Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 04. Feb. 2015 - B 3 S 15.50014

published on 04/02/2015 00:00
Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 04. Feb. 2015 - B 3 S 15.50014
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Gericht

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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der am ...1975 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am ...2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ...2014 einen Asylantrag. Bei der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am ...2014 gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) an, seine Frau, seine drei Kinder, vier Brüder, drei Schwestern und die Großfamilie lebten in Syrien im Ort ... Bei dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am ...2014 erläuterte der Antragsteller, er habe am ...2014 Syrien verlassen, sei dann einen Monat in Istanbul gewesen und von dort aus nach Bulgarien gereist. Nach 20 Tagen in Bulgarien sei er nach Serbien weitergereist, wo er zwei Wochen geblieben sei. Danach sei er mit einem Pkw nach Ungarn gefahren. Nach einem Tag in Ungarn sei er weiter nach Österreich gereist und dann von Österreich mit dem Pkw nach Deutschland. Im September habe er in Ungarn einen Asylantrag gestellt (Beiakt I S. 22). In Ungarn seien im ... 2014 Fingerabdrücke genommen worden. Er gab zudem an, er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, denn es gefalle ihm am Besten in Deutschland (Beiakt I S. 24). Aufgrund des Eurodac-Treffers Nr. ... beantragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am ...2014 gegenüber Ungarn, wo der Antragsteller bereits am ...2014 einen Asylantrag gestellt hatte, die Übernahme des Asylbewerbers. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom ...2014 ihre Bereitschaft, den Antragsteller gemäß § 18 Abs. 1b Dublin III-VO wieder aufzunehmen. Der Antragsteller habe in Ungarn am ...2014 einen Asylantrag gestellt, sei aber vor der Verhandlung am ...2014 flüchtig gewesen.

Mit Bescheid vom 09.01.2015, dem Antragsteller zugestellt am 22.01.2015, lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Auf die Begründung dieses Bescheides wird verwiesen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2015, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsteller Klage (B 3 K 15.50015) und beantragte, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Ungarn die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Soweit ein Fingerabdruck als Indiz herangezogen werde, sei mitzuteilen, dass der Antragsteller diesen unter Androhung schwerer Misshandlung durch Polizisten im Rahmen von erkennungsdienstlichen Maßnahmen habe abgeben müssen. Im Gefängnis habe er mit ansehen müssen, wie andere Häftlinge grundlos gefoltert und misshandelt würden. Nachts seien manche geweckt und mit Tränengas oder Pfefferspray „eingesprüht“ worden. Am Schlimmsten für den Antragsteller sei allerdings, dass er - wie ihm mitgeteilt worden sei - seine Ehefrau und seine minderjährigen Kinder nicht zu sich holen dürfe, da eine Familienzusammenführung in Ungarn nicht möglich sei. Selbst wenn diese wider Erwarten durchgeführt werden könne, sei zu befürchten, dass die Familie keinen gesicherten Unterhalt habe und voraussichtlich obdachlos wäre. Aufgrund erheblich gestiegener Flüchtlingszahlen sei von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen, nachdem es den ungarischen Behörden nicht möglich sei, die Flut an Flüchtlingen mit der gleichen Intensität zu bewältigen wie die Bundesrepublik Deutschland. Dem Antragsgegner könne nicht unbekannt sein, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr laufen könne, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 4 EU-Grundrechtscharta ausgesetzt zu sein.

Der beigefügten eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom ...2015 ist zu entnehmen, er könne unter keinen Umständen zurück nach Ungarn. Er habe dort nie einen Asylantrag gestellt. Niemals habe er das gemacht, nach allem, was ihm während seines kurzen Aufenthalts in Ungarn widerfahren sei und wie man ihn und andere behandelt habe. Wenn er nach Ungarn zurück müsse, sei seine Flucht aus Syrien sinnlos gewesen. Er habe in der Heimat seine Ehefrau und drei Kinder im Alter zwischen 4 Monaten und 10 Jahren. Er habe der Familie versprochen, sie so bald wie möglich zu ihm nach Europa zu holen. In Ungarn habe man ihm direkt nach seiner Ankunft erklärt, dass er eine Familienzusammenführung niemals machen könne. Solle dies dennoch gelingen, werde seine Familie auf der Straße leben müssen. Er werde seine Familie nie wieder sehen und befürchte deshalb sogar, dass sie wahrscheinlich stürben, wenn sie länger in Syrien bleiben müssten. Aus diesem Grund sei er umgehend aus Ungarn geflohen.

Mit Schriftsatz vom 03.02.2015 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Ergänzend wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakten B 3 K 15.50015 und die Gerichtsakte in diesem Verfahren Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

II.

Der Eilantrag (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG) ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen, wenn sie - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG - keine aufschiebende Wirkung hat.

Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat.

Nach § 34 a AsylVfG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angenommen, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung stellt sich als Festsetzung eines Zwangsmittels dar, die erst dann ergehen darf, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind. Dies ist in erster Linie die Zuständigkeit des anderen Staates, daneben muss aber auch feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.

Die notwendigen Voraussetzungen liegen hier - wie im angefochtenen Bescheid vom 09.01.2014 zutreffend ausgeführt, § 77 Abs. 2 AsylVfG - im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn vor.

Nachdem Ungarn mit Schreiben vom ...2014 erklärt hat, den Antragsteller gemäß § 18 Abs. 1b Dublin III-VO wieder aufzunehmen, gibt es keinen vernünftigen Grund dafür, nicht von der Stellung eines Asylantrags durch den Antragsteller in Ungarn auszugehen.

Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.

Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. des bei der Auslegung des Art. 4 GR-Charta heranzuziehenden Art. 3 EMRK (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta) ausgesetzt wären.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung an einen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GRCharta zur Folge hätten (EuGH a. a. O.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedsstaats gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedsstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH a. a. O.). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin II-VO (nunmehr Dublin III-VO) gefährden, rasch denjenigen Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Ungarn (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff). sowie der Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - juris Rn. 24 ff. und VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50121 - juris Rn. 27 ff.; VG Regensburg, U. v. 5.12.2014 - RN 6 K 14.50089 - Rn. 23 ff. und VG Regensburg, B. v. 12.12.2014 - RN 5 S 14.50306 - Rn. 25 ff.; VG Augsburg, B. v. 11.6.2014 - Au 7 S 14.50134 - juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B. v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.; anderer Ansicht SächsOVG, B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m. w. N.; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14A - juris Rn. 7 ff.).

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Lage der Asylbewerber in Ungarn durchaus problematisch ist. Allerdings sind die in den Erkenntnismitteln dargestellten Missstände nicht so gravierend, als dass sie die Annahme eines systemischen Mangels im ungarischen Asylverfahren rechtfertigen könnten.

Das Gericht stützt seine Auffassung auf folgende Erkenntnisse:

Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland Ungarn vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags zurückgeschoben oder inhaftiert. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, S. 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar).

Die Evaluation des UNHCR „Zur Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer vom 09.05.2014“ (Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf) hat ergeben, dass in Ungarn nach der geänderten Rechtslage zum 01.07.2013 die geltenden neuen Haftgründe in der Regel nicht individualisiert würden. Nach ihren Erkenntnissen würden Dublin-Rückkehrer in der Regel wegen der Gefahr des Untertauchens inhaftiert. Auch Familien blieben danach der Gefahr ausgesetzt, bis zu 30 Tage inhaftiert zu werden, auch wenn das Gesetz (Section 56 (3) of the Act II of 2007 on Third Country Nationals’ Entry and Stay) dies nur als das letzte Mittel vorsehe.

Doch wird nach der „Informationsschrift über Asylsuchende in Gewahrsam (und) die dem Dublin Verfahren unterliegen“ des Hungarian Helsinki Committees (HHC) vom Mai 2014 seit dem 01.01.2014 aufgrund von Änderungen im Asylgesetz (Ergänzung zum Asylgesetz by Act CXCVIII of 2013) Dublin-Rückkehrern jetzt in der Regel Zugang zum Asylverfahren und eine volle Untersuchung ihres Asylantrags gewährt.

Nach der im Januar 2014 erfolgten Änderung des ungarischen Asylgesetzes erhalten Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren in Ungarn noch nicht abgeschlossen ist, regelmäßig Zugang zum Asylverfahren. Eine Prüfung ihrer Asylgründe ist den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen gewährleistet (vgl. HHC a. a. O. S. 20; UNHCR, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 09.05.2014, S. 7 m. w. N.).

Es ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 03.07.2014 - 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich) ausdrücklich festgestellt hat, dass angesichts der vorliegenden Auskünfte nicht mehr von einer systematischen Inhaftierung von Asylsuchenden auszugehen ist - Rn. 68 - und ausgehend von den jüngsten Berichten auch keine reale Gefahr für den Betroffenen besteht, bei einer Rückkehr nach Ungarn Verletzungen von Art. 3 EMRK durch Inhaftierung zu erleiden - Rn. 70 - (a. A. VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14A - juris Rn. 7 ff.; s. aktuelle Auskünfte zur Asylhaft in Ungarn, insbesondere UNHCR v. 30.9.2014, Pro Asyl v. 31.10.2104 und Auswärtiges Amt v. 19.11.2014, alle an VG Düsseldorf).

Der Antragsteller gibt an, „nach einem Tag in Ungarn“ nach Österreich gereist zu sein (Beiakt I S. 22); die von seinem Prozessbevollmächtigten geschilderten Hafterfahrungen des Antragstellers mögen vor diesem Hintergrund dahinstehen. Der gründliche und ausführliche Bericht des Kommissars für Menschenrechte des Europarats zur Menschenrechtslage in Ungarn vom 16.12.2014 (http://www.e..net/file_.../..._..._com-i.pdf) beschreibt die Mängel der Inhaftierungspraxis in Ungarn, mahnt Verbesserungen an, befürwortet aber auch die aktuellen Gesetzesänderungen. Systemische Mängel lassen sich dem - allemal auch perspektivisch - nicht entnehmen.

Zu der vom Antragsteller vordringlich geltend gemachten - erst möglicherweise künftigen - Problematik einer Familienzusammenführung in Ungarn ist zunächst auf die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung hinzuweisen. Diese Richtlinie war von Ungarn umzusetzen. Das ungarische Recht sieht auch vor, dass diejenigen, die internationalen Schutz genießen, ein Recht auf Familienzusammenführung haben (s. Menschenrechtsreport Ungarn, Europarat, v. 16.12.2014 a. a. O. Rn. 171). Das Problem liegt darin, dass die ungarischen Behörden offenbar oftmals syrische Reisedokumente nicht akzeptieren, was die Verwirklichung des Rechtes auf Familiennachzug nahezu verhindern kann (s. vorgenannter Menschenrechtsbericht Rn. 172 ff., wo bürokratische Probleme für die unzureichende Umsetzung des Rechtes auf Familiennachzug verantwortlich gemacht werden). Für eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO spricht vorgenannte Problematik jedoch schon deshalb nicht, weil es der Familie des Antragstellers freistünde, in Ungarn selbst Asyl zu beantragen und somit wiederum als Familie zusammenleben zu können; den Weg von Syrien nach Ungarn müsste die Familie des Antragstellers in jedem Fall selbst bewältigen.

Zu den Lebensbedingungen der Personen mit Schutzstatus und ihrer Familien sei darauf hingewiesen, dass seit Januar 2014 Integrationsmaßnahmen dezentral auf örtlicher Ebene durchgeführt werden. Hierzu werden individuelle Integrationsvereinbarungen mit den Betroffenen geschlossen und neben einem abschmelzenden Grundeinkommen, das über dem gesetzlich verankerten Mindesteinkommen liegt, wird Unterstützung durch kirchliche Beratungsstellen, die auch bei der Wohnungsvermittlung unterstützen, sowie den örtlichen Familienberatungsstellen angeboten (s. dazu Bericht zur Menschenrechtslage Ungarn, Europarat, v. 16.12.2014 a. a. O. Rn. 167 ff., Auswärtiges Amt, Auskunft v. 19.11.2014 an das VG Düsseldorf, Ausführungen zu Frage 14, und UNHCR, Auskunft v. 25.11.2014 zur Situation der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Ungarn, insbesondere Dublin-Rückkehrer).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 03.07.2014 - 71932/12 (Mohammadi gegen Österreich) ausdrücklich hervorgehoben, „that the UNHCR never issued a position paper requesting EU member States to refrain from transferring asylum-seekers to Hungary under the Dublin II or Dublin III Regulation (compare the situation relating to Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195, and the UNHCR recommendation of 2 January 2013 to halt transfers to Bulgaria)“ (a. a. O. Rn. 69). Dem Umstand, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen, kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11-N - juris Rn. 44).

Schließlich hat der Antragsteller bei dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am ...2014 keine unmenschliche Behandlung auf der Flucht und keine Gründe gegen eine Rückkehr nach Ungarn vorgetragen, sondern angeführt, er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden, weil es ihm in Deutschland am Besten gefalle (Beiakt I S. 24).

Nach alledem ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 159 VwGO, § 83 b AsylVfG abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Tatbestand
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published on 27/08/2014 00:00

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.