Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Juni 2019 - Au 5 K 18.32006

bei uns veröffentlicht am04.06.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer Glaubenszugehörigkeit. Er reiste gemeinsam mit seinen Eltern und weiteren Geschwistern am 15. August 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. August 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. Februar 2016 (Gz. ...) wurde dem Kläger sowie den mit ihm eingereisten Familienmitgliedern die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts ... vom 23. November 2017 (Az. ...) wurde der Kläger wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung zu einer Einheits-Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Mit Verfügung des Bundesamts vom 11. Juni 2018 wurde ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 11. Juni 2018, zugestellt am 14. Juni 2018, zum beabsichtigten Widerruf angehört. Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 Stellung zum beabsichtigten Widerruf. Der Kläger habe zu seiner in Deutschland lebenden Familie ein inniges Verhältnis. Die Vorstellung, von seinen Eltern getrennt zu werden, belaste ihn sehr. Eine Rückkehr in sein Heimatland sei aufgrund der dort herrschenden Lage unvorstellbar. Seit seiner Inhaftierung nehme er an wöchentlichen Einzelgesprächen und gruppentherapeutischen Sitzungen teil. Seine behandelnde Psychologin äußere sich sehr zufrieden hinsichtlich seiner Entwicklung. Der Kläger bereite sich auf den Mittelschulabschluss vor. Die Umstände des bestandskräftigen Anerkennungbescheides im Heimatland des Klägers hätten sich nicht wesentlich geändert. Der Kläger stelle auch keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr dar. Seine Entwicklung sei sehr positiv. Der Kläger befinde sich erstmalig in Haft und habe Verantwortung für seine Taten übernommen.

Das Bundesamt widerrief mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 (Gz. ...), per Einschreiben zur Post gegeben am 14. Dezember 2018, die mit Bescheid vom 17. Februar 2016 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Nr. 2). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Widerruf auf den Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG gestützt werde. Dessen Voraussetzungen lägen mit der Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts ... vom 23. November 2017 vor. Es sei beim Kläger weiterhin von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene positive Entwicklung begründe nicht die Annahme, dass vom Kläger keine Sicherheitsgefährdung mehr ausgehe. Es habe sich bei den Taten nicht um „Ausrutscher“, sondern um gezielt begangene Straftaten gehandelt. Die erforderliche Ermessensentscheidung falle zu Lasten des Klägers aus. Es sei zwar in seinem Interesse zu berücksichtigen, dass seine Eltern und Geschwister in Deutschland leben. Auch werde seine Entwicklung in der Haft offensichtlich von der behandelnden Psychologin positiv bewertet. Für das öffentliche Interesse am Widerruf spreche jedoch, dass die von Straftätern ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit abzuwehren seien. Dieses Interesse sei vorliegend höher zu bewerten als das Interesse des Klägers am Fortbestand der Flüchtlingseigenschaft. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Der Kläger habe den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG erfüllt. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Eine Gruppenverfolgung müssten yezidische Volkszugehörige nach der Vertreibung des IS nicht mehr befürchten. Zwar werde nicht verkannt, dass die Versorgungslage sehr schwierig sei. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung jedoch nicht beachtlich. Der Kläger sei ein junger Mann im erwerbsfähigen Alter. Er habe sich in Deutschland Sprachkenntnisse erworben, die auf der Suche nach einer Erwerbstätigkeit im Herkunftsland von Vorteil sein können. Es sei nicht erkennbar, weshalb er bei einer Rückkehr nicht in der Lage sein sollte, sein wirtschaftliches Existenzminimum durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern.

Auf die weiteren Gründe des Bescheids wird ergänzend Bezug genommen.

Am 20. Dezember 2018 ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid erheben und beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen sowie den Bescheid des Bundesamts vom 11. Dezember 2018 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 begründet. Dabei wurde ausgeführt, dass der Kläger regelmäßig von seinen Eltern und anderen Familienangehörigen besucht werde. Die Vorstellung, von seinen Eltern getrennt zu werden, belaste ihn sehr. Der Kläger sei auch nicht in subkulturelle Machenschaften abgerutscht. Der Kläger befinde sich seit dem 24. Dezember 2017 in der Sexualtherapie und wolle die Therapie nach der Haftentlassung fortsetzen. Das Prognosegutachten vom 17. Dezember 2018 beurteile die Entwicklung des Klägers positiv. Es bestätige dem Kläger greifbare Therapieerfolge, seine Persönlichkeit habe sich stabilisiert. In der Bearbeitung seines defizitären Frauenbildes zeigten sich bereits deutliche Hinweise bezüglich einer Änderung seines Frauenbildes. Eine konkrete Wiederholungsgefahr liege beim Kläger nicht vor. Der Kläger sei geständig gewesen, bei ihm habe ein Umdenken angefangen. Die Rückfallwahrscheinlichkeit sei vom Gutachter im vorliegenden Fall aufgrund der therapeutischen Maßnahmen, die einen Veränderungsprozess im Verhalten und der Einstellung des Klägers bewirkt hätten, als günstiger eingeschätzt worden. Deshalb habe sich das Gutachten auch für die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ausgesprochen.

Mit der Klagebegründung wurde ein rechtspsychologisches Gutachten vom 17. Dezember 2018 vorgelegt.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss 18. März 2019 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Zum Verfahren wurden die Strafakten Az. ... sowie der Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt ... vom 21. März 2019 beigezogen.

Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste. Die Regierung ...als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Behördenakte und Strafakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 11. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt sowohl für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs als auch für die Prüfung, ob die erhobene Verpflichtungsklage erfolgreich ist, ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Es wird in vollem Umfang auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:

1. Der Widerruf der mit Bescheid vom 17. Februar 2016 zuerkannten Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids) ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus durch die rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Einheits-Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung nicht mehr vorliegen.

a) Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Der Widerruf ist auch möglich, wenn nachträglich von dem Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht (vgl. hierzu OVG Lüneburg, U.v. 8.2.2012 - 13 LB 50/90 Rn. 25 m.V. auf BVerwG, U.v. 1.11.2005 - 1 C 21/04 - BVerwGE 124, 276 Rn. 31, 32)

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Voraussetzung für die Flüchtlingszuerkennung ist demnach, dass keine Versagungsgründe der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus entgegenstehen. Die Anerkennung kann gemäß § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG unterbleiben, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliches Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangen worden ist.

aa) Das Widerrufsverfahren wurde formal ordnungsgemäß durchgeführt.

Das Bundesamt hat das Widerrufsverfahren mit Verfügung vom 11. Juni 2018 eingeleitet. Der Kläger wurde zum beabsichtigten Widerruf gehört, sein Bevollmächtigter nahm mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 Stellung (§ 73 Abs. 4 AsylG).

bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG liegen vor.

Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts ... vom 23. November 2017 (Az. ...) zu einer Einheits-Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Unbeachtlich ist bei der Verurteilung zu einer Einheitsfreiheitsstrafe, ob die verhängte Freiheitsstrafe auf tateinheitlich oder tatmehrheitlich begangene und gleichzeitig abgeurteilte Delikten zurückgeht (BeckOK AuslR, Stand: 15.08.2016, § 60 AufenthG Rn. 54, 56). Die Taten wurden auch mit Gewalt begangen, wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung des Urteils des Amtsgerichts ... ergibt. Damit sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG hinsichtlich der Art der begangenen Straftaten, der konkreten Tatbegehung und des Strafmaßes erfüllt.

cc) Ermessensfehler sind im Bescheid des Bundesamts vom 11. Dezember 2018 nicht ersichtlich. Das Bundesamt hat seinen Ermessensspielraum erkannt und hat sein Ermessen unter der Wahrung von sach- und zweckgerechten Erwägungen ausgeübt.

Zutreffend ging das Bundesamt davon aus, dass allein das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht automatisch ausschließt, sondern dass hierfür eine Ermessensentscheidung zu treffen ist (s. hierzu auch BT-Drs 18/7537 S. 6, 9). Bei dieser Entscheidung darf nicht allein maßgeblich auf das Strafmaß nach nationalem Recht abgestellt werden, es müssen vielmehr alle besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles bewertet werden (EuGH, U.v. 13.9.2018 - C-369/17). Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der betroffene Ausländer mit der abgeurteilten Straftat die Schwelle zur Gefahr für die Allgemeinheit überschritten hat. Art. 33 Abs. 2 GK zwingt insofern zu einer zukunftsgerichteten Prognose (BeckOK, a.a.O., § 60 AufenthG Rn. 57). Das „kann“ in § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG ist so auszulegen, dass eine umfassende individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Diese Vorgaben hat das Bundesamt in der angefochtenen Entscheidung über den Widerruf berücksichtigt, das Ergebnis der getroffenen Interessenabwägung ist auch im Hinblick auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.

Das Bundesamt ging im angefochtenen Bescheid zu Recht von einer nach wie vor bestehenden Sicherheitsgefährdung durch den Kläger aus. Auch zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist eine derartige Sicherheitsgefährdung nach Auffassung des Gerichts noch zu bejahen. Auch wenn es sich um die erste Haftstrafe des Klägers handelte, bringen die Höhe der Strafe und der Umstand, dass sie nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, die Gefährlichkeit des Klägers zum Ausdruck und rechtfertigen die Einschätzung des Bundesamts, dass eine positive Prognose nicht in Betracht komme. Aus dem Führungsbericht der JVA ... vom 21. März 2019 ergibt sich zwar ein weitgehend positives Bild hinsichtlich der Entwicklung des Klägers. Er zeige den Willen, sich zu verändern und habe sich intensiv mit seiner damaligen Lebenssituation und seiner damaligen Einstellung sowie seinem Tatverhalten auseinandergesetzt. In der Einzeltherapie sowie in den Gruppenangeboten arbeite er aktiv und eigeninitiativ mit. Der Familienzusammenhalt sei stark ausgeprägt, der Kläger sei sehr gut in den Familienbund integriert. Seit November 2018 hätten Vollzugslockerungen gewährt werden können. Allerdings ergibt sich aus dem Führungsbericht auch, dass der Kläger wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Mitgefangenen disziplinarisch geahndet werden musste. In dem psychologischen Gutachten vom 17. Dezember 2018 wird ausgeführt, dass beim Kläger wegen der bisherigen therapeutischen Interventionsmaßnahmen von einer Reduzierung der Gefährlichkeit bezüglich neuer Sexualdelikte auszugehen sei (S. 27, 28). Angesicht der ebenfalls in dem Gutachten dargestellten Rückfallrate bei Straftätern, wobei ein jüngerer, erstmals inhaftierter Gewalttäter mit Vorstrafe eine teilweise deutlich erhöhe Rezidivrate habe (S. 20), ist jedoch nach Auffassung des Gericht weiterhin von einer Widerholungsgefahr auszugehen. Wie im Gutachten zusammenfassend festgestellt wird, sei die Gefährlichkeit des Klägers wegen der therapeutischen Maßnahmen zwar reduziert, damit aber offensichtlich nicht ausgeschlossen. In dem Gutachten wird weiter ausgeführt, dass der Kläger von den Freiheiten hiesiger Gesellschaftsnormen einerseits überfordert, andererseits auch neugierig fasziniert sei, zumal er in einer restriktiv-rigiden patriarchalischen Gesellschaft aufgewachsen sei (S. 21). Auch die Eltern seien von den Umständen in der neuen, europäischen Heimat überfordert gewesen, sie hätten dem Kläger kaum Grenzen setzen können. Dieser Hintergrund in der prädeliktischen Persönlichkeit des noch wenig gereiften Jugendlichen habe die Voraussetzungen bezüglich der inkriminierten Delikte geboten (S. 21, 22). In der Therapie sei das verzerrte Frauenbild von deutschen Mädchen und die Haltung diesen gegenüber behandelt worden, die Bearbeitung diesbezüglicher Risikofaktoren sei noch in Bearbeitung. Insgesamt vermittelt das Gutachten damit nach Auffassung des Gerichts das Bild eines jungen Erwachsenen, der zwar um die Aufarbeitung der von ihm begangenen Delikte bemüht ist und diesbezüglich auch schon Fortschritte vorweisen kann, der jedoch noch nicht die erforderliche Reife, Stabilität und Einsichtsfähigkeit gewonnen hat, um ihm eine positive Prognose bezüglich der Nicht-Begehung weiterer Straftaten, insbesondere Sexualstraftaten, ausstellen zu können. Dies gilt umso mehr, als nach den Erkenntnissen des Gutachtens auch das familiäre Umfeld mit ursächlich für das Frauenbild des Klägers war und ein Klima schuf, in welchem er seine sexualbezogenen Bedürfnisse ausleben konnte. Grenzen wurden dem Kläger nicht gesetzt, weil die Eltern selbst mit den Anforderungen der hiesigen Gesellschaft überfordert waren. In dieses familiäre Umfeld ist der Kläger mittlerweile wieder zurückgekehrt. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht anzunehmen, dass die Erkenntnisse des im Dezember 2018 erstellten Gutachtens mittlerweile überholt sein sollten. Die Einschätzung des Bundesamts im angefochtenen Bescheid, wonach vom Kläger weiterhin eine Sicherheitsgefährdung ausgehe, ist deshalb auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu beanstanden.

In der Interessenabwägung hat das Bundesamt zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass seine Eltern und seine Geschwister in der Bundesrepublik Deutschland leben. Zu diesen hat er, wie er auch in der mündlichen Verhandlung betont hat, enge Beziehungen. Allerdings konnten ihm die familiären Bindungen offensichtlich nicht ausreichend Halt und Struktur bieten, um ihn von der Begehung schwerer Straftaten abzuhalten, sondern begünstigten diese eher. Der Kläger ist erst im August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, er hat seine Kindheit und auch einen Teil seiner Jugend noch im Irak verbracht. Dort hat er die Schule sechs Jahre lang besucht. In Deutschland wurde der Kläger bereits ca. eineinhalb Jahre nach der Einreise inhaftiert. Im Vollzug nahm er an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen teil, insbesondere erwarb er deutsche Sprachkenntnisse. Nennenswerte Integrationsleistungen, die zugunsten des Klägers in die Abwägung einzustellen wären, sind noch nicht zu verzeichnen.

Auch wenn der familiäre Zusammenhalt offensichtlich sehr stark ist, war die Familie des Klägers in der Vergangenheit nicht in der Lage, stabilisierend und mäßigend auf ihn einzuwirken. Zudem wurde gemeinsam mit dem Kläger auch sein älterer Bruder wegen sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch von Kindern, vorsätzlicher Körperverletzung und sexueller Belästigung zu einer Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt. Vor diesem Hintergrund ist - auch unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Gutachtens vom 17. Dezember 2018 - zu befürchten, dass der Kläger im engen familiären Umfeld nicht nur positiven Einflüssen ausgesetzt ist. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass die Familie nunmehr in der Lage ist, einen entscheidenden, positiven Einfluss auf den Kläger auszuüben. Weder die Eltern noch seine Geschwister sind auf die Unterstützung des Klägers angewiesen. Der Kläger selbst hat eine gewisse, noch im Irak absolvierte Schuldbildung und ist mit den Gegebenheiten in seinem Herkunftsland und der Sprache vertraut. Zudem hat er mittlerweile auch deutsche Sprachkenntnisse erworben, die ihm bei der Suche nach einem Arbeitsplatz auch in Kurdistan-Irak Vorteile verschaffen können. Auch wenn der Kläger nach eigenen Angaben keine Verwandten mehr im Irak hat, ist zu erwarten, dass er sich dort zurechtfinden kann. In finanzieller Hinsicht ist davon auszugehen, dass er jedenfalls für eine Übergangszeit von seiner Familie unterstützt wird.

Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak auch keine Gruppenverfolgung wegen seiner yezidischen Glaubenszugehörigkeit. Das Gericht ist der Auffassung, dass für Glaubenszugehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft, die wie der Kläger aus der Provinz Ninive stammen, die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegeben sind. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen „Verfolgungsdichte“, die für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung erforderlich ist. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen belief sich die Zahl der in der Provinz Ninive ansässigen Yeziden vor dem Überfall durch den IS auf ca. 291.000 Menschen in der Region Sindschar, wobei diese Zahl anhand der ausgegebenen Lebensmittelkarten ermittelt werden konnte, und weiteren ca. 65.000 Menschen in der Region Sheikhan (vgl. Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 16. September 2013 an das OVG NW, S. 11 f., juris). Zwar wurden seit 2014 Schätzungen zufolge 5000 Yeziden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit getötet, mehr als 6000 Yezidinnen versklavt, 300 000 Yeziden wurden vertrieben. 24 Massengräber wurden in der Region Sindschar bereits gefunden. Befürchtet wird, dass fast doppelt so viele an verschiedenen Orten in der Region liegen, viele davon weiter südlich der aktuellen Frontlinie (vgl. Die Zeit online, Die Vergessenen von Sindschar, 13. Juni 2016, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/jesiden-nordirak-islamischer-staat; Die Jesiden von Sindschar, Le Monde diplomatique, Januar 2017, S. 11).

Diese Verfolgungssituation für yezidische Glaubenszugehörige besteht seit Mitte/Ende des Jahres 2017 jedoch nicht mehr unverändert fort und führt im vorbezeichneten Verfahren dazu, dass die Voraussetzungen für die Gruppenverfolgung von Yeziden in der Provinz Ninive nicht mehr angenommen werden können. Eine systematische Verfolgung oder Diskriminierung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12.01.2019 - im Folgenden: Lagebericht, S. 12). Im August 2017 erklärte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi, dass mit der Stadt Tal Afar eine der letzten IS-Bastionen im Land befreit worden sei. Die USgeführte Anti-IS-Koalition teilte ebenfalls mit, dass der Irak 90% des ehemals von der Terrormiliz kontrollierten Gebietes zurückerobert habe. Der IS hat nach seinem Vormarsch vor mehr als drei Jahren (2014) auf dem Höhepunkt seiner Macht riesige Gebiete im Norden und Westen des Irak beherrscht, darunter große Städte. Hierzu gehörte auch die Millionenstadt Mossul östlich von Tal Afar. Auch die Provinz Ninive, die an der Grenze zu Syrien liegt, wurde im Sommer 2014 vom IS überrannt. In der Provinzhauptstadt Mossul haben die Dschihadisten damals ihr sogenanntes „Kalifat“ ausgerufen. Im Juli 2017 wurde Mossul nach monatelanger Belagerung von den irakischen Truppen mit internationaler Hilfe zurückerobert. Bereits zuvor hatten die Extremisten die größten Teile der ehemals kontrollierten Gebiete im Irak verloren. Die Rückeroberung von Tal Afar habe nur zehn Tage gedauert. Tal Afar war eine der letzten irakischen Städte in der Hand der IS-Miliz. Diese kontrolliert nach aktuellen, dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen, nur noch zwei Gebiete im Irak, von denen Großteile unbewohnt sind. Es handelt sich hierbei um Hawidscha im Zentralirak und die Städte Al-Kaim, Rawa und Anna in der Wüste an der Grenze zu Syrien. In den übrigen Gebieten ist die Terrormiliz IS auch in der Provinz Ninive vollständig besiegt (vgl. hierzu auch Lagebericht, S. 4). Mit der geschilderten Zurückdrängung des IS aus der Provinz Ninive sowie insgesamt aus der Fläche ist es nach Auffassung des Gerichtes ausgeschlossen, dass die Terrormiliz noch über Strukturen verfügt, die es ihr ermöglicht, yezidische Glaubenszugehörige in der Provinz Ninive systematisch im Rahmen eines eingeleiteten und durchgeführten Verfolgungsprogramms (vgl. noch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, Seite 12, 18) zu verfolgen, wie es Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung wäre. Es ist für das gesamte Gebiet eine gewisse Befriedung eingetreten und festzustellen. Dies schließt die Annahme einer Gruppenverfolgung für den Kläger bei fehlender anlassgeprägter Einzelverfolgung im vorliegenden Fall aus. Dies gilt jedenfalls für den der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (so auch BayVGH, B.v. 19.3.2018 - 20 ZB 17.30121 - juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 22.1.2018 - 20 ZB 18.30667 - juris).

Die Interessenabwägung des Bundesamts, bei der dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft Vorrang vor den privaten Interessen des Klägers eingeräumt wurde, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Flüchtlingszuerkennung nach § 3 Abs. 4 AsylG, § 60 Abs. 1 AufenthG. Dem steht, wie oben ausgeführt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG und die auf dieser Grundlage von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung entgegen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG.

Nach § 73 Abs. 3 AsylG ist bei einem Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.

a) Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ist im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ausgeschlossen.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Der Kläger wurde wegen Straftaten u.a. gegen die sexuelle Selbstbestimmung und wegen Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Nach § 54 Abs. 1 und Abs. 1a AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrere vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren verurteilt worden ist oder wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten u.a. gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat u.a. mit Gewalt begangen worden ist. Beim Kläger liegen diese Voraussetzungen jeweils vor. Hinzu kommt, dass er u.a. wegen vollendeter Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, so dass nach § 177 Abs. 5 StGB auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen ist. Der Kläger hat sich demnach eines Verbrechens i.S. des § 12 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Auch dies rechtfertigt die Annahme, dass eine schwere Straftat i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG vorliegt, die die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschließt.

b) Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG sowie des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vor.

Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak, wie bereits ausgeführt, kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG wegen seiner yezidischen Glaubenszugehörigkeit. Eine Gruppenverfolgung von Yeziden findet in Kurdistan-Irak derzeit nicht statt.

Unter Zugrundelegung der gebotenen rechtlichen Maßstäbe und nach Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel besteht nach Auffassung des Gerichts in der Region Ninive derzeit auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dies folgt bereits daraus, dass die Terrormiliz IS durch die irakischen Streitkräfte - wie dargelegt - landesweit fast vollständig zurückgedrängt wurden (vgl. auch Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak - Stand: Dezember 2017- vom 12. Februar 2018, S. 4). Dem steht nicht entgegen, dass Anhänger des IS weiterhin Selbstmordattentate und andere Anschläge verüben. Denn bei diesen sicherheitsrelevanten Vorfällen handelt es sich allenfalls um Einzelfälle; jedenfalls haben sie aber kein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind. Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines innerstaatlichen, bewaffneten Konflikts ausgehen wollte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben bei einer Rückkehr in seine Heimatregion droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt hat zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak und hier insbesondere in die betroffene Region - Provinz Ninive - allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivilisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in der Provinz Ninive nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig. Gab es nach den Aufzeichnungen der UN im Februar 2017 landesweit noch 392 getötete und 613 verletzte Zivilisten, wurden im Februar 2018 von der UN landesweit noch 91 getötete und 208 verletzte Zivilisten verzeichnet, nachdem diese auch in den Vormonaten bereits deutlich gesunken waren. Die insgesamt 299 sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich überdies hauptsächlich in den Provinzen Bagdad (49 getötete und 146 verletzte Zivilisten), Anbar (14 getötete und 38 verletzte Zivilisten) und Diyala (12 getötete und 11 verletzte Zivilisten) (vgl. http://www.uniraq.org/index.php). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in die Provinz Ninive allein durch ihre Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, derzeit nicht erreicht ist (vgl. auch VG Hamburg, U.v. 13.3.2018 - 8 A 1135/17 - juris Rn. 45 und 46 m.w.N.).

Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, sind bei einer Rückkehr in die Provinz Ninive nicht ersichtlich bzw. wurden nicht vorgetragen.

4. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind nicht gegeben.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung in den Irak befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es nicht (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 8.1.2018 - 20 ZB 17.30839 - juris Rn. 6). Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger, auch wenn dies in einer Übergangszeit sicherlich nicht einfach ist, aufgrund seiner Schulbildung und seiner Sprachkenntnisse in der Lage sein wird, zumindest sein Existenzminimum sicherzustellen. Mit den Lebensumständen im Irak ist der Kläger, der dort den Großteil seines Leben verbracht hat, vertraut. Unterhaltsverpflichtungen hat der gesunde und erwerbsfähige Kläger nicht. Er kann jedenfalls in der Anfangszeit auch auf die finanzielle Unterstützung seiner in Deutschland lebenden Familie zählen, nachdem der Familienzusammenhalt offensichtlich sehr stark ist.

Auch im Hinblick auf die allgemeine Lage im Irak liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das Gericht geht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger jedenfalls sein Existenzminimum im Irak sicherstellen kann. Sonstige Anhaltspunkte für eine dem Kläger drohende erhebliche, konkrete Gefahr bei einer Rückkehr in den Irak sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

5. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 73 Widerrufs- und Rücknahmegründe


(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer1.sich freiwillig erneut dem Schutz d

Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht si

Referenzen - Urteile

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Juni 2019 - Au 5 K 18.32006 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Juni 2019 - Au 5 K 18.32006 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2018 - 20 ZB 17.30839

bei uns veröffentlicht am 08.01.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg,

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. März 2018 - 8 A 1135/17

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten.

2

Der Kläger, irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit, reiste nach eigenen Angaben am 6. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. März 2016 einen Asylantrag.

3

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 21. September 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er den Irak am 21. November 2015 verlassen habe und er aus dem Dorf Tel Benat stamme, das sich in der Nähe der Stadt Sindschar befinde. Im Irak habe er zwölf Jahre die Schule besucht und Abitur gemacht. Anschließend habe er circa zwei Jahre als Maler gearbeitet. Im Irak lebten neben seiner Mutter, die erkrankt sei und in einem Flüchtlingslager in Zaxo lebe, ein weiterer Bruder und eine weitere Schwester sowie die gesamte Großfamilie. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Kläger im Wesentlichen an, dass die Terrormiliz des Islamischen Staates (im Folgenden: IS) sein Dorf erobert habe und er seitdem nichts mehr besitze. Für die geflüchteten Jesiden sei die Situation in dem Flüchtlingslager unbefriedigend, da es im Sommer heiß und im Winter kalt sei. Die Menschen würden unter den schlechten Bedingungen leiden. Er selbst sei im Irak weder bedroht, verletzt noch vertrieben worden. Trotzdem könne er als Jeside nicht mehr im Irak leben, da die Bevölkerung die Jesiden grundlos hasse. Er wisse nicht, warum dies so sei. Es seien jedenfalls fremde Leute, die er nicht kenne und die er auch nicht gesehen habe. Er selbst sei nicht sehr religiös und lebe seinen Glauben auch nicht offen aus. Für diejenigen, die Jesiden hassten, sei es nicht erkennbar, dass er Jeside sei und sie würden dies auch nicht erfahren. Allerdings bedrohten diese Menschen bestimmte Dörfer in bestimmten Regionen. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Er habe ebenso wie die übrigen Jesiden kein Zuhause mehr und sei gezwungen, in einem Flüchtlingslager zu leben. Das Elternhaus, in dem er vor seiner Flucht gelebt habe, sei zwar nicht zerstört worden, allerdings wisse er nicht, wer dort jetzt wohne. Auf die weiteren Ausführungen des Klägers (Bl. 72 ff. der Asylakte) wird Bezug genommen.

4

Mit Bescheid vom 9. Januar 2017 erkannte die Beklagte die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1 des Bescheids), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2 des Bescheids), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Des Weiteren forderte sie den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Ziffer 5 des Bescheids). Überdies befristete sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Vortrag des Klägers, wonach er als Jeside verfolgt werde, sei zu allgemein. Auch auf Nachfrage habe er nicht angegeben, persönlich bedroht, verletzt oder vertrieben worden zu sein. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass er ausgeführt habe, dass für seine Leute schwere Lebensbedingungen im Irak und in den Flüchtlingslagern herrschten und dass seine Mutter krank sei. Denn auch aus diesen sehr allgemein geschilderten Lebensbedingungen ergebe sich weder eine Verfolgungshandlung noch ein Verfolgungsakteur. Eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden aufgrund seiner Religion oder Volkszugehörigkeit folge auch nicht aus seinem übrigen Vortrag. Denn er habe angegeben, nicht sehr religiös zu sein und seine Religion nicht auszuleben, so dass auch niemand mitbekomme, dass er Jeside sei, was man ihm auch nicht äußerlich ansehe. Dem stehe nicht entgegen, dass der IS das Heimatdorf des Klägers eingenommen habe, da der Kläger bereits nach seinen eigenen Angaben landesintern Schutz im Irak gefunden habe und er seit dem Verlassen seines Elternhauses nicht bedroht, verletzt oder vertrieben worden sei. Im Übrigen scheide die Gewährung von Flüchtlingsschutz bereits deshalb aus, weil es dem Kläger zugemutet werden könne, Schutz in den nichtumkämpften Landesteilen des Irak zu suchen. Die Gesamtbetrachtung seiner Lebensumstände und individuellen Voraussetzungen lasse zudem erwarten, dass er als gesunder arbeitsfähiger junger Mann in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums sicherstellen zu können. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen ebenfalls nicht vor. Des Weiteren seien auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht gegeben, denn der Vortrag des Klägers sei auch insofern nicht glaubhaft. Auch drohe ihm keine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Dem stehe in seinem Fall darüber hinaus entgegen, dass er neben seiner Mutter noch eine Großfamilie im Irak habe und daher weiterhin dort familiär verwurzelt sei. Auch drohe ihm keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Umstände, die geeignet wären, eine hier zu berücksichtigende Gefährdung begründen zu können, seien nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei im vorliegenden Fall angemessen. Auf die weiteren Gründe des Bescheids (Bl. 83 ff. der Asylakte) wird Bezug genommen.

5

Am 27. Januar 2017 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass ihm als Jeside aus dem Sindschar-Gebirge die Flüchtlingseigenschaft als Gruppenverfolgter zugesprochen werden müsse. Dies folge daraus, dass die Islamisten hunderttausende Jesiden vertrieben und tausende von ihnen entführt und ermordet hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er – wie alle Jesiden – im Irak nicht sicher vor Verfolgung. Es sei den Jesiden nicht möglich, im Irak ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sie seien schweren Diskriminierungen durch die moslemische Bevölkerung ausgesetzt. Ihre Produkte würden von Muslimen nicht gekauft werden, da sie nach deren Auffassung unrein seien. Die Jesiden seien – ebenso wie die Christen – wegen dieser Alternativlosigkeit gezwungen, in der Gastronomiebranche zu arbeiten und Alkohol zu verkaufen. Allerdings führe dies regelmäßig dazu, dass sie von Islamisten getötet würden, da Alkoholkonsum und -verkauf nach dem Islam verboten seien. Der Kläger könne im Irak sein wirtschaftliches Existenzminimum jedenfalls nicht sichern.

6

Der Kläger beantragt,

7
1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Januar 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
8
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die nationalen Abschiebeverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
9

Aus dem Schriftsatz vom 19. Juli 2017 geht der Antrag der Beklagten hervor,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung ihres Antrags bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

12

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2018 persönlich angehört worden. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die Asylakte des Bundesamts Bezug genommen, welche ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde wie die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnisquellen.

Entscheidungsgründe

I.

14

Der Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war. Hierauf ist sie gemäß § 102 Abs. 2 VwGO mit der Ladung hingewiesen worden.

II.

15

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

16

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylG (hierzu unter 1.) oder des Status als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (hierzu unter 2.). Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (hierzu unter 3.). Die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden (hierzu unter 4. und 5.). Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

17

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

18

Einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen (vgl. § 3 Abs. 4 AsylG). Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 560; im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention [GFK]), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 1) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2).

19

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung unterschiedlicher Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

20

Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Der Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und darf nicht nur vorübergehend sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

21

Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

22

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 19). Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 32 m.w.N.).

23

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337 v. 20.12.2011, S. 9; im Folgenden: Richtlinie 2011/95/EU) ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Dies entspricht dem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedanken, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, 1 BvR 147/80, juris; dem folgend u. a. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris). Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Sie misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung bei und begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei der Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden, und entlastet sie von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich die vorverfolgungsbegründenden oder einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in ihr Heimatland erneut realisieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.).

24

Gemessen an diesen Vorgaben ist der Kläger kein Flüchtling. Ihm droht im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion im Irak nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe.

25

a. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU greift im Fall des Klägers nicht ein.

26

Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger kurdischer Volks- und jesidischer Religionszugehörigkeit ist und aus dem Dorf Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive stammt. Daran hat auch die Beklagte keine Zweifel. Im Übrigen ergibt sich dies sowohl aus den in der Asylakte befindlichen Ausweisdokumenten als auch aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Wenngleich er nicht in der Lage war, seine Heimatregion auf einer Karte zu zeigen, da diese nicht in arabischer Schrift war, konnte er diese zumindest geographisch hinreichend bestimmen. Denn er hat dargelegt, dass sich sein Heimatdorf Tel Benat circa zwölf Kilometer südlich der Stadt Sindschar befinde und zwischen den Dörfern Gasr (östlich), Khilo (westlich) sowie Sibaa (südlich) liege. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sich sein Heimatdorf in dem Distrikt Qairawan befinde, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, da es sich dabei nach den Erkenntnismitteln des Gerichts lediglich um eine weitere regionale Untergliederung innerhalb des Distrikts Sindschar handeln dürfte. Daneben hat der Kläger detaillierte Angaben zu seinem Leben in Tel Benat gemacht (Wohnsituation, Ausbildung, Familie, Beruf). Weiter geht das Gericht davon aus, dass er sein Heimatdorf am Morgen des 3. August 2014 fluchtartig verlassen hat, um sich vor dem herannahenden IS in Sicherheit zu bringen. Der Kläger hat den Geschehensablauf zu seiner Flucht anschaulich und detailliert dargelegt. Im Übrigen entspricht das von ihm geschilderte Fluchtschicksal in zeitlicher und in tatsächlicher Hinsicht den Erkenntnissen des Gerichts zum Einmarsch des IS in die Provinz Ninive.

27

Zwar dürfte der Kläger auf dieser Grundlage insoweit von einer Verfolgung durch den IS wegen seines jesidischen Glaubens zumindest unmittelbar bedroht gewesen sein, da der IS nach den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismitteln im Sommer 2014 zügig in den nördlichen, an die Provinz Dohuk grenzenden Teil der Provinz Ninive vorstieß und in den eingenommenen Dörfern Jesiden hingerichtet, versklavt, misshandelt und entführt hat (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016), 7.2.2017 – im Folgenden: Lagebericht 2017 –, S. 12; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Siedlungsgebiete und Lage der JesidInnen, 2.2.2017).

28

Allerdings ist die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU, dass eine Vorverfolgung oder eine frühere unmittelbare Bedrohung durch Verfolgung ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, im Fall des Klägers widerlegt. Für die Widerlegung dieser Vermutung ist es erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris Rn. 23). Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU bezieht sich insoweit nur auf eine zukünftig drohende Verfolgung. Maßgeblich ist danach, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.2011, 10 B 32/11, juris Rn. 7). Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kann durch stichhaltige Gründe selbst dann widerlegt sein, wenn im Herkunftsland keine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht früher verwendeten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.). Zur Entkräftung der Beweiserleichterung ist daher nicht erforderlich, dass die Wiederholung einer Verfolgungsmaßnahme mit der nach diesem Maßstab geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. zum früheren herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab etwa BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, 1 BvR 147/80, juris Rn. 54; BVerwG, Urt. v. 2.8.1983, 9 C 599/81, juris Rn. 11).

29

Solche stichhaltigen Gründe liegen hier zur Überzeugung der Kammer vor. Denn die Lage im Irak hat sich zwischenzeitlich jedenfalls insoweit grundlegend verändert, als dass der IS zumindest in der Provinz Ninive und insbesondere in dem Distrikt Sindschar – der Herkunftsregion des Klägers – keine quasi-staatliche Macht im Sinne von § 3c Nr. 2 AsylG mehr ausübt (vgl. hierzu auch VG Hamburg, Urt. v. 12.1.2018, 8 A 3019/16, n.v., UA S. 14). Der IS hat sein Einflussgebiet zuletzt sogar im gesamten Irak fast vollständig verloren. So wurden im November 2017 die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert (vgl. nur Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 8 m.w.N.). Die Großstadt Mossul wurde im Juli 2017 befreit (vgl. ebenda, S. 56). Die Städte Sindschar und Ramadi wurden sogar bereits Ende 2015 zurückerobert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2015), 18.2.2016 – im Folgenden: Lagebericht 2016 –, S. 7, 9) und stehen nunmehr – wie auch die anderen Distrikte der Provinz Ninive – unter der Kontrolle der irakischen Zentralregierung beziehungsweise der ihr unterstehenden Popular Mobilization Forces (PMF) (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 18 m.w.N.; https://isis.liveuamap.com/). Allein das Wüstengebiet nördlich der Städte Al-Qaim, Ana und Rawa – an der Grenze der Provinzen Anbar und Ninive – war zuletzt noch unter der Kontrolle des IS. Mit den Gebietsverlusten hat dieser auch wesentliche Einnahmen, insbesondere aus Ölquellen, verloren (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, Stand: 23.11.2017, S. 47). Dass der IS angesichts dieser Entwicklung nochmals nach Norden vorstoßen und in wesentlichen Teilen des Nordiraks Fuß fassen könnte, erscheint unwahrscheinlich. Zwar ist insoweit nicht zu verkennen, dass die territoriale Zurückdrängung des IS nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle Kämpfer des IS getötet oder inhaftiert worden sind. Viele Kämpfer, von denen es allein in der Provinzhauptstadt Mossul 40.000 gegeben hat, sind entweder in die Wüste geflohen oder haben sich unter die Zivilbevölkerung gemischt (ebenda, S. 8 m.w.N.). Der IS verübte im gesamten Land Selbstmordattentate und andere Anschläge, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden (ebenda, S. 57 f.). Auch ist die Sicherheitslage in den vom IS zurückeroberten Gebieten prekär, da diese durch sog. „IEDs“ (improvised explosive devices) und Minen sowie durch Konflikte zwischen Milizen geprägt ist (ebenda, S. 56). Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass es von Seiten untergetauchter IS-Anhänger zu keinerlei Verfolgungshandlungen gegen einzelne Personen mehr kommen kann. Wie in anderen von den irakischen Streitkräften zurückeroberten Gebieten oder in nie vom IS kontrollierten Gebieten dürfte sich der IS im Zuge seiner territorialen Zurückdrängung künftig aber vor allem auf die Verübung terroristischer Anschläge bzw. auf eine asymmetrische Kriegsführung mit verstärkten terroristischen Aktivitäten konzentrieren (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2017), 12.2.2018, – im Folgenden: Lagebericht 2018 –, S. 15). Derartige terroristische Anschläge stellen grundsätzlich keine gezielten Verfolgungsmaßnahmen aufgrund der Religionszugehörigkeit der Opfer dar. Denn dabei handelt es sich vielmehr um eine allgemeine Gefahr für die Bevölkerung, die nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG steht, sondern bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 29.4.2014, A 4 A 104/14, juris Rn. 32). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist daher nicht davon auszugehen, dass der IS in der Lage ist beziehungsweise in absehbarer Zukunft sein wird, Jesiden – insbesondere in der Region Ninive – systematisch zu verfolgen (im Ergebnis so auch VG Oldenburg, Urt. v. 27.2.2018, 15 A 883/17, juris Rn. 37 ff.; VG Augsburg, Urt. v. 15.1.2018, Au 5 K 17.35594, juris Rn. 40 ff.; VG Karlsruhe, Urt. v. 10.10.2017, A 10 K 1508/17, juris Rn. 29; VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742.A, juris Rn. 45 ff.; VG Ansbach, Urt. v. 15.9.2017, AN 2 K 16.30525, juris Rn. 15; a.A. – für die Verfolgung von Jesiden in der Provinz Ninive – VG Hannover, Urt. v. 31.1.2018, 6 A 2574/17, n.v., UA S. 10 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 23.8.2017, 3 A 3903/16, juris Rn. 33).

30

Dafür dass von dem IS insofern keine ernstzunehmende Gefahr mehr ausgeht, sprechen auch die Rückkehrbewegungen der Binnenflüchtlinge in die Provinz Ninive sowie in die anderen Provinzen des Iraks. Bereits im Oktober 2017 hat sich die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen von ca. 5,5 Millionen Menschen um 2,3 Millionen Menschen verringert. Dabei waren die Provinzen Anbar, Ninive und Salah Al-Din besonders stark von Vertreibungen betroffen. Etwa 1,2 Millionen Binnenvertriebene halten sich in der Region Kurdistan-Irak auf (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht 2018, S. 5). Neueren Erkenntnissen zufolge hält diese Rückkehrbewegung auch im Jahre 2018 weiter an. Diese betrafen sowohl die Regionen, die Schwerpunkte der militärischen Auseinandersetzung mit dem IS waren – wie etwa Ninive –, als auch die Provinz Bagdad, wo der IS die meisten Terroranschläge verübt hat. Nach Ninive kehrten dabei insgesamt 1.172.448 Millionen Menschen aus den umliegenden Provinzen sowie 89.364 weitere Menschen, die innerhalb Ninives geflohen sind, in ihre Herkunftsregionen zurück (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/number-of-displaced-returning-home.html, veröffentlicht am 8.3.2018).

31

b. Auch unabhängig davon, dass der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU berufen kann, droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründe. Insbesondere unterliegt der Kläger keiner Gruppenverfolgung in Anknüpfung an seinen jesidischen Glauben.

32

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (sogenannte anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Feststellung einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms – eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 21.4.2009, 10 C 11/08, juris Rn. 13 ff.; Urt. v. 5.7.1994, 9 C 158/94, juris Rn. 21).

33

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsland die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006, 1 C 15/05, juris Rn. 24).

34

Diese Grundsätze zur Gruppenverfolgung gelten nicht nur für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung, sondern sind auch auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie durch das AsylG ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.4.2009, a.a.O.; Urt. v. 18.7.2006, a.a.O.).

35

Nach diesem Maßstab ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Gruppenverfolgung von Jesiden durch den IS in der Herkunftsregion des Klägers nicht festzustellen (im Ergebnis ebenso u. a. VG Oldenburg, Urt. v. 27.2.2018, 15 A 883/17, juris Rn. 37 ff.; VG Augsburg, Urt. v. 15.1.2018, Au 5 K 17.35594, juris Rn. 40 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742/17.A, juris Rn. 45 ff.; VG Ansbach, Urt. v. 18.9.2017, AN 2 K 16.31390, juris Rn. 11; für die Provinz Ninive noch offen gelassen: VG Oldenburg, Urt. v. 7.6.2017, 3 A 3731/16, juris Rn. 34; a. A. VG Oldenburg, Urt. v. 23.8.2017, 3 A 3903/16, juris Rn. 33; noch zur Lage vor der Rückeroberung der Städte Mossul und Tel Afar: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 8.3.2017, 15a 5929/16.A, juris Rn. 92 ff.; a. A. noch nach der Befreiung Mossuls mit Blick auf die Verfolgung schabakischer Gläubiger: VG Aachen, Urt. v. 28.8.2017, 4 K 2015/16.A, juris Rn. 72 ff.).

36

Eine Gruppenverfolgung von Jesiden geht in der Herkunftsregion des Klägers auch nicht von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als nichtstaatlichem Akteur aus, wenngleich das Verhältnis von Jesiden und Muslimen mitunter durch Spannungen geprägt ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 21.11.2017, 5 ZB 17.31653 und 5 ZB5 ZB 17.31667, juris, jeweils Rn. 14; VG Karlsruhe, Urt. v. 10.10.2017, A 10 K 1508/17, juris Rn. 28; VG Augsburg, Urt. v. 7.9.2017, Au 5 K 17.33860, juris Rn. 32; VG Düsseldorf, Urt. v. 26.7.2017, 20 K 3549/17.A, juris Rn. 32 ff.; VG Köln, Urt. v. 5.7.2017, 3 K 9944/16.A, juris Rn. 39 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 7.6.2017, 3 A 3731/16, juris Rn. 36; VG München, Urt. v. 16.5.2017, M 4 K 16.35324, juris Rn. 17; VG Würzburg, Urt. v. 17.2.2017, W 4 K 16.31618, juris Rn. 16). Den Erkenntnismitteln lässt sich insbesondere für die Region Kurdistan-Irak zwar entnehmen, dass strenggläubige Muslime die Jesiden als Ungläubige schmähen sowie belästigen und die Jesiden darüber hinaus auch auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und diskriminiert werden (vgl. UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, August 2016, 24 f.;Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche vom 20.05.2016 zum Irak: Gesetzliche Lage für die Abkehr vom Islam in der Autonomen Region Kurdistan, Schutzwille der Behörden, S. 3). Daraus ergibt sich aber nicht die nach § 3a AsylG erforderliche Eingriffsintensität beziehungsweise die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Denn als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG gelten nur solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die nach Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Daran fehlt es hier. Denn die Berichte über die Belästigungen und Diskriminierungen, denen die Jesiden teilweise ausgesetzt sind, bleiben vereinzelt und lassen insbesondere keine flächendeckenden und menschenrechtswidrigen Handlungen erkennen, was für die Annahme einer Gruppenverfolgung aber erforderlich wäre. Gegen eine Verfolgungsgefahr sprechen darüber hinaus wie unter II. 1. a. bereits dargelegt auch die Rückkehrbewegungen der Binnenflüchtlinge in die Provinz Ninive.

37

2. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter.

38

Ein Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

39

Nach der Gesetzesbegründung soll § 4 AsylG die Art. 15 und 17 der Richtlinie 2011/95/EU umsetzen (vgl. BT-Drs. 17/13052, S. 20), wobei § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG auch die Definition aus Art. 2 lit. f) der Richtlinie 2011/95/EU aufgreift, wonach einem Drittstaatsangehörigen der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU zu erleiden. Der in dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe…“ enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk"; vgl. nur EGMR, Urt. v. 28.2.2008, Nr. 37201/06, NVwZ 2008, 1330, Rn. 125 ff.); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5/09, juris Rn. 22). Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Gefahr eines ernsthaften Schadens sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 32 – zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einem solchen ernsthaften Schaden unmittelbar bedroht war, ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einem solchen Schaden bedroht wird.

40

Gemessen an diesen Vorgaben erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht.

41

a. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht dem Kläger weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Soweit sich der Kläger auf eine Bedrohung aufgrund seiner jesidischen Religionszugehörigkeit berufen hat, gelten insoweit die obigen Ausführungen entsprechend, wobei an die Stelle der Verfolgung bzw. der begründeten Furcht vor Verfolgung die Gefahr eines ernsthaften Schadens bzw. die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens tritt.

42

b. Auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist im Fall des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich.

43

Dabei ist der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung der in Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, 10 C 43/07, juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z. B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.2009, 10 C 9/08, juris Rn. 17; Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 13). Auch der Europäische Gerichtshof spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07, juris Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.7.2009, 10 C 9/08, juris Rn. 17). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aber nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 17.2.2009, a.a.O.). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Hieraus folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, 10 C 4/09, juris Rn. 33). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z. B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund deren der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010, a.a.O.). Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 0,125%, in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass selbst eine wertende Gesamtbetrachtung eine individuelle Bedrohung nicht mehr zu begründen vermag (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, 10 C 13/10, juris Rn. 22 f.).

44

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und nach Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gemachten Erkenntnismittel besteht nach Auffassung der Kammer in der Region Ninive kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Dies folgt bereits daraus, dass der IS durch die irakischen Streitkräfte – wie dargelegt – landesweit fast vollständig zurückgedrängt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass Anhänger des IS weiterhin Selbstmordattentate und andere Anschläge verüben. Denn bei diesen sicherheitsrelevanten Vorfällen – toten und verletzten Zivilpersonen – handelt es sich um Einzelfälle; jedenfalls haben sie aber kein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Sicherheitslage in den vom IS zurückeroberten Gebieten mitunter prekär ist, da auch insofern die Voraussetzungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht vorliegen. Ein solcher kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil die türkische Luftwaffe im April 2017 im Sindschar-Gebirge gezielt Stellungen der als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) bombardiert hat, wobei auch ein Ausbildungslager der jesidischen YBS-Milizen zerstört worden sein soll (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017, unter Verweis auf eine Meldung von Euronews vom 27. April 2017). Denn dabei handelt es sich um einen Konflikt, der nur zwischen den türkischen Sicherheitskräften einerseits und der PKK sowie der ihnen nahestehenden YBS-Milizen andererseits besteht. Auch wenn es bei diesen Luftangriffen zu Todesopfern – mindestens auch einem zivilen – gekommen sein soll (vgl. ebenda), ist auch insofern die Schwelle im Hinblick auf Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts nicht ausreichend, um einen innerstaatlichen Konflikt annehmen zu können.

45

Aber selbst wenn – wovon die Kammer nicht überzeugt ist – ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneten Konflikt im Irak landesweit oder in der Provinz Ninive bestehen sollte, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt hat zumindest kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region – vorliegend Ninive – allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivilisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in Ninive nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig. Gab es nach den Aufzeichnungen der UN im Februar 2017 landesweit noch 392 getötete (Oktober 2014: 1.089) und 613 verletzte (Oktober 2014: 2.074) Zivilisten, wurden im Februar 2018 von der UN landesweit „nur“ noch 91 getötete und 208 verletzte Zivilisten verzeichnet, nachdem diese auch in den Vormonaten bereits deutlich gesunken waren. Die insgesamt 299 sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich überdies hauptsächlich in den Provinzen Bagdad (49 getötete und 146 verletzte Zivilisten), Anbar (14 getötete und 37 verletzte Zivilisten) und Diyala (12 getötete und 11 verletzte Zivilisten) (vgl. http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en). Nach den für jede Provinz gesondert ausgewiesenen Zahlen von Joel Wing, einem Blogger, der regelmäßig über die Zahl der Konfliktbetroffenen im Irak berichtet, gab es in der Provinz Ninive demgegenüber im Februar 2018 zwar insgesamt 427 getötete und neun verletzte Zivilisten und damit deutlich mehr als von der UN ermittelt. Allerdings resultiert diese vergleichsweise hohe Anzahl aus der Einberechnung von in Massengräbern gefundenen Leichen; so wurden im Februar 2018 in fünf Massengräbern insgesamt 347 getötete Personen in der Provinz Ninive gefunden, so dass letztlich von nicht mehr als 80 Getöteten ausgegangen werden kann (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/643-deaths-256-wounded-feb-2018-in-iraq.html). Ein ähnliches Bild vermitteln die Zahlen der von einer britischen Nichtregierungsorganisation betriebenen Datenbank Iraq Body Count. Danach sind im Februar 2018 im Irak insgesamt 410 Zivilisten getötet worden, wobei auch die in Massengräbern gefundenen Leichen berücksichtigt wurden. Auf die Provinz Ninive entfielen dabei insgesamt 173 getötete Zivilisten, davon 145 Leichen aus Massengräbern, so dass danach insgesamt von 28 Getöteten im Februar 2018 auszugehen ist (vgl. https://www.iraqbodycount.org/database/recent/0/).

46

Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in die Provinz Ninive allein durch ihre Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, derzeit nicht erreicht ist. Denn unter Zugrundelegung der Zahlen der UN und insbesondere der von Joel Wing sowie der von Iraq Body Count aber auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nicht alle getöteten und verletzten Zivilpersonen gezählt werden, ist schätzungsweise davon auszugehen, dass derzeit in Ninive pro Monat wahrscheinlich nicht mehr als 100 Zivilpersonen getötet oder verletzt werden. Pro Jahr ist daher von nicht mehr als 1.200 solcher Vorfälle auszugehen. Stellt man diese der Einwohneranzahl Ninives gegenüber, die nach den Erkenntnissen des Gerichts bei ungefähr 3,2 Millionen liegt (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, März 2017, S. 12; https://de.wikipedia.org/wiki/Ninawa mit Stand 2010), beträgt das Risiko, als Zivilperson in Ninive entsprechend betroffen zu sein, etwa 0,0375% (1.200 / 3.200.000 Einwohner x 100). Dies ist auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt.

47

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iraks.

48

a) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor.

49

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.11.1997, 9 C 13.96, juris) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich weitgehend identisch mit dem des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG knüpft – wie dargelegt – an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. In Fällen, in denen – wie hier – gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet daher bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 36).

50

Dies zugrunde gelegt, begründen die Verbürgungen der EMRK im Fall des Klägers kein Abschiebungsverbot. Insbesondere verstieße eine Abschiebung des Klägers in Herkunftsland nicht gegen Art. 3 EMRK. Insoweit wird zunächst auf die obigen Ausführungen unter II. 2. a. Bezug genommen. Auch die humanitären Verhältnisse im Irak führen nicht zu der Annahme, dass eine Abschiebung des Klägers in sein Heimatland gegen Art. 3 EMRK verstieße.

51

Ein Ausländer kann kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung seine Lage einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung des EGMR allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Nur in besonderen Ausnahmefällen können humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, Urt. v. 27.5.2008, Nr. 26565/05, NVwZ 2008, 1334, Rn. 42). Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (vgl. EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/06, NVwZ 2011, 413, Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die – in einem ihnen völlig fremden Umfeld – vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259). Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR. In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 (Nr. 8319/07, NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (vgl. Urt. v. 21.11.2011, a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f. – zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15/12, juris Rn. 23 ff.).

52

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und unter Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass für den Kläger im Fall seiner Abschiebung in den Irak aufgrund der dortigen humanitären Verhältnisse das ernsthafte Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestehen würde. Die Kammer lässt dabei ausdrücklich offen, ob dem Kläger derzeit eine Rückkehr in seine Herkunftsregion, dem Dorf Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive wegen der gegenwärtigen Situation in der Provinz Ninive zumutbar ist. Denn er kann jedenfalls darauf verwiesen werden, in der Region Kurdistan-Irak Schutz zu suchen.

53

Nach den Erkenntnismitteln besteht im gesamten Irak eine angespannte humanitäre Situation. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes zur Lage im gesamten Land kann der irakische Staat die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über 4 Millionen der 36 Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 und 2016 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt worden sind. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Die Lebensbedingungen von 57% der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums. Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Schon im Juni 2013 sind vier Millionen Iraker unterernährt gewesen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (2,-- US-Dollar/Tag). In den vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht 2017, S. 22).

54

Die Provinz Ninive stellte eines der Hauptkampfgebiete im Krieg gegen den IS dar (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Weite Teile der Städte und Gemeinden sind zerstört worden, wobei die Städte Mossul und Sindschar besonders stark betroffen gewesen sind, die Distrikte Akre und Al-Shikan demgegenüber keine kriegsbedingten Zerstörungen aufweisen (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Indes variieren die Angaben zum Umfang und zum Ausmaß der Zerstörungen insbesondere für den Distrikt Sindschar aufgrund der unzureichenden Erkenntnismöglichkeiten und unvollständigen Informationslage. Einem Bericht der jesidischen Organisation Yazda von September 2017 zufolge, der auf die Einschätzung des Bürgermeisters von Sindschar Bezug nimmt, sei die Stadt Sindschar zu 80-85% zerstört (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017). Demgegenüber beziffert die Internationale Organisation für Migration (IOM) die Zerstörung Sindschars bezogen auf Wohnhäuser auf ca. 70%, wobei der Zerstörungsgrad weit überwiegend nur 1-25% betrage (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Daneben seien aber auch weite Teile der Infrastruktur infolge des Krieges zerstört worden. Die Wasserversorgung sei zu 12%, die Stromversorgung sei zu 11%, die Straßen seien zu 6%, das Mobilfunknetz sei zu 3% und die Kanalisation sei zu 3% zerstört worden (vgl. ebenda, S. 22; wobei einschränkend klargestellt wird, dass nur 71% der Flächen in Augenschein genommen werden konnten und tatsächlich deutlich mehr Infrastruktur zerstört sein dürfte).

55

Neben diesen Zerstörungen stellt die Bedrohung durch Sprengfallen und Landminen ein weiteres Problem dar, das Hilfslieferungen und Wiederaufbau erschwert (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017, unter Verweis auf einen Bericht von Yazda aus dem September 2017; IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Die Internationale Organisation für Migration schätzt, dass ungefähr 27% der Flächen Ninives mit Landminen und Sprengfallen versehen worden sind, was den zweithöchsten Wert im Irak darstellt (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 22). Trotz dieser angespannten Lage, bestehe in der Provinz Ninive kein offensichtliches Konfliktrisiko (vgl. ebenda, S. 23). Das danach einzig in dem Distrikt Sindschar bestehende niedrige Konfliktrisiko (low risk, 2.25), das auf die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den Peschmerga zurückzuführen ist (vgl. ebenda, S. 23), dürfte aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten – weitgehend kampflosen – Machtübernahme der durch die Peschmerga besetzten Gebiete durch die irakische Zentralregierung beziehungsweise die für diese agierenden PMF nicht mehr gegeben sein.

56

Gleichwohl liegen trotz dieser schwierigen Situation keine Erkenntnisse über Hunger leidende Menschen in der Provinz Ninive vor. Den neueren Erkenntnismitteln kann – wie bereits dargelegt – trotz der angespannten Lage eine zunehmende Rückkehrbewegung nach Ninive entnommen werden. Die Organisation Yazda berichtete hierzu im September 2017 für den Zeitraum Juli/August 2017 von täglich 60 bis 120 Rückkehrer-Familien in die Region Sindschar, wobei diese aufgrund des Mangels an bewohnbaren Häusern und Infrastruktur weiterhin mit gravierenden Hindernissen konfrontiert gewesen seien (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, 2.10.2017). Die Internationale Organisation für Migration berichtet mit Stand Oktober 2017 davon, dass die Anzahl der Rückkehrer (267.690 Menschen) die der Flüchtlinge (192.366 Menschen) in Ninive übersteigt, wobei sich die Anzahl der Flüchtlinge im Vergleich zum Vorjahr 2016 fast halbiert hat (minus 48%) (vgl. IOM Iraq, Integrated Location Assessment II, Governorate Profiles, S. 21). Aus dem Distrikt Sindschar sind zwar weiterhin 1.846 Menschen flüchtig, allerdings steht denen eine Anzahl von 4.468 Rückkehrern gegenüber (vgl. ebenda, S. 21). Einem aktuellen Bericht von Joel Wing zufolge sind im Zeitraum von Januar bis Februar 2018 in die Provinz Ninive bereits 1.172.448 Menschen zurückgekehrt (vgl. http://musingsoniraq.blogspot.de/2018/03/number-of-displaced-returning-home.html, veröffentlicht am 8.3.2018). Diese kontinuierlich wachsende Anzahl an Rückkehrern lässt nicht den Schluss zu, dass die humanitären Bedingungen nach der Befreiung von dem IS unzumutbar sind.

57

Über die östlich an die Provinz Ninive angrenzende Region Kurdistan-Irak lässt sich den Erkenntnismitteln entnehmen, dass diese in Anbetracht der Veränderungen der letzten Jahre nicht mehr als wirtschaftlich prosperierend bezeichnet werden kann. Neben der dort herrschenden Finanzkrise gilt es auch die Versorgung der dort aufgenommenen (Binnen-) Flüchtlinge zu bewältigen. Die mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge allein seit Anfang 2014 und die 250.000 syrische Flüchtlinge haben nicht nur zu einer kritischen humanitären Versorgungslage der Flüchtlinge geführt (vgl. hierzu eingehend Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 ff.; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, März 2017, S. 33 ff.). Auch die lokale Bevölkerung wird durch die Bevölkerungszunahme in Bezug auf die Verteilung von Ressourcen, der stärkeren Konkurrenz um Arbeit und dem daraus entstehenden Druck auf die die Löhne und damit das Haushaltseinkommen belastet (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, IRAK: Update: Sicherheitssituation in der KRG-Region, 28.3.2015, S. 2; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Irak, 24.8.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2017, S. 117 f.).

58

Mehr als ein Zehntel der Bevölkerung der Region lebt unter der Armutsgrenze. Bis zu 680.000 Personen der geschätzten 5,5 Millionen Einwohner der Region leben von weniger als 87,-- US-Dollar pro Monat, die nach Weltbank-Standard als Armutsgrenze für den Irak und die Region Kurdistan festgelegt worden ist. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2010 beinahe verdreifacht. Sie ist von zunächst 4,8% angestiegen und wird mit zuletzt 14% im September 2016 berichtet. Wahrscheinlich ist sie aber wesentlich größer (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 17.5.2017). Bei Frauen liegt sie bei 29,4% gegenüber 9,7% bei Männern (ebenda). Fast 2% der Bevölkerung der Region Kurdistan-Irak verfügen über nicht ausreichend Geld, um sich regelmäßig drei Mahlzeiten am Tag zu leisten. Allerdings gibt es ein staatlich subventioniertes Lebensmittelverteilungssystem, wonach jeder im Irak ansässige Einwohner ein Anrecht auf monatliche Rationen hat. Das Lebensmittelverteilungssystem ist seit einigen Jahren in Schwierigkeiten, da es sehr teuer und von schlechter Organisation und mangelnder Transparenz entlang der Versorgungswege gekennzeichnet ist. In der Provinz Dohuk gibt es aber beispielsweise 1.400 Lebensmittelausgabestellen. Das World Food Programme unterstützt das Lebensmittelverteilungssystem in der Region Kurdistan seit 1996. Hilfsorganisationen arbeiten daran, die Versorgungslücken zu füllen, um die Bevölkerung zu versorgen. Trotz Verzögerungen einiger Lebensmittelkörbe funktioniert das System relativ gut in Duhok und Sacho (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 17.5.2017).

59

Ungeachtet der seit einigen Jahren andauernden ökonomischen Herausforderungen wird ausdrücklich berichtet, dass es in der Region Kurdistan-Irak keinen Hunger und keine Mangelernährung gibt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge v. 21.7.2017, S. 3; Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 113). Die medizinische Versorgung ist in den großen Städten der Region Kurdistan-Irak gut und auf dem Land ist eine medizinische Grundversorgung vorhanden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Ansbach v. 12.6.2017, S. 2).

60

Legt man diese Erkenntnismittellage zugrunde und geht zugunsten des Klägers davon aus, dass die dargestellten humanitären Bedingungen im Irak überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen mit der Folge, dass die Frage maßgeblich ist, ob der Kläger im Fall seiner Abschiebung in der Lage wäre, seine elementaren Bedürfnisse – wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft – zu befriedigen, steht eine mangelnde Fähigkeit des Klägers im vorgenannten Sinne nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Zwar spricht vieles dafür, dass der Kläger in der Provinz des zuletzt von ihm bewohnten Dorfes Tel Benat, Distrikt Sindschar, Provinz Ninive aufgrund der vielfach zerstörten Häuser und Infrastruktur sowie den Versorgungsengpässen wahrscheinlich mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein würde, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings bedarf dies vorliegend keiner Entscheidung, sondern kann dahinstehen. Denn der Kläger ist jedenfalls darauf zu verweisen, sich in der nahe gelegenen Region Kurdistan-Irak niederzulassen. Die Kammer ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren sowie des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung, nicht zu der Überzeugung gelangt, dass es ihm im Falle seiner Niederlassung in der Region Kurdistan-Irak nicht möglich sein würde, seinen Lebensunterhalt zumindest so weit zu sichern, dass ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger nicht in der Lage sein würde, sein Existenzminimum dort zu sichern bzw. dass es ihm dort nicht gewährleistet wird.

61

Der Großteil der Familie des Klägers befindet sich derzeit in der Region Kurdistan-Irak, da diese – entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung – mit ihm vor dem herannahenden IS geflohen sei und mit ihm in dem Flüchtlingslager in Qadiya gewohnt habe. Es kann daher erwartet werden, dass er die von ihm benannten Verwandten im Falle einer Rückkehr kontaktiert. Aber selbst für den Fall, dass ihm in der Region Kurdistan-Irak durch seine Familie keine Unterstützung zuteilwird, ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er dort nicht durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Arbeitseinkommen erzielen wird und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums wird finanzieren können. Denn der Kläger ist 25 Jahre alt und damit im arbeitsfähigen Alter. Körperliche Einschränkungen hat er nicht geltend gemacht, insoweit bestehen auch keine Anhaltspunkte. Zudem ist er kurdischer Volkszugehörigkeit und spricht Kurmanci. Er hat darüber hinaus nach eigenen Angaben zwölf Jahre in Tel Benat die Schule besucht und das Abitur erlangt. Daneben hat er angegeben, bis zu seiner Flucht vor dem IS das Studienfach Geographie an der Fakultät in Al Hamdami begonnen zu haben. Darüber hinaus verfügt er nach eigenen Angaben auch über handwerkliche Berufserfahrung, da er ausgeführt hat, auf Baustellen gearbeitet und neben allgemeinen Hilfs- auch Malerarbeiten durchgeführt zu haben. Diese Erfahrungen können dem Kläger auf dem Arbeitsmarkt in der Region Kurdistan-Irak weiterhelfen. Wenngleich derzeit noch keine vertiefte Sozialisierung in der Region Kurdistan-Irak gegeben sein dürfte, so kann der Kläger jedenfalls auf sein dort befindliches familiäres Netzwerk zurückgreifen. Schließlich wird der Kläger als kurdischer Volkszugehöriger auch sicher und legal in die Region Kurdistan-Irak einreisen und seinen Aufenthalt dort nehmen können, jedenfalls in der Region Dohuk (vgl. UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA), 12. April 2017, S. 8; ferner VG Berlin, Urt. v. 4.5.2017, 22 K 91/17 A, juris Rn. 38 ff.). Denn anders als Araber und Turkmenen benötigt der Kläger als kurdischer Jeside keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern kann ohne Beschränkungen und Auflagen – wie etwa der Stellung eines Bürgen („sponsor“) – dort einreisen und seinen Aufenthalt nehmen (vgl. ebenda, S. 8).

62

Sollte der Kläger mangels verfügbaren Wohnraums – erneut – gezwungen sein, sich (vorübergehend) in einem Flüchtlingslager niederzulassen, ist dies unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts nicht unzumutbar i.S.d. Art. 3 EMRK (so unter anderem auch VG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2017, 20 K 1742/17.A, juris 79 ff.). Dass die Lage in den Flüchtlingslagern schwierig ist, macht sie nicht menschenunwürdig. Den Erkenntnismitteln kann nicht entnommen werden, dass es dort an dem für ein menschenwürdiges Leben Erforderlichen mangelt. Es liegen insbesondere keine Erkenntnisse zu fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten, flächendeckenden Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung oder zu hygienisch unhaltbaren Zuständen vor (vgl. zur allgemeinen Situation und Ausstattung der Flüchtlingslager unter anderem Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 115 f.). Im Übrigen hat der Kläger zu dem von ihm bewohnten Flüchtlingslager in Quadiya in der Region Kurdistan-Irak in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er dort – beengt – in Wohncontainern mit seiner Familie gelebt habe. Eine Versorgung mit Lebensmitteln wie Reis, Mehl und weißen Bohnen sei durch Hilfsorganisationen ebenfalls erfolgt. Dabei hat er nicht dargelegt, dass seine Familie oder er unter Hunger gelitten hätten. Ergänzend hat der Kläger zu der medizinischen Versorgung in dem von ihm bewohnten Flüchtlingslager zwar ausgeführt, dass es dort eine Art Arztassistent gegeben hätte, der den Bewohnern aber nur „Kopfschmerztabletten“ gegeben hätten. Daneben habe es in der nahe gelegenen Stadt Dohuk aber auch zwei Ärzte gegeben, deren Inanspruchnahme er sich allerdings nicht habe leisten können. Indes folgt auch hieraus keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers. Dieser hat keine gesundheitlichen Einschränkungen geltend gemacht und solche sind auch nicht ersichtlich.

63

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.

64

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.

65

Der bei der Bestimmung einer erheblichen konkreten Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegende Prognosemaßstab entspricht dem allgemeinen asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit; beachtlich ist die Wahrscheinlichkeit, wenn die für die Annahme einer Gefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Tatsachen, eine theoretische Möglichkeit reicht hierzu nicht aus (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.1.2005, 8 A 1242/03.A, juris Rn. 37 ff. m.w.N.).

66

Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen droht dem Kläger in seinem Heimatland nicht. Diesbezüglich ist nichts vorgetragen worden. Auch anderweitige Anhaltspunkte bestehen nicht.

67

Ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich letztlich auch nicht aus der humanitären Lage oder aus der allgemeinen Sicherheitslage im Irak. Insoweit handelt es sich um allgemeine Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, welche grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind. Zwar kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, ausnahmsweise Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und – wie bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK – zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 10 C 15.12, juris Rn. 38).

68

Nach diesen Maßstäben wäre der Kläger im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

69

4. Die in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes ergangene Abschiebungsandrohung ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

70

5. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler i. S. v. § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.

III.

71

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) einerseits nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurde (hierzu 1.) und andererseits auch nicht vorliegt (hierzu 2.).

1. Der Kläger hält einerseits für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob die allgemeine humanitäre Situation im Irak nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK für Personen, die der sunnitischen Glaubensrichtung angehören, ein Abschiebungsverbot begründet.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylG, Rn. 592, 607 und 609 zu § 78).

Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung (S. 6) davon ausgegangen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht bestehe, da der Kläger, ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann, der zudem keine weiteren Personen zu versorgen habe, sein Existenzminimum im Irak sichern könne. Insofern sei nicht entscheidend, dass nicht glaubhaft sei, dass der Kläger angesichts der im Irak üblichen Großfamilien väterlicherseits über keinerlei Verwandte im Irak verfüge.

In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozioökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland nicht notwendig für die Frage bedeutsam und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK mache nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen könnten daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien (Rn. 278). Der Kläger bezieht sich zur Begründung der Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage auf die Position des UNHCR zu Rückkehrern in den Irak vom 14. November 2016. Darin wird zwar anschaulich die schlechte Versorgungslage im Irak dargestellt, allerdings fehlt es der Antragsbegründung an einer Auseinandersetzung mit der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger als gesunder, arbeitsfähiger Mann ohne weitere Personen, die er zu versorgen hat, in der Lage sein dürfte, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass dies in dieser generellen Weise nicht möglich sei, ergibt sich aus der Position des UNHCR vom 14. November 2016 gerade nicht. Daher sind die Darlegungsanforderungen insoweit nicht erfüllt.

2. Soweit der Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet,

ob eine Gruppenverfolgung von Personen mit Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung im Irak stattfindet

ist diese Frage nicht klärungsbedürftig. Denn sie ist bereits durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt.

Für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 31.4.2009 – 10 C 11.08 – AuAS 2009, 173; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; U.v. 18.7.2006 – 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen die sunnitische Bevölkerungsgruppe im Irak ausgesetzt ist, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweist (U.v. 14.12.2010 – 13a B 10.30084 – juris; B.v. 15.8.2011 – 20 B 11.30217– juris). Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertigt in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung. Das gilt auch, wenn man nur die Zahl der arabischen (unter Ausschluss der kurdischen) Sunniten betrachtet. Die irakische Bevölkerung setzt sich zu 60 bis 65 Prozent aus arabischen Schiiten, zu 17 bis 22 Prozent aus arabischen Sunniten und zu 15 bis 20 Prozent aus (überwiegend sunnitischen) Kurden zusammen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 7.2.2017, S. 7). Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 36 Mio. Einwohnern (vgl. www.auswaertiges-amt.de – Länderinfos Stand März 2017) würde das bedeuten, dass 6 bis 8 Mio. arabische Sunniten im Irak im oben geschilderten Sinn als Gruppe verfolgt würden. Für eine solche Annahme gibt es nicht annähernd ausreichende Hinweise. Diese können auch nicht den ausführlich in der Begründung des Zulassungsantrags zitierten Quellen entnommen werden. Diese zeigen zwar teilweise erhebliche Spannungen entlang der Konfessionslinien innerhalb der irakischen Bevölkerung, die in Einzelfällen auch zu Bedrohungen, Verletzungen und Todesfällen aufgrund der konfessionellen Zugehörigkeit, insbesondere der zum sunnitischen Islam, geführt haben. Hintergrund dieser Vorfälle ist vor allem in jüngerer Zeit auch der Einsatz der schiitisch dominierten Volksmobilisierungseinheiten (PMU) bei der Rückeroberung der – mehrheitlich sunnitisch bevölkerten – Gebiete unter Kontrolle des IS (vgl. Wille, EASO, Practical Cooperation Meeting on Iraq, held on 25. bis 26. April 2017 in Brussels, S. 13/14). Diese gehen verbreitet willkürlich gegen die vorgefundene oder in die rückeroberten Gebiete zurückkehrende sunnitische Bevölkerung vor, allerdings ist auch deren Vorgehen kein flächendeckendes Vorgehen gegen Sunniten zu entnehmen, vielmehr handelt es sich immer noch, betrachtet man die Gruppe der Sunniten im Irak, um Einzelfälle. Dementsprechend lässt sich auch unter Würdigung dieser neueren Entwicklung die für eine Gruppenverfolgung der sunnitischen Bevölkerung im Irak notwendige Verfolgungsdichte nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.