgezeit verzog der Kläger in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Rems-Murr-Kreis.
Nachdem der Kläger eine pakistanische Staatsangehörige geheiratet hatte und ein Verfahren auf Familiennachzug für seine Ehefrau einleitete, teilte die Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad mit Schreiben vom ... der zuständigen unteren Ausländerbehörde mit, Ermittlungen eines von der Botschaft eingeschalteten Vertrauensanwalts hätten Hinweise darauf ergeben, dass es sich bei der Vorehe des Klägers mit seiner deutschen Ehefrau um eine Scheinehe gehandelt habe. So habe die Mutter des Klägers gegenüber dem Vertrauensanwalt eingeräumt, dass die vom ... bis zum ... bestehende Ehe des Klägers nur den Zweck gehabt habe, ihm eine Aufenthaltssicherung zu ermöglichen und vereinbarungsgemäß nach Zweckerreichung aufgelöst worden sei. Nachdem der Beklagte von dieser Mitteilung der deutschen Auslandsvertretung am 5.8.2002 Kenntnis erlangte, hörte er den Kläger mit Schreiben vom ... zu einer beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung wegen des Verdachts der Scheinehe an. Der Kläger trat diesem Vorwurf entgegen und brachte hierzu u.a. eine Bestätigung seiner ehemaligen Ehefrau bei, wonach die eheliche Lebensgemeinschaft bis August 1993 bestanden habe.
Mit Bescheid vom 16.7.2003 nahm das Landratsamt Rems-Murr-Kreis die Einbürgerung des Klägers vom ... in den deutschen Staatsverband unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück (1.) und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde sowie der ihm ausgestellten Ausweispapiere auf (2.). Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führt das Landratsamt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da es sich bei seiner damaligen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zur Überzeugung der Behörde um eine Scheinehe gehandelt habe. Das Landratsamt habe keinerlei Zweifel an der Echtheit der vertrauensanwaltlichen Ermittlungen, welche den Verdacht einer Scheinehe bestätigt hätten. Es sei nicht ersichtlich, warum eine deutsche Auslandsvertretung falsche Aussagen machen und damit anderen Leuten Lügen unterstellen sollte. Im übrigen habe der Kläger gegen seine Mitwirkungsobliegenheiten im Einbürgerungsverfahren verstoßen, indem er die im Jahre 1992 erfolgte Trennung von seiner Ehefrau nicht mitgeteilt habe. Aufgrund der Feststellungen in dem Scheidungsurteil ergebe sich eindeutig, dass eine etwa bestehende eheliche Lebensgemeinschaft bereits im August 1992 und nicht wie von dem Kläger behauptet erst ein Jahr später aufgelöst worden sei. Die gegenteiligen Bekundungen des Klägers seien bereits deshalb nicht glaubhaft, weil sich ansonsten die Beteiligten bereits früher gegen das unrichtige Scheidungsurteil gewehrt hätten.
Die Annahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei für die auf § 9 StAG gestützte Einbürgerung auch ursächlich gewesen, weil sie andernfalls nicht hätte erfolgen dürfen. Aufgrund der arglistigen Täuschung könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen, so dass die Einbürgerung gemäß § 48 Abs. 3 LVwVfG zurückgenommen werden könne. Da es sich um keinen rechtmäßigen , sondern um einen durch arglistige Täuschung herbeigeführten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehandelt habe, greife das Entziehungsverbot des Art. 16 GG nicht ein. Diese Vorschrift solle vielmehr nur gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern. Bei Bewertung der Gesamtumstände gehe die Staatsangehörigkeitsbehörde davon aus, dass der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erworben habe und somit deren Rücknahme gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 27.8.2003 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Mit Beschluss vom 17.10.2003 (7 K 3492/03) gab das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Eilantrag statt.
Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2004 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids mit ergänzenden Gründen zurück. Zur Klarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit erfolge, wie es der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entspreche. Anlass für die Rücknahme sei die Annahme einer Scheinehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen basierend auf den Aussagen, welche seine Mutter gegenüber einem Vertrauensanwalt der deutschen Auslandsvertretung getätigt habe. Die Ausgangsbehörde habe ihr Rücknahmeermessen noch hinreichend ausgeübt und dabei zutreffend auf das Vorliegen einer arglistigen Täuschung und den daraus resultierenden Ausschluss von Vertrauensschutz abgehoben. Die Widerspruchsbehörde schließe sich der Auffassung des Landratsamts an, wonach das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erteilten Einbürgerung das Interesse des Klägers an deren weiterem Fortbestand überwiege. Keiner abschließenden Klärung bedürfe, ob der Kläger aufgrund der Rücknahme der Einbürgerung tatsächlich staatenlos werde, was nach pakistanischem Staatsangehörigkeitsrecht im wesentlichen davon abhänge, ob ein etwaiger Verzichtsantrag von der zuständigen Behörde entgegengenommen worden sei.
Auf die am 26.11.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
die Verfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufzuheben,
10 
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 -die angefochtenen Bescheide insgesamt aufgehoben.
11 
In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die von dem Beklagten herangezogene allgemeine Vorschrift des § 48 LVwVfG stelle in der vorliegenden Fallkonstellation keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers dar. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der für die Einbürgerung ursächlichen vorgegangenen Ehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen um eine Scheinehe gehandelt habe. Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle nur dann eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung dar, wenn diese zeitnah erfolge. Da zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung mehr als zehn Jahre verstrichen seien, liege eine derartige zeitnahe Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 (2 BvR 669/04) überholt. Das Gericht schließe sich der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach es Sache des Gesetzgebers sei, im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst eine eigenständige Regelung für die Rücknahme einer aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten erlangten Einbürgerung zu schaffen, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme gehe.
12 
Gegen das am 10.11.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1.12.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte am 5.1.2007 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der vom Kläger erschlichenen Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, dass im vorliegenden Fall keine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, Az. 2 BvR 669/04) erfolgt sei. Zudem liege der für die Rücknahmeentscheidung maßgebliche Zeitpunkt auch nicht mehr als zehn Jahre nach der Einbürgerung des Klägers, sondern weniger. Abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung selbst, sondern auf den Zeitpunkt der Anhörung des Klägers mit Schreiben des Landratsamts vom .... Zwischen der Einbürgerung und der maßgeblichen, den Vertrauensschutz ausschließenden Anhörung des Klägers liege deshalb lediglich ein Zeitraum von etwas über neuneinhalb Jahren. Im Hinblick auf die weitreichenden Statusfolgen einer Einbürgerung dürften an den Begriff der zeitnahen Rücknahme keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Zeitraum von zehn Jahren stelle noch eine gut überschaubare Zeitspanne dar. Im übrigen habe sich das Bundesverfassungsgericht in seinem genannten Urteil vom 24.5.2006 hinsichtlich der zeitlichen Grenzen für die Rücknahme einer Einbürgerung aufgrund allgemeinen Landesverwaltungsverfahrensrechts besonders zurückhaltend geäußert. Insbesondere verlange das Bundesverfassungsgericht gerade nicht, dass der Gesetzgeber selbst eine abschließende zeitliche Grenze für die Rücknahmemöglichkeit schaffe.
15 
Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung stelle die Vorschrift des § 48 LVwVfG auch für den Fall einer nicht zeitnah erfolgten Rücknahme eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG jedenfalls für die Fälle, in denen Dritte durch eine Rücknahme der Einbürgerung nicht tangiert würden, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle, sei durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise überholt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Er wendet sich gegen die Annahme des Beklagten, es habe sich bei seiner Ehe mit der früheren deutschen Frau um eine Scheinehe gehandelt bzw. er habe das Trennungsdatum falsch angegeben. Im übrigen sei das Verwaltungsgericht Stuttgart zutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahme nicht mehr zeitnah im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt sei. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob bei der Berechnung der Frist auf den 16.7.2003 oder auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom ... abzustellen sei. Auch ein Zeitraum von etwas mehr als neuneinhalb Jahren könne nicht mehr als unverzügliche Rücknahme im Sinne des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden.
19 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
20 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Beklagten einschließlich der Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
30 
1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
36 
In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
37 
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
30 
1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
36 
In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
37 
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein am 10.2.1958 geborener ehemaliger libanesischer Staatsangehöriger, reiste im Sommer 1986 zusammen mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21.10.1987 ab. In der Folgezeit erhielt der Kläger erstmalig am 19.9.1991 eine Aufenthaltsbefugnis, welche fortlaufend verlängert wurde; seit dem 21.6.2001 verfügte er über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Am 9.2.2001 beantragte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1987, 1989 und 1991 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens gab der Kläger gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart eine Loyalitätserklärung ab, wonach er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Am 22.5.2003 wiederholte der Kläger gegenüber der Beklagten diese Loyalitätserklärung. Vor Bescheidung des Einbürgerungsantrags stellte die Beklagte Ermittlungen an, ob der Einbürgerung öffentliche Belange entgegenstehen; sie richtete hierzu mehrere Anfragen an Sicherheitsbehörden. Hierauf teilte die Landespolizeidirektion Stuttgart II unter dem 4.4.2001 mit, dass gegen den Kläger bzw. seine Ehefrau weder Ermittlungsverfahren anhängig seien noch sonst in polizeilicher Hinsicht nachteilige Erkenntnisse bestünden. Bereits mit Schreiben vom 3.4.2001 bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Landeshauptstadt Stuttgart um Übersendung der bei ihr über den Kläger geführten Ausländerakten. Auf telefonische Nachfrage teilte das Landeskriminalamt - wie in einem Aktenvermerk festgehalten ist - mit, die Akten würden aufgrund der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppen benötigt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg erteilte auf die durchgeführte Sicherheitsanfrage im Falle des Klägers - anders als hinsichtlich seiner Familienangehörigen - am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfung noch nicht habe abgeschlossen werden können. Mit Urkunde der Landeshauptstadt Stuttgart vom 20.5.2003, ausgehändigt am 22.5.2003, wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
Mit Schreiben vom 19.4.2005 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg der Landeshauptstadt Stuttgart mit, dass über den Kläger beim Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse im Zusammenhang mit der „Hizb Allah“ (Partei Gottes) vorlägen. Danach habe der Kläger von deutschem Boden aus diese Organisation unterstützt, welche einen islamischen Gottesstaats befürworte und deren Bestrebungen auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt gegen Israel gerichtet seien. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9.5.2005 zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an, worauf er sich nicht äußerte.
Mit Bescheid vom 31.8.2005 nahm die Landeshauptstadt Stuttgart die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 mit Wirkung ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde auf. Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führte die Landeshauptstadt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da er über seine Aktivitäten für extremistische Organisationen getäuscht habe. Auch habe der Kläger vor Vollzug der Einbürgerung eine falsche Loyalitätserklärung abgegeben, welche nicht von seiner inneren Überzeugung getragen gewesen sei. Die Einbürgerung des Klägers sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da ein Ausschlussgrund gemäß § 86 Nr. 2 AuslG bestanden habe. Ausweislich einer Mitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg sei der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der verfassungsfeindlichen „Hizb Allah“ bekannt geworden. So habe er in dem Zeitraum vom 4. April 1999 bis zum 24. Mai 2003 an zahlreichen, in der Verfügung im Einzelnen aufgeführten, Veranstaltungen der „Hizb Allah“ teilgenommen, auf welchen verfassungsfeindliche, vor allem gegen das Existenzrecht Israels gerichtete Reden gehalten worden seien. Auch sei der Kläger auf einer Vollversammlung der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. in Leonberg am 2.5.1999 als deren Schatzmeister in den Vorstand gewählt worden, im Jahre 2001 habe man ihn in diesem Amt bestätigt. Bei der im Jahre 1982 gegründeten „Hizb Allah“ handle es sich um eine islamistisch-schiitische Organisation, welche im Libanon inzwischen eine herausragende politische Rolle spiele. Ihre Miliz habe sich im südlichen Libanon als militärische Macht etabliert, wobei zu ihren Aktivitäten auch die Entführung israelischer Soldaten, Selbstmordattentate und Geiselnahmen gehörten. Durch eine bewusst militante Prägung ihrer männlichen Anhänger schaffe sie sich ein gewaltbereites Potential, das vor allem gegen Israel zum Einsatz komme. Bei den Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in Deutschland stünden diese antiisraelischen und antijüdischen Zielsetzungen sowie die finanzielle und moralische Unterstützung der Kämpfer gegen Israel im Vordergrund. Die „Hizb Allah“ vertrete das Konzept eines konstitutionellen Gottesstaates mit herrschendem schiitischem Klerus nach iranischem Vorbild und lehne die Wertordnung des Grundgesetzes ab. An den inkriminierten Bestrebungen und Aktivitäten der „Hizb Allah“ nehme auch ein dieser Organisation nahestehender Ortsverein teil, was auch dann gelte, wenn dessen Tätigkeit nicht ausschließlich darin bestehe, die Ziele der „Hizb Allah“ mitzutragen.
Der Kläger habe sich aktiv als Vorstandsmitglied in einem derartigen Verein betätigt und über einen längeren Zeitraum zustimmend oder jedenfalls ohne Widerspruch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Dies stelle eine Bestrebung dar, über welche der Kläger die Einbürgerungsbehörde getäuscht habe. Die am 22.5.2003 erfolgte Einbürgerung stelle einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erfolgten Einbürgerung überwiege das Interesse des Klägers am weiteren Fortbestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit. In das Ermessen werde dabei vor allem auch eingestellt, dass der Kläger durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht staatenlos werde. Seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband sei unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit erfolgt, weil die libanesischen Behörden die Entlassung aus der libanesischen Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigerten.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, welchen das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids zurückwies.
Die am 6.12.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil des Einzelrichters (§ 6 VwGO) vom 25.9.2006 abgewiesen.
10 
In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die angegriffene Rücknahme der Einbürgerung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 LVwVfG. Diese allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung sei mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsgesetz im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn diese durch bewusste Täuschung erwirkt worden sei und die Rücknahme zeitnah erfolge. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erlangten Einbürgerung stehe weder das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG noch grundsätzlich das Verbot des Verlustes der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen entgegen. Die auf § 85 AuslG a.F. gestützte Einbürgerung des Klägers stelle sich als von Anfang an rechtswidrig dar. Der Kläger habe nicht, wie von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefordert, ein von innerer Überzeugung getragenes Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. An den in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG normierten Voraussetzungen habe es bereits im Einbürgerungszeitpunkt gefehlt, da der Kläger entgegen der von ihm am 2.7.2001 und am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen Bestrebungen unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätten. Die dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgehaltenen Veranstaltungsteilnahmen stellten inkriminierte Bestrebungen im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG dar, da sie die verfassungsfeindlichen Ziele der Bestrebung förderten und ihre potentielle Gefährlichkeit erhöhten. Der Kläger habe über Jahre hinweg zum Unterstützungskreis der „Hizb Allah“ gehört; er habe nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung an der Gründung der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart mitgewirkt und von 1999 bis zum Jahre 2004 dem Vorstand dieses Vereins angehört. Die „Hizb Allah“ habe die islamische Kulturgemeinschaft Stuttgart dazu benutzt, ihre eigenen verfassungsfeindlichen Ziele zu propagieren und durchzusetzen. Die islamische Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart weise eine derartige Nähe zur „Hizb Allah“ auf, dass der Verein als von der „Hizb Allah“ beeinflusst und gesteuert anzusehen und seine Aktivitäten als „Hizb Allah“-Aktivitäten zu qualifizieren seien. Auch verfolge die im Jahre 1982 gegründete „Hizb Allah“ Bestrebungen, welche durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die „Hizb Allah“ gelte als gewaltbereite Terrororganisation mit dem erklärten Ziel der Vernichtung Israels.
11 
Der Kläger habe auch vor seiner Einbürgerung nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der Bestrebungen der „Hizb Allah“ abgewandt zu haben. Ein derartiges Abwenden habe er weder in seinen Erklärungen vom 2.7.2001 bzw. 22.5.2003 noch in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht. Da es somit an der gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG gefehlt habe, hätte die Beklagte die begehrte Einbürgerung zwingend ablehnen müssen. Der Kläger habe seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt. Er habe es in seinen Bekenntniserklärungen vom 2.7.2001 und 22.5.2003 bewusst unterlassen, Angaben über seine Tätigkeit in der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. Stuttgart und seine weiteren Unterstützungshandlungen für die „Hizb Allah“ zu tätigen. Er habe in seinen Loyalitätserklärungen bewusst wahrheitswidrig versichert, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu unterstützen. Als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft e.V. und als Teilnehmer an zahlreichen Veranstaltungen habe ihm die Unterstützung inkriminierter Bestrebungen bewusst sein müssen. Daher leide die von der Landeshauptstadt Stuttgart verfügte Rücknahme der rechtswidrigen Einbürgerung nicht an einem Ermessensfehler bzw. stelle sich nicht als unverhältnismäßig dar.
12 
Gegen das am 17.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof verlängerten Berufungsbegründungsfrist beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 zu ändern und die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufzuheben.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme seiner Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, er habe eine rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige bzw. bewusste Täuschung erwirkt. Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung, nämlich eine rechtswidrige Täuschungshandlung zur Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, lägen nicht vor. Zutreffenderweise gehe die angegriffene Verfügung zwar davon aus, dass er als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft in Stuttgart tätig geworden sei. Dieser Umstand sei der Beklagten jedoch lange vor Verfügung der Einbürgerung bekannt gewesen, da seine Bestellung zum Schatzmeister dem Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart bereits am 2.6.1999 angezeigt worden sei. Im Laufe des Einbürgerungsverfahrens habe die Beklagte auch von den Bedenken des Landeskriminalamts hinsichtlich seiner vermuteten Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppierungen Kenntnis erlangt. In Übereinstimmung hiermit habe das Landesamt für Verfassungsschutz auf die Anfrage der Beklagten vom 17.2.2003 hin lediglich eine Zwischennachricht erteilt, wonach seine sicherheitsmäßige Überprüfung nicht abgeschlossen sei. Sämtliche für die Einbürgerung relevanten Erkenntnisse hätten sich im Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde in der Akte der Beklagten befunden und seien dieser daher bewusst gewesen. Bereits aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass er einen Irrtum erregt oder aufrechterhalten habe, welcher für die Einbürgerung kausal gewesen sei. Der Beklagten sei es verwehrt, die Rücknahmeentscheidung auf diese Umstände zu stützen, da sie die Einbürgerung in Kenntnis des konkreten und bekannten Sachverhalts verfügt habe. Unzutreffenderweise setze das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts seine Tätigkeit als Kassierer bei der islamischen Kulturgemeinschaft mit einer Unterstützung radikaler Ziele der „Hizb Allah“ gleich. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der „Hizb Allah“ tatsächlich um eine Organisation handle, welche durch Anwendung von Gewalt oder hierauf gerichteter Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährde. Entgegen der Annahme der Beklagten gebe es die „Hizb Allah“ als solche nicht, vielmehr seien bei dieser Organisation verschiedene Flügel und Richtungen erkennbar. Die „Hizb Allah“ sei im heutigen Libanon, dem wohl demokratischsten Staat im Nahen Osten, als größte Organisation der Muslime im Parlament vertreten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie den Versuch unternommen, den Libanon in einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu verwandeln, vielmehr erkenne sie das pluralistische System des Libanon ausdrücklich an. Im Übrigen verfolge die „Hizb Allah“ nicht ausschließlich politische Ziele, sondern unterhalte im Libanon sehr viele soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser. Es sei daher verfehlt, die „Hizb Allah“ auf das angebliche Ziel der Vernichtung Israels und der Verübung von Gewalttaten zu reduzieren. Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die „Hizb Allah“ außerhalb des Libanon oder gar in Deutschland antidemokratische und verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Unabhängig hiervon stelle das angegriffene Urteil die ihm unterstellte Verbindung als Schatzmeister der islamischen Kulturgemeinschaft zum vermeintlich gewaltbereiten Teil der „Hizb Allah“ nicht dar. Eine Verbindung zwischen dem Kulturverein und den Rednern, welche angeblich der „Hizb Allah“ nahestünden, lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Tatsachen ihm verfassungsfeindliche Ziele unterstellt würden. Er selbst habe die Teilnahme an den vorgehaltenen Veranstaltungen des islamischen Kulturvereins nie bestritten, diese sei jedoch lediglich in seiner Funktion als Kassierer erfolgt. Er habe an diesen Veranstaltungen teilgenommen, um Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedern des Kulturvereins zu erheben, wofür man ihn als Kassierer gewählt habe. Die gesammelten Gelder würden benötigt, um den Verein und dessen kulturelle Veranstaltungen zu finanzieren. Er selbst habe auf keiner einzigen Veranstaltung das Wort ergriffen oder eine Meinung kundgetan, aus der auf eine verfassungswidrige Haltung geschlossen werden könne. Aus seiner bloßen Anwesenheit bei den in der angegriffenen Verfügung aufgeführten Veranstaltungen lasse sich in keiner Weise schließen, dass er den Inhalt der Reden geteilt und damit selbst verfassungswidrige Zielsetzungen unterstützt habe. Lediglich hilfsweise sei zu beachten, dass er sich durch die Widerspruchsbegründung, die Klagebegründung und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts von ihm unterstellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert habe.
15 
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hebt hervor, die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle im Falle einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass der Kläger wahrheitswidrig eine Erklärung hinsichtlich seiner Verfassungstreue abgegeben habe. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe die inhaltliche Ausrichtung und die Ziele der islamischen Kulturgemeinschaft nicht geteilt, sei als unglaubhaft und verfahrensangepasst zu bewerten. Gerade in Anbetracht seiner Funktion als Schatzmeister sei nicht nachzuvollziehen, dass er über die Ausrichtung dieser Vereinigung nicht in Kenntnis gewesen sei; dies gelte auch hinsichtlich der Ausführungen bezüglich einer Aufsplitterung der „Hizb Allah“ in verschiedene mehr oder weniger gewaltbereite Flügel.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Landeshauptstadt Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124 a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der vom Senat verlängerten Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), ist zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei gemäß § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durch den Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, auf welchen der Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO übertragen worden war, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich nicht auf die Fälle der Berufungszulassung durch die Kammer, sondern erfasst auch die Zulassung durch den Einzelrichter. Der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit nach § 6 VwGO übertragen worden ist, entscheidet als Verwaltungsgericht im Sinne von § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.2004 - 5 C 65.03 - NVwZ 2005, 98). Die Bindung an die Zulassung durch den Einzelrichter entfällt nicht deshalb, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf ihn voraussetzt, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), die Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hingegen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erfordert. Die gegenläufigen Voraussetzungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter ausschließen wollen (vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 821). Dahingestellt kann bleiben, ob die Bindung an die Zulassung eines Rechtsmittels durch den Einzelrichter dann entfällt, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris). Denn Anhaltspunkte für eine manipulative oder objektiv willkürliche Missachtung der einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sind hier nicht ersichtlich.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 aufheben müssen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die Verfügung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
23 
1. Für die Rücknahme der im Jahre 2003 erfolgten Einbürgerung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 -, DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, DVBl. 2004, 322; Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht von jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Die Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG a.F., auf deren Grundlage der Kläger eingebürgert wurde, enthalten ebenfalls keine spezialgesetzliche Regelung über die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach dem StAG bzw. nach § 85 f. AuslG a.F. anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
24 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris; Urteil des Senats vom 9.8.2007 - 13 S 2885/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen -). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie zeitnah erfolgt und die Einbürgerung vom Betroffenen durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer Erwirkung durch arglistige Täuschung oder durch vergleichbar vorwerfbares Verhalten liegt hier nicht vor. Hierzu im Einzelnen:
25 
Dahingestellt kann bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom 22.5.2003 tatsächlich rechtswidrig war, insbesondere ob es sich - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - bei den vom Kläger am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 abgegebenen Loyalitätserklärungen lediglich um „Lippenbekenntnisse“ gehandelt hat, die nicht von der erforderlichen inneren Überzeugung getragen waren. In seinem Beschluss vom 12.12.2005 (- 13 S 2948/04 -, NVwZ 2006, 484) hat sich der Senat dazu geäußert, dass ein rein verbales Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung den Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG a. F. nicht genüge; das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse auch inhaltlich zutreffen und stelle mithin nicht nur eine rein formelle Einbürgerungsvoraussetzung dar. Dies bedarf hier ebenso wenig weiterer Klärung wie die Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die dort genannten inkriminierten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt bzw. verfolgt oder unterstützt hat (vgl. § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dahingestellt kann insbesondere bleiben, ob der dem Kläger in der angegriffenen Verfügung vorgeworfene Besuch von Veranstaltungen der „Hizb Allah“ in dem Zeitraum von 1999 bis 2003 bzw. seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. eine inkriminierte Bestrebung im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG a.F. darstellt. Denn auch eine rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat, auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom 18.1.2007, a.a.O.), und es fehlt jedenfalls an der Erlangung der Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten des Klägers.
26 
Dieser überzeugenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat in teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung an. Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort die Einbürgerung nachweislich durch eine bewusste Täuschung des Eingebürgerten herbeigeführt worden ist und diese zeitnah zurückgenommen wurde. Unter Hervorhebung dieser Umstände haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Der Umstand, dass es sich um eine durch bewusste Täuschung erwirkte bzw. „erschlichene“ Einbürgerung handelte, wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn. 32, 56, 60, 62, 70, 72, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird auch mehrfach betont, wenn der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt hat und diese zeitnah zurückgenommen wurde, werde der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme habe voraussehen können (vgl. Rn. 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, a.a.O., Rn 85) „rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenklich“ (a.a.O, Rn. 86) durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme der Beklagten, dass § 48 LVwVfG für die Rücknahme einer nicht durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer nicht in vorwerfbarer Weise erwirkten Einbürgerung offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme darstellt, wenn der Betroffene seine Einbürgerung selbst nachweislich durch Täuschung erwirkt hat. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, welche der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, kann der Betroffene nur im Fall einer „erschlichenen“ Einbürgerung die spätere Rechtsfolge der Rücknahme auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Verbindung mit dem analog anwendbaren § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG sowie der vom Bundesverfassungsgericht für anwendbar erklärten gefestigten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte in Täuschungsfällen vorhersehen.
27 
Für diese im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 LVwVfG enge Auslegung sprechen im Übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigenstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Er bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände lediglich bei arglistigem oder vergleichbar vorwerfbarem Handeln des Betroffenen überwiegt.
28 
Auch das die Bundesrepublik Deutschland bindende Völkerrecht, das der Verfassungsgeber bei Ausgestaltung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich vor Augen hatte, stellt jedenfalls in dem Fall, dass der Betroffene durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird, maßgeblich darauf ab, unter welchen Umständen die Einbürgerung erlangt worden ist. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. 1977 II, S. 597 ff.), das auf eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchstabe b des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates u. a. für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder durch Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde.
29 
Der Kläger hat seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG erwirkt. Das Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ setzt ein zweck- und zielgerichtetes Handeln voraus, das auf eine Rechtsfolge gerichtet ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 91/82 - BVerwGE 68, 159). Nach der vor allem in der mündlichen Verhandlung durch informatorische Befragung des Klägers gewonnenen Überzeugung des Senats lässt sich nicht feststellen, dass dieser bei Abgabe der Loyalitätserklärungen am 2.7.2001 bzw. am 22.5.2003 wissentlich und zweckgerichtet von ihm etwa unterstützte verfassungsfeindliche Bestrebungen verschwiegen hat, um seine Einbürgerung in rechtswidriger Weise zu erreichen. Die von der Beklagten geforderte Erklärung, keine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen zu verfolgen oder zu unterstützen, setzt von dem Einbürgerungsbewerber eine Wertung in zweifacher Hinsicht voraus. Sie unterscheidet sich dabei wesentlich von ihrer Struktur nach einfachen Fragen, die etwa durch Ankreuzen bzw. mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind, etwa Fragen nach anhängigen Ermittlungsverfahren, Mitgliedschaften in konkret genannten Vereinigungen oder Personenstandsverhältnissen. Bei der standardisierten Loyalitätserklärung, die die Beklagte dem Kläger vorgelegt hat, muss der Einbürgerungsbewerber zum einen selbst bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für sich zustimmen kann und ob sein Verhalten, etwa seine Aktivität in Ausländervereinen, diesen Kriterien entspricht. Zum anderen muss der Einbürgerungsbewerber einzuschätzen versuchen, wie seine Aktivitäten mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft werden; er trägt insoweit ein mit der Abstraktheit der Fragestellung steigendes Risiko, dass ihm „unrichtige Angaben“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG vorgeworfen werden.
30 
Danach lag es für den Kläger nicht nahe, seine Aktivitäten bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V., die er selbst als in erster Linie religiös bzw. kulturell motivierte Betätigung ansieht, ohne ausdrückliche Frage der Einbürgerungsbehörde nach einer Mitgliedschaft in islamistisch geprägten Vereinigungen als verfassungsfeindliche Betätigung einzuschätzen. Gerade weil der Kläger seine Aktivitäten selbst lediglich als religiöse, nicht jedoch als politische Betätigung ansah, bestand für ihn kein Anlass, die in erster Linie der Beklagten obliegende Bewertung des Verhaltens und dessen Subsumtion unter § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG selbst zugrunde zu legen. Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde dem Einbürgerungsbewerber eine Liste mit von ihr als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen vorgelegt oder unter Hinweis auf die Anforderungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG den Einbürgerungsbewerber allgemein und umfassend nach Mitgliedschaften bzw. früheren Mitgliedschaften in Vereinigungen und Vereinen befragt hätte. Denn dann hätte es dem Einbürgerungsbewerber oblegen, seine Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. zu offenbaren, und die Staatsangehörigkeitsbehörde hätte vor der Einbürgerung die Möglichkeit gehabt, nach entsprechender Erkundigung bei Verfassungsschutzbehörden eine eigene Bewertung dieser Mitgliedschaft vorzunehmen. Sein Schweigen hätte dann bei entsprechender Bewertung der verschwiegenen Aktivitäten ohne weiteres zur Annahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung führen können. Ohne weitere konkretisierende Fragen der Einbürgerungsbehörde kann dagegen nicht festgestellt werden, dass der Kläger wissentlich für seine Einbürgerung relevante Umstände verschwiegen hat, um seine Einbürgerung auf rechtswidrige Weise zu erreichen.
31 
Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob ein etwaiges Verschweigen des Klägers seiner Mitgliedschaft überhaupt für die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde kausal war. Zwar dürfte entgegen der Annahme des Klägers nicht davon auszugehen sein, dass der Einbürgerungsbehörde die an das für Vereinsangelegenheiten zuständige Sachgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart gerichtete Anzeige vom 2.6.1999 über die Wahl des Klägers in den Vereinsvorstand der islamischen Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V. bekannt war. Wie die Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, werden derartige Mitteilungen amtsintern bereits aus Datenschutzgründen nicht an die Einbürgerungsbehörde weitergeleitet. Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Beklagte vor Vollzug der Einbürgerung die Einbürgerungsakte nicht hinreichend auf etwaige inkriminierte Bestrebungen des Klägers ausgewertet hat. So bat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit an die Einbürgerungsstelle weitergeleitetem Schreiben vom 3.4.2001 um Übersendung der über den Kläger geführten Ausländerakten, wobei ausweislich eines Aktenvermerks diese Anfrage wegen der vermuteten Zugehörigkeit des Klägers zu extremistischen Gruppierungen erfolgte. Auch erteilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Falle des Klägers am 17.2.2003 lediglich eine Zwischennachricht dahingehend, dass die Überprüfungen in sicherheitsrechtlicher Hinsicht noch nicht habe abgeschlossen werden können. Wie sich dem Bearbeitungsblatt entnehmen lässt, wurde das Nichtvorliegen der Sicherheitsüberprüfung im Falle des Klägers übersehen und deshalb wohl lediglich aus Versehen seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verfügt.
32 
Dass die Rücknahme einer Einbürgerung über die Fälle von Täuschung oder vergleichbar vorwerfbarem Verhalten hinausgehend bei lediglich objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen (siehe § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG) mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist (vgl. so ausdrücklich noch Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205; offen gelassen vom Bundesverwaltungsgericht in seinem nachfolgenden Revisionsurteil vom 9.9.2003, a.a.O.), wird nach dem oben Gesagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen sein, wenn jedenfalls eine den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenäherte Fallkonstellation vorliegt. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG fällt der Vertrauensschutz bereits dann weg, wenn der Verwaltungsakt durch objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist. Nicht notwendig ist, dass die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139). Der Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG erfordert daher nicht, dass der Betroffene die Unrichtigkeit seiner Angaben positiv kannte oder kennen musste. Erforderlich ist lediglich, dass er erkannte oder erkennen musste, dass die entsprechende Angabe von ihm gefordert war (vgl. hierzu Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., Rn. 164 zu § 48 VwVfG). Bei der Rücknahme einer Einbürgerung allein wegen objektiv unrichtiger Angaben handelt es sich um eine Verlustzufügung, die aus Sicht des Betroffenen willkürlich erfolgt und die er nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann. Dies begründet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch einen Verstoß gegen das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Rücknahme der Einbürgerung bei Ausschluss des Vertrauensschutzes lediglich durch § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG ist daher nur in atypischen Konstellationen möglich, in denen das Verhalten des Betroffenen in subjektiver Hinsicht den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG angenähert ist. Eine derartig gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Betroffene das Unterstützen einer offensichtlich verfassungsfeindlichen Bestrebung verschweigt bzw. eine konkrete Frage unzutreffend beantwortet.
33 
Jedenfalls eine durch derartige besondere Umstände geprägte Fallkonstellation des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG liegt hier nicht vor. Es lässt sich wohl nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger objektiv unrichtige Angaben über verfassungsfeindliche Betätigungen gemacht hat und die Einbürgerung deshalb auf dem Verschweigen von Umständen beruht, die allein oder überwiegend in seiner Sphäre liegen. Auch hier ist maßgeblich, dass vom Kläger keine Angaben über Betätigungen in Vereinen verlangt worden waren, sondern demgegenüber lediglich eine abstrakte Erklärung, dass er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt. Im Übrigen fehlt es nach dem oben Gesagten auch insoweit an der erforderlichen Kausalität von etwaigen objektiven Falschangaben.
34 
Dahingestellt kann bleiben, ob die mit Bescheid vom 31.8.2005 verfügte Rücknahme der Einbürgerung „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welcher sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 9.8.2007, a.a.O.), erfolgt ist. Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Es spricht freilich einiges dafür, dass es sich bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am 22.5.2003 und dem Erlass der gegenständlichen Rücknahmeverfügung am 31.8.2005 verstrichenen Zeitraum von lediglich knapp über zwei Jahren noch um eine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt. Hierfür spricht etwa, dass gemäß der - nach dem oben Gesagten hier nicht anwendbaren - Bestimmung des § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden kann. Es spricht deshalb einiges dafür, dass bei einem zwischen Einbürgerung und deren Rücknahme liegenden Zeitraum von unter fünf Jahren von einer zeitnahen Rücknahme auszugehen ist.
35 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid sind auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig (vgl. § 52 Abs. 1 LVwVfG).
36 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Umständen die Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neuren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, noch nicht geklärt (vgl. hierzu § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
38 
Beschluss
vom 17. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
        
In Anlehnung an Ziffer 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
        
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. August 2006 - 11 K 4702/04 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der Kläger, ein im Jahre 1962 geborener ehemaliger pakistanischer Staatsangehöriger, reiste erstmalig am 6.10.1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich als Asylsuchender meldete. Nach Rücknahme seines Asylantrags kehrte er zunächst am ... freiwillig nach Pakistan zurück, reiste jedoch am ... erneut als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 21.4.1987 ab, welcher nach Rücknahme der hiergegen erhobenen Klage bestandskräftig wurde. Am ... heiratete der Kläger in Stockholm eine deutsche Staatsangehörige, worauf ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Gestützt auf § 9 Abs.1 RuStAG in der damals gültigen Fassung beantragte er am... bei den seinerzeit örtlich zuständigen Behörden des Saarlands seine Einbürgerung. Zur Begründung des Einbürgerungsantrags verwies der Kläger auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Frau und den Willen, mit ihr auf Dauer in Deutschland zu leben. Mit Urkunde des Saarländischen Ministeriums des Innern vom ... ausgehändigt am ... wurde der Kläger in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Die Ehe des Klägers wurde auf Antrag seiner Frau mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Familiengericht - vom ... geschieden. Im Urteil des Familiengerichts ist als Trennungsdatum August 1992 angegeben. In der Folgezeit verzog der Kläger in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Rems-Murr-Kreis.
Nachdem der Kläger eine pakistanische Staatsangehörige geheiratet hatte und ein Verfahren auf Familiennachzug für seine Ehefrau einleitete, teilte die Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad mit Schreiben vom ... der zuständigen unteren Ausländerbehörde mit, Ermittlungen eines von der Botschaft eingeschalteten Vertrauensanwalts hätten Hinweise darauf ergeben, dass es sich bei der Vorehe des Klägers mit seiner deutschen Ehefrau um eine Scheinehe gehandelt habe. So habe die Mutter des Klägers gegenüber dem Vertrauensanwalt eingeräumt, dass die vom ... bis zum ... bestehende Ehe des Klägers nur den Zweck gehabt habe, ihm eine Aufenthaltssicherung zu ermöglichen und vereinbarungsgemäß nach Zweckerreichung aufgelöst worden sei. Nachdem der Beklagte von dieser Mitteilung der deutschen Auslandsvertretung am 5.8.2002 Kenntnis erlangte, hörte er den Kläger mit Schreiben vom ... zu einer beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung wegen des Verdachts der Scheinehe an. Der Kläger trat diesem Vorwurf entgegen und brachte hierzu u.a. eine Bestätigung seiner ehemaligen Ehefrau bei, wonach die eheliche Lebensgemeinschaft bis August 1993 bestanden habe.
Mit Bescheid vom 16.7.2003 nahm das Landratsamt Rems-Murr-Kreis die Einbürgerung des Klägers vom ... in den deutschen Staatsverband unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück (1.) und forderte ihn zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde sowie der ihm ausgestellten Ausweispapiere auf (2.). Zur Begründung der auf § 48 LVwVfG gestützten Rücknahme der Einbürgerung führt das Landratsamt aus, der Kläger habe seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erwirkt, da es sich bei seiner damaligen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zur Überzeugung der Behörde um eine Scheinehe gehandelt habe. Das Landratsamt habe keinerlei Zweifel an der Echtheit der vertrauensanwaltlichen Ermittlungen, welche den Verdacht einer Scheinehe bestätigt hätten. Es sei nicht ersichtlich, warum eine deutsche Auslandsvertretung falsche Aussagen machen und damit anderen Leuten Lügen unterstellen sollte. Im übrigen habe der Kläger gegen seine Mitwirkungsobliegenheiten im Einbürgerungsverfahren verstoßen, indem er die im Jahre 1992 erfolgte Trennung von seiner Ehefrau nicht mitgeteilt habe. Aufgrund der Feststellungen in dem Scheidungsurteil ergebe sich eindeutig, dass eine etwa bestehende eheliche Lebensgemeinschaft bereits im August 1992 und nicht wie von dem Kläger behauptet erst ein Jahr später aufgelöst worden sei. Die gegenteiligen Bekundungen des Klägers seien bereits deshalb nicht glaubhaft, weil sich ansonsten die Beteiligten bereits früher gegen das unrichtige Scheidungsurteil gewehrt hätten.
Die Annahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft sei für die auf § 9 StAG gestützte Einbürgerung auch ursächlich gewesen, weil sie andernfalls nicht hätte erfolgen dürfen. Aufgrund der arglistigen Täuschung könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen, so dass die Einbürgerung gemäß § 48 Abs. 3 LVwVfG zurückgenommen werden könne. Da es sich um keinen rechtmäßigen , sondern um einen durch arglistige Täuschung herbeigeführten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehandelt habe, greife das Entziehungsverbot des Art. 16 GG nicht ein. Diese Vorschrift solle vielmehr nur gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern. Bei Bewertung der Gesamtumstände gehe die Staatsangehörigkeitsbehörde davon aus, dass der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch arglistige Täuschung erworben habe und somit deren Rücknahme gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht Stuttgart am 27.8.2003 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Mit Beschluss vom 17.10.2003 (7 K 3492/03) gab das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Eilantrag statt.
Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2004 auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Ausgangsbescheids mit ergänzenden Gründen zurück. Zur Klarstellung werde darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit erfolge, wie es der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG entspreche. Anlass für die Rücknahme sei die Annahme einer Scheinehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen basierend auf den Aussagen, welche seine Mutter gegenüber einem Vertrauensanwalt der deutschen Auslandsvertretung getätigt habe. Die Ausgangsbehörde habe ihr Rücknahmeermessen noch hinreichend ausgeübt und dabei zutreffend auf das Vorliegen einer arglistigen Täuschung und den daraus resultierenden Ausschluss von Vertrauensschutz abgehoben. Die Widerspruchsbehörde schließe sich der Auffassung des Landratsamts an, wonach das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erteilten Einbürgerung das Interesse des Klägers an deren weiterem Fortbestand überwiege. Keiner abschließenden Klärung bedürfe, ob der Kläger aufgrund der Rücknahme der Einbürgerung tatsächlich staatenlos werde, was nach pakistanischem Staatsangehörigkeitsrecht im wesentlichen davon abhänge, ob ein etwaiger Verzichtsantrag von der zuständigen Behörde entgegengenommen worden sei.
Auf die am 26.11.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
die Verfügung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufzuheben,
10 
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 -die angefochtenen Bescheide insgesamt aufgehoben.
11 
In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die von dem Beklagten herangezogene allgemeine Vorschrift des § 48 LVwVfG stelle in der vorliegenden Fallkonstellation keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers dar. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der für die Einbürgerung ursächlichen vorgegangenen Ehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen um eine Scheinehe gehandelt habe. Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG stelle nur dann eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung dar, wenn diese zeitnah erfolge. Da zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung mehr als zehn Jahre verstrichen seien, liege eine derartige zeitnahe Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 (2 BvR 669/04) überholt. Das Gericht schließe sich der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach es Sache des Gesetzgebers sei, im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst eine eigenständige Regelung für die Rücknahme einer aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten erlangten Einbürgerung zu schaffen, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme gehe.
12 
Gegen das am 10.11.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1.12.2006 die bereits vom Verwaltungsgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassene Berufung eingelegt; er hat beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1.8.2006 - 11 K 4702/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
14 
Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte am 5.1.2007 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle § 48 LVwVfG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der vom Kläger erschlichenen Einbürgerung dar. Das angegriffene Urteil gehe ohne ausreichende Begründung fälschlicherweise davon aus, dass im vorliegenden Fall keine zeitnahe Rücknahme im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, Az. 2 BvR 669/04) erfolgt sei. Zudem liege der für die Rücknahmeentscheidung maßgebliche Zeitpunkt auch nicht mehr als zehn Jahre nach der Einbürgerung des Klägers, sondern weniger. Abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung selbst, sondern auf den Zeitpunkt der Anhörung des Klägers mit Schreiben des Landratsamts vom .... Zwischen der Einbürgerung und der maßgeblichen, den Vertrauensschutz ausschließenden Anhörung des Klägers liege deshalb lediglich ein Zeitraum von etwas über neuneinhalb Jahren. Im Hinblick auf die weitreichenden Statusfolgen einer Einbürgerung dürften an den Begriff der zeitnahen Rücknahme keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Zeitraum von zehn Jahren stelle noch eine gut überschaubare Zeitspanne dar. Im übrigen habe sich das Bundesverfassungsgericht in seinem genannten Urteil vom 24.5.2006 hinsichtlich der zeitlichen Grenzen für die Rücknahme einer Einbürgerung aufgrund allgemeinen Landesverwaltungsverfahrensrechts besonders zurückhaltend geäußert. Insbesondere verlange das Bundesverfassungsgericht gerade nicht, dass der Gesetzgeber selbst eine abschließende zeitliche Grenze für die Rücknahmemöglichkeit schaffe.
15 
Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung stelle die Vorschrift des § 48 LVwVfG auch für den Fall einer nicht zeitnah erfolgten Rücknahme eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG jedenfalls für die Fälle, in denen Dritte durch eine Rücknahme der Einbürgerung nicht tangiert würden, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle, sei durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise überholt.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Er wendet sich gegen die Annahme des Beklagten, es habe sich bei seiner Ehe mit der früheren deutschen Frau um eine Scheinehe gehandelt bzw. er habe das Trennungsdatum falsch angegeben. Im übrigen sei das Verwaltungsgericht Stuttgart zutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahme nicht mehr zeitnah im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt sei. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob bei der Berechnung der Frist auf den 16.7.2003 oder auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom ... abzustellen sei. Auch ein Zeitraum von etwas mehr als neuneinhalb Jahren könne nicht mehr als unverzügliche Rücknahme im Sinne des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden.
19 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
20 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Beklagten einschließlich der Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
30 
1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
36 
In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
37 
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Beklagten entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid des Beklagten vom 16.7.2003 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 aufgehoben, weil diese rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
Sowohl die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers (1.) als auch die verfügte Verpflichtung, die Einbürgerungsurkunde sowie die deutschen Ausweispapiere zurückzugeben (2.), erweisen sich als rechtswidrig.
24 
1.1 Für die verfügte Rücknahme der im Jahre 1993 erfolgten Einbürgerung fehlt es bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Allerdings kann grundsätzlich die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung auf die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmung des § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19.02 - DVBl. 2004, 116; BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 - DVBl. 2004, 322, Urteil des Senats vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01 - DVBl. 2003, 1283). Die im Staatsangehörigkeitsrecht seit jeher vorhandenen punktuellen Regelungen über Rücknahme und Verlust der Staatsangehörigkeit (vgl. heute z.B. §§ 17 ff. StAG) stellen kein abgeschlossenes Regelungssystem dar, durch das der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hätte, dass es sich um eine umfassende und abschließende Regelung der Materie mit der Folge handeln soll, dass die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes von vornherein nicht mehr zur Anwendung kommen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 9 (damals noch RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen, während die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung nicht spezialgesetzlich geregelt sind. Auch § 24 StAngRegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 9 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276; BVerwG, Urteil vom 3.6.2003, a.a.O.).
25 
Die allgemeine Bestimmung des § 48 LVwVfG ist auf die Rücknahme von Einbürgerungen jedoch nur anwendbar unter den Einschränkungen, die sich aus Art. 16 Abs. 1 GG ergeben (vg. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 - DVBl. 2006, 910; dem folgend auch Hess. VGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 - AuAS 2007,77). Die Vorschrift bedarf insoweit verfassungskonformer Anwendung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG. Hieraus ergibt sich, dass die Rücknahme einer Einbürgerung nur zulässig ist, wenn sie vom Betroffenen auf vorwerfbare Weise erwirkt worden ist und zeitnah erfolgt. Jedenfalls das zwingende Erfordernis einer zeitnahen Rücknahme liegt hier nicht vor. Hierzu im einzelnen:
26 
Dahingestellt kann mit dem Verwaltungsgericht bleiben, ob die Einbürgerung des Klägers vom ... tatsächlich wegen Bestehens einer Scheinehe bzw. Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vor erfolgter Einbürgerung im August 1992 rechtswidrig war, wie von dem Beklagten in der angefochtenen Verfügung angenommen. Zwar ist im Ergebnis dem Beklagten zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG entfallen lässt, aber die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigt, welcher der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern, so dass bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen regelmäßig von einer rechtswidrigen Einbürgerung ausgegangen werden kann (vgl. hierzu umfassend Urteil des Senats vom 29.11.2002, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann für die Entscheidung ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob der Kläger eine etwaige rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder in vergleichbar vorwerfbarer Weise erwirkt hat. Denn auch eine erschlichene rechtswidrige Einbürgerung kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts, d.h. nach der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 48 LVwVfG, nur dann zurückgenommen werden, wenn die Rücknahme zeitnah vorgenommen wird (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - juris).
27 
Die von dem Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Fallkonstellation war maßgeblich durch den Umstand geprägt, dass dort zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme derselben ein Zeitraum von knapp über zwei Jahren lag. Unter Hervorhebung dieses Umstandes haben die die Entscheidung tragenden Richter hervorgehoben, dass die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes „in diesem Fall“ mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Einklang stehe. Dieser Umstand wird mehrfach in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hervorgehoben (vgl. etwa Rn 72, 73, 76 des Mehrheitsvotums - zitiert nach dem Urteilsabdruck aus juris -). In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mehrfach dargelegt, dass in dem Fall, in dem der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeigeführt habe und diese zeitnah zurückgenommen werde, der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit Genüge getan werde, da der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen konnte (vgl. Rn 76 des Urteils). Damit hatten die die Entscheidung tragenden vier Richter des Bundesverfassungsgerichts einen von ihnen selbst so bezeichneten „Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände“ vor Augen, der sich unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes sowie unter den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie (vgl. hierzu Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Rn 85) hinreichend und unproblematisch durch Anwendung des § 48 LVwVfG lösen ließ. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts folgt entgegen der Annahme des Beklagten zwingend, dass § 48 LVwVfG in den Fällen einer nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Frage des Bestehens einer Ermächtigungsgrundlage bei nicht zeitnaher Rücknahme offen bleiben sollte. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der tragenden Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, wonach § 48 LVwVfG gerade dann eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung darstellt, wenn diese aufgrund eines bestehenden zeitlichen Zusammenhangs den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und Normenklarheit genügt. Die gebotene Rechtssicherheit sieht das Bundesverfassungsgericht nur bei einer zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung gewährleistet, während in anderen Fällen die hergebrachten Grundsätze des § 48 LVwVfG nicht mehr den rechtsstaatlich zwingend gebotenen Bestimmtheitserfordernissen bzw. der Vorhersehbarkeit genügen (vgl. hierzu auch umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.).
28 
Für diese Auslegung sprechen im übrigen auch systematische und teleologische Erwägungen. So schützt der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen durch die Einbürgerung erlangten Status verlieren kann. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.). Der hierdurch vermittelte Status bestimmt nicht nur die subjektiven staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten des Einzelnen, vielmehr kommt der Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu. Mithin betrifft der mit der Einbürgerung vermittelte bürgerschaftliche Status die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens und geht damit weit über eine individuelle schützenswerte Rechtsposition des Eingebürgerten hinaus. Gerade das damit in Art. 16 Abs. 1 GG verbürgte Stabilitätsanliegen der Gemeinschaft spricht dafür, dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände selbst bei arglistigem Handeln des Betroffenen nicht ohne weiteres zeitlich unbegrenzt überwiegt. Auch an den wenigen bestehenden Spezialregelungen zeigt sich, dass der Gesetzgeber dem Stabilitätsanliegen im Staatsangehörigkeitswesen besonderes Gewicht zumisst. So kann gemäß § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit - StAngRegG - die Unwirksamkeit einer auf dieser Grundlage erlangten Staatsangehörigkeit nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung festgestellt werden, selbst wenn die Einbürgerung durch schuldhafte Falschangaben des Betroffenen erwirkt worden ist. Auch die vorgesehene Neuregelung in § 3 des StAG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben soll, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat, spricht dafür, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Vertrauensschutzgesichtspunkten und Stabilitätserwägungen im Bereich des Staatsangehörigkeitswesens zentrale Bedeutung zukommt. Auch der Umstand, dass die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG, wonach die Rücknahme grundsätzlich nur binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Behörde von den rücknahmebegründenden Tatsachen zulässig ist, im Fall einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung gerade nicht anwendbar ist, spricht dafür, eine absolute zeitliche Rücknahmegrenze zu fordern.
29 
1.2 Die Einbürgerung des Klägers ist nicht in diesem Sinne „zeitnah“ zurückgenommen worden. Der in dem vorstehend erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff „zeitnah“ bezieht sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme verstrichenen Zeitraum, nicht auf eine Entschließungsfrist der Behörde ab Kenntniserlangung der rücknahmebegründenden Umstände. Dieser absolute zeitliche Rahmen und nicht etwa die Entschließungsfrist der Behörde war im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gegenstand der in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion über die zeitliche Begrenzung der Befugnis der Behörde zur Rücknahme der Einbürgerung (vgl. umfassend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006, a.a.O.; zusammenfassend Nettersheim, DVBl. 2004, 1144). Wo eine exakte zeitliche Grenze zwischen der zeitnahen und der nicht mehr zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung verläuft, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei dem zwischen der Einbürgerung des Klägers am ... und deren Rücknahme am 16.7.2003 verstrichenen Zeitraum von über zehn Jahren kann jedenfalls nicht mehr von einer zeitnahen Rücknahme gesprochen werden. Gleiches gilt im übrigen, wenn entsprechend der Ansicht des Beklagten lediglich auf den verstrichenen Zeitraum bis zur Kenntniserlangung des Klägers von der beabsichtigten Rücknahme durch Anhörungsschreiben vom ... abzustellen wäre. Bei Klärung der Frage, was unter „zeitnah“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, ist maßgeblich auf die Bedeutung der Staatsangehörigkeit sowohl für den Einzelnen als auch für die staatliche Gemeinschaft abzustellen. Es liegt auf der Hand, dass mit zunehmendem Zeitablauf zahlreiche an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Rechte und Pflichten verwirklicht sein werden, die durch eine Rücknahme nicht mehr folgenlos beseitigt werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht betont, begründet die Staatsangehörigkeit des Einzelnen regelmäßig nicht nur für diesen selbst Rechtstellungen und Pflichten, sondern hat regelmäßig auch Weiterungen auf den Status sonstiger Personen.
30 
1.3 Die mit Bescheid vom 16.7.2003 verfügte Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist unabhängig von der Frage, ob § 48 LVwVfG hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, auch deshalb rechtswidrig, weil sie an einem im gerichtlichen Verfahren zu beanstandenden Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) leidet. Dabei spricht bereits vieles dafür, dass der angefochtene Ausgangsbescheid an einem vollständigen Ermessensausfall und deshalb an einem nicht heilbaren Ermessensfehler leidet. Der nach der Tatbestandsprüfung erfolgte Hinweis des Landratsamts, wonach aufgrund der dargelegten Gesamtumstände von einer arglistigen Täuschung auszugehen und damit die Rücknahme der Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zu verfügen sei, deutet darauf hin, dass der Beklagte das auch im Fall einer Täuschung zwingend auszuübende umfassende Rücknahmeermessen nicht erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 3.6.2003 und 9.9.2003, a.a.O.). Jedenfalls hat es das Landratsamt versäumt, die für eine Ermessensausübung über die Rücknahme maßgeblichen Umstände in seine Erwägungen einzustellen. So ist ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen, dass der Beklagte weder die Dauer der seit der Einbürgerung des Klägers verstrichenen Zeit als solche noch die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt hat. Ebenso blieben die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Kläger gänzlich unberücksichtigt. Gleiches gilt für die im Rahmen des Rücknahmeermessens zentrale Frage, ob der Betroffene bei erfolgter Rücknahme staatenlos wird oder ob er seine frühere Staatsangehörigkeit beibehalten hat bzw. diese in zumutbarer Weise wieder erlangen könnte. Auch der für die gerichtliche Ermessenskontrolle (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) maßgebliche Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2004 heilt diese Ermessensfehler nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Regierungspräsidium überhaupt ergänzende eigene Ermessenserwägungen angestellt hat oder sich lediglich auf eine Ermessensüberprüfung der Ausgangsbehörde beschränkt hat, wofür freilich die im Widerspruchsbescheid verwendete Formulierung spricht. Jedenfalls hat auch das Regierungspräsidium nicht aufgeklärt, ob der Kläger durch die Rücknahme staatenlos wurde oder nicht. Die Widerspruchsbehörde hätte sich im Rahmen einer etwaigen Ermessensausübung nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, wonach sich aus den Einbürgerungsakten nicht ergebe, ob ein Verzicht auf die pakistanische Staatsangehörigkeit wie nach pakistanischem Recht maßgeblich registriert worden ist oder nicht.
31 
2. Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid sowie der Widerspruchsbescheid ist zu Recht vom Verwaltungsgericht auch insoweit aufgehoben worden, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und seiner deutschen Identitätspapiere aufgefordert wurde. Nachdem die Einbürgerung nach dem oben Gesagten nicht zurückgenommen werden durfte, ist auch die Aufforderung zur Rückgabe der hieraus resultierenden Dokumente rechtswidrig.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 137 VwGO vorliegt. Zwar ist die Frage, ob und unter welchen Umständen eine Rücknahme einer Einbürgerung gemäß § 48 LVwVfG zulässig ist, in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006, nicht geklärt; eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung war dem Senat jedoch verwehrt, da der angegriffene Rücknahmebescheid unabhängig von dieser ungeklärten Frage wegen eines Ermessensfehlers aufzuheben war. Die Frage, dass im Rahmen einer Rücknahme der Einbürgerung umfassend Ermessen auszuüben ist, ist nach dem oben Gesagten in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt; welche Ermessenserwägungen zu fordern sind, ist eine im Revisionsverfahren nicht zu klärende Frage des Einzelfalls.
34 
Beschluss
vom 9. August 2007
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
36 
In Anlehnung an Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1331) geht der Senat bei Streitigkeiten über einen Einbürgerungsanspruch vom doppelten Auffangwert pro Person aus.
37 
Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.