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| Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 28.11.2003 zur Errichtung einer Windfarm mit 12 Windkraftanlagen im Gewann „I. K.“, Gemarkung H.-I., für die das Landratsamt Sigmaringen mit Entscheidung vom 27.05.2004 die sofortige Vollziehung angeordnet hat, insoweit einschränkend wiederherzustellen, dass der Nachtbetrieb der Anlagen untersagt bleibt, hat keinen Erfolg. |
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| Der Antrag ist bereits unzulässig, da es an einem fristgerecht und wirksam eingelegten Widerspruch der Antragsteller fehlt, der Träger der begehrten aufschiebenden Wirkung sein kann. Denn der von den Antragstellern mittels einfacher (nicht mit einer zertifizierten digitalen Signatur versehenen) E-Mail (Electronic Mail) vom 16.01.2004 erhobene Widerspruch genügt nicht dem Formerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO und wurde damit nicht wirksam eingelegt. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die - ebenso wie für die Klageerhebung (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO) -erforderliche Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie herrührt, mit hinreichender Sicherheit entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht bloß um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Urhebers dem Empfänger zugeleitet wird. Die Schriftlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist - ebenso wie im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO -grundsätzlich gewahrt, wenn der Widerspruchsführer die Widerspruchsschrift eigenhändig unterschrieben hat, da so das Schriftstück dem Unterzeichner zuverlässig zugeordnet werden kann (BVerfG, Beschluss vom 11.02.1987 - 1 BvR 475/85 -, BVerfGE 74, 228; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OBG), Beschluss vom 30. April 1979 - GmS-OGB 1/78 -, BVerwGE 58, 359, 364 ff; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 70 RdNr. 2; Bosch/Schmidt, Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren, 7. Aufl., § 26 IV 1 a). In der Rechtsprechung ist zudem bereits seit längerer Zeit anerkannt, dass auch die telegrafische und fernschriftliche Erhebung des Widerspruchs sowie die Erhebung durch Telefax (Faxkopie) der Schriftform des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt, wenn auch das empfangene Dokument keine Originalunterschrift aufweist und somit Verwechslung und Missbrauch nicht vollständig ausgeschlossen werden können (BVerfG, Beschluss vom 11.02.1987, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13.02.1987 - 8 C 25.85 -, BVerwGE 77, 38 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.04.1990 - 9 S 586/90 -, VBlBW 1990, 335). Mit Beschluss vom 05.04.2000 (GmS-OBG 1/98 -, NJW 2000, 2340) hat es der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Erfüllung der gesetzlich erforderlichen Schriftform zudem ausreichen lassen, dass Schriftsätze durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Empfängers übermittelt werden. Zwar sei mangels Vorhandensein eines körperlichen Originalschriftstücks beim Absender eine eigenhändige Unterzeichnung nicht möglich. Doch sei für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch bestimmten Schriftsatzes nicht eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im Textverarbeitungs-PC befindliche Datei maßgeblich, sondern allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort erstellte körperliche Urkunde. Der Zweck der Schriftform werde dadurch gewahrt, dass die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt sei, dass seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht sei, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne. |
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| Dementsprechend genügt die Einlegung eines Widerspruchs mittels einfacher E-Mail nicht dem Schriftformerfordernis des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO (ebenso: Geis/Hinterseh, Grundfälle zum Widerspruchsverfahren, JuS 2001, 1176, 1177; für § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 29.07.2004 - 5 A 53/04 -; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 81 RdNr. 9; Eyermann, a.a.O., § 81 RdNr. 10, Nachtrag zur 11. Aufl., § 86 a RdNr. N6; offengelassen von: FG Hamburg, Urteil vom 06.03.2003 - I 318/00 -). Denn es ist nicht dem unverzichtbaren Mindesterfordernis Genüge getan, dass ein körperliches Schriftstück bei Gericht eingeht (vgl. Eyermann, a.a.O., § 81 RdNr. 10; diesen Schluss hält auch Weigel, Bestimmende elektronische Schriftsätze und der neue § 77a FGO, DStR 2002, 1841 für schlüssig). Darüber hinaus bietet die einfache und nicht mit einer zertifizierten digitalen Signatur versehene E-Mail im Gegensatz zum Computerfax (vgl. zur zuverlässigeren Feststellbarkeit des Absenders beim Computerfax und zur leichteren Möglichkeit der inhaltlichen Verfälschung der E-Mail: Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86a RdNr. 35) nicht eine ausreichend sichere Gewähr für die Identifizierbarkeit des Absenders und eine größere Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch Unbefugte, so dass die einfache E-Mail im Hinblick auf die dargestellte Authentizitäts- und Sicherungsfunktion des Schriftformerfordernisses nicht als formgerecht im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO anerkannt werden kann (vgl. zu diesem Aspekt etwa: Geis/Hinterseh, a.a.O., S. 1177; Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 9). Schließlich ist der Umstand, dass der Gesetzgeber den elektronischen Rechtsverkehr durch ergänzende Bestimmungen (für das Verwaltungs(prozess)recht vgl. etwa: § 86a VwGO, § 3a BVwVfG) neu geregelt hat, Beleg dafür, dass er selbst nicht davon ausgeht, dass die einfache E-Mail den gesetzlichen Schriftformerfordernissen genügt. |
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| Auf die Neuregelung des § 86a VwGO können sich die Antragsteller bereits deswegen nicht berufen, weil sich ihr Geltungsbereich nur auf das gerichtliche Verfahren bezieht (vgl. Eyermann, VwGO, Nachtrag zur 11. Auflage, § 86a VwGO RdNr. N5; Rudisile, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 86a RdNr. 12). Zudem hat das Land Baden-Württemberg erst mit Verordnung des Justizministeriums zur Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs vom 15.06.2004 (GBl. S. 590) und nur hinsichtlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Grundlage des § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO sowie nur für das Landgericht Mannheim die Einreichung elektronischer Dokumente zugelassen; für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gibt es eine entsprechende Verordnung in Baden-Württemberg nicht, so dass § 86a VwGO derzeit hier nicht anwendbar ist. |
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| Ferner können die Antragsteller zu ihren Gunsten auch nichts aus der am 01.02.2003 in Kraft getretenen Regelung des § 3a BVwVfG herleiten. Dies folgt bereits daraus, dass der Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes hier nicht eröffnet ist (vgl. § 1 Abs. 1 BVwVfG). Zudem muss nach dieser Regelung in dem Fall, dass durch Rechtsvorschrift eine Schriftform angeordnet ist - wie hier in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO -, das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz übermittelt werden. Das Landesverfahrensgesetz Baden-Württemberg enthält eine Vorschrift über die elektronische Kommunikation (noch) nicht (vgl. aber den Entwurf zur Anpassung des Verwaltungsverfahrensrechts an die moderne elektronische Kommunikation und zur Änderung des Landespersonalausweisgesetzes [Elektronik-Anpassungsgesetz - EAnpG]). |
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| Der von den Antragstellern am 21./22.12.2004 eingelegte Widerspruch ist verfristet. Die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 28.11.2003 wurde am 03.12.2003 im amtlichen Bekanntmachungsorgan des Landratsamtes Sigmaringen, der Schwäbischen Zeitung und dem Südkurier, gemäß § 10 Abs. 8 BImSchG öffentlich bekannt gemacht, so dass Widerspruch fristgerecht nur bis zum 17.01.2004 eingelegt werden konnte, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. |
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| Den Antragstellern kann auch nicht auf deren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 70 Abs. 2, 60 VwGO gewährt werden. Nach § 60 Abs. 1 VwGO setzt dies voraus, dass die Antragsteller ohne Verschulden verhindert gewesen waren, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO); innerhalb dieser Frist ist auch die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Antragsteller haben es zum einen versäumt, innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO einen formwirksamen Widerspruch einzulegen. Nachdem das Gericht mit Faxschreiben vom 30.11.2004 dem Bevollmächtigten der Antragsteller mitteilte, dass die Einlegung des Widerspruchs lediglich per E-Mail nicht den Formvorschriften des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügen dürfte, hätten die Antragsteller gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO binnen zwei Wochen einen formgerechten Widerspruch einlegen müssen; die Einlegung des Widerspruchs am 21. oder 22.12.2004 war demgemäß zu spät. |
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| Zum anderen haben die Antragsteller aber auch einen Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft machen können. Zwar kann auch dann Wiedereinsetzung zu gewähren sein, wenn durch das Verhalten eines Beamten, insbesondere, wenn dieser eine unrichtige Auskunft erteilt, ein Irrtum über den Fristlauf oder wie hier die erforderliche Form des Widerspruchs hervorgerufen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.03.1983 - 1 C 34.80 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 129; Kummer, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, RdNr. 260). Nach der Sachverhaltsdarstellung des Antragsgegners ist indes bei einem Telefonat zwischen der Antragstellerin zu 2 und dem Sachbearbeiter des Umweltamtes des Antragsgegners die Frage der Zulässigkeit eines Widerspruchs per E-Mail offen geblieben. Zwar habe der Sachbearbeiter die Zulässigkeit eines Widerspruchs per E-Mail nicht ausgeschlossen, die Antragstellerin zu 2 insoweit aber abschließend an das Regierungspräsidium Tübingen verwiesen. Ferner wurde sie auf die Möglichkeit hingewiesen, den Widerspruch angesichts des baldigen Fristablaufs per Fax einzulegen oder einen schriftlichen Widerspruch beim Landratsamt Sigmaringen abzugeben. Auch nach der Darstellung der Antragsteller hat der Sachbearbeiter im Umweltamt der Beklagten lediglich die Auskunft gegeben, dass er kein Hindernis für die Einlegung per E-Mail sehe, hierfür aber telefonisch keine Garantie abgeben könne. Wenn sich die Antragstellerin bei dieser unklaren Auskunftslage nicht weiter nach der Zulässigkeit der Einlegung des Widerspruchs per E-Mail - etwa beim Regierungspräsidium Tübingen als der für die Entscheidung über den Widerspruch zuständigen Behörde - erkundigt, sondern ohne weitere Rückfrage den Widerspruch per E-Mail einlegt, kann sie sich nicht darauf berufen, ohne Verschulden an der form- und fristgerechten Einlegung des Widerspruchs gehindert gewesen zu sein. Denn mangelnde Rechtskenntnis über die Form- und Fristgebundenheit des Widerspruchs entschuldigt grundsätzlich die Versäumung der Frist nicht, da dem Rechtsunkundigen infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht zuzumuten ist, hinreichenden juristischen Rat einzuholen (BVerwG, Beschluss vom 09.01.1970 - IV B 71.69 -, NJW 1970, 773; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.01.1991 - 1 S 2890/90 -, VBlBW 1991, 215; Sodan/Ziekow, VwGO, § 60 RdNr. 83). |
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