Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Unter Aufhebung des Überprüfungsvermerks zur periodischen Beurteilung vom 28. März 2012 der Regierung von Oberfranken vom 27. November 2012 sowie des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 31. Januar 2013 wird der Beklagte verpflichtet, die für den Beurteilungszeitraum 1. November 2007 bis 31. Oktober 2011 erstellte periodische Beurteilung des Landratsamts Kronach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu überprüfen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin steht als Technischer Amtmann (Besoldungsgruppe A11) im Dienst des Beklagten und ist im Landratsamt Kronach als Umweltschutzingenieurin im Sachgebiet „Umwelt- und Naturschutz“ beschäftigt. Sie wendet sich gegen die Herabsetzung ihrer dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. November 2007 bis 31. Oktober 2011 durch die Überprüfungsentscheidung der Regierung von Oberfranken.

Die ... geborene Klägerin wurde nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen bautechnischen und umweltfachlichen Verwaltungsdienst am 19. März 1996 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Technischen Oberinspektorin z.A. ernannt, mit Wirkung vom 19. September 1998 erfolgte die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit unter Ernennung zur Technischen Oberinspektorin. Zum 1. März 2000 wurde die Klägerin vom Landratsamt Neu-Ulm an das Landratsamt Hof und zum 4. Februar 2002 an das Landratsamt Coburg versetzt. Seit dem 17. November 2003 ist die Klägerin am Landratsamt Kronach beschäftigt. Am 1. August 2004 wurde sie zum Technischen Amtmann ernannt.

In der dienstlichen Beurteilung des Jahres 2007 erhielt die Klägerin ein Gesamturteil von 11 Punkten. Die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung, die auf ein Gesamturteil von 12 Punkten lautete, wurde vom Landrat als Dienstvorgesetzten am 28. März 2012 erstellt und der Klägerin am 17. April 2012 eröffnet. Mit Überprüfungsvermerk des damaligen Regierungsdirektors K. der Regierung von Oberfranken vom 27. November 2012 wurde die Beurteilung vom 28. März 2012 dahingehend geändert, dass alle Einzelmerkmale um einen Punkt und auch das Gesamturteil von bisher 12 Punkten auf 11 Punkte abgesenkt wurde.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 erhob die Klägerin Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, dass ein objektiver Leistungsvergleich unter Einbeziehung der Fachstellen der Regierung von Oberfranken nicht stattgefunden habe. Objektive und nachvollziehbare Gründe für die Herabsetzung seien nicht genannt worden. Die strikte Einhaltung der vorgegebenen Beurteilungsquoten sei bei einer Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten nicht gerechtfertigt. Durch die Anpassung an die Quote habe die Regierung von Oberfranken keine objektive Überprüfung vorgenommen. Außerdem sei ihre Lehrtätigkeit nicht berücksichtigt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Eine Übersicht über alle Beamten aus der Besoldungsgruppe erfolge in vorbereitenden Abstimmungsgesprächen zwischen den Landratsämtern und der Regierung von Oberfranken. Ziel dieser Abstimmung sei eine leistungsgerechte Reihung. Dies bedeute nicht, dass Beurteilungen mit mehr als 11 Punkten mit mathematischer Genauigkeit auf alle Landratsämter verteilt werden müssten. Genauso unwahrscheinlich sei aber auch, dass alle guten Beurteilungen lediglich bei einem Landratsamt angesiedelt seien. Beurteilung und die Reihung müssten die Tatsache abbilden, dass es an den oberfränkischen Landratsämtern ein vergleichbares Leistungsniveau mit jeweils individuellen Unterschieden gebe. Die Technischen Amtfrauen und Amtmänner in Oberfranken, bestehend aus 12 Personen an den Landratsämtern und 2 Personen bei der Regierung von Oberfranken, seien miteinander verglichen worden. Im Beurteilungsanschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 22. September 2011 sei für die vorliegende Vergleichsgruppe eine Einhaltung der Beurteilungsrichtwerte (nur 35% über 11 Punkte) vorgeschrieben worden. Diese Vorgabe sei bei der Vergleichsgruppe von 14 Personen erfüllt worden. Die von der Klägerin angeführte Lehrtätigkeit habe diese außerhalb des Beurteilungszeitraums ausgeübt. Im Wege der Überprüfung müsse es möglich sein, bei gleichen Punktewerten einzelne Beamte niedriger einzustufen, da sonst eine sinnvolle Überprüfung nicht möglich sei.

Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2013, bei Gericht eingegangen am 18. Februar 2013, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragt zuletzt:

Unter Aufhebung des Überprüfungsvermerks zur periodischen Beurteilung vom 28. März 2012 der Regierung von Oberfranken vom 27. November 2012 sowie des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 31. Januar 2013 wird der Beklagte verpflichtet, die für den Beurteilungszeitraum 1. November 2007 bis 31. Oktober 2011 erstellte periodische Beurteilung des Landratsamts Kronach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu überprüfen.

Die Vorbereitung der Lehrtätigkeit der Klägerin sei bereits im August 2011 und somit innerhalb des Beurteilungszeitraums erfolgt. Hierzu werde auf die Korrespondenz ab dem 16. August 2011 mit dem Seminarleiter „Technischer Umweltschutz“ beim Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit verwiesen. Der Widerspruchsbescheid setze sich mit der Verschlechterung bei den Einzelbewertungen Quantität, Qualität, Einsatzbereitschaft und Fachkenntnisse nicht auseinander. Dem Aktenvorgang ließen sich keine Tatsachen entnehmen, die auf die dargestellte Verschlechterung schließen ließen. Da die Regierung von Oberfranken nicht lediglich das Gesamturteil herabgesetzt, sondern auch sämtliche Einzelmerkmale neu bewertet habe, habe sie eine eigenständige Beurteilung vorgenommen, wobei sich dem Aktenvorgang nicht entnehmen lasse, wie sie sich die Kenntnisse über Eignung, Befähigung und Leistung der Klägerin verschafft habe. Insbesondere habe eine Beteiligung des Sachgebietes 50 (Technischer Umweltschutz) nicht stattgefunden. Es sei fehlerhaft, dass die Gesamtbewertung unter dem Gesichtspunkt von Rang, Reihung und Richtwerten erstellt worden sei, ohne zuerst auf die individuelle, auf den einzelnen Beamten bezogene Seite der Bewertung abzustellen. Die Herabsetzung der Klägerin bei einer nur aus 14 Personen bestehenden Vergleichsgruppe allein zur Einhaltung der Beurteilungsrichtwerte sei rechtsfehlerhaft.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2013 beantragt der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Meldung als Ausbilderin oder die Vorbereitung von Unterricht sei nicht geeignet, die Qualität dieser Unterrichtstätigkeit zu messen. Die Herabsetzung aller Einzelmerkmale um einen Punkt sei deshalb erfolgt, weil das durch die Beurteilung des Landratsamtes Kronach zuerkannte Stärken- und Schwächeprofil der Klägerin bei den Einzelmerkmalen auch nach der Überprüfung erhalten werden sollte. Die Kenntnisse über Eignung, Befähigung und Leistung der Klägerin habe sich die Regierung von Oberfranken über die vor der Beurteilung erfolgten Informationsgespräche mit jedem Landratsamt verschafft. Dadurch habe die Regierung eine umfassende Übersicht über alle Beamten aus der entsprechenden Vergleichsgruppe und deren Leistungsstand erhalten. Die Einschaltung des Sachgebiets 50 der Regierung sei dabei nicht notwendig gewesen. Die individuelle Leistung der Klägerin, die Ausgangspunkt der Überprüfung gewesen sei, sei berücksichtigt worden. Eine schematische Herabsetzung der Beurteilung zur Erfüllung von Quoten sei nicht erfolgt. Die vom Staatsministerium des Innern vorgegebenen Beurteilungsrichtwerte seien bei einer Vergleichsgruppe von 14 Personen erfüllt worden. Die Berücksichtigung des Richtwertes führe aber nicht automatisch dazu, dass bestimmte Beurteilungen schematisch herabgesetzt würden, da der Ausgangspunkt immer die individuelle Leistung der einzelnen Beurteilten sei.

In der mündlichen Verhandlung wurde Ltd. Regierungsdirektor K. von der Regierung von Oberfranken zum Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung, insbesondere des Überprüfungsvermerks vom 27. November 2012, als Zeuge vernommen. Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich gestellten Anträge wiederholten, wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Behörden- und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Der Überprüfungsvermerk der Regierung von Oberfranken vom 28. März 2012 sowie der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 31. Januar 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch darauf, dass die für den Beurteilungszeitraum vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2011 erstellte periodische Beurteilung des Landratsamts Kronach erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch die Regierung von Oberfranken überprüft wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Es bestehen im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken dahingehend, dass sich die Klägerin lediglich gegen die Überprüfungsentscheidung der Regierung von Oberfranken und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid wendet. Diese im Rahmen des Beurteilungsverfahrens nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 Leistungslaufbahngesetz (LlbG) zu treffende Entscheidung kann für sich allein zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfung gemacht werden (BayVGH, B. v. 29. Dezember 2010, Az. 3 ZB 10.3).

Die Klage hat in der Sache auch Erfolg. Die anhand der Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten getroffene Überprüfungsentscheidung ist rechtswidrig.

Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt überprüfbar. Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (Art. 56 ff. LlbG) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist aufgrund der dem Beurteilungsverfahren immanenten Beurteilungsermächtigung darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, indem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung im Einklang stehen (BVerwG v. 21. März 2007, Az. 2 C 2/06).

Diese Grundsätze gelten auch für die Überprüfung der dienstlichen Beurteilung nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 LlbG durch die vorgesetzte Dienstbehörde. Dabei ist immer auch die Funktion der Überprüfungsentscheidung zu berücksichtigen. Diese soll die Anwendung einheitlicher und gleichmäßiger Beurteilungsmaßstäbe innerhalb eines größeren Bereichs mit zahlreichen beurteilenden Dienstvorgesetzten sicherstellen. Den vorgesetzten Dienstbehörden ist hierbei eine selbstständige Beurteilungsbefugnis ohne rechtliche Bindung an die Beurteilung des nach Art. 60 Abs. 1 LlbG zuständigen Beurteilers eingeräumt (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Band III, RdNrn. 13 ff zu Art. 60 LlbG).

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die dienstliche Beurteilung der Klägerin sind Art. 56 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV - Beamtenrecht) in der Fassung vom 18. November 2010 (FMBl. Nr. 12/2010) sowie die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 3. August 2011.

Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere erfolgte die Überprüfungsentscheidung durch die gem. Art. 60 Abs. 2 Satz 1 LlbG hierzu berufene vorgesetzte Dienstbehörde der Klägerin. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die überprüfende Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre. Jedoch hat sich aus der Einvernahme des Zeugen in der mündlichen Verhandlung zum Zustandekommen der Überprüfungsentscheidung ergeben, dass hierbei allgemeine Beurteilungsgrundsätze verletzt wurden.

Aufgrund des der überprüfenden Behörde zustehenden eigenständigen Beurteilungsspielraums ist sie befugt, die Beurteilung in eigener Zuständigkeit abzuändern sowie eine eventuell vorgegebene Beurteilungsquote bzw. Richtwerte anzuwenden (BayVGH, U. v. 28. Juni 2000, Az. 3 B 96.1779). Sie kann die ihr eingeräumte Beurteilungsermächtigung jedoch nur dann ausüben, wenn sie in der Lage ist, die Fähigkeiten und Leistungen des einzelnen Beamten einzuschätzen. Dabei ist es zunächst der für die Überprüfung der dienstlichen Beurteilung zuständigen Behörde überlassen, wie sie sich hinreichende Kenntnisse über die zu beurteilenden Beamten verschafft. Als Erkenntnisquellen dienen hier weniger persönliche Eindrücke als vielmehr die dienstliche Beurteilung selbst sowie Stellungnahmen des Erstbeurteilers sowie ergänzende Berichte, aber auch die größere Übersicht, die umfassendere Vergleichsmöglichkeit und die besseren Kenntnisse der Anforderungen an die jeweiligen Ämter durch die vorgesetzte Dienstbehörde.

Im Rahmen des Beurteilungsverfahrens begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn durch die Festlegung von Richtsätzen (Beurteilungsquoten) der anzuwendende Beurteilungsmaßstab konkretisiert wird. Durch solche Richtsätze verdeutlicht der Dienstherr für die Praxis den Aussagegehalt, den er den einzelnen in der Notenskala verbal kurz umschriebenen Noten des Gesamturteils beilegen will. Zu dieser Konkretisierung ist der Dienstherr ebenso befugt wie zur Festsetzung der Notenskala und der Maßstäbe, nach denen die Noten vergeben werden. Die Richtwerte dürfen jedoch nicht selbst zum Beurteilungsmaßstab gemacht werden, d. h. an die Stelle individueller, leistungsbezogener Beurteilungen treten. Deshalb muss bei der Festlegung von Beurteilungsquoten in Grenzfällen eine geringfügige Abweichung von den festgelegten Quotenvorgaben ermöglicht werden, um den Fall zu vermeiden, dass zur genauen Ausfüllung der Quoten Beamte mit praktisch gleichem Leistungsstand unterschiedliche Gesamtnoten erhalten müssen (BVerwG, U. v. 26. Juni 1980, Az. 2 C 13/79, RdNr. 37). Außerdem können Quotenvorgaben ihre Aufgabe nur dann erfüllen, wenn sie für einen hinreichend großen und homogenen Bereich festgelegt werden, damit genügend Personen vorhanden sind, in denen die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen repräsentiert sein können (BVerwG, U. v. 26. Juni 1980, a. a. O. und U. v. 13. November 1997, Az. 2 A 1/97; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a. a. O., RdNr. 15 zu Art. 59 LlbG).

Daraus folgt, dass die überprüfende Dienstbehörde sich dann keine eigenen unmittelbaren Kenntnisse über die Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten verschaffen muss, wenn sie das vom Beurteiler zuerkannte Gesamturteil lediglich aufgrund einer Neugewichtung der unverändert gelassenen Einzelbewertungen, ggf. unter Anlegung eines strengeren Bewertungsmaßstabs herabsetzt. Ebenso verhält es sich, wenn einzelfallübergreifende Erwägungen, zum Beispiel ein allgemeiner Quervergleich unter Berücksichtigung von Richtsätzen im Vordergrund stehen. Dann muss dieser Aspekt im Mittelpunkt der Begründung stehen (OVG NRW, B. v. 10. Juni 2010, a. a. O.). Nur dann, wenn sie die Persönlichkeit des Beurteilten auch bei den einzelnen Beurteilungsmerkmalen anders würdigen will als der Beurteiler, muss sie sich aufgrund eigener Erkenntnisse eine eigene Überzeugung bilden (BayVGH, B. v. 29. Dezember 2010, a. a. O., RdNr. 6).

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich die Überprüfungsentscheidung der Regierung von Oberfranken vom 27. November 2012 so dar, dass diese keine auf eigenen Erkenntnissen beruhende Einschätzung der Eignung, Leistung und Befähigung getroffen hat, sondern die Herabstufung der Klägerin aufgrund der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern in seinem Schreiben vom 3. August 2011 vorgegebenen Quoten erfolgt ist. Die Überprüfungsentscheidung ist deshalb rechtswidrig, weil die Regierung von Oberfranken diese Quotenvorgabe als zwingend anzuwenden angesehen und sie auf die zu kleine Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten angewandt hat.

Dies ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen des Ltd. RD K. von der Regierung von Oberfranken. Nach dessen Ausführungen habe man allein aufgrund der Abstimmungsgespräche mit dem jeweiligen Personalchef des Landratsamts, in denen die zu beurteilenden Beamten kurz vorgestellt und deren Leistungsprofil dargelegt worden sei, einen Eindruck von der Eignung, Leistung und Befähigung der Beamten erhalten. Der Zeuge hat dabei angegeben, dass man bei diesen Abstimmungsgesprächen, die für die zu beurteilenden Beamten des Landratsamtes Kronach am 26. Januar 2012 stattgefunden haben, nur einen kurzen Zeitraum für die einzelnen zu beurteilenden Beamten zur Verfügung hatte. Seiner Einschätzung nach sei es bereits bei diesem Abstimmungsgespräch auch darum gegangen, dass es schwierig sei, beim Landratsamt Kronach zwei Beamte derselben Besoldungsgruppe mit 12 Punkten zu beurteilen. Der Zeuge hat weiter angegeben, dass man, als nach Erstellung der Beurteilungen durch die einzelnen Landratsämter die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern vorgegebene Quote bei den mit über 11 Punkten beurteilten Beamten überschritten gewesen sei, eine Reihung der mit 12 Punkten anhand der aus den Abstimmungsgesprächen erhaltenen Erkenntnisse vorgenommen habe und, da die Klägerin als am schwächsten eingeschätzt worden sei, sie zur Erfüllung der vorgegebenen Beurteilungsquote auf 11 Punkte herabgestuft worden sei. An die Quote habe man sich gebunden gefühlt, weil ansonsten zu befürchten gewesen wäre, dass das Ministerium die Eröffnung der Beurteilungen untersagt und deshalb in der Folge auch keine Beförderungen hätten vorgenommen werden dürfen.

Es hat sich damit nach den Angaben des Zeugen, an deren Wahrheitsgehalt keine Zweifel bestehen, um keine individuelle Beurteilung von Eignung, Leistung und Befähigung der Klägerin gehandelt, die die Regierung von Oberfranken in Bezug auf die einzelnen zu beurteilenden Merkmale aufgrund eigener oder vom Landratsamt Kronach vorgetragener Eindrücke getroffen hätte. Die Zeugeneinvernahme hat ergeben, dass der Regierung von Oberfranken nur wenige Minuten zur Verfügung standen, um die Stärken und Schwächen der Klägerin kennenzulernen. Ob hierbei überhaupt eine ausreichende Erkenntnisgrundlage geschaffen werden kann, um eine eigene Einschätzung abgeben zu können, erscheint zweifelhaft. Die Herabstufung kam nach Aussage des Zeugen dadurch zustande, dass zwischen den insgesamt fünf Beamten, die zunächst mit 12 Punkten beurteilt worden waren, eine Reihung durchgeführt wurde, in der die Klägerin an letzter Stelle stand und sodann zur Erfüllung der vorgegebenen Quote die Herabstufung erfolgte. Gegen eine von der Überprüfungsbehörde vorgenommene eigene Einschätzung der Eignung, Leistung und Befähigung spricht auch, dass die vom Landratsamt vorgenommene Einschätzung bei den Einzelmerkmalen lediglich deshalb generell um einen Punkt herabgesetzt wurde, weil damit weiterhin dem Eignungs- und Leistungsprofil, so wie es vom Landratsamt gesehen worden ist, Rechnung getragen werden sollte. Wäre es der Überprüfungsbehörde um eine eigene Einschätzung gegangen, hätte sie demgegenüber jeweils bezogen auf die einzelnen Merkmale eine eigene Wertung vorgenommen. Den Aussagen des Zeugen konnte aber nicht entnommen werden, dass sich die Regierung von Oberfranken eigene Überlegungen dahingehend gemacht hätte, welche konkreten Leistungsmerkmale ein Beamter mit 11 bzw. 12 Punkten haben muss und ob die Klägerin diese ggf. erfüllte. Der Regierung von Oberfranken ging es auch nicht darum, einen möglicherweise zu wohlwollenden Beurteilungsmaßstab des Landrats M. zu korrigieren, sondern sie hat die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern vorgegebene Quote umgesetzt, nachdem eine Nachfrage dort ergeben hatte, dass diese Richtwerte auch bei der Vergleichsgruppe, zu der die Klägerin gehörte, einzuhalten seien. Die Überprüfungsentscheidung stellt sich daher bereits deshalb als rechtswidrig dar, weil sie aufgrund der starren Quotenvorgabe des Staatsministeriums des Innern, das auch auf Nachfrage keine anderslautende Entscheidung der Regierung von Oberfranken zugelassen hat, erfolgt ist.

Darüber hinaus ist auch die Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten bei einem derartigen Vorgehen zu klein, um allein aufgrund eines allgemeinen Quervergleichs unter Berücksichtigung der vorgegebenen Richtsätze zu einer Absenkung des Gesamturteils der Klägerin zu gelangen.

Zwar geben die Beurteilungsrichtlinien des Beklagten keine Vorgaben für die Größe der jeweiligen Vergleichsgruppe, wie dies z. B. in anderen Bundesländern der Fall ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 19. September 2003, Az. 2 A 10795/03, RdNr. 25; OVG NRW, B. v. 10. Juni 2010, Az. 6 A 3081/07, RdNr. 4, wonach die Festlegung einer Vergleichsgruppe von 30 Beamten in den jeweiligen Beurteilungsrichtlinien nicht zu beanstanden ist). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch eine Gruppe von 24 Personen als zu klein anzusehen (BVerwG, U. v. 24. November 2005, Az. 2 C 34.04; vgl. hierzu auch BayVGH, U. v. 29. Dezember 2010, a. a. O., wonach eine Gruppe von 19 Beamten zu klein ist). Dies begründet sich daraus, dass genügend Personen einer Gruppe vorhanden sein müssen, in denen die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen repräsentiert sein können. Die Bezugsgruppe muss in dem Sinne homogen zusammengesetzt sein, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Beamten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden (BVerwG, U. v. 24. November 2005, Az. 2 C 34/10, RdNr. 15).

Das Gericht hält diese Rechtsprechung aus den dargestellten Gründen für überzeugend und folgt ihr. Die von der Regierung von Oberfranken daher lediglich zur Wahrung und Einhaltung der Beurteilungsquoten vorgenommene Reihung und infolge dessen die Herabsetzung der dienstlichen Beurteilung der Klägerin um einen Punkt ist damit auch wegen der zu kleinen Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine erneute Überprüfung der dienstlichen Beurteilung.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Sept. 2011 - 2 C 34/10

bei uns veröffentlicht am 29.09.2011

Tatbestand 1 Der Kläger ist städtischer Beamter auf Lebenszeit und als Brandmeister bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten beschäftigt. Er will Freizeitausgleich für die

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist städtischer Beamter auf Lebenszeit und als Brandmeister bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten beschäftigt. Er will Freizeitausgleich für die Überschreitung der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit in den Jahren 2002 bis 2006 erhalten. Bis Ende 2006 betrug seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 56 Stunden. Davon entfielen 31 Stunden auf Bereitschaftsdienst; zwei Stunden wurden jeweils durch Freizeit ausgeglichen.

2

Im Dezember 2001 beantragte der Kläger, ab dem 1. Januar 2002 bei der Gestaltung der Dienstpläne zu beachten, dass nach europäischem Gemeinschaftsrecht höchstens 48 Wochenstunden gearbeitet werden dürfen. Seiner Klage, ihm Freizeitausgleich im Umfang von 17 Stunden pro Monat zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht im Umfang von 7 Stunden pro Monat für die Zeit ab Oktober 2005 stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, insgesamt 12,11 Stunden pro Monat für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 auszugleichen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers sei in den Jahren 2002 bis 2006 unter Verstoß gegen Unionsrecht um sechs Wochenstunden zu hoch festgesetzt worden, weil der Bereitschaftsdienst im feuerwehrtechnischen Dienst als Vollarbeitszeit einzustufen sei. Deshalb stehe dem Kläger nach Treu und Glauben ein angemessener zeitlicher Ausgleich zu. Zu viel geleisteter Bereitschaftsdienst müsse allerdings nur mit einer Quote von 50 % angerechnet werden. Von dem sich hieraus ergebenden Anspruch von 17,11 Stunden seien nochmals fünf Stunden abzuziehen, da von jedem Beamten in diesem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit gefordert werden dürfe.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 Freizeitausgleich von weiteren 4,89 Stunden je Kalendermonat zu gewähren, sowie die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2009 und des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2006 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das Berufungsurteil für richtig.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet. Er kann einen zeitlichen Ausgleich für zuviel geleisteten Dienst in dem von ihm beantragten Umfang von insgesamt 17 Stunden pro Monat für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 beanspruchen. Soweit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts den geltend gemachten Anspruch im Umfang von 4,89 Stunden im Monat abgewiesen hat, verletzt es revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG).

8

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben i.V.m. § 78a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (GV NRW S. 234, ber. 1982, S. 256). Voraussetzung für diesen Anspruch ist eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus. Der Anspruch ist auf einen zeitlichen Ausgleich im Umfang der rechtswidrig verlangten Zuvielarbeit gerichtet. Zeiten des Bereitschaftsdienstes sind in vollem Umfang auszugleichen; ein Abzug von fünf ausgleichslos zu leistenden Stunden ist jedenfalls in Fällen, in denen die normativ festgesetzte Höchstarbeitszeit rechtswidrig überschritten worden ist, nicht zulässig. Zudem entsteht der Ausgleichsanspruch mit Wirkung für die Zukunft erst, wenn der Beamte ihn geltend macht.

9

Zieht der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heran oder nimmt ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig (Zuvielarbeit). Soweit das jeweils maßgebliche Bundes- oder Landesbeamtenrecht keine Regelung dazu enthält, ob und in welchem Umfang eine solche Inanspruchnahme auszugleichen ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass derartige Zuvielarbeit folgenlos bleibt. Vielmehr ist die im Einzelfall einschlägige Vorschrift - im vorliegenden Fall § 78a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. - nach Treu und Glauben in einer Weise zu ergänzen, die die Interessen des Beamten und des Dienstherrn auch bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Beamten zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung gerecht wird. Beamte, die von Zuvielarbeit betroffen sind, haben deshalb einen Anspruch auf angemessene Dienstbefreiung (vgl. Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38, S. 6 f. und Beschluss vom 10. Juni 2009 - BVerwG 2 B 26.09 - juris Rn. 5 ff.).

10

Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch gegeben. Ein Fall der Zuvielarbeit über die Grenze der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit hinaus liegt vor. Der Kläger hat in den Jahren 2002 bis einschließlich 2006 - abgesehen von zwei weiteren Stunden, für die Freizeitausgleich bereits gewährt worden ist - regelmäßig anstelle der unionsrechtlich zulässigen 48 Wochenstunden 54 Stunden Dienst geleistet. Diese Zuvielarbeit von sechs Stunden wöchentlich ergibt bei pauschalierter Berücksichtigung von Urlaubszeiten einen Umfang von 24 Stunden im Monat.

11

Zwar hat sich die Beklagte bei der Erstellung der Dienstpläne an § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu) in den hier maßgeblichen Fassungen vom 29. September 1998 und vom 18. Februar 2003 (GV. NW 1998 S. 589 und 2003 S. 74) sowie des Gesetzes vom 5. April 2005 (GV. NW S. 306) orientiert. Diese Bestimmung ließ eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 54 Stunden zu, aufgeteilt in 23 Stunden Vollarbeitszeit und 31 Stunden Bereitschaftsdienst. Nach dem Konzept des Normgebers entsprach dies bei einer Anrechnung des Bereitschaftsdienstes zu 50 % einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 28. Dezember 1986, GV. NW 1987 S. 15). Die Vorschrift war jedoch, soweit sie eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden festsetzte, wegen Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (EGRL 2003/88, ABl L 299 vom 18. November 2003, S. 9, Arbeitszeitrichtlinie) unanwendbar.

12

Nach Art. 6 Buchst. b EGRL 2003/88, der Art. 6 Nr. 2 der insoweit inhaltsgleichen Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18) ersetzt, darf die wöchentliche Arbeitszeit einschließlich der Überstunden einen Umfang von 48 Stunden nicht überschreiten. Unter Arbeitszeit ist nach Art. 2 Nr. 1 EGRL 2003/88 jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Nach dieser Begriffsbestimmung zählen auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes - einschließlich der "inaktiven Zeiten" - ohne Abstriche als Arbeitszeit, wenn der Beamte sie an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs leistet und sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereithält, und wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (Urteile vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 9.03 - Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 Rn. 17 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 2 C 90.07 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 31; EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7963 und vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02, Jäger - Slg. 2003, I- 8389, stRspr). Daraus folgt, dass Bereitschaftsdienst in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit in vollem Umfang einzubeziehen ist. Die vom Kläger regelmäßig geleisteten 31 Stunden Bereitschaftsdienst zählen daher als Vollarbeitszeit, da die Beamten in der Dienststelle anwesend sein mussten und jederzeit in einen Einsatz berufen werden konnten (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 AZVOFeu).

13

Die unionsrechtliche Arbeitszeitrichtlinie (EGRL 2003/88) gilt auch für Feuerwehrleute (vgl. EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04, Personalrat der Feuerwehr Hamburg - Slg. 2005, I- 7111). Sie ist auch unmittelbar anwendbar, da sie trotz eindeutigen Norminhalts nicht hinreichend in deutsches Recht umgesetzt worden und die Umsetzungsfrist der Vorgängerrichtlinie bereits seit 1996 abgelaufen ist (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - NZA 2001, 53 Rn. 35 ff.).

14

Die Anordnung einer regelmäßigen Arbeitszeit, die über die unionsrechtlich höchstens zulässige Wochenarbeitszeit hinausgeht, kann auch nicht als Mehrarbeit gerechtfertigt werden. Die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit lagen nicht vor. Zum einen darf die unionsrechtliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Wochenstunden auch durch die Anordnung von Mehrarbeit - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren - nicht überschritten werden. Zum anderen soll Mehrarbeit einen vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (vgl. § 78a Abs. 1 Satz 1 LBG NW), nicht aber eine dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit bewirken.

15

Der Anspruch ist auf zeitlichen Ausgleich in angemessenem Umfang gerichtet. Als angemessen ist der zeitliche Ausgleich von Zuvielarbeit grundsätzlich anzusehen, wenn er ebenso lang ist wie der zuvor geleistete rechtswidrig geforderte Dienst (Urteil vom 28. Mai 2003 a.a.O. Rn. 23). Dabei ist die in Form von Bereitschaftsdienst geleistete Zuvielarbeit mit demselben Gewicht zu bewerten wie zu viel geleistete Vollarbeitszeit; ein Abzug von weiteren fünf Stunden monatlich scheidet aus. Allerdings entsteht der Anspruch für die Zukunft erst, wenn er geltend gemacht wird.

16

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Zeiten des Bereitschaftsdienstes müssten nicht in demselben Umfang ausgeglichen werden wie Vollarbeitszeit, entspricht nicht dem gebotenen Ausgleich nach Treu und Glauben. Dem Interesse des Beamten, der die rechtswidrig von ihm verlangte Dienstleistung - pflichtgemäß - zunächst erbracht hat, an einem vollen Ausgleich für die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit steht kein gleich gewichtiges Interesse des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsumfangs gegenüber. Dem berechtigten öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Dienstbereitschaft im feuerwehrtechnischen Dienst kann durch geeignete Maßnahmen bei der Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich Rechnung getragen werden. So kann etwa der Zeitraum, in dem der Freizeitausgleich bewirkt werden muss, nach dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden, um die Einsatzbereitschaft dauerhaft sicher zu stellen. Auch das Angebot einer finanziellen Abgeltung des Anspruchs auf Freizeitausgleich kommt in Betracht. Eine Ermäßigung des zeitlichen Ausgleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes ist hierfür nicht erforderlich. Sie würde dem Ziel des Anspruchs - Ausgleich eines von dem Dienstherrn begangenen Rechtsfehlers (vgl. Beschluss vom 10. Juni 2009 a.a.O. Rn. 8) - auch nicht gerecht, sondern könnte im Gegenteil als Anreiz für die Fortführung einer derartigen Praxis wirken. Auch fiskalische Interessen des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsanspruchs spielen bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs keine Rolle, da dem Dienstherrn aus einer langjährigen unionsrechtswidrigen Praxis keine Vorteile erwachsen dürfen.

17

Eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs führt zudem zu einem Wertungswiderspruch zu den Normzielen des unionsrechtlichen Arbeitszeitrechts. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, in die sowohl Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als auch Überstunden einzurechnen sind, ist zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festgelegt worden (vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 4 und 11 EGRL 2003/88). Ein ermäßigter Ausgleich des geleisteten Bereitschaftsdienstes würde diese Schutzziele gefährden. Denn er würde letztlich dazu führen, dass Überschreitungen der höchstens zulässigen Arbeitszeit, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit vermieden werden sollen, dauerhaft nur teilweise auszugleichen wären. Den betroffenen Beamten würde die Möglichkeit, ihre Dienstfähigkeit durch Freizeitausgleich umfassend wieder herzustellen, teilweise genommen. Mögliche normative Anknüpfungspunkte für eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes im innerstaatlichen Recht sind demgegenüber ohne Bedeutung, da sie der Verpflichtung zuwider laufen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Bestimmung von Art und Höhe einer Entschädigung für Zuvielarbeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dem nationalen Recht vorbehalten wird (Urteile vom 5. Mai 1996 - Rs. C-46/93 und 48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 Rn. 82 f. und vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 91 ff.; vgl. auch Art. 153 AEUV).

18

Der Anspruch auf vollen Ausgleich für Zuvielarbeit über die wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus kann aus den genannten Gründen auch nicht um fünf Stunden monatlich reduziert werden. Denn auch dies würde dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung widersprechen. Die Sanktionierung einer unionsrechtswidrigen Praxis würde zudem das Gebot verletzen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, weil die Überschreitung der normativ festgelegten Höchstarbeitszeit in diesem Umfang folgenlos bliebe. Zwar sind Beamte grundsätzlich verpflichtet, in gewissem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit zu leisten (vgl. § 78a Abs. 1 LBG NRW a.F., § 61 LBG NRW, § 88 BBG). Dies gilt jedoch nicht, wenn die unionsrechtlich verbindliche Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit bereits erreicht ist, da diese durch Mehrarbeitsstunden grundsätzlich nicht überschritten werden darf (Art. 6 Buchst. b EGRL 2003/88); Abweichungen sind nur im Rahmen der unionsrechtlichen Bestimmungen zulässig (vgl. Art. 17, 18 und 22 EGRL 2003/88).

19

Der Anspruch auf zeitlichen Ausgleich für Zuvielarbeit muss allerdings von dem Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ausdrücklich geltend gemacht werden. Ein Ausgleich kommt nur für Zuvielarbeit in Betracht, die der Beamte nach Antragstellung leisten muss. Ein Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es dem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Verhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Urteile vom 27. Mai 2010 - BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 14, 15 und vom 13. November 2008 - BVerwG 2 C 16.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 101 Rn. 21 ff.).

20

Dies ist mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 71 ff.) vereinbar. Zwar darf die Ausübung der Rechte, die dem Einzelnen aus den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts erwachsen, nicht durch die Ausgestaltung des innerstaatlichen Verfahrensrechts unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. Insbesondere darf der Anspruch eines Beamten auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verstoß der Behörden gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 entstanden ist, nicht davon abhängig gemacht werden, dass zuvor ein Antrag auf Einhaltung dieser unionsrechtlichen Bestimmung bei seinem Dienstherrn gestellt wurde (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 90). Denn das Recht der Europäischen Union ist von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten unabhängig davon anzuwenden, ob seine Anwendung ausdrücklich beantragt worden ist oder nicht. Dies steht jedoch dem Erfordernis eines Antrags auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich für die Zukunft nicht entgegen. Ohne einen derartigen Antrag muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit beanstanden, zumal ihn zunächst die Pflicht trifft, die von ihm verlangte Zuvielarbeit zu leisten. Der Antrag ist vielmehr erforderlich, eine Prüfung mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die Dienstpläne entsprechend anzupassen. Eine übermäßige Erschwerung der Durchsetzung von Unionsrecht liegt darin ebenso wenig wie beispielsweise in der normativen Festsetzung angemessener Ausschluss- und Verjährungsfristen (vgl. zu § 15 Abs. 4 AGG EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke - NZA 2010, 869).

21

Nach diesen Maßstäben ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang gegeben; die Beschränkung auf 17 Stunden monatlich ergibt sich daraus, dass der Kläger seinen Antrag auf diesen Umfang beschränkt hat. Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag rechtzeitig, nämlich im Dezember 2001 mit Wirkung für die Zeit ab Januar 2002, gestellt.

22

Ob der Kläger zusätzlich einen unmittelbar aus Unionsrecht abgeleiteten Anspruch geltend machen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O.), muss nicht entschieden werden. Denn der auf Treu und Glauben gestützte Anspruch auf Freizeitausgleich wird dem vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Erfordernis gerecht, dass die Entschädigung dem erlittenen Schaden angemessen ist und dass ein effektiver Schutz der unionsrechtlichen Rechte des Einzelnen gewährleistet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 91 ff.).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.