Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456

bei uns veröffentlicht am02.11.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der Beigeladenen der Umbau und die Sanierung eines bestehenden Wohn- und Geschäftshauses sowie der Anbau eines Treppenhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... gestattet wurde.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung .... Unmittelbar nördlich angrenzend befindet sich das Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ..., auf dem sich das streitgegenständliche Gebäude befindet.

Es handelt sich dabei um das historische Gasthaus „...“ in ... und stellte früher ein Baudenkmal im Sinne des Art. 1 DSchG dar. Es war zwischenzeitlich in die Denkmalliste eingetragen als „Gasthaus, zweigeschossiger Satteldachbau, mit Kugelaufsätzen, Eckquaderung und Giebelgesimsen im Kern wohl 17. Jahrhundert, Fassade 18. Jahrhundert“. Nunmehr wurde es jedoch wegen massiver Umbauarbeiten vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als Einzeldenkmal aus der Denkmalliste gestrichen (Bl. 130-133 Verfahrensakte).

Das Gebäude befindet sich am nördlichen Rand der ummauerten Kernaltstadt von ... unmittelbar südlich des unteren Tors in einer für Gasthäuser typischen städtebaulichen Situation. Laut Aussage des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 17. August 2015 handelt es sich dabei um ein wichtiges bauhistorisches und stadtgeschichtliches Zeugnis für den Wiederaufbau der Stadt ... nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die Erhaltung des Denkmalbestands liege im Interesse der Allgemeinheit und sei aus denkmalfachlicher Sicht unverzichtbar. Aus der Stellungnahme geht hervor, dass zumindest die tragenden Zwischenwände und die Tragkonstruktion auf historischer Bausubstanz beruht, nicht jedoch das Innere des Gebäudes. Das Erdgeschoss ist durch moderne Einbauten, die im Zusammenhang mit der Nutzung als Gaststätte stehen, überformt. Laut Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 17. August 2015 sei eine denkmalgerechte Reparatur möglich und dringend erforderlich. So müsse etwa Ziel der statischen Sicherung der weitgehende Erhalt des Konstruktionsgefüges des Dachwerks des 17. Jahrhundert sein. Auf den Inhalt der Stellungnahme im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 55 bis 58 der Akten).

Mit Bauantrag vom 21. Januar 2015 beantragte die Beigeladene den Umbau und die Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses, des Weiteren den Anbau eines Treppenhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung .... Ein Abweichungsantrag nach Art. 63 Abs. 1 BayBO wurde dabei ausweislich der Planunterlagen nicht gestellt. Die anzubauende Treppe soll dabei westlich an das Gebäude angebaut werden. Sie soll im Ergebnis ein auskragendes Treppenhaus mit einer Gesamthöhe von 8,72 m darstellen. Die Breite der Treppe beträgt 2,74 m (vgl. Bl. 26 der Stammakte). Die Entfernung der Außenwand bzw. des Treppenhauses zum Grundstück des Klägers beträgt 1,80 m. Unmittelbar an dieser Grundstücksgrenze befindet sich auch das Gebäude des Klägers. Auf die Lichtbilder des Augenscheins wird Bezug genommen.

Mit Datum vom 22. Februar 2016 erteilte der Beklagte der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Darin wurde u. a. gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Abweichung von Art. 6 Abs. 5 und Abs. 6 BayBO zugelassen (Abstand des Treppenhauses nach Süden, vgl. Bl. 87 Gerichtsakte). In den Gründen des Bescheids wird u. a. ausgeführt, dass sich das Baugrundstück im unbeplanten Innerortsbereich von ... befinde. Die Umgebungsbebauung entspreche einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO. Bei dem Gebäude handele es sich um ein Einzelbaudenkmal, das in der Denkmalliste für den Landkreis ... eingetragen ist. Außerdem sei es Bestandteil des Denkmalensembles „Altstadt ...“. Im Verfahren sei das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege beteiligt worden. In seiner Stellungnahme vom 17. August 2015 habe es die Bedeutung des Gebäudes als Einzelbaudenkmal gewürdigt. Es handele sich um ein wichtiges stadtgeschichtliches Zeugnis für den Wiederaufbau von ... nach dem Dreißigjährigen Krieg. Für das Dachwerk liege eine dendrochronologische Untersuchung vor, die auf das Entstehungsjahr 1656 hinweise. Die Bauherrin habe im Zuge der Sanierung die Neuerrichtung des Dachstuhls beantragt, da dessen Zustand derart schadhaft sei, dass er dringend einer Überarbeitung bedürfe. Eine Untersuchung durch ein Ingenieurbüro habe ergeben, dass ca. 2/5 der Holzteile ersetzt werden müssten und über Stahlelemente mit dem Bestand zu ergänzen seien. In rechtlicher Hinsicht füge sich ein Treppenhausanbau in bauplanungsrechtlicher Hinsicht in die Umgebungsbebauung ein. Er nehme die gebotene Rücksicht, da auch die Nachbarbebauung dreigeschossig sei und das Vorhaben diesen Rahmen einhalte. Zudem liege der Anbau nördlich der dreigeschossigen Nachbarbebauung und weise gegenüber dem südlichen Nachbargrundstück lediglich eine Breite von 2,74 m auf. Eine einmauernde Wirkung trete dadurch nicht ein. Zudem würden die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO für die Zulassung der Abweichung wegen der Unterschreitung des Grenzabstandes des Treppenhauses nach Süden vorliegen. Das Baugrundstück befinde sich in der historischen Altstadt von .... Von sämtlichen Gebäuden in der näheren Umgebung würden deshalb die nach heutigem Recht erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten. Die für die Zulassung der Abweichung erforderliche Atypik werde hierdurch gerechtfertigt. Der Schutzzweck der Abstandsvorschriften, nämlich die Wahrung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung sowie eines ausreichenden Brandschutzes gegenüber der Bebauung auf dem betroffenen Nachbargrundstück werde aufgrund der geringen Breite des Anbaus, seiner Lage auf der Nordseite des Nachbargrundstücks sowie seiner Ausführung in öffnungsloser Massivbauweise nicht nachteilig beeinflusst. Die Abweichung habe daher zugelassen werden können.

Mit seiner am 24. März 2016 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes ... vom 22.2.2016 zugunsten der Frau ..., ...str. ..., ... (AZ: ...) betreffend das Bauvorhaben „Umbau und Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses; Anbau eines Treppenhauses, Bauort Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ...“ aufzuheben.

Die Baugenehmigung sei rechtswidrig. Die Entfernung des Treppenhauses zum Grundstück des Klägers betrage lediglich 1,8 m. Im Hinblick auf dieses, als eigenständiges Bauwerk zu wertendes Treppenhausgebäude, würden die Abstandsflächen des Art. 6 Abs. 4 BayBO nicht eingehalten. Soweit ersichtlich liege eine städtebauliche Satzung nach Art. 81 BayBO entsprechend Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Abs. 7 BayBO nicht vor. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 BayBO würden ersichtlich nicht vorliegen. Bei der Treppenhausanlage handele es sich um kein untergeordnetes Bauteil. Es trete zunächst mehr als 1,5 m von der Außenwand hervor, auch bestünde faktisch ein geringerer Abstand als Art. 6 Abs. 8 Ziffer 2 c) BayBO dies vorsehe. Auch die Voraussetzung des Art. 6 Abs. 9 BayBO liege ersichtlich nicht vor. Gründe, welche einen Dispens rechtfertigen würden, bestünden nicht. Zum einen sei die Höhe des Bauwerks mit 8,72 m drastisch und keinesfalls untergeordnet. Die nachbarlichen Belange seien auch im Hinblick auf Belichtung und Belüftung des Grundstücks des Klägers nicht gewahrt. Im Übrigen sei es jederzeit möglich und zumutbar, die Erschließung des Gebäudes über ein innenliegendes Treppenhaus vorzunehmen. Ungeachtet dessen gelte, dass auch unter städtebaulichen Gesichtspunkten die entsprechende Treppenhausanlage nicht hinzunehmen sei. Sofern die Treppenhausanlage errichtet werden würde, würde faktisch ein vorhandener Stellplatz wegfallen. Zudem würde durch den Ausbau des Objekts mit zwei Wohnungen ein zusätzlicher Stellplatzbedarf gegeben sein. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, wie sich die Belange des Denkmalschutzes mit der Errichtung einer entsprechenden Treppenhausanlage vereinbaren ließen. Die Voraussetzungen für eine Abweichung wegen Grenzabstandes - wie im angegriffenen Bescheid auf Seite 5 Ziffer 3 ausgeführt - würden hier nicht vorliegen. Zutreffend sei, dass sich das Objekt im Bereich der historischen Altstadt von ... befinde. Sofern - bezogen auf historische Bauten - die heutigen Abstandsvorschriften partiell nicht eingehalten seien, so sei dies in Bezug auf aktuelle Anbauten nicht relevant. Es liege bereits die für die Abweichung erforderliche Atypik nicht vor. Eine Erschließung der Geschosse sei nämlich auch über das Innengebäude möglich. In diesem Zusammenhang werde zudem auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Mai 1995 - Az. Au 5 S 95.439 - verwiesen. Der damalige Beschluss habe, bezogen auf eine ähnliche Sachkonstellation, die identischen Grundstücke betroffen.

Mit Schriftsatz vom 8. April 2016 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Baugrundstück und klägerisches Grundstück würden sich im Denkmalensemble der historischen Altstadt von ... befinden. In diesem Umfeld würden die nach heutigem Recht erforderlichen Abstandsflächen weitgehend nicht eingehalten, so auch bei den Gebäuden auf dem klägerischen wie auf dem Baugrundstück. Dieser Umstand stelle im Hinblick auf das geltende Abstandsflächenrecht eine Atypik dar, die bei abstandsflächenrelevanten Änderungen, wie hier, mangels entsprechenden Ortsrechts letztlich nur über das Instrument der Abweichung gelöst werden könne. Die Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 BayBO für die Zulassung einer solchen Abweichung würden vorliegen. Für die Nachbarschaft wäre der vorhandene Zustand durch den Anbau des fraglichen Gebäudeteils abstandsflächenrechtlich nicht mehr als nur unwesentlich verschlechtert. Denn bei der Gestaltung und Situierung des klagegegenständlichen Gebäudeteils würde auch die gebotene Rücksicht genommen. Der Anbau sei mit 2,74 m Ansichtsbreite gegenüber dem klägerischen Grundstück sehr schmal. In der Höhe gehe er nicht über die hier vorherrschende Dreigeschossigkeit hinaus und nehme im Übrigen die südliche Gebäudeflucht des auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäudes auf. Andere Möglichkeiten zur Situierung des Treppenhauses auf dem Grundstück unter Einhaltung der Abstandsflächen seien im Vorfeld besprochen worden, aber zur Erhaltung vorhandener Stellplätze bzw. aus technischen Gründen nicht realisierbar. Die Abweichung habe daher zugelassen werden können.

Mit Email vom 2. Mai 2016 übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers auf Bitte des Berichterstatters den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg (Au 5 S 95.439) vom 4. Mai 1995. In dieser Entscheidung setzt sich das Gericht mit der Bebauung der nordwestlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Fl.Nr. ..., ..., ... mit Reihenhäusern auseinander und sah im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Abweichung gemäß Art. 77 Abs. 1 BayBO (a. F.) nicht gegeben. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Die Beigeladene äußerte sich bisher nicht schriftsätzlich.

Am 29. Juli 2016 fand ein gerichtlicher Termin zum Augenschein statt.

Mit Mail vom 1. August 2016 an das Gericht übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers einen Vergleich vom 4. August 1995, der im Verfahren 26 CS 95.1762 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof über die Bebauung auf den nordwestlichen Flurnummern mit Reihenhäusern geschlossen wurde.

Mit Schriftsatz vom 5. September 2016 nahm der Beklagte im Nachgang zum Ortstermin Stellung. Was die gerichtlichen Entscheidungen, die der Bevollmächtigte des Klägers vorlegte, bezüglich der Reihenhausbebauung westlich des Vorhabengrundstücks betreffe, sei auch dort Streitpunkt gewesen, ob Abweichungen der damals wie heute nicht eingehaltenen Abstandsflächen hätten zugelassen werden können. Die Vorhaben wiesen jedoch gravierende Unterschiede zum streitgegenständlichen Vorhaben auf. Gegenstand des damals verhandelten Bauvorhabens sei die vollständige Neubebauung eines unbebauten Grundstücks von normalem, rechteckigem Zuschnitt mit Reihenhäusern gewesen. Beim aktuellen Vorhaben stehe der Anbau eines Gebäudeteils inmitten, der eine rein funktionale Bedeutung besitze und im Hinblick auf seine Position am Grundstück an den Gebäudebestand gebunden sei. Anders als bei der Reihenhausbebauung stehe hier nicht die größtmögliche wirtschaftliche Ausnutzung des Grundstücks im Fokus, sondern die Nutzbarmachung einer vorhandenen und verwertbaren historischen Gebäudesubstanz unter Berücksichtigung heutiger Bedürfnisse. Hierzu solle die künftige Erschließung der in dem Gebäude vorgesehenen Nutzungseinheiten durch ein neu zu erstellendes Treppenhaus, dessen Lage auf dem Grundstück durch die baulichen Gegebenheiten (Zugang zum Gewölbekeller und zu den Fluren in den oberen Etagen) sowie auf dem Grundstück selbst (Anzahl, Lage und Nutzbarkeit der vorhandenen Stellplätze) vorgegeben und nicht beliebig variierbar sei, erfolgen. Der Umstand, dass das Bestandsgebäude aus einer Zeit stamme, in der Abstandsflächen nach heutigem Recht keine Rolle spielten, die erforderlichen Abstandsflächen deshalb nicht eingehalten seien und das Gebäude folglich nicht mehr beliebig mit den heutigen Regeln in Einklang gebracht werden könne, um es im Rahmen des Bestandes und der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz sinnvoll zu verwerten, begründe nach Auffassung des Beklagten die erforderliche Atypik, die Voraussetzung und gleichsam die erste Stufe einer zweistufigen Entscheidung bei der Anwendung der Abweichungsvorschrift des Art. 63 Abs. 1 BayBO sei. Diese Atypik habe wohl bei dem Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück, bei dem es damals darum ging, einen Neubau auf einer abstandsflächenrechtlich unbelasteten Fläche mit klassischem, nahezu rechteckigen Zuschnitt zu erstellen, gefehlt. Leitmotiv für die Entscheidung, hier Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften zuzulassen, sei damals wohl die vorhandene städtebauliche Situation im historischen und denkmalgeschützten Altstadtbereich von ... gewesen und der Gedanke, eine Neubebauung zu ermöglichen, die die Vorgaben der Umgebungsbebauung auf das historische Stadtbild aufnehme und so zu dessen Erhaltung beitrage. Für derartige Grundentscheidungen stünden allerdings ausreichend geeignete Instrumente, wie z. B. über entsprechendes Ortsrecht (Bebauungsplan, Gestaltungs-/Abstandsflächensatzung) zur Verfügung. Sie könnten nicht allein über bauordnungsrechtliche Einzelfallentscheidungen gelöst werden, die eine andere, nämlich in erster Linie sicherheitsrechtliche Zielrichtung haben. Daher seien die Fälle nicht vergleichbar.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 ergänzte der Bevollmächtigte des Klägers seinen Vortrag. Der Ortstermin habe ergeben, dass der Abstand des intendierten Treppenhauses 1,80 m zur Grundstücksgrenze des Klägers betrage. Die Gesamtlänge der Südseite des Gebäudes auf Fl.Nr. ... betrage derzeit ohne Anbau bereits 17 m. Die Treppenanlage werde den Bereich zwischen den Bestandsbauwerken auf dem Grundstück des Beigeladenen insgesamt ausfüllen. Eine zwingende Notwendigkeit der Treppenanlage sei nicht gegeben. Sowohl eine Binnenerschließung der oberen Stockwerke wie auch eine Rückversetzung des Anbaus seien möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich auf dem Grundstück der Beigeladenen - unterhalb des Terrassenvorbaus - ein Stellplatz befinde, welcher sogar überdacht sei. Dieser würde durch das geplante Außentreppenhaus wegfallen. Konsequenz sei, dass kein einziger Stellplatz mehr vorhanden wäre. Festzuhalten sei ferner, dass wohl zwischen dem Gebäude des Klägers und der Beigeladenen ein historischer Kellerdurchgang vorhanden sei. Diesbezüglich müsste Denkmalschutz bestehen. Dieser würde wohl bei jetziger Planrealisierung zerstört werden bzw. wegfallen. Für die Anlieferung der Gaststätte sei die entsprechende Treppenhausanlage nicht notwendig. Zudem habe der Ortstermin gezeigt, dass die behauptete Atypik nicht vorliege. Vorliegend könne die Situation für die Beigeladene planerisch selbstredend nicht nur über die intendierte Außentreppenhauslösung in der jetzigen Situierung gelöst werden, sondern auch durch ein Innentreppenhaus oder eine Treppenhausanlage, welche die gültigen Abstandsvorschriften einhalte. Die Voraussetzungen für Art. 63 Abs. 1 BayBO lägen somit nicht vor. Die Situation werde sich - anders als vom Beklagten behauptet - für den Kläger durch den Anbau massiv verschlechtern.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg im Verfahren Au 5 S 95.439, welcher sich in der Gerichtsakte befindet.

Gründe

Die Anfechtungsklage des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gegenstand des Verfahrens ist allein die vorgelegte und mit Bescheid vom 22. Februar 2016 genehmigte Planung des Vorhabens der Beigeladenen.

Nach Überzeugung der Kammer verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Rechte des Klägers, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren.

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20, 22).

Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 33). Dass eine solche Abweichung ausweislich der Bauantragsunterlagen nicht explizit beantragt wurde (Bl. 2 Bauantragsmappe), kann vorliegend jedoch nicht verhindern, dass der klagende Nachbar die Genehmigung einer Abweichung von der Einhaltung der gesetzlichen Regel-Abstandsfläche schon alleine kraft ihres Regelungsgehaltes angreifen können muss (vgl. jüngst BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 CS 16.1348 - juris Rn. 29).

1. Die Überprüfung der nachbarschützenden Vorschrift des Art. 6 BayBO ergibt, dass Abstandsflächen zulasten des Klägers nicht verletzt sind, weil jedenfalls diesbezüglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorliegen. Der Kläger kann sich vorliegend insbesondere nicht auf eine Verletzung seiner Rechte durch die Gewährung einer Abweichung von Art. 6 Abs. 5 und Abs. 6 BayBO nach Art. 63 Abs. 1 BayBO berufen.

Denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind gegeben. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen atypischen Fall erscheinen lassen und die dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für einen atypischen Sachverhalt ist also, dass Gründe vorliegen, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

a) Die erforderliche Atypik für eine Abweichung als ersten Prüfungsschritt hält die Kammer im konkreten Fall für gegeben, bereits unabhängig davon, wie die systematische Einordnung der Problematik des hier in Frage kommenden Grundsatzes von Treu und Glauben in die Prüfsystematik im Rahmen der Prüfung der Abweichung vorgenommen wird (ein der Atypik vorrangiges Ausschlusskriterium für eine erfolgreiche Nachbarklage, ein nachrangiges Ausschlusskriterium oder Teil der Interessenabwägung im Rahmen der Abweichung, vgl. dazu jüngst BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 15-17):

aa) Die Besonderheit des Falles, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber dem Grundstück des Antragstellers rechtfertigt, ergibt sich aus der Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit über Jahrhunderten dicht bebauten Innenstadtrevier, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. In diesem halten - wenn überhaupt - nur verschwindend wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen ein, was der Augenschein und die vorgelegten Katasterauszüge nachweisen. Jedwede bauliche Veränderung der bestehenden Anwesen ist in solchen Lagen geeignet, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 CS 16.1348 - juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 4.8.2011, 2 CS 11.997 - juris Rn. 23) Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen. Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH vom 07.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris).

Vorliegend geht es um die Modernisierung durch Umbauten und Sanierung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses mit Anbau eines Treppenhauses. Die Beigeladene möchte das Gebäude, das sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung von ihren Eltern geerbt hat, wirtschaftlich nutzbar machen. Sie stimmte sich dabei eng mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ab (Bl. 50, 55 ff. Verfahrensakte), welche sich mit der vorgelegten Planung einverstanden erklärten. Kernforderung des Hauptkonservators Dr. ... war dabei, neben den vorgeschlagenen Auflagen für die Baugenehmigung möglichst weitere Eingriffe in die bauliche Substanz zu vermeiden (Bl. 58 Verfahrensakte). Eine Außentreppe wird dieser Forderung gerecht, da nur durch diesen ergänzenden Raum weitere Eingriffe in die Substanz verhindert werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass durch die zu beurteilende Planung in Gestalt der Baugenehmigung eine Weiterbenutzung des noch vorhandenen Stellplatzes ermöglicht wird, wie sich aus den Antragsunterlagen und den Einlassungen der Beigeladenen und des Beklagten ergibt. Die Beigeladene plant zudem durch das Treppenhaus die Erschließung des historischen Kellergewölbes im südlichen Teil des Vorhabengrundstücks, welches eine Lage des Treppenhauses an dieser Stelle notwendig macht. In der Zusammenschau aus Lage des Grundstücks im dicht bebauten Bereich und seinem Schnitt mit dem verfügbaren Raum leitet die Kammer daher vorliegend einen atypischen Sachverhalt ab.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des VG Augsburg vom 4. Mai 1995 (Az.: Au 5 S 95.439). Der dort entschiedene Fall betraf hauptsächlich die Bebauung der nordwestlich des Klägergrundstücks gelegenen Grundstücke Fl.Nr. ..., ... und ... mit einer Reihenhausanlage. Die erkennende Kammer lehnte damals die erforderliche Atypik für die nordwestlichen Grundstücke mit dem Argument ab, dass die genannten Grundstücke nicht für die beabsichtigte massive Bebauung geeignet seien. Zum Einen betrifft diese Entscheidung jedoch nicht das Grundstück der Beigeladenen bzw. die Modernisierung des dort schon seit Jahrhunderten bestehenden Gebäudes nordöstlich des Klägergrundstücks. Die Entscheidung erging zum Anderen auch nach Art. 77 Abs. 1 BayBO a. F. (Geltungszeitpunkt 1995), welcher damals von seinem Wortlaut anders gefasst war als der heutige Art. 63 BayBO. Die Entscheidung betraf ein Eilverfahren und beinhaltete nicht die weiterentwickelte Rechtsprechung in Bezug auf die Atypik sowie den Aspekt von Treu und Glauben bei eigener Überschreitung der Abstandsfläche (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris m. w. N.). Ferner geht es im zu entscheidenden Fall auch nicht um eine massive Neubebauung mit Reihenhäusern, sondern lediglich um den Anbau eines auskragenden Treppenhauses am Bestandsgebäude auf Fl.Nr. ....

b) Die Abweichung ist auch unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen vereinbar, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften, nämlich ausreichender Belichtung und Belüftung der Gebäude sowie Brandschutz und Wohnfrieden (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2016, Art. 63 Rn. 42), führt die Erteilung einer Abweichung nicht zu für den Kläger schlechthin untragbaren Verhältnissen. Zwar wird der Zweck des Abstandsflächenrechts regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden (hier 1 H, also 8,72 m, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, wobei das 16 m Privileg wegen der Wandlänge der Südseite des Grundstücks der Beigeladenen nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO nicht zur Anwendung gelangt). Mit einem Abstand von etwa 1,8 m zum auskragenden Treppenhaus findet tatsächlich eine Verschlechterung der bisherigen Situation für den Kläger statt, weil durch den Treppenhausanbau eine erhöhte Verschattung seiner nördlichen Gebäudewand zu erwarten ist. Zu berücksichtigen sind im Rahmen der Abwägung jedoch folgende Aspekte: Die betroffenen Fenster des Klägers befinden sich ohnehin auf der dunklen Nordseite seines Gebäudes. Soweit ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad zur Waagrechten nicht eingehalten werden kann (vgl. zu dieser früheren Anforderung Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Abs. 7 BayBO in der bis 31.8.1982 geltenden Fassung), ist dies überwiegend auf die bis auf die Nordgrenze erfolgte bauliche Ausnutzung des Grundstücks des Klägers und nur teils auf das streitige Vorhaben zurückzuführen. Ein gewisser Lichteinfall bleibt von der nordwestlichen Seite (Bezugspunkt Nordwand des Klägergebäudes) erhalten, wie der Augenschein ergeben hat. Letztlich muss dies jedoch nicht entschieden werden, da nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 BayBO sogar fensterlose Küchen oder Kochnischen zulässig sind, wenn eine wirksame Lüftung gewährleistet ist.

Dem Brandschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass der angegriffene Bescheid unter Punkt 1.7. mit der Anzeige der vorgesehenen Nutzungsaufnahme des Gebäudes eine Bestätigung des Nachweiserstellers oder eines anderen Nachweisberechtigten im Sinne des Art. 62 Abs. 2 Satz 3 BayBO über die mit dem Brandschutznachweis übereinstimmende Bauausführung fordert.

Der Wohnfrieden wird dadurch gewahrt, dass der geplante Treppenhausanbau nach den Bauantragsunterlagen derart gestaltet ist, dass Einblicke in die Fenster des Klägers nicht möglich sind. Für den Kläger sind damit keine schlechthin untragbaren Verhältnisse zu befürchten.

3. Letztlich entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch der Umstand, dass der Kläger seinerseits die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen (Fl.Nr. ...) nicht einhält. Sein Gebäude, das nach den Erkenntnissen des Augenscheins und des Lageplans mindestens genauso hoch ist wie das geplante Treppenhaus, steht mit der gesamten Länge genau auf der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beigeladenen. In dieser Situation kann der Kläger billigerweise nicht verlangen, dass die Beigeladene auf dem Baugrundstück entsprechende Flächen freihält (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 37 m. w. N.; VG München, B.v. 11.6.2015 - M 8 SN 15.1421 - juris Rn. 34 ff.: eine dennoch erhobene Rüge gegenüber einer „gleichgewichtigen“ Abweichung für das Neubauvorhaben verstieße gegen Treu und Glauben).

Das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 14.10.2014 - 4 B 51.14 - juris) hat bestätigt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung gilt. Eine konkrete Entscheidung zur Geltung im Abstandsflächenrecht sowie zur systematischen Einordnung hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis darauf, dass hier Landesrecht betroffen ist, nicht getroffen. Die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung wendet den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB auch im Rahmen des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts an. Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Der Kläger kann sich demnach nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Gebäude bereits seit dem 18. Jahrhundert an dieser Stelle stehe.

a) Hinsichtlich der systematischen Einordnung des Grundsatzes von Treu und Glauben in das bauordnungsrechtliche Prüfprogramm lassen sich verschiedene Ansätze vertreten (hierzu BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 15 ff.). So könnte das Korrektiv des Grundsatzes von Treu und Glauben bereits grundsätzlich eine Berufung auf die Verletzung des Abstandsflächenrechts ausschließen, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Abweichung nach Art 63 BayBO nicht weiter ankäme (so BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). In diesem Fall hätte die Kammer das Vorliegen der Atypik bereits dahinstehen lassen können und allein aus diesem Grund die Klage abweisen müssen.

b) Als zweite Variante wäre eine Prüfung des Korrektivs des Grundsatzes von Treu und Glauben als Ausschlusskriterium nach Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Abweichung denkbar (BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 16). Da die Kammer die nötige Atypik als gegeben erachtet (s.o.), wäre eine Prüfung der nachbarlichen Belange in diesem Fall nicht mehr in Frage gekommen.

c) Als dritte Variante käme in Betracht, die bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Abstandsflächenrecht vorauszusetzende wechselseitige Verletzung der Abstandsflächen im Rahmen der nach Art. 63 BayBO zu treffenden Interessenabwägung einfließen zu lassen (BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 16). Nach dieser Lösungsvariante ist zu berücksichtigen, dass der Anteil des seitens des Klägers auf das Baugrundstück entfallenden Abstandsfläche größer als die vom Baugrundstück fallende Abstandsfläche des auskragenden Treppenhauses ist, weil sein Gebäude unmittelbar an der Grenze steht, das geplante Treppenhaus jedoch noch einen Mindestabstand von etwa 1,8 m aufweist. Es handelt sich damit um eine mindestens gleichgewichtige Verletzung bezüglich des Umfangs des Abstandsflächenverstoßes seitens des Klägers, welche nach Treu und Glauben die Berufung auf einen Abstandsflächenverstoß der Beigeladenen ausschließt.

Insoweit bestätigt sich (auch in dieser dritten Variante) das vorgefundene Abwägungsergebnis im Rahmen der Prüfung der nachbarlichen Belange mit dem Schutzzweck der jeweiligen Anforderungen.

Damit war nach allen denkbaren Varianten eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten durch die Gewähr einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 5 und 6 BayBO ausgeschlossen.

4. Das Vorhaben fügt sich auch nach der Art seiner Nutzung nach unbestritten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die maßgebliche nähere Umgebung ein, wie der Augenschein ergeben hat. Es ist insbesondere nicht rücksichtslos.

Bei Wohnbauvorhaben ist eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - BayVBl 1999, 568 = juris Ls 2 und Rn. 6, zweigeschossiges Sechsfamilienhaus neben Flachdachbungalow). Ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, hängt nicht davon ab, ob die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - a. a. O. Ls 1 und Rn. 3). Maßgeblich erscheint hier allein die Frage, ob durch das Bauvorhaben eine „erdrückende Wirkung“ gegenüber der nördlichen Gebäudewand des Klägers erzeugt wird. Die zu der Problematik einer „erdrückenden Wirkung“ veröffentlichte Rechtsprechung (Überblick bei Troidl, BauR 2008, 1829) macht deutlich, dass die Situation auf dem Grundstück des Klägers noch nicht durch jene Unzumutbarkeit geprägt ist, die im Einzelfall eine solche Annahme gerechtfertigt hat. Die Hauptkriterien für die Beurteilung einer „erdrückenden Wirkung“ sind die Höhe des Vorhabens, seine Länge und die Distanz, hilfsweise das Erscheinungsbild des Vorhabens (vgl. Troidl, BauR 2008, 1829 (1843)). Nach herkömmlicher Rechtsprechung hat eine bauliche Anlage erdrückende Wirkung zudem nur dann, wenn sie wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, in dem sie diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe der „erdrückenden“ Anlage aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls - und ggf. trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsflächen - derart übermächtig ist, dass das - erdrückte - Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2015 - 2 NE 15.1612; OVG NW, B.v. 10.1.2013 - 2 B 1216/12. NE juris Rn. 21). Für die Annahme einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist aber grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Gerade an letzterem scheitert vorliegend eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme, da die Höhe des Treppenhauses mit 8,72 m jedenfalls nicht die Größe des Gebäudes auf dem Grundstück des Klägers überschreitet. Zudem ist die Treppe selbst lediglich 2,74 m breit und riegelt die Nordwand damit nicht vollkommen ab.

Vorliegend kann somit in der Zusammenschau von keiner Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ausgegangen werden.

5. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Kosten der Beigeladenen waren hiervon wegen §§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO auszunehmen, da sie mangels Antragstellung auch kein Risiko eigener Kostentragungspflicht übernommen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 162 Rn. 23).

6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 6 Mischgebiete


(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Geschäfts- und Bürogebäude,3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie B

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 02. Nov. 2016 - Au 4 K 16.456 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 11. Nov. 2014 - 15 B 12.2672

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Januar 2012 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2016 - 15 CS 16.1348

bei uns veröffentlicht am 26.09.2016

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Stre

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 29. Okt. 2015 - 2 B 15.1431

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 2 B 15.1431 Im Namen des Volkes Urteil vom 29. Oktober 2015 (VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084) 2. Senat H.-Z. als stellve

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2016 - 2 ZB 14.2605

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf 7.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. Juni 2015 - M 8 SN 15.1421

bei uns veröffentlicht am 11.06.2015

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgese

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 26. Juni 2014 - 7 A 2057/12

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger dar

Referenzen

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragsteller sind Eigentümer des in die Denkmalliste eingetragenen, um 1900 entstandenen, viergeschossigen und mit einem mit zahlreichen Gauben versehenen Mansarddach gedeckten Mietshauses V.-straße 27 in Augsburg (FlNr. ... der Gemarkung Augsburg). Sie wenden sich gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2016, die der Beigeladenen den Neubau eines - zum überwiegenden Teil gleichfalls aus vier Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss bestehenden - Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem östlich benachbarten, 1.940 m² großen Grundstück FlNr. ... erlaubt.

Die Antragsteller haben am 22. Februar 2016 Klage gegen die Baugenehmigung erhoben (Au 5 K 16.264). Den gleichzeitig gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juni 2016 abgelehnt (Au 5 S 16.685). Gegen die am 13. Juni 2016 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller am 25. Juni 2016 Beschwerde eingelegt.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Februar 2016 gegen die Baugenehmigung vom 29. Januar 2016 anzuordnen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsgegnerin keine die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller verkürzende Entscheidung getroffen habe, verletze die fehlerhafte Anwendung des Privilegs aus Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO ihre subjektivöffentlichen Nachbarrechte. Die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflicht zur Einhaltung der Abstände nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 BayBO, dass sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben und die ausreichende Belichtung und Belüftung nicht beeinträchtigt wird, lägen nicht vor. Im maßgeblichen Bauquartier seien sowohl die Bauweise als auch die Gebäudehöhen und die tatsächlich vorhandenen Grenzabstände derart unterschiedlich, dass nicht mehr von einer Einheitlichkeit im Sinn der genannten Vorschrift gesprochen werden könne. Bei der genehmigten Situierung des Neubaus seien auch die ausreichende Belichtung und Belüftung des Anwesens der Antragsteller nicht mehr gewährleistet.

Den Antragstellern könne aufgrund besonderer Umstände auch nicht entgegengehalten werden, dass ihr eigenes Gebäude die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhalte. Ihr Denkmal präge spätestens seit 1900 in seiner heutigen Gestalt das Ensemble F.- und V.-straße. Seit 1911 laste auf dem Baugrundstück eine Baubeschränkung zugunsten der Stadt Augsburg.

In denkmalrechtlicher Hinsicht verneine das Erstgericht zu Unrecht eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Einzelbaudenkmals der Antragsteller. In der Baugenehmigung seien namentlich die Empfehlungen des Baukunstbeirats der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Zusätzlich entstelle der Neubau das bisher nach den Maßstäben der Neurenaissance, des Neubarock und des Jugendstils geformte Gesicht des Ensembles. Das Verwaltungsgericht habe sich auch nicht mit dem Argument des Ermessensfehlers auseinandergesetzt; die Antragsgegnerin habe nicht erkannt, dass sie nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG eine Ermessensentscheidung über die Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis zu treffen hatte.

Das Vorhaben sei auch rücksichtslos. Der Gebäuderiegel mit fünf Vollgeschossen auf 34 m Länge in einem Abstand von 4,85 m zu Nachbargrenze begründe eine erdrückende Wirkung. Die Lage der einzigen Zufahrt zu 31 geplanten Tiefgaragenstellplätzen direkt an der Westgrenze des Baugrundstücks werde unzumutbaren Verkehrslärm nach sich ziehen.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen der Beigeladenen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen und den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

In dem allein maßgeblichen Bereich, der aus den Grundstücken FlNr. ..., ..., ... und ... bestehe, existiere eine hinreichend homogene Bebauung, die die Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO rechtfertige. Durch den Verzicht auf die Einhaltung von Gebäudeabständen sei für die im fraglichen Bereich liegenden Grundstücke eine Wechselbeziehung entstanden, die die Betroffenen zugleich begünstige und belaste; das müsse auch für den Gesichtspunkt ausreichender Belichtung und Besonnung gelten. Die Berufung auf eine ausreichende Besonnung und Belichtung sei rechtsmissbräuchlich; die Antragsteller hätten die historisch bedingte Situation im Jahr 2014 durch den Anbau von Balkonen auf der Ostseite ihres Gebäudes, die bis auf knapp 2 m an die Grenze heranreichten, noch verschärft. Zur Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen fehlten auf dem eigenen Grundstück der Antragsteller rund 440 m²; beim streitigen Vorhaben liege der Fehlbetrag demgegenüber nur bei ca. 337 m². Abgesehen davon, dass die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet privater Rechte Dritter ergehe, liege eine Löschungsbewilligung der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2016 für die Baubeschränkung aus dem Jahr 1911 vor.

Die Vorschläge des zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts und seiner Beeinträchtigung berufenen Landesamts für Denkmalpflege habe die Beigeladene in die am 7. August und 18. September 2015 eingereichten Unterlagen vollständig eingearbeitet. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass keine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Denkmals der Antragsteller vorliege, die schutzwürdige Westfassade bleibe uneingeschränkt sichtbar, die Ostfassade sei jedenfalls durch den Anbau der Balkone in ihrem Wert erheblich reduziert und nicht mehr schutzwürdig. Ebenso wenig beeinträchtige das Vorhaben das Ensemble. Die Sichtachsen an der Kreuzung F.-/V.-straße blieben unverändert erhalten. Im Bescheid habe sich die Antragsgegnerin mit den von den Antragstellern vorgetragenen denkmalrechtlichen Belangen auseinandergesetzt und sei nach der Übernahme der fachlichen Vorschläge des Landesamts für Denkmalpflege zutreffend zu dem konkludenten Schluss gekommen, dass es keiner Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis bedürfe.

Von dem nur im Süden im First 17 m hohen, nach Norden jedoch auf 11,75 m und 8,50 m abgestuften Vorhaben gingen keine erdrückenden oder gar einmauernden Wirkungen zulasten des Antragstellergrundstücks aus. Die Antragsteller könnten nicht beanspruchen, dass zur Reparatur der von ihnen selbst verursachten Lage auf dem Nachbargrundstück die volle Abstandsflächentiefe von 1 H eingehalten wird.

Die Zufahrt zur Tiefgarage sei straßennah geplant, die Rampe werde eingehaust. Die Lärmentwicklung werde dadurch auf ein sozialadäquates Maß reduziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die Bauakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.Die zulässige Beschwerde führt nicht zur Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das den Eilantrag gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. Dem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringen ist bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu entnehmen, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2016 gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften verstößt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die gegen die Baugenehmigung anhängige Klage bleibt voraussichtlich ohne Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Antragsteller durch die Baugenehmigung nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 BayBO in ihren Rechten verletzt sind.

1.1 Der am 7. August 2015 bei der Antragsgegnerin eingegangene Bauantrag hat ein Vorhaben der Gebäudeklasse 5 (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BayBO) sowie eine Mittelgarage (§ 1 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 GaStellV) zum Gegenstand, weshalb es gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen und zu verbescheiden war (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Da die Beigeladene zusammen mit dem Bauantrag - neben zwei weiteren auf der Ost- bzw. Südseite des Vorhabens - auch einen Antrag auf Abweichung (Art. 63 Abs. 1 BayBO) von den nach Westen anfallenden Abstandsflächen gestellt hatte, war dieser Punkt nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ebenfalls Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung.

Der Bescheid vom 29. Januar 2016 führt (unter der Überschrift „Gründe II. Abweichungen A. Bauordnungsrecht 3.“) dazu auszugsweise wörtlich aus:

„Bei der westlichen und östlichen Grundstücksgrenze fallen keine Abstandsflächen im Sinne von Art. 6 (5) Satz 1 und 2 BayBO an, wenn sich gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen ergeben.

In dem gesamten Areal des B.-viertels werden seitliche Abstandsflächentiefen in der Regel nicht auf dem eigenen Flurstück eingehalten. So verhält es sich auch in der unmittelbaren Nachbarschaft des antragsgegenständischen Grundstücks. Sowohl auf den Grundstücken FlNr. ..., ..., ... sowie ... werden die Abstandsflächentiefen unterschritten.

Zum Grundstück FlNr. ... und FlNr. ... ergibt sich ein Austauschverhältnis gegenseitig reduzierter bzw. sich überlagernder Abstandsflächen:

Die Abstandsflächen des beantragten Mehrfamilienwohnhauses würden zu der westlichen Grundstücksgrenze (Grundstück FlNr. ...) zudem auf eine kleinere Fläche des westlichen Nachbargrundstücks (336,87 m²) fallen als die Abstandsfläche der westlichen Bebauung auf das Baugrundstück (440,32 m²). Somit ist keine Abweichung zu der westlichen Grundstücksgrenze erforderlich. Das Gebot der Rücksichtnahme ist nicht verletzt.“

Zur Klarstellung ist zu ergänzen, dass das Grundstück FlNr. ... im Osten an das Baugrundstück anschließt, dessen Eigentümerin die Bauvorlagen unterschrieben hatte. Auch hier hielt die Antragsgegnerin aufgrund einer Vergleichsbetrachtung (183,90 m² theoretische Überschreitung durch das Vorhaben gegenüber 154,25 m² fiktiver Überschreitung durch die Nachbarbebauung) eine Abweichung für unnötig.

1.2 Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Antragsteller durch die Baugenehmigung schon deswegen nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt würden, weil in der Baugenehmigung keine die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller verkürzende Entscheidung getroffen worden sei (BA Seite 11 Rn. 31). Diese Ansicht teilt der Senat nicht.

Die - soweit ersichtlich, nur noch in Bayern - außerhalb von Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten einzuhaltende gesetzliche Regelabstandsfläche beträgt 1 H, mindestens 3 m (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Bejaht die Bauaufsichtsbehörde die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO, weil in der maßgeblichen Umgebung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einheitlich abweichende, geringere als die Regelabstandsflächentiefen vorhanden seien, entscheidet sie damit zugleich, dass dieser - gesetzliche - Abweichungstatbestand vorliegt. Die erteilte Baugenehmigung erlaubt die Errichtung eines Gebäudes mit verkürzten Abstandsflächen auf der den Antragstellern zugewandten Seite. Insoweit kommt eine Verletzung ihrer Rechte in Frage. Es gibt keinen Grund dafür, weshalb die betroffenen Nachbarn die Richtigkeit dieser Entscheidung nicht zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stellen können sollten.

Aus den von der Beigeladenen als Stütze für die gegenteilige Auffassung herangezogenen Entscheidungen (BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147 = juris Rn. 16 bis 23; U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - BayVBl 2016, 414 = juris Rn. 33 bis 39) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Im erstgenannten Fall geht aus den Entscheidungsgründen nicht hervor, ob eine Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers beantragt worden war (vgl. a. a. O. Rn. 16 und 17). Es wird lediglich festgestellt, dass insoweit keine Abweichung erteilt wurde und die streitige Zustimmungserklärung (Art. 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 Halbs. 1 BayBO) Erläuterungen darüber enthalte, weshalb keine Abweichung hinsichtlich des Antragstellers nötig gewesen sei. Die erteilten Abweichungen hätten (nur) die Einhaltung von Abstandsflächen zur südöstlichen Grundstücksgrenze und nicht das Grundstück des Antragstellers betroffen. Daraus lässt sich - anders als im vorliegenden Fall - nicht entnehmen, ob jene Bauerlaubnis davon ausgegangen ist, dass auf der Seite zum Antragsteller die vollen Abstandsflächen eingehalten waren oder dies aus anderen, aber nicht mitgeteilten Gründen nicht erforderlich schien. Abgesehen davon dürfte kaum zweifelhaft sein, dass eine ohne Antrag erfolgte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlichen Regel-Abstandsflächen schon alleine kraft ihres Regelungsgehalts für den jeweils betroffenen Nachbarn anfechtbar ist. Das an zweiter Stelle zitierte Urteil geht davon aus, dass nur ausdrücklich beantragte Abweichungen zum Prüfumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zählen. Unterlasse der Bauherr in Richtung auf einen bestimmten Nachbarn die Antragstellung, selbst wenn dies objektiv geboten wäre, und erteile die Bauaufsichtsbehörde auch nur die beantragten Abweichungen, folge daraus keine Verletzung der Rechte des nicht von diesen Abweichungen betroffenen Nachbarn. In dem hier zu entscheidenden Fall wurde jedoch auch eine Abweichung hinsichtlich des Grundstücks der Antragsteller („nach Westen“) beantragt und mit der Genehmigung eine Verkürzung der gesetzlichen Regelabstandsflächen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) in diese Richtung für zulässig erklärt, weil ein Ausnahmetatbestand (Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO) gegeben sei. Die Baugenehmigung beschränkt sich damit nicht auf die Aussage, es sei keine Abweichung erforderlich (vgl. den erstgenannten Beschluss), sondern trifft zugleich eine positive Aussage zum Vorliegen eines abstandsflächenverkürzenden Ausnahmetatbestands.

1.3 Die Überprüfung des Art. 6 BayBO ergibt, dass Abstandsflächenvorschriften zulasten der Antragssteller nicht verletzt sind.

Dabei muss die sich aus dem Vorstehenden ergebende Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO vorliegen, ob also in der Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich einheitlich von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO abweichende, geringere Abstandsflächentiefen vorhanden sind, anlässlich dieser Eilentscheidung nicht geklärt werden (dazu 1.3.3). Denn jedenfalls liegen in Bezug auf die Einhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor (dazu 1.3.1). Die Abweichungsentscheidung kann bis zur Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung nachgeholt werden, weshalb die Interessenabwägung über die Vollziehbarkeit der noch nicht rechtskräftigen Baugenehmigung zugunsten der Beigeladenen ausfällt (dazu 1.3.2).

1.3.1 Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind gegeben.

Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen atypischen Fall erscheinen lassen und die dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 12 m. w. N.).

Die Besonderheiten dieses Falles, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller rechtfertigen, ergeben sich zunächst aus der Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit über einem Jahrhundert dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier („Beethovenviertel“). In diesem halten - wenn überhaupt - nur verschwindend wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen ein (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Hinzu kommt, dass das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller die Abstandsflächen zum Baugrundstück selbst nicht einhält. In dieser Situation können die Antragsteller billigerweise nicht verlangen, dass die Beigeladene auf dem Baugrundstück entsprechende Flächen freihält (vgl. BayVGH, B. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 37 m. w. N.; VG München, B. v. 11.6.2015 - M 8 SN 15.1421 - juris Rn. 34 ff.: eine dennoch erhobene Rüge gegenüber einer „gleichgewichtigen“ Abweichung für das Neubauvorhaben verstieße gegen Treu und Glauben).

Die in den genehmigten Bauvorlagen (Pläne A-001 bis A-015, Zeichnungen vom 3.8. bzw. 3.12.2015) enthaltenen Angaben zugrunde gelegt, hält das rund 34 m lange und einschließlich des Dachs mit einer Neigung von etwa 80 Grad insgesamt knapp 18,60 m hohe Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller (FlNr. ...) auf seiner gesamten Länge im Osten nur einen Abstand von 3.91 m von der Grenze ein; das entspricht rund 0,21 H. Im Band 2/2 der nicht nummerierten Bauakten ist die Kopie einer Ansichtszeichnung der Ostwand des Baudenkmals abgeheftet, auf der unter anderem die (damals noch) geplanten Balkone dargestellt werden; auf der rechten Seite werden für die Gesamthöhe des Hauses 18,93 m angegeben. Das sich auf dieser Basis für H abzuleitende Ergebnis unterscheidet sich nur unwesentlich (auf der zweiten und dritten Stelle nach dem Komma: 0,207) von dem oben ermittelten Wert, darauf kommt es hier nicht an.

Auf dem Baugrundstück (FlNr. ...) stehen für die gegenüberliegenden Teile des insgesamt 33,20 m langen Neubauvorhabens Abstände im südlichen, 25,065 m langen und mit einem um 60 Grad geneigten Mansard-Dach versehenen ersten Teil 4,85 m zur Verfügung. Unter der vereinfachenden Annahme, dass das „Urgelände“ einheitlich 490,00 müNN gelegen ist, errechnet sich das Maß H (vgl. Art. 6 Abs. 4 BayBO) mit 17,19 m. Die drei nach Norden folgenden, insgesamt 8,135 m langen, flach gedeckten Abstufungen des Gebäudes sind gegenüber dem Südteil um zwischen vier bzw. einem Meter zurückgesetzt, die Grenzabstände betragen hier zwischen 8,85 m und 5,85 m.

Im Übrigen fällt bei einer Durchsicht der insgesamt 15 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten Bauzeichnungen auf, dass für die erste nach Norden anschließende Stufe auf dem Plan A-008 (2. Tektur vom 3.12.2015, Dachgeschoss, M 1:100) im fraglichen Bereich nur ein 2,135 m tiefes und 5,98 m breites Dach dargestellt wird. Dieser Bauteil ist - wie oben schon angesprochen - 8,85 m von der Westgrenze des Baugrundstücks entfernt. In dem Plan A-013 (1. Tektur vom 3.8.2015, Nachbarbeteiligung, Grundrisse TG - DG, M 1:200) ist an dieser Stelle jedoch eine Dachterrasse enthalten. Diese findet sich einschließlich eines rund 1 m hohen Geländers auch auf den Ansichten Nord, West und Ost des Plans A-014, (1. Tektur vom 3.8.2015, Nachbarbeteiligung, Ansichten - Schnitte - Außenanlage, M 1:200) wieder. Auf den Plänen A-011 und A-012 (je 2. Tektur vom 3.12.2015, M 1.100, Ansicht Nord- und Ostseite bzw. Ansicht Westseite) fehlen die vorbeschriebenen Eintragungen. Der Plan A-015 (1. Tektur vom 3.8.2015, Barrierefreiheit der Wohnungen je Geschoss, M 1:200) zeigt demgegenüber im Dachgeschoss jene Terrasse in der Draufsicht. Eine Klarstellung, dass insoweit nur die 2. Tektur verwirklicht werden soll, fehlt bislang.

Aus den erwähnten Unterlagen errechnen sich für die Westseite des Bauvorhabens von Süd nach Nord entlang des rund 25,06 m langen Gebäudeteils 0,28 H. Da die genehmigten Pläne nach dem gegenwärtigen Stand auf der Dachgeschossebene auch die Anlage einer Dachterrasse auf dem nach Norden folgenden, 2,135 m langen ersten Teilstück der Abtreppungen erlauben, und das obere Ende dieses versetzten Wandteils auf der Höhe des oberen Abschlusses des Geländers anzusetzen wäre, würde das Maß dort H 15,90 m betragen (bei einem Fußpunkt von 490 müNN, vgl. oben). Auf dem Baugrundstück würden angesichts der Distanz von 8,85 m bis zur Grenze damit rund 0,56 H eingehalten. In die endgültige Berechnung, welchen Teil der vollen Abstandsflächen das Bauvorhaben hier auf dem eigenen Grundstück einhält, geht dieses Zwischenergebnis allerdings nicht ein. Denn für die im 2. Obergeschoss liegende, 5,13 m lange Terrasse fällt die Rechnung wegen der dort nur 5,85 m betragenden Entfernung zur Grenze ungünstiger aus. Der Quotient beträgt hier 0,46 H (H = 12,75 m, Fußpunkt wie zuvor). Auf dem letzten, 3,00 m langen Teilstück werden 0,62 H (H = 9,50 m) erreicht.

Nur am Rand sei bemerkt, dass der mit Genehmigungsstempel vom 29. Januar 2016 versehene Abstandsflächenplan (Bauvorlage A-001 vom 3.12.2015, 2. Tektur vom 3.12.2015, M 1:200) im Bereich der höchsten, 2,13 m langen Abstufung (ohne Terrasse in der 4. Obergeschossebene, H demnach 14,90 m) irrigerweise davon ausgeht, dass dieser Bauteil im fraglichen Bereich der für die Darstellung der tatsächlich benötigten Abstandsflächen maßgebende wäre. Wegen der um drei Meter geringeren Entfernung zur Grundstückgrenze fehlen allerdings für die Terrasse im 2. Obergeschoss 6,90 m bis zu den vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück; beim Flachdach im 3. Obergeschoss sind das nur 6,05 m (14,90 m abzüglich 8,85 m). Auch diese Ungenauigkeit in den genehmigten Plänen hat auf den Vergleich, in welchem Umfang die Abstandsflächen vom Bestand auf dem Grundstück der Antragsteller einerseits und vom Vorhaben andererseits unterschritten werden, keinen Einfluss. Dabei geht es nur um eine pauschalierende und nicht um eine zentimetergenaue Gegenüberstellung.

Unabhängig von dem in der Begründung zur Baugenehmigung wiedergegebenen, aus der genehmigten Bauvorlage A-001 im Maßstab 1:200 übernommenen Vergleich von Flächen („Abstandsfläche der FlNr. ... auf FlNr. ...: 440,32 m²“ und „Fläche über FlNr. ...: 336,87 m²“) folgt jedoch auch aus der hier angestellten, vom gesetzlich definierten Maß H gemäß Art. 6 Abs. 4 BayBO) ausgehenden Betrachtung, dass das mit der Baugenehmigung zugelassene Heranrücken des streitigen Vorhabens im Grenzbereich zum Grundstück der Antragsteller unter dem Blickwinkel wechselseitig unterschrittener Abstandsflächen grundsätzlich vertretbar ist.

Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften führen die beiderseitigen Abweichungen nicht zu schlechthin untragbaren Verhältnissen (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO, vgl. BayVGH, U. v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Ls und Rn. 45 bis 47). In dem von der F.-, der V.-, der M...- und der S.-straße begrenzten Geviert waren beispielweise der (niedrigere) Altbestand auf dem Baugrundstück und das Haus der Antragsteller und sind die Häuser M.-straße 5 ½ und 7 (jeweils drei- bis viergeschossig mit Mansarddächern bzw. verschiedenen Dachaufbauten) ebenfalls nur rund 8 m voneinander entfernt. Vergleichbares findet sich auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Seite der F.-straße jeweils zwischen den Gebäuden mit den Hausnummern 1, 3, 5/7 und 9 sowie V.-straße 29 (je mindestens dreigeschossiger älterer Baubestand mit variierenden Dachformen samt unterschiedlichen Neigungen). Nach den in den Akten enthaltenen Lageplänen betragen die Gebäudeabstände dort zwischen 5,50 m und rund 8 m. Dass bei diesen Größen- und Lageverhältnissen in den jeweils gegenüberliegenden unteren Geschossen der durch die Abstandsvorschriften grundsätzlich angestrebte Standard für die Belichtung bei Tag verfehlt wird, führt für sich gesehen nicht zu schlechthin untragbaren Verhältnissen.

Soweit sich in den südöstlichen Bereichen der beiden unteren Geschosse des Hauses der Antragsteller Lichteinfallswinkel ergeben, die von 45 Grad zur Waagerechten abweichen (vgl. zu dieser Anforderung Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Abs. 7 BayBO in der bis 31.8.1982 geltenden Fassung), ist dies überwiegend auf die hier bis nahe an die Ostgrenze erfolgte bauliche Ausnutzung ihres Grundstücks und - wie zuvor dargestellt - nur in deutlich geringerem Maß auf das streitige Vorhaben zurückzuführen.

Angesichts eines Gebäudeabstands von mindestens 8,76 m im südlichen und 9,76 m im nördlichen Teil kann hier aber auch nicht von als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen gesprochen werden. Ein ähnlich nahes Aneinanderrücken benachbarter Häuser ist im näheren und weiteren Umgriff des Vorhabens häufig anzutreffen. Diese verbreitete bauliche Situation verleiht dem überwiegend historisch bebauten „Beethovenviertel“ - neben anderem - seine typische Prägung.

1.3.2 Die Abweichungsentscheidung ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache nachholbar.

Die festgestellte „Nachbesserungsbedürftigkeit“ der Baugenehmigung wirkt sich im Rahmen der im Eilverfahren zu treffenden Interessenabwägung nicht zugunsten der Antragsteller aus. Durch eine entsprechende Ergänzung im Tenor der Baugenehmigung und der sachdienlichen Anpassung der erforderlichen Begründung (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BayBO) kann die aus der Sicht des Senats fehlende Abweichung ohne weiteres kurzfristig nachgeholt werden (vgl. BayVGH, B. v. 30.9.1993 - 26 CS 93.1646 - n. v: Ergänzung um zeitliche Nutzungsbeschränkungen; B. v. 17.6.1994 - 20 CS 94.1555 - BayVBl 1995, 246 = juris Ls und Rn. 15 f.: entweder tatsächliche Verkürzung von Balkonen oder Zulassung einer Abweichung hierfür nach Art. 77 Abs. 1 BayBO 1994; B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 14 und 23: durch nachträgliche Lärmschutzauflagen kann ein in Betracht kommender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeräumt werden; B. v. 8.8.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8: nachträgliche Tektur der Umwehrung einer Dachterrasse; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO hinsichtlich der Abstandsflächen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens).

In der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sind bereits wesentliche Teile der unter 1.2.1 erörterten rechtlichen Gesichtspunkte enthalten (so auf den Seiten 3 und 7: Nichteinhaltung der Abstandsflächen im Umgriff des Vorhabens, auch auf dem Antragstellergrundstück; Vergleich der wechselseitigen Unterschreitungen). Im Grunde genommen hat sich der Bescheid mit den diesbezüglichen Einwänden der Antragsteller auch schon „abwägend“ befasst. Rechtsirrig ist allerdings die Annahme, bei sich „wechselseitig überlagernden Abstandsflächen“ sei „somit keine Abweichung zu der westlichen Grundstücksgrenze erforderlich“.

1.3.3 Die Frage, ob in der Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich einheitlich von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO abweichende, geringere Abstandsflächentiefen vorhanden sind, kann offen bleiben.

Die hier erwogene Lösung der abstandsrechtlichen Fragen verdient schon wegen der Vermeidung eines anderenfalls nötigen gerichtlichen Augenscheins zur Feststellung, ob „sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben“, den Vorzug. Der in Reaktion auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714 - VGHE 60, 32 = juris Ls und Rn. 13 bis 16: die Voraussetzung eines Baus „an der Grundstücksgrenze“ ist bei einem Abstand von 35 bis 60 cm nicht gegeben) mit Wirkung vom 1. August 2009 in Art. 6 Abs. 5 BayBO eingefügte Satz 4 soll die notwendige Harmonisierung der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Maßstäbe bewirken [vgl. LT-Drs. 16/375 Seite 11 Zu Nr. 5 a)]. Unzuträgliche Verhältnisse könnten schon deshalb nicht entstehen, weil § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB die Zulässigkeit auch von sich in die Umgebung einfügenden Vorhaben ausschließe, wenn die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht gewahrt bleiben.

Wegen des mit der Feststellung „einheitlich abweichender Abstandsflächentiefen“ zwangsläufig verbundenen Aufwands und der schwierigen Abgrenzung zu nicht ausreichender „diffuser Bebauung“ (LT-Drs. 16/375 S. 11) bleibt der Anwendungsbereich der Vorschrift begrenzt. In der Mehrzahl der hierzu ergangenen Entscheidungen wird die Anwendbarkeit der Vorschrift verneint oder offen gelassen (vgl. neben zahlreichen weiteren Erkenntnissen z. B. BayVGH, B. v. 30.6.2011 - 2 CS 11.824 - juris Rn. 6 bis 8; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 15 bis 20; B. v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634 = juris Rn. 12). Soweit ersichtlich wurden insoweit nur zwei Streitfälle auf der Grundlage dieser Vorschrift entschieden (BayVGH, U. v. 7.3.2013 - 2 BV 11.882 - BayVBl 2013, 634 = juris Ls und Rn. 26 bis 30: Pavillonabstände in der Landeshauptstadt München; VG Augsburg, U. v. 30.7.2015 - 5 K 14.1340 - juris Rn. 52 bis 54).

Im vorliegenden Fall reicht der Akteninhalt nicht aus, um ausreichend sicher beurteilen zu können, ob die vom Gesetz verlangte Einheitlichkeit abweichender Abstandsflächentiefen in der maßgeblichen Umgebung existiert. Die in der Beschwerdebegründung detailliert geäußerten Zweifel sind jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

2. Aus der im Grundbuch für das Baugrundstück zugunsten der Stadt Augsburg eingetragenen Baubeschränkung können die Antragsteller kein Abwehrrecht herleiten. Ein schlüssiger Vortrag dafür, inwiefern die im Jahr 1911 bestellte Dienstbarkeit Nachbarschutz vermitteln sollte, fehlt. Die darin enthaltenen Höhenbeschränkungen können - ohne ein Gegenseitigkeitsverhältnis der betroffenen Grundeigentümer zu begründen - auch aus rein städtebaulichen Gründen entworfen und dinglich gesichert worden sein. Ferner handelt es sich bei dieser Ausgestaltung um private Rechte Dritter, die anlässlich der Erteilung einer Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO „unbeschadet“ bleiben. Am 20. Juni 2016 hat die Berechtigte im Übrigen die Löschung der Baubeschränkung bewilligt.

3. Den von den Antragstellern geltend gemachten denkmalrechtlichen Abwehranspruch (Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 DSchG, grundlegend dazu BayVGH, U. v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - VGHE 66, 5 = juris Ls und Rn. 21 f.; B. v. 10.6.2014 - 15 CS 14.692 - juris 15: das Abwehrrecht des Denkmaleigentümers geht nicht über den Rahmen dessen hinaus, was Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Mindestschutz verlangt), hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen als nicht gegeben angesehen. Hierauf wird Bezug genommen.

Von einer, wie die Beschwerde meint, „Verdrängung“ und „Übertönung“ des Baudenkmals durch das Vorhaben oder einer „Entstellung des Gesichts“ des Ensembles V.-/F.-straße durch dessen Hinzutreten kann auch nach Auffassung des Senats nicht die Rede sein. Der Neubau ist weder höher noch in seinen nach Westen bzw. zur Straße hin weisenden Teilfronten länger als das vorhandene Baudenkmal. Die Beigeladene weist in ihrer Erwiderung auf die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die äußere Erscheinung des Vorhabens im Rahmen zweier Tekturen an die Vorschläge des Landesamts für Denkmalpflege angepasst wurde und die Straßenfassaden des Eckhauses der Antragsteller keine Beeinträchtigung erfahren. Angesichts der Heterogenität der Stellung der Baukörper im Quartier und der dabei schon bisher erreichten Bautiefen durften die Antragsteller nicht davon ausgehen, dass ein Neubau auf dem Baugrundstück nur unmittelbar entlang der F.-straße errichtet wird. Insbesondere die erst kürzlich auf der zum Baugrundstück weisenden Rückseite des Denkmals angebauten sechs deutlich auskragenden Balkone bilden mit ihren dunklen, geschlossen wirkenden Stirnbrüstungen optisch eher Fremdkörper in der bisher einheitlichen, in hellen Farbtönen gehaltenen Fassade. Es ist plausibel, wenn die Beigeladene deshalb auf dieser Seite von einer geminderten Schutzwürdigkeit des Baudenkmals ausgeht.

4. Das sich in die maßgebliche nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügende Vorhaben ist nicht rücksichtslos.

Das Verwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen das im Einfügungserfordernis des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl 1981, 928 = juris Ls 2 und Rn. 32, 35) wegen der hier annähernd identischen Höhe und Geschossanzahl des Bauvorhabens und des Gebäudes der Antragsteller unter anderem mit der Erwägung verneint, eine erdrückende oder Riegelwirkung könne nicht angenommen werden (BA Seite 16, Rn. 45). Damit nimmt das Verwaltungsgericht auf eine in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vertretene Ansicht Bezug (vgl. B. v.11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5); in jenem Fall waren allerdings die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften offensichtlich eingehalten (a. a. O. Rn. 6).

Die Verweise auf die Länge des Vorhabens von 34 m und den Abstand von 4,85 m zur Grenze bei fünf Vollgeschossen verhelfen der Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg. Denn neben dem eben genannten Argument hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme jedenfalls im Ergebnis zutreffend auch auf die bebauungsrechtliche Prägung und die damit verbundenen tatsächlichen Vorbelastungen abgestellt (vgl. BA Seite 13 Rn. 38).

Bei Wohnbauvorhaben ist eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, B. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - BayVBl 1999, 568 = juris Ls 2 und Rn. 6, zweigeschossiges Sechsfamilienhaus neben Flachdachbungalow). Ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, hängt nicht davon ab, ob die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten sind (BVerwG, B. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - a. a. O. Ls 1 und Rn. 3).

Das Verwaltungsgericht hat die danach allein nach den in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten - Art und Maß der Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche - vorzunehmende Beurteilung zwar unter dem Blickwinkel der Prüfung einheitlich abweichender Abstandsflächen (Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO) vorgenommen (vgl. BA Seiten 13 bis 16, Rn. 39 bis 43). In der Bebauung in der Umgebung hat die Kammer „eine städtebauliche Systematik im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB“ erkannt, „die eine Unterschreitung der nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geforderten Tiefe der Abstandsflächen zulässt“ (a. a. O. Rn. 43). Gegen die darin zugleich enthaltene Feststellung, dass das Planungsrecht der genehmigten grenznahen Bebauung nicht entgegensteht, erhebt die Beschwerde weder ausdrücklich noch inzident Einwände. Letztere beschränken sich auf die Infragestellung „einheitlich abweichender Abstandsflächen“ mangels „hinreichend homogener Bebauung“. Wie unter 3. schon angesprochen, wird auch die Bebauungstiefe des Vorhabens innerhalb des Gevierts, in dem es verwirklicht werden soll, auf im Osten benachbarten Grundstücken deutlich überschritten. Eine vergleichbar grenznahe Bebauung „in die Tiefe“ des Gevierts zeichnet gerade die Rückseite des Anwesens der Antragsteller vor. Das genehmigte Wohngebäude fügt sich damit nach allen in Betracht kommenden Kriterien in seine Umgebung ein. Dass durch die Errichtung des Vorhabens die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB) auf dem Grundstück der Antragsteller in Frage gestellt würden, hat keiner der am Rechtstreit Beteiligten behauptet. Die mit dem streitigen Vorhaben verbundenen Einschränkungen bei der Belichtung der nach Osten ausgerichteten Untergeschossbereiche sind von den Antragstellern hinzunehmen. Für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit bleibt danach kein Raum.

5. Die Benutzung der Zufahrt zur Tiefgarage, die unmittelbar an der beiderseitigen Grundstücksgrenze beginnt, lässt keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für das Grundstück der Antragsteller erwarten. Nach einem an die öffentlichen Verkehrsflächen - hier den nördlichen Fußweg entlang der F.-straße - anschließenden Stauraum von 5 m Länge beginnt eine vollständige, in das Baugrundstück führende Einhausung der Ein- und Ausfahrtsrampe. Bereits bevor die Nutzer der Tiefgarage mit ihren Fahrzeugen auf die Höhe des südöstlichen Ecks der Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller gelangen, befinden sie sich innerhalb eines baulich geschlossen Bereichs. Vergleichbares gilt beim Verlassen der Anlage; lediglich in dem kurzen Teilstück des Stauraums unmittelbar an der Straße können sich Fahrgeräusche ungehindert in Richtung Westen zum Grundstück der Antragsteller ausbreiten. Inwiefern es unter diesen Umständen zu unzumutbarem Verkehrslärm, einem „Schalltrichtereffekt“ soll kommen können, ist nicht ersichtlich. Zwischen den gegenüberliegenden Hauswänden findet kein oberirdischer Fahrverkehr statt.

6. Kosten: § 154 Abs. 2, Abs. 3 Halbs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) - wie Verwaltungsgericht.

7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Klägerin hat folgende rechtlichen Fragen formuliert, die inhaltlich jedoch auf dasselbe Ziel hinauslaufen:

„Ist bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften davon auszugehen, dass sich derjenige, der sich gegen einen Abstandsflächenverstoß zur Wehr setzt, seinem Rechtschutzbegehren gegen ein Nachbarbauvorhaben das Verbot des Rechtsmissbrauchs entgegen halten lassen muss, wenn die Bebauung auf seinem Grundstück zwar in vergleichbarer Weise nicht den heute geltenden nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften entspricht, die Bebauung auf seinem Grundstück jedoch dem zur Zeit ihrer Genehmigung geltenden Recht entsprach bzw. Bestandsschutz genießt?“

anders formuliert

„Kann dem Rechtschutzbegehren eines Nachbarn, der sich gegen einen Abstandsflächenverstoß zur Wehr setzt, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Rechtsmissbrauchsverbot entgegengehalten werden, wenn auf Seiten des klagenden Nachbarn kein ungesetzmäßiges Verhalten (keine Verletzung nachbarlicher Rücksichtnahmepflichten) feststellbar ist, insbesondere sein Gebäude in Übereinstimmung mit den seinerzeit geltenden Bauschriften errichtet worden ist und Bestandsschutz genießt?“

oder

„Hat die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen des Abstandsflächenrechts zur Folge, dass der Eigentümer eines bebauten Grundstücks, dessen Gebäude zwar seinerzeit in Übereinstimmung mit dem geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist, aber den jetzt nach den Abstandsflächenvorschriften erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, sich nicht mehr gegen die Verletzung von Abstandsflächenvorschriften durch ein Nachbarbauvorhaben zur Wehr setzen kann, wenn die beiderseitigen, wechselseitigen Verstöße gemessen an dem jetzt erforderlichen Grenzabstand etwa gleichwertig bzw. vergleichbar sind?“

Fraglich ist bereits, ob die so gestellten Fragen hier tatsächlich entscheidungserheblich für das Erstgericht waren und für den Senat sind. Denn die Fragen zielen schwerpunktmäßig auf den Bestandsschutz des Nachbargebäudes sowie dessen Übereinstimmung mit den bei Errichtung geltenden Bauvorschriften. Vorliegend wurde das Nachbargebäude mit Bescheid vom 18. Juli 1957 genehmigt. Mit Bescheid vom 17. Juni 2004 wurde der Anbau von Außenaufzügen sowie der Dachgeschossneubau mit Tonnendach genehmigt. Diese Baugenehmigung enthält zudem unter anderem eine Abweichung gemäß Art. 63 BayBO wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück der beigeladenen Bauherrin hin. Im Zug der Änderung des Dachgeschosses ist eine abstandsflächenrechtliche Neubeurteilung für das gesamte Gebäude vorgenommen worden, das das zum damaligen Zeitpunkt im Jahr 2004 geltende Abstandsflächenrecht nicht einhielt und auch heute nicht einhält. Abzustellen wäre daher auf die Frage, ob einem bestandskräftig genehmigten Nachbargebäude der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden kann. Da das Gebäude durch den Umbau 2004 wesentlich verändert wurde, kann auf die ursprüngliche Genehmigung aus dem Jahr 1957 insoweit nicht mehr abgestellt werden.

Unabhängig davon hat sich der Senat (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2016 - 2 CS 16.751 - n.v.) ausdrücklich dahingehend geäußert, dass es insoweit nicht entscheidend ist, dass das Gebäude des Nachbarn in der vorliegenden Form genehmigt ist. Es kommt lediglich auf das tatsächliche Maß der Abstandsflächenüberschreitung zum jetzigen Zeitpunkt, also der Genehmigung des Bauvorhabens der Beigeladenen, an. Damit hat sich der Senat bereits ausdrücklich der herrschenden Rechtsprechung angeschlossen (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869), die davon ausgeht, dass es unerheblich ist, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt. Nach anderer Auffassung der älteren Rechtsprechung sowie in der Literatur (vgl. OVG NRW, U.v. 24.4.2001 - 10 A 1402/98 - BauR 2002, 295; OVG LSA, B.v. 30.11.2000 - 2 M 319/00 - juris; OVG RhPf, B.v. 29.10.1982 - 1 B 59/81 - juris; Kuchler, BauR 2015, 1580/1584, 1592f) verstößt das Rechtsschutzbegehren eines Nachbarn gegen ein Bauvorhaben nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sein eigenes Grundstück mit einer bauaufsichtlich genehmigten Anlage bebaut ist. Indirekt hat sich auch der 14. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris) der herrschenden Meinung der Rechtsprechung angeschlossen, denn auch in diesem Fall war das Gebäude des Nachbarn baurechtlich genehmigt.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die gestellten Fragen bereits obergerichtlich durch das Berufungsgericht geklärt sind und damit eine grundsätzliche Bedeutung fehlt.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass der angefochtene Vorbescheid keine drittschützenden Rechte verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann einen Vorbescheid mit dem Ziel seiner Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlichrechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die herrschende Rechtsprechung den Bestandsschutz bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vollständig außer Acht lasse und kein Korrektiv existiere. Insbesondere sei im Fall einer Abweichung nach Art. 63 BayBO das Vorliegen von dessen Voraussetzungen, vor allem der Voraussetzung der Atypik, vorab zu prüfen, bevor der Grundsatz von Treu und Glauben eingreifen könne. In der Interessenabwägung im Rahmen der Abweichung sei zu prüfen, ob sich die Belange des Nachbarn, von einem Abstandsflächenverstoß durch den Bauherrn verschont zu bleiben, durchsetzen können.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch die Klägerin als Nachbarin hier ihr Bauvorhaben lediglich im Rahmen einer Abweichung nach Art. 63 BayBO genehmigt erhalten hat. Zwar war bei der ursprünglichen Baugenehmigung vom 18. Juli 1957 noch kein Abstandsflächenrecht zu prüfen. Jedoch wurde mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2004 die Abstandsflächenfrage neu aufgeworfen. Die Klägerin hat damals einen Außenaufzug errichtet sowie das Dachgeschoss von einem Walm- zu einem Tonnendach umgebaut und damit maßgeblich verändert. Dabei wurde die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen neu geprüft und ihr insbesondere zum Grundstück der Beigeladenen hin eine Abweichung nach Art. 63 BayBO erteilt, da die Abstandsflächen nach geltenden Recht nicht eingehalten werden konnten. Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte darauf bestand, dass der Dachgeschossumbau ohne Veränderung der Abstandsflächen erfolgen müsse. Die Beklagte hat erkannt, dass bereits eine nicht unerhebliche Überschreitung der gesetzlich erforderlichen Abstandsflächen vorliegt, die durch den Umbau nicht noch erhöht werden sollte. Nur unter dieser Voraussetzung war damals offensichtlich die Beklagte zur Erteilung der Abweichung bereit. Auf diesen genehmigten Zustand ist heute abzustellen und nicht auf die Situation von 1957, die in dieser Form nicht mehr vorhanden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 14.10.2014 - 4 B 51.14 - juris) hat nochmals bestätigt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung gilt. Eine konkrete Entscheidung zur Geltung im Abstandsflächenrecht sowie zur systematischen Einordnung hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis darauf, dass hier Landesrecht betroffen ist, nicht getroffen. Die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung wendet den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB auch im Rahmen des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts an. Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Dem ist das Erstgericht gefolgt, was nicht zu beanstanden ist, auch wenn die Klägerin hier der Mindermeinung in der Rechtsprechung und Literatur den Vorzug gibt. Die Klägerin verkennt insoweit, dass auch im Abstandsflächenrecht der Grundsatz von Treu und Glauben nicht gänzlich uneingeschränkt gilt. Nach den in der herrschenden Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen müssen die beidseitigen Abweichungen etwa gleichwertig sein und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; VGH BW, B.v. 29.9.2010 - 3 S 1752/10 - BauR 2011, 148).

Hinsichtlich der systematischen Einordnung des Grundsatzes von Treu und Glauben in das bauordnungsrechtliche Prüfprogramm lassen sich verschiedene Ansätze vertreten. So könnte das Korrektiv des Grundsatzes von Treu und Glauben bereits grundsätzlich eine Berufung auf die Verletzung des Abstandsflächenrechts ausschließen, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Abweichung nach Art 63 BayBO nicht weiter ankäme (so BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Das Oberverwaltungsgericht Thüringen prüft dabei in einem obiter dictum noch die Voraussetzungen der Abweichung, wohingegen der 1. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keine Prüfung vornimmt. Im Ergebnis kommt es aber auch nach dem OVG Thüringen nicht darauf an, ob die erteilte Abweichung rechtmäßig war. Als zweite Variante wäre eine Prüfung des Korrektivs des Grundsatzes von Treu und Glauben als Ausschlusskriterium nach Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Abweichung denkbar. Als dritte Variante käme in Betracht, die bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Abstandsflächenrecht vorauszusetzende wechselseitige Verletzung der Abstandsflächen im Rahmen der nach Art. 63 BayBO zu treffenden Interessenabwägung einfließen zu lassen.

Die genaue systematische Einordnung kann hier im Ergebnis jedoch offen bleiben, da bei allen drei Betrachtungsweisen, das Ergebnis der Würdigung dasselbe bliebe. Unstreitig liegt eine in etwa gleiche wechselseitige Abstandsflächenüberschreitung seitens der klagenden Nachbarin und der beigeladenen Bauherrin vor. Ebenfalls nicht bestritten ist, dass keine schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnisse durch das Bauvorhaben der Beigeladenen entstehen. Nach der herrschenden Rechtsprechung kommt es nur auf die tatsächliche Abstandflächenüberschreitung an, nicht aber auf deren Genehmigung oder Bestandsschutz. Bei ersten Variante käme es zudem nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO und insbesondere das Merkmal der Atypik vorliegen, denn die klagende Nachbarin könnte sich wegen des wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf den Abstandsflächenverstoß oder die Fehlerhaftigkeit der erteilten Abweichung nicht berufen. Eine Prüfung der Voraussetzungen des Art. 63 BayBO wäre somit nicht erforderlich. Diese lägen hier jedoch ohnehin vor. Zwar ist das Grundstück im Wesentlichen rechteckig und damit grundsätzlich gut bebaubar. Das Bauvorhaben darf sich aber zur Lückenschließung an der vorhandenen, zur Straße errichteten Bausubstanz, die im Übrigen in der Regel die rückwärtige Abstandsflächentiefe nicht einhält, orientieren. Zwar bleibt das südlich unmittelbar anschließende Gebäude in seiner Tiefe hinter dem im Vorbescheid geplanten Gebäude zurück. Der Neubau ist mit einer Tiefe von 10,90 m geplant. Diese Bebauungstiefe findet sich jedoch auf den nördlich angrenzenden Grundstücken wieder, auch wenn an diese nicht unmittelbar angebaut wird. Es ist nicht zwingend profilgleich an ein Nachbargebäude anzubauen. Vor- und Rücksprünge sind im in der Umgebung auffindbaren Maß grundsätzlich möglich. Auch vorliegend findet sich die geplante Tiefe von 10,90 m in der unmittelbaren Umgebung an den straßenseitig errichteten Gebäuden wieder und stellt daher unter Berücksichtigung der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts kein die Atypik ausschließendes Kriterium dar. Entsprechend wäre das Bauvorhaben der Beigeladenen nach der zweiten Variante ebenfalls zulässig.

Auch wenn die Prüfung der wechselseitigen Abstandsflächenüberschreitung im Rahmen der Interessenabwägung des Art 63 BayBO stattfände, ergäbe sich vorliegend kein anderes Ergebnis. Unstreitig ist der Anteil der seitens der Klägerin auf das Baugrundstück fallenden Abstandsfläche sogar etwas größer als die vom Baugrundstück auf das Grundstück der Klägerin fallende Abstandsfläche. Die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Belüftung und Besonnung, werden nicht beeinträchtigt, insbesondere kann der 45° Lichteinfallswinkel am Gebäude der Klägerin eingehalten werden. Im Rahmen der Interessenabwägung spielt die Frage der Genehmigung des Abstandsflächenverstoßes grundsätzlich keine Rolle. Insoweit würde die Interessenabwägung hier zum selben Ergebnis führen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragsteller sind Eigentümer des in die Denkmalliste eingetragenen, um 1900 entstandenen, viergeschossigen und mit einem mit zahlreichen Gauben versehenen Mansarddach gedeckten Mietshauses V.-straße 27 in Augsburg (FlNr. ... der Gemarkung Augsburg). Sie wenden sich gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2016, die der Beigeladenen den Neubau eines - zum überwiegenden Teil gleichfalls aus vier Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss bestehenden - Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem östlich benachbarten, 1.940 m² großen Grundstück FlNr. ... erlaubt.

Die Antragsteller haben am 22. Februar 2016 Klage gegen die Baugenehmigung erhoben (Au 5 K 16.264). Den gleichzeitig gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juni 2016 abgelehnt (Au 5 S 16.685). Gegen die am 13. Juni 2016 zugestellte Entscheidung haben die Antragsteller am 25. Juni 2016 Beschwerde eingelegt.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juni 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Februar 2016 gegen die Baugenehmigung vom 29. Januar 2016 anzuordnen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsgegnerin keine die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller verkürzende Entscheidung getroffen habe, verletze die fehlerhafte Anwendung des Privilegs aus Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO ihre subjektivöffentlichen Nachbarrechte. Die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Pflicht zur Einhaltung der Abstände nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 BayBO, dass sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben und die ausreichende Belichtung und Belüftung nicht beeinträchtigt wird, lägen nicht vor. Im maßgeblichen Bauquartier seien sowohl die Bauweise als auch die Gebäudehöhen und die tatsächlich vorhandenen Grenzabstände derart unterschiedlich, dass nicht mehr von einer Einheitlichkeit im Sinn der genannten Vorschrift gesprochen werden könne. Bei der genehmigten Situierung des Neubaus seien auch die ausreichende Belichtung und Belüftung des Anwesens der Antragsteller nicht mehr gewährleistet.

Den Antragstellern könne aufgrund besonderer Umstände auch nicht entgegengehalten werden, dass ihr eigenes Gebäude die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhalte. Ihr Denkmal präge spätestens seit 1900 in seiner heutigen Gestalt das Ensemble F.- und V.-straße. Seit 1911 laste auf dem Baugrundstück eine Baubeschränkung zugunsten der Stadt Augsburg.

In denkmalrechtlicher Hinsicht verneine das Erstgericht zu Unrecht eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Einzelbaudenkmals der Antragsteller. In der Baugenehmigung seien namentlich die Empfehlungen des Baukunstbeirats der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Zusätzlich entstelle der Neubau das bisher nach den Maßstäben der Neurenaissance, des Neubarock und des Jugendstils geformte Gesicht des Ensembles. Das Verwaltungsgericht habe sich auch nicht mit dem Argument des Ermessensfehlers auseinandergesetzt; die Antragsgegnerin habe nicht erkannt, dass sie nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG eine Ermessensentscheidung über die Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis zu treffen hatte.

Das Vorhaben sei auch rücksichtslos. Der Gebäuderiegel mit fünf Vollgeschossen auf 34 m Länge in einem Abstand von 4,85 m zu Nachbargrenze begründe eine erdrückende Wirkung. Die Lage der einzigen Zufahrt zu 31 geplanten Tiefgaragenstellplätzen direkt an der Westgrenze des Baugrundstücks werde unzumutbaren Verkehrslärm nach sich ziehen.

Die Antragsgegnerin beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen der Beigeladenen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen und den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

In dem allein maßgeblichen Bereich, der aus den Grundstücken FlNr. ..., ..., ... und ... bestehe, existiere eine hinreichend homogene Bebauung, die die Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO rechtfertige. Durch den Verzicht auf die Einhaltung von Gebäudeabständen sei für die im fraglichen Bereich liegenden Grundstücke eine Wechselbeziehung entstanden, die die Betroffenen zugleich begünstige und belaste; das müsse auch für den Gesichtspunkt ausreichender Belichtung und Besonnung gelten. Die Berufung auf eine ausreichende Besonnung und Belichtung sei rechtsmissbräuchlich; die Antragsteller hätten die historisch bedingte Situation im Jahr 2014 durch den Anbau von Balkonen auf der Ostseite ihres Gebäudes, die bis auf knapp 2 m an die Grenze heranreichten, noch verschärft. Zur Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen fehlten auf dem eigenen Grundstück der Antragsteller rund 440 m²; beim streitigen Vorhaben liege der Fehlbetrag demgegenüber nur bei ca. 337 m². Abgesehen davon, dass die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet privater Rechte Dritter ergehe, liege eine Löschungsbewilligung der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2016 für die Baubeschränkung aus dem Jahr 1911 vor.

Die Vorschläge des zur fachlichen Einschätzung des Denkmalwerts und seiner Beeinträchtigung berufenen Landesamts für Denkmalpflege habe die Beigeladene in die am 7. August und 18. September 2015 eingereichten Unterlagen vollständig eingearbeitet. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass keine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds des Denkmals der Antragsteller vorliege, die schutzwürdige Westfassade bleibe uneingeschränkt sichtbar, die Ostfassade sei jedenfalls durch den Anbau der Balkone in ihrem Wert erheblich reduziert und nicht mehr schutzwürdig. Ebenso wenig beeinträchtige das Vorhaben das Ensemble. Die Sichtachsen an der Kreuzung F.-/V.-straße blieben unverändert erhalten. Im Bescheid habe sich die Antragsgegnerin mit den von den Antragstellern vorgetragenen denkmalrechtlichen Belangen auseinandergesetzt und sei nach der Übernahme der fachlichen Vorschläge des Landesamts für Denkmalpflege zutreffend zu dem konkludenten Schluss gekommen, dass es keiner Versagung der denkmalrechtlichen Erlaubnis bedürfe.

Von dem nur im Süden im First 17 m hohen, nach Norden jedoch auf 11,75 m und 8,50 m abgestuften Vorhaben gingen keine erdrückenden oder gar einmauernden Wirkungen zulasten des Antragstellergrundstücks aus. Die Antragsteller könnten nicht beanspruchen, dass zur Reparatur der von ihnen selbst verursachten Lage auf dem Nachbargrundstück die volle Abstandsflächentiefe von 1 H eingehalten wird.

Die Zufahrt zur Tiefgarage sei straßennah geplant, die Rampe werde eingehaust. Die Lärmentwicklung werde dadurch auf ein sozialadäquates Maß reduziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die Bauakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.Die zulässige Beschwerde führt nicht zur Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das den Eilantrag gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. Dem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringen ist bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu entnehmen, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2016 gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften verstößt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die gegen die Baugenehmigung anhängige Klage bleibt voraussichtlich ohne Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Antragsteller durch die Baugenehmigung nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 BayBO in ihren Rechten verletzt sind.

1.1 Der am 7. August 2015 bei der Antragsgegnerin eingegangene Bauantrag hat ein Vorhaben der Gebäudeklasse 5 (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BayBO) sowie eine Mittelgarage (§ 1 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 GaStellV) zum Gegenstand, weshalb es gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen und zu verbescheiden war (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Da die Beigeladene zusammen mit dem Bauantrag - neben zwei weiteren auf der Ost- bzw. Südseite des Vorhabens - auch einen Antrag auf Abweichung (Art. 63 Abs. 1 BayBO) von den nach Westen anfallenden Abstandsflächen gestellt hatte, war dieser Punkt nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ebenfalls Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung.

Der Bescheid vom 29. Januar 2016 führt (unter der Überschrift „Gründe II. Abweichungen A. Bauordnungsrecht 3.“) dazu auszugsweise wörtlich aus:

„Bei der westlichen und östlichen Grundstücksgrenze fallen keine Abstandsflächen im Sinne von Art. 6 (5) Satz 1 und 2 BayBO an, wenn sich gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen ergeben.

In dem gesamten Areal des B.-viertels werden seitliche Abstandsflächentiefen in der Regel nicht auf dem eigenen Flurstück eingehalten. So verhält es sich auch in der unmittelbaren Nachbarschaft des antragsgegenständischen Grundstücks. Sowohl auf den Grundstücken FlNr. ..., ..., ... sowie ... werden die Abstandsflächentiefen unterschritten.

Zum Grundstück FlNr. ... und FlNr. ... ergibt sich ein Austauschverhältnis gegenseitig reduzierter bzw. sich überlagernder Abstandsflächen:

Die Abstandsflächen des beantragten Mehrfamilienwohnhauses würden zu der westlichen Grundstücksgrenze (Grundstück FlNr. ...) zudem auf eine kleinere Fläche des westlichen Nachbargrundstücks (336,87 m²) fallen als die Abstandsfläche der westlichen Bebauung auf das Baugrundstück (440,32 m²). Somit ist keine Abweichung zu der westlichen Grundstücksgrenze erforderlich. Das Gebot der Rücksichtnahme ist nicht verletzt.“

Zur Klarstellung ist zu ergänzen, dass das Grundstück FlNr. ... im Osten an das Baugrundstück anschließt, dessen Eigentümerin die Bauvorlagen unterschrieben hatte. Auch hier hielt die Antragsgegnerin aufgrund einer Vergleichsbetrachtung (183,90 m² theoretische Überschreitung durch das Vorhaben gegenüber 154,25 m² fiktiver Überschreitung durch die Nachbarbebauung) eine Abweichung für unnötig.

1.2 Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Antragsteller durch die Baugenehmigung schon deswegen nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt würden, weil in der Baugenehmigung keine die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller verkürzende Entscheidung getroffen worden sei (BA Seite 11 Rn. 31). Diese Ansicht teilt der Senat nicht.

Die - soweit ersichtlich, nur noch in Bayern - außerhalb von Kern-, Gewerbe- und Industriegebieten einzuhaltende gesetzliche Regelabstandsfläche beträgt 1 H, mindestens 3 m (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Bejaht die Bauaufsichtsbehörde die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO, weil in der maßgeblichen Umgebung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einheitlich abweichende, geringere als die Regelabstandsflächentiefen vorhanden seien, entscheidet sie damit zugleich, dass dieser - gesetzliche - Abweichungstatbestand vorliegt. Die erteilte Baugenehmigung erlaubt die Errichtung eines Gebäudes mit verkürzten Abstandsflächen auf der den Antragstellern zugewandten Seite. Insoweit kommt eine Verletzung ihrer Rechte in Frage. Es gibt keinen Grund dafür, weshalb die betroffenen Nachbarn die Richtigkeit dieser Entscheidung nicht zur verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stellen können sollten.

Aus den von der Beigeladenen als Stütze für die gegenteilige Auffassung herangezogenen Entscheidungen (BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147 = juris Rn. 16 bis 23; U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - BayVBl 2016, 414 = juris Rn. 33 bis 39) lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Im erstgenannten Fall geht aus den Entscheidungsgründen nicht hervor, ob eine Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers beantragt worden war (vgl. a. a. O. Rn. 16 und 17). Es wird lediglich festgestellt, dass insoweit keine Abweichung erteilt wurde und die streitige Zustimmungserklärung (Art. 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 Halbs. 1 BayBO) Erläuterungen darüber enthalte, weshalb keine Abweichung hinsichtlich des Antragstellers nötig gewesen sei. Die erteilten Abweichungen hätten (nur) die Einhaltung von Abstandsflächen zur südöstlichen Grundstücksgrenze und nicht das Grundstück des Antragstellers betroffen. Daraus lässt sich - anders als im vorliegenden Fall - nicht entnehmen, ob jene Bauerlaubnis davon ausgegangen ist, dass auf der Seite zum Antragsteller die vollen Abstandsflächen eingehalten waren oder dies aus anderen, aber nicht mitgeteilten Gründen nicht erforderlich schien. Abgesehen davon dürfte kaum zweifelhaft sein, dass eine ohne Antrag erfolgte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlichen Regel-Abstandsflächen schon alleine kraft ihres Regelungsgehalts für den jeweils betroffenen Nachbarn anfechtbar ist. Das an zweiter Stelle zitierte Urteil geht davon aus, dass nur ausdrücklich beantragte Abweichungen zum Prüfumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zählen. Unterlasse der Bauherr in Richtung auf einen bestimmten Nachbarn die Antragstellung, selbst wenn dies objektiv geboten wäre, und erteile die Bauaufsichtsbehörde auch nur die beantragten Abweichungen, folge daraus keine Verletzung der Rechte des nicht von diesen Abweichungen betroffenen Nachbarn. In dem hier zu entscheidenden Fall wurde jedoch auch eine Abweichung hinsichtlich des Grundstücks der Antragsteller („nach Westen“) beantragt und mit der Genehmigung eine Verkürzung der gesetzlichen Regelabstandsflächen (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) in diese Richtung für zulässig erklärt, weil ein Ausnahmetatbestand (Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO) gegeben sei. Die Baugenehmigung beschränkt sich damit nicht auf die Aussage, es sei keine Abweichung erforderlich (vgl. den erstgenannten Beschluss), sondern trifft zugleich eine positive Aussage zum Vorliegen eines abstandsflächenverkürzenden Ausnahmetatbestands.

1.3 Die Überprüfung des Art. 6 BayBO ergibt, dass Abstandsflächenvorschriften zulasten der Antragssteller nicht verletzt sind.

Dabei muss die sich aus dem Vorstehenden ergebende Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO vorliegen, ob also in der Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich einheitlich von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO abweichende, geringere Abstandsflächentiefen vorhanden sind, anlässlich dieser Eilentscheidung nicht geklärt werden (dazu 1.3.3). Denn jedenfalls liegen in Bezug auf die Einhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor (dazu 1.3.1). Die Abweichungsentscheidung kann bis zur Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung nachgeholt werden, weshalb die Interessenabwägung über die Vollziehbarkeit der noch nicht rechtskräftigen Baugenehmigung zugunsten der Beigeladenen ausfällt (dazu 1.3.2).

1.3.1 Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind gegeben.

Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Da bei den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO dem Schutzzweck der Norm nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, muss es im Einzelfall besondere Gründe geben, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Umstände vorliegen, die das Vorhaben als einen atypischen Fall erscheinen lassen und die dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 12 m. w. N.).

Die Besonderheiten dieses Falles, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber dem Grundstück der Antragsteller rechtfertigen, ergeben sich zunächst aus der Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit über einem Jahrhundert dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier („Beethovenviertel“). In diesem halten - wenn überhaupt - nur verschwindend wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen ein (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Hinzu kommt, dass das Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller die Abstandsflächen zum Baugrundstück selbst nicht einhält. In dieser Situation können die Antragsteller billigerweise nicht verlangen, dass die Beigeladene auf dem Baugrundstück entsprechende Flächen freihält (vgl. BayVGH, B. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 37 m. w. N.; VG München, B. v. 11.6.2015 - M 8 SN 15.1421 - juris Rn. 34 ff.: eine dennoch erhobene Rüge gegenüber einer „gleichgewichtigen“ Abweichung für das Neubauvorhaben verstieße gegen Treu und Glauben).

Die in den genehmigten Bauvorlagen (Pläne A-001 bis A-015, Zeichnungen vom 3.8. bzw. 3.12.2015) enthaltenen Angaben zugrunde gelegt, hält das rund 34 m lange und einschließlich des Dachs mit einer Neigung von etwa 80 Grad insgesamt knapp 18,60 m hohe Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller (FlNr. ...) auf seiner gesamten Länge im Osten nur einen Abstand von 3.91 m von der Grenze ein; das entspricht rund 0,21 H. Im Band 2/2 der nicht nummerierten Bauakten ist die Kopie einer Ansichtszeichnung der Ostwand des Baudenkmals abgeheftet, auf der unter anderem die (damals noch) geplanten Balkone dargestellt werden; auf der rechten Seite werden für die Gesamthöhe des Hauses 18,93 m angegeben. Das sich auf dieser Basis für H abzuleitende Ergebnis unterscheidet sich nur unwesentlich (auf der zweiten und dritten Stelle nach dem Komma: 0,207) von dem oben ermittelten Wert, darauf kommt es hier nicht an.

Auf dem Baugrundstück (FlNr. ...) stehen für die gegenüberliegenden Teile des insgesamt 33,20 m langen Neubauvorhabens Abstände im südlichen, 25,065 m langen und mit einem um 60 Grad geneigten Mansard-Dach versehenen ersten Teil 4,85 m zur Verfügung. Unter der vereinfachenden Annahme, dass das „Urgelände“ einheitlich 490,00 müNN gelegen ist, errechnet sich das Maß H (vgl. Art. 6 Abs. 4 BayBO) mit 17,19 m. Die drei nach Norden folgenden, insgesamt 8,135 m langen, flach gedeckten Abstufungen des Gebäudes sind gegenüber dem Südteil um zwischen vier bzw. einem Meter zurückgesetzt, die Grenzabstände betragen hier zwischen 8,85 m und 5,85 m.

Im Übrigen fällt bei einer Durchsicht der insgesamt 15 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärten Bauzeichnungen auf, dass für die erste nach Norden anschließende Stufe auf dem Plan A-008 (2. Tektur vom 3.12.2015, Dachgeschoss, M 1:100) im fraglichen Bereich nur ein 2,135 m tiefes und 5,98 m breites Dach dargestellt wird. Dieser Bauteil ist - wie oben schon angesprochen - 8,85 m von der Westgrenze des Baugrundstücks entfernt. In dem Plan A-013 (1. Tektur vom 3.8.2015, Nachbarbeteiligung, Grundrisse TG - DG, M 1:200) ist an dieser Stelle jedoch eine Dachterrasse enthalten. Diese findet sich einschließlich eines rund 1 m hohen Geländers auch auf den Ansichten Nord, West und Ost des Plans A-014, (1. Tektur vom 3.8.2015, Nachbarbeteiligung, Ansichten - Schnitte - Außenanlage, M 1:200) wieder. Auf den Plänen A-011 und A-012 (je 2. Tektur vom 3.12.2015, M 1.100, Ansicht Nord- und Ostseite bzw. Ansicht Westseite) fehlen die vorbeschriebenen Eintragungen. Der Plan A-015 (1. Tektur vom 3.8.2015, Barrierefreiheit der Wohnungen je Geschoss, M 1:200) zeigt demgegenüber im Dachgeschoss jene Terrasse in der Draufsicht. Eine Klarstellung, dass insoweit nur die 2. Tektur verwirklicht werden soll, fehlt bislang.

Aus den erwähnten Unterlagen errechnen sich für die Westseite des Bauvorhabens von Süd nach Nord entlang des rund 25,06 m langen Gebäudeteils 0,28 H. Da die genehmigten Pläne nach dem gegenwärtigen Stand auf der Dachgeschossebene auch die Anlage einer Dachterrasse auf dem nach Norden folgenden, 2,135 m langen ersten Teilstück der Abtreppungen erlauben, und das obere Ende dieses versetzten Wandteils auf der Höhe des oberen Abschlusses des Geländers anzusetzen wäre, würde das Maß dort H 15,90 m betragen (bei einem Fußpunkt von 490 müNN, vgl. oben). Auf dem Baugrundstück würden angesichts der Distanz von 8,85 m bis zur Grenze damit rund 0,56 H eingehalten. In die endgültige Berechnung, welchen Teil der vollen Abstandsflächen das Bauvorhaben hier auf dem eigenen Grundstück einhält, geht dieses Zwischenergebnis allerdings nicht ein. Denn für die im 2. Obergeschoss liegende, 5,13 m lange Terrasse fällt die Rechnung wegen der dort nur 5,85 m betragenden Entfernung zur Grenze ungünstiger aus. Der Quotient beträgt hier 0,46 H (H = 12,75 m, Fußpunkt wie zuvor). Auf dem letzten, 3,00 m langen Teilstück werden 0,62 H (H = 9,50 m) erreicht.

Nur am Rand sei bemerkt, dass der mit Genehmigungsstempel vom 29. Januar 2016 versehene Abstandsflächenplan (Bauvorlage A-001 vom 3.12.2015, 2. Tektur vom 3.12.2015, M 1:200) im Bereich der höchsten, 2,13 m langen Abstufung (ohne Terrasse in der 4. Obergeschossebene, H demnach 14,90 m) irrigerweise davon ausgeht, dass dieser Bauteil im fraglichen Bereich der für die Darstellung der tatsächlich benötigten Abstandsflächen maßgebende wäre. Wegen der um drei Meter geringeren Entfernung zur Grundstückgrenze fehlen allerdings für die Terrasse im 2. Obergeschoss 6,90 m bis zu den vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück; beim Flachdach im 3. Obergeschoss sind das nur 6,05 m (14,90 m abzüglich 8,85 m). Auch diese Ungenauigkeit in den genehmigten Plänen hat auf den Vergleich, in welchem Umfang die Abstandsflächen vom Bestand auf dem Grundstück der Antragsteller einerseits und vom Vorhaben andererseits unterschritten werden, keinen Einfluss. Dabei geht es nur um eine pauschalierende und nicht um eine zentimetergenaue Gegenüberstellung.

Unabhängig von dem in der Begründung zur Baugenehmigung wiedergegebenen, aus der genehmigten Bauvorlage A-001 im Maßstab 1:200 übernommenen Vergleich von Flächen („Abstandsfläche der FlNr. ... auf FlNr. ...: 440,32 m²“ und „Fläche über FlNr. ...: 336,87 m²“) folgt jedoch auch aus der hier angestellten, vom gesetzlich definierten Maß H gemäß Art. 6 Abs. 4 BayBO) ausgehenden Betrachtung, dass das mit der Baugenehmigung zugelassene Heranrücken des streitigen Vorhabens im Grenzbereich zum Grundstück der Antragsteller unter dem Blickwinkel wechselseitig unterschrittener Abstandsflächen grundsätzlich vertretbar ist.

Gemessen am Schutzzweck der Abstandsvorschriften führen die beiderseitigen Abweichungen nicht zu schlechthin untragbaren Verhältnissen (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO, vgl. BayVGH, U. v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Ls und Rn. 45 bis 47). In dem von der F.-, der V.-, der M...- und der S.-straße begrenzten Geviert waren beispielweise der (niedrigere) Altbestand auf dem Baugrundstück und das Haus der Antragsteller und sind die Häuser M.-straße 5 ½ und 7 (jeweils drei- bis viergeschossig mit Mansarddächern bzw. verschiedenen Dachaufbauten) ebenfalls nur rund 8 m voneinander entfernt. Vergleichbares findet sich auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Seite der F.-straße jeweils zwischen den Gebäuden mit den Hausnummern 1, 3, 5/7 und 9 sowie V.-straße 29 (je mindestens dreigeschossiger älterer Baubestand mit variierenden Dachformen samt unterschiedlichen Neigungen). Nach den in den Akten enthaltenen Lageplänen betragen die Gebäudeabstände dort zwischen 5,50 m und rund 8 m. Dass bei diesen Größen- und Lageverhältnissen in den jeweils gegenüberliegenden unteren Geschossen der durch die Abstandsvorschriften grundsätzlich angestrebte Standard für die Belichtung bei Tag verfehlt wird, führt für sich gesehen nicht zu schlechthin untragbaren Verhältnissen.

Soweit sich in den südöstlichen Bereichen der beiden unteren Geschosse des Hauses der Antragsteller Lichteinfallswinkel ergeben, die von 45 Grad zur Waagerechten abweichen (vgl. zu dieser Anforderung Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Abs. 7 BayBO in der bis 31.8.1982 geltenden Fassung), ist dies überwiegend auf die hier bis nahe an die Ostgrenze erfolgte bauliche Ausnutzung ihres Grundstücks und - wie zuvor dargestellt - nur in deutlich geringerem Maß auf das streitige Vorhaben zurückzuführen.

Angesichts eines Gebäudeabstands von mindestens 8,76 m im südlichen und 9,76 m im nördlichen Teil kann hier aber auch nicht von als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen gesprochen werden. Ein ähnlich nahes Aneinanderrücken benachbarter Häuser ist im näheren und weiteren Umgriff des Vorhabens häufig anzutreffen. Diese verbreitete bauliche Situation verleiht dem überwiegend historisch bebauten „Beethovenviertel“ - neben anderem - seine typische Prägung.

1.3.2 Die Abweichungsentscheidung ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache nachholbar.

Die festgestellte „Nachbesserungsbedürftigkeit“ der Baugenehmigung wirkt sich im Rahmen der im Eilverfahren zu treffenden Interessenabwägung nicht zugunsten der Antragsteller aus. Durch eine entsprechende Ergänzung im Tenor der Baugenehmigung und der sachdienlichen Anpassung der erforderlichen Begründung (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BayBO) kann die aus der Sicht des Senats fehlende Abweichung ohne weiteres kurzfristig nachgeholt werden (vgl. BayVGH, B. v. 30.9.1993 - 26 CS 93.1646 - n. v: Ergänzung um zeitliche Nutzungsbeschränkungen; B. v. 17.6.1994 - 20 CS 94.1555 - BayVBl 1995, 246 = juris Ls und Rn. 15 f.: entweder tatsächliche Verkürzung von Balkonen oder Zulassung einer Abweichung hierfür nach Art. 77 Abs. 1 BayBO 1994; B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 14 und 23: durch nachträgliche Lärmschutzauflagen kann ein in Betracht kommender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ausgeräumt werden; B. v. 8.8.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8: nachträgliche Tektur der Umwehrung einer Dachterrasse; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO hinsichtlich der Abstandsflächen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens).

In der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sind bereits wesentliche Teile der unter 1.2.1 erörterten rechtlichen Gesichtspunkte enthalten (so auf den Seiten 3 und 7: Nichteinhaltung der Abstandsflächen im Umgriff des Vorhabens, auch auf dem Antragstellergrundstück; Vergleich der wechselseitigen Unterschreitungen). Im Grunde genommen hat sich der Bescheid mit den diesbezüglichen Einwänden der Antragsteller auch schon „abwägend“ befasst. Rechtsirrig ist allerdings die Annahme, bei sich „wechselseitig überlagernden Abstandsflächen“ sei „somit keine Abweichung zu der westlichen Grundstücksgrenze erforderlich“.

1.3.3 Die Frage, ob in der Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich einheitlich von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO abweichende, geringere Abstandsflächentiefen vorhanden sind, kann offen bleiben.

Die hier erwogene Lösung der abstandsrechtlichen Fragen verdient schon wegen der Vermeidung eines anderenfalls nötigen gerichtlichen Augenscheins zur Feststellung, ob „sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben“, den Vorzug. Der in Reaktion auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714 - VGHE 60, 32 = juris Ls und Rn. 13 bis 16: die Voraussetzung eines Baus „an der Grundstücksgrenze“ ist bei einem Abstand von 35 bis 60 cm nicht gegeben) mit Wirkung vom 1. August 2009 in Art. 6 Abs. 5 BayBO eingefügte Satz 4 soll die notwendige Harmonisierung der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Maßstäbe bewirken [vgl. LT-Drs. 16/375 Seite 11 Zu Nr. 5 a)]. Unzuträgliche Verhältnisse könnten schon deshalb nicht entstehen, weil § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB die Zulässigkeit auch von sich in die Umgebung einfügenden Vorhaben ausschließe, wenn die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht gewahrt bleiben.

Wegen des mit der Feststellung „einheitlich abweichender Abstandsflächentiefen“ zwangsläufig verbundenen Aufwands und der schwierigen Abgrenzung zu nicht ausreichender „diffuser Bebauung“ (LT-Drs. 16/375 S. 11) bleibt der Anwendungsbereich der Vorschrift begrenzt. In der Mehrzahl der hierzu ergangenen Entscheidungen wird die Anwendbarkeit der Vorschrift verneint oder offen gelassen (vgl. neben zahlreichen weiteren Erkenntnissen z. B. BayVGH, B. v. 30.6.2011 - 2 CS 11.824 - juris Rn. 6 bis 8; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 15 bis 20; B. v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634 = juris Rn. 12). Soweit ersichtlich wurden insoweit nur zwei Streitfälle auf der Grundlage dieser Vorschrift entschieden (BayVGH, U. v. 7.3.2013 - 2 BV 11.882 - BayVBl 2013, 634 = juris Ls und Rn. 26 bis 30: Pavillonabstände in der Landeshauptstadt München; VG Augsburg, U. v. 30.7.2015 - 5 K 14.1340 - juris Rn. 52 bis 54).

Im vorliegenden Fall reicht der Akteninhalt nicht aus, um ausreichend sicher beurteilen zu können, ob die vom Gesetz verlangte Einheitlichkeit abweichender Abstandsflächentiefen in der maßgeblichen Umgebung existiert. Die in der Beschwerdebegründung detailliert geäußerten Zweifel sind jedenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

2. Aus der im Grundbuch für das Baugrundstück zugunsten der Stadt Augsburg eingetragenen Baubeschränkung können die Antragsteller kein Abwehrrecht herleiten. Ein schlüssiger Vortrag dafür, inwiefern die im Jahr 1911 bestellte Dienstbarkeit Nachbarschutz vermitteln sollte, fehlt. Die darin enthaltenen Höhenbeschränkungen können - ohne ein Gegenseitigkeitsverhältnis der betroffenen Grundeigentümer zu begründen - auch aus rein städtebaulichen Gründen entworfen und dinglich gesichert worden sein. Ferner handelt es sich bei dieser Ausgestaltung um private Rechte Dritter, die anlässlich der Erteilung einer Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 4 BayBO „unbeschadet“ bleiben. Am 20. Juni 2016 hat die Berechtigte im Übrigen die Löschung der Baubeschränkung bewilligt.

3. Den von den Antragstellern geltend gemachten denkmalrechtlichen Abwehranspruch (Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 DSchG, grundlegend dazu BayVGH, U. v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - VGHE 66, 5 = juris Ls und Rn. 21 f.; B. v. 10.6.2014 - 15 CS 14.692 - juris 15: das Abwehrrecht des Denkmaleigentümers geht nicht über den Rahmen dessen hinaus, was Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Mindestschutz verlangt), hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen als nicht gegeben angesehen. Hierauf wird Bezug genommen.

Von einer, wie die Beschwerde meint, „Verdrängung“ und „Übertönung“ des Baudenkmals durch das Vorhaben oder einer „Entstellung des Gesichts“ des Ensembles V.-/F.-straße durch dessen Hinzutreten kann auch nach Auffassung des Senats nicht die Rede sein. Der Neubau ist weder höher noch in seinen nach Westen bzw. zur Straße hin weisenden Teilfronten länger als das vorhandene Baudenkmal. Die Beigeladene weist in ihrer Erwiderung auf die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die äußere Erscheinung des Vorhabens im Rahmen zweier Tekturen an die Vorschläge des Landesamts für Denkmalpflege angepasst wurde und die Straßenfassaden des Eckhauses der Antragsteller keine Beeinträchtigung erfahren. Angesichts der Heterogenität der Stellung der Baukörper im Quartier und der dabei schon bisher erreichten Bautiefen durften die Antragsteller nicht davon ausgehen, dass ein Neubau auf dem Baugrundstück nur unmittelbar entlang der F.-straße errichtet wird. Insbesondere die erst kürzlich auf der zum Baugrundstück weisenden Rückseite des Denkmals angebauten sechs deutlich auskragenden Balkone bilden mit ihren dunklen, geschlossen wirkenden Stirnbrüstungen optisch eher Fremdkörper in der bisher einheitlichen, in hellen Farbtönen gehaltenen Fassade. Es ist plausibel, wenn die Beigeladene deshalb auf dieser Seite von einer geminderten Schutzwürdigkeit des Baudenkmals ausgeht.

4. Das sich in die maßgebliche nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügende Vorhaben ist nicht rücksichtslos.

Das Verwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen das im Einfügungserfordernis des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl 1981, 928 = juris Ls 2 und Rn. 32, 35) wegen der hier annähernd identischen Höhe und Geschossanzahl des Bauvorhabens und des Gebäudes der Antragsteller unter anderem mit der Erwägung verneint, eine erdrückende oder Riegelwirkung könne nicht angenommen werden (BA Seite 16, Rn. 45). Damit nimmt das Verwaltungsgericht auf eine in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vertretene Ansicht Bezug (vgl. B. v.11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5); in jenem Fall waren allerdings die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften offensichtlich eingehalten (a. a. O. Rn. 6).

Die Verweise auf die Länge des Vorhabens von 34 m und den Abstand von 4,85 m zur Grenze bei fünf Vollgeschossen verhelfen der Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg. Denn neben dem eben genannten Argument hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme jedenfalls im Ergebnis zutreffend auch auf die bebauungsrechtliche Prägung und die damit verbundenen tatsächlichen Vorbelastungen abgestellt (vgl. BA Seite 13 Rn. 38).

Bei Wohnbauvorhaben ist eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots ausgeschlossen, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, B. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - BayVBl 1999, 568 = juris Ls 2 und Rn. 6, zweigeschossiges Sechsfamilienhaus neben Flachdachbungalow). Ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, hängt nicht davon ab, ob die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten sind (BVerwG, B. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - a. a. O. Ls 1 und Rn. 3).

Das Verwaltungsgericht hat die danach allein nach den in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten - Art und Maß der Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche - vorzunehmende Beurteilung zwar unter dem Blickwinkel der Prüfung einheitlich abweichender Abstandsflächen (Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO) vorgenommen (vgl. BA Seiten 13 bis 16, Rn. 39 bis 43). In der Bebauung in der Umgebung hat die Kammer „eine städtebauliche Systematik im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB“ erkannt, „die eine Unterschreitung der nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geforderten Tiefe der Abstandsflächen zulässt“ (a. a. O. Rn. 43). Gegen die darin zugleich enthaltene Feststellung, dass das Planungsrecht der genehmigten grenznahen Bebauung nicht entgegensteht, erhebt die Beschwerde weder ausdrücklich noch inzident Einwände. Letztere beschränken sich auf die Infragestellung „einheitlich abweichender Abstandsflächen“ mangels „hinreichend homogener Bebauung“. Wie unter 3. schon angesprochen, wird auch die Bebauungstiefe des Vorhabens innerhalb des Gevierts, in dem es verwirklicht werden soll, auf im Osten benachbarten Grundstücken deutlich überschritten. Eine vergleichbar grenznahe Bebauung „in die Tiefe“ des Gevierts zeichnet gerade die Rückseite des Anwesens der Antragsteller vor. Das genehmigte Wohngebäude fügt sich damit nach allen in Betracht kommenden Kriterien in seine Umgebung ein. Dass durch die Errichtung des Vorhabens die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB) auf dem Grundstück der Antragsteller in Frage gestellt würden, hat keiner der am Rechtstreit Beteiligten behauptet. Die mit dem streitigen Vorhaben verbundenen Einschränkungen bei der Belichtung der nach Osten ausgerichteten Untergeschossbereiche sind von den Antragstellern hinzunehmen. Für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit bleibt danach kein Raum.

5. Die Benutzung der Zufahrt zur Tiefgarage, die unmittelbar an der beiderseitigen Grundstücksgrenze beginnt, lässt keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für das Grundstück der Antragsteller erwarten. Nach einem an die öffentlichen Verkehrsflächen - hier den nördlichen Fußweg entlang der F.-straße - anschließenden Stauraum von 5 m Länge beginnt eine vollständige, in das Baugrundstück führende Einhausung der Ein- und Ausfahrtsrampe. Bereits bevor die Nutzer der Tiefgarage mit ihren Fahrzeugen auf die Höhe des südöstlichen Ecks der Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller gelangen, befinden sie sich innerhalb eines baulich geschlossen Bereichs. Vergleichbares gilt beim Verlassen der Anlage; lediglich in dem kurzen Teilstück des Stauraums unmittelbar an der Straße können sich Fahrgeräusche ungehindert in Richtung Westen zum Grundstück der Antragsteller ausbreiten. Inwiefern es unter diesen Umständen zu unzumutbarem Verkehrslärm, einem „Schalltrichtereffekt“ soll kommen können, ist nicht ersichtlich. Zwischen den gegenüberliegenden Hauswänden findet kein oberirdischer Fahrverkehr statt.

6. Kosten: § 154 Abs. 2, Abs. 3 Halbs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) - wie Verwaltungsgericht.

7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Januar 2012 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 trägt die Klägerin. Die Beigeladene zu 1 trägt in beiden Rechtszügen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 2 war notwendig.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckendes Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen einen Widerspruchsbescheid, mit dem eine ihr erteilte Baugenehmigung aufgehoben wurde. Im Berufungsverfahren begehrt die Beigeladene zu 2 die Aufhebung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem denkmalgeschützten, dreigeschossigen Wohn- und Geschäftshaus (sog. O.haus) bebauten, in der historischen Innenstadt von A. gelegenen Grundstücks FlNr. 573/5 Gemarkung A. Die Beigeladene zu 2, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin des westlich angrenzenden Grundstücks FlNr. 573/4, das mit einer durch Bescheid der Beigeladenen zu 1 von Oktober 1983 genehmigten Reihenhauswohnanlage bebaut ist. Beide Grundstücke wurden anlässlich der Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen zu 2 aus dem Grundstück FlNr. 573 (alt) herausgemessen. Sie liegen im Geltungsbereich der am 23. Juni 1989 bekannt gemachten Bebauungspläne Nr. 435 „...“ und Nr. 444 „...“, geändert durch den am 8. April 2011 bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 445 „...“.

Im November 2003 beantragte die Klägerin zur Verbesserung der Nutzungsqualität der Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss des Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 573/5 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau von vier Balkonen auf der Westseite mit den Außenmaßen jeweils von 4,61 m x 1,63 m als vorgehängte Stahlkonstruktionen, wobei sich die Balkone im Luftraum teilweise über dem Grundstück der Beigeladenen zu 2 befinden. Zugleich beantragte sie die Erteilung einer Befreiung von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen. Die Bauvorlagen wurden für die Beigeladenen zu 2 vom damaligen Verwalter als Wohnungseigentümer unterschrieben.

2. Mit Bescheid vom 2. Februar 2004 genehmigte die Beigeladene zu 1 nach Art. 73 Abs. 1 BayBO 1998 das Vorhaben mit der Auflage, dass die maximale Ausladung der Balkone 1,50 m beträgt. Zugleich stellte sie fest, dass die Balkonanbauten an der westlichen Grundstücksgrenze den Abstandflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 4 BayBO 1998 widersprächen, wonach zu dieser Grundstücksgrenze eine Abstandsflächentiefe von 7,90 m eingehalten werden müsse. Sie ließ gemäß Art. 70 BayBO 1998 eine Abweichung von dieser baurechtlichen Anforderung zu. Der Baugenehmigungsbescheid wurde nur der Klägerin zugestellt.

Mit Formblatt vom 6. Juli 2006, geändert durch Schreiben vom 2. August 2006, stellte die Klägerin Bauantrag für eine „Tektur“ der Balkone unter Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans und unter Zulassung einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Nach den vorgelegten Planzeichnungen sollen die Balkone abweichend von der erteilten Baugenehmigung nicht als Hängekonstruktion, sondern mit Balkonstützen an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen zu 2 ausgeführt werden. Dem Antrag ist die Erklärung eines Ingenieurbüros für Tragwerksplanung vom 5. Juli 2006 an die Klägerin beigegeben, wonach „die geplanten Balkone … aus statischen Gründen mit einer durchgehenden Stützung mit Gründung auf Einzelfundamten auszuführen (seien), da eine auskragende Konstruktion mit ausschließlicher Verdübelung an der Außenwand nicht möglich (sei)“. Weiterhin ist dem Bauantrag eine von dem planenden Architekten und der Klägerin unterzeichnete Erklärung vom 5. Juli 2006 beigefügt, dass „die bisher geplante hängende Wandkonstruktion verworfen wird, um nicht in das lt. Statik ansonsten zu stark belastete best. alte Mauerwerksgefüge sowie nicht zu viel in best. Friese und Gesimse eingreifen zu müssen“. Die Maße sollten wie im genehmigten Bauantrag verbleiben. Über diesen Antrag ist bislang nicht entschieden. Im Herbst 2006 errichtete die Klägerin die Balkone entsprechend diesem Antrag.

Nachdem sich der Verwalter der Beigeladenen zu 2 mit mehreren Schreiben von Oktober und November 2006 an die Beigeladene zu 1 gegen die Errichtung der Balkone gewandt hatte, gab die Beigeladene zu 1 die Baugenehmigung vom 2. Februar 2004 am 15. Dezember 2006 im Amtsblatt nach Art. 71 Abs. 2 Satz 4 und 5 BayBO 1998 öffentlich bekannt. Am 3. Januar 2007 erhob die Beigeladene zu 2 durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen die Baugenehmigung.

Eine zivilrechtliche Klage der Beigeladenen zu 2 gegen die Klägerin, die unter anderem auf Beseitigung der Balkone gerichtet war, wies das Landgericht A. mit Urteil vom 4. April 2008 (Az. 10 O 1055/07) hinsichtlich der Balkone ab. Die Berufung der Beigeladenen zu 2 wies das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 24. September 2008 (Az. 27 U 348/08) zurück.

Mit Schreiben vom 21. September 2009 teilte die Klägerin der Regierung von Schwaben als Widerspruchsbehörde mit, dass nach Art. 83 Abs. 1 BayBO 2008 auf das Bauvorhaben nunmehr die Bayerische Bauordnung in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung angewandt werden solle, so dass das Abstandsflächenrecht nicht mehr zu prüfen sei.

3. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 hob die Regierung von Schwaben die Baugenehmigung auf. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an: Mit der Ausübung des Wahlrechts seien die Abstandsflächenvorschriften zwar grundsätzlich nicht mehr Prüfungsgegenstand. Bei Nichteinhaltung der Abstandsflächen sei jedoch weiterhin eine Abweichung zu beantragen. Im Baugenehmigungsbescheid sei ausdrücklich eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften erteilt worden. Diese würde in Bestandskraft erwachsen, wenn sie nicht aufgehoben werde. Abstandsflächen seien weder nach altem noch nach neuem Recht eingehalten. Aus diesem Grund sei im Widerspruchsverfahren eine Prüfung im Hinblick auf die Abstandsflächen vorzunehmen. Im Übrigen dürfe die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO in der seit 1. August 2009 geltenden Fassung bei Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften abgelehnt werden, wenn gegen Vorschriften außerhalb des Prüfkatalogs verstoßen werde. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung lägen nicht vor. Es seien weder eine nur geringfügige Abstandsflächenüberschreitung noch eine atypische Grundstückssituation gegeben.

4. Auf die hiergegen erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht Augsburg den Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 26. Januar 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei gegeben, weil mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheids die Baugenehmigung vom 2. Februar 2004 wiederauflebe. Die Klage sei auch begründet. Der Widerspruch der Beigeladenen zu 2 sei zwar zulässig gewesen. Insbesondere habe die Beigeladene zu 2 dem Bauantrag nicht nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO wirksam zugestimmt, weil der damalige Verwalter der Beigeladene zu 2 die Bauvorlagen nur für sich selbst, nicht aber für die Wohnungseigentümergemeinschaft unterschrieben habe. Ebenso wenig sei der Widerspruch verfristet, weil die Baugenehmigung der Beigeladenen zu 2 erstmals mit Schreiben vom 29. November 2006 übersandt worden sei. Auch habe die Beigeladene ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt. Der Widerspruch sei aber nicht begründet. Ob die Klägerin im Widerspruchsverfahren auf den Nachbarwiderspruch der Beigeladenen zu 2 hin ihr Verfahrenswahlrecht nach Art. 83 Abs. 1 BayBO wirksam habe ausüben können, könne dahingestellt bleiben. Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass Abstandsflächenrecht noch zu prüfen sei, läge ein Verstoß gegen Nachbarrechte der Beigeladenen zu 2 nicht vor. Zwar müssten die Balkone, die wegen ihrer Maße hier nicht mehr als untergeordnete Bauteile im Sinn des Art. 6 Abs. 8 Nr. 2b BayBO einzustufen seien, grundsätzlich eigene Abstandsflächen einhalten. Da die fiktive Außenwand der Balkone aber bereits auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2 liege, seien die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO nicht erfüllt. Vielmehr liege ein Verstoß gegen das Überdeckungsverbot nach Art. 6 Abs. 3 BayBO vor. Zwar sei eine erforderliche Abweichung insoweit nicht erteilt worden. Ob der Nachbar hierdurch in seinen Rechten verletzt werde, sei aber nach der gesetzgeberischen Wertung in Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zu beurteilen. Eine Abweichung sei im Hinblick auf den Schutzzweck des Abstandsflächenrechts hier vertretbar. Eine atypische Situation sei gegeben, weil die Grundstücke im dicht bebauten innerstädtischen Bereich mit zum Teil historischer Bausubstanz lägen und weil die Situation durch eine Grundstücksteilung entstanden sei, als das Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin bereits errichtet gewesen sei. Die Zulassung der Abweichung sei mit den Nachbarbelangen und mit öffentlichen Belangen vereinbar. Gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts werde nicht verstoßen, weil die im Bebauungsplan Nr. 435 festgesetzten Baugrenzen nicht dem Nachbarschutz dienten. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt.

5. Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Beschluss des Senats vom 7. Dezember 2012 (15 ZB 12.838) zugelassene Berufung der Beigeladenen zu 2. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Angesichts der erheblichen Maßabweichungen der tatsächlichen Ausführung der Balkone von der Baugenehmigung stelle sich die Frage, ob diese überhaupt noch wirksam sei. Jedenfalls sei der Widerspruchsbescheid rechtmäßig, weil die Baugenehmigung nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts verletze. Auch unter Zugrundelegung des neuen Rechts müsse eine Überprüfung der mit der Baugenehmigung zugleich erteilten Abweichung vorgenommen werden, damit diese nicht bestandskräftig werde. Eine Abweichung sei erforderlich, soweit sich die Abstandsflächen der Balkone auf das Grundstück der Beigeladenen zu 2 erstreckten. Die Klägerin könne abstandsflächenrechtlich nicht besser gestellt werden, weil sie die Balkone teilweise auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2 errichtet habe. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung seien nicht erfüllt, weil weder eine atypische Grundstücksituation vorliege noch eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen vereinbar sei. Das Verwaltungsgericht verkenne vor allem, dass von den sich überdeckenden Abstandsflächen jedenfalls die Abstandsfläche vor dem Gebäude der Beigeladenen zu 2 vollständig auf dem eigenen Grundstück liege.

Die Beigeladene zu 2 beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Januar 2012 zu ändern und die Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 15. Dezember 2009 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Baugenehmigung sei infolge der planabweichenden Errichtung der Balkone nicht erloschen. Sollten die Balkone tatsächlich 30 cm tiefer ausgeführt worden sein als beantragt, liege darin keine wesentliche Abweichung von der Genehmigung. Von einem „aliud“ könne nicht gesprochen werden. Abstandsflächenvorschriften seien nicht verletzt. Selbst wenn die Balkone gegen die Abstandsflächenvorschrift des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO verstießen, wäre der Verstoß durch die zugelassene Abweichung geheilt. Das gelte auch für einen Verstoß gegen das Überdeckungsverbot. Eine Verschlechterung der Situation des Grundstücks der Beigeladenen zu 2 würde sich weder im Hinblick auf die Belichtung oder Belüftung noch den Brandschutz ergeben. Der Wohnfriede sei kein vom Abstandsflächenrecht erfasstes Schutzgut mehr. Der Nachbar sei nicht rechtlos gestellt. Zum einen könne er sich an die Zivilgerichte wenden. Zum anderen sei zu prüfen, ob eine Abweichung zugelassen werden könne. Dies sei vom Verwaltungsgericht zutreffend bejaht worden. Maßgeblich sei, dass die Balkone in den Abstandsflächen des Bestandsgebäudes lägen, so dass keine zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs- und Belüftungssituation gegeben sei. Eine Nachbarrechtsverletzung der Beigeladenen zu 2 sei daher nicht erkennbar.

Der Beklagte stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, die Berufung sei begründet. Der Widerspruchsbescheid sei rechtens. Auch wenn man wegen der Ausübung des Verfahrenswahlrechts durch die Klägerin annehme, dass Abstandsflächenvorschriften nicht mehr Prüfungsgegenstand seien, habe die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO aufgehoben werden können, weil die Balkone die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhielten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Balkone Abstandsflächen auf dem Grundstück der Klägerin nicht einhalten müssten, weil die westliche Außenwand des Gebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2 liege, werde nicht geteilt. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssten die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen. Wegen des Überbaus sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Auf die Frage, ob auch gegen das Überdeckungsverbot verstoßen werde, komme es nicht an. Die zugelassene Abweichung sei unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Abstandsflächenrechts, wozu auch der Wohnfriede zähle, mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar.

Die Beigeladene zu 1 stellt ebenfalls keinen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1 vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 15. Dezember 2009 zu Unrecht aufgehoben. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid ist bereits unzulässig (I.), sie wäre aber auch unbegründet (II.).

I.

Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid ist unzulässig.

Zwar ist die Klage gegen den isolierten Widerspruchsbescheid nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Klägerin fehlt für die Klage aber das Rechtsschutzinteresse.

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt im Regelfall vor und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung. Wenn die Rechtsordnung ein materielles (Abwehr-)Recht gewährt, spricht sie in aller Regel auch demjenigen, den sie als Inhaber dieses Rechts ansieht, das Interesse an einem gerichtlichen Schutz dieses Rechts zu. Das Bedürfnis für einen Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz fehlt aber dann, wenn die Inanspruchnahme des Gerichts für den Rechtsschutzsuchenden nutzlos erscheint, weil die begehrte gerichtliche Entscheidung offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BVerwG, U. v. 22.2.2012 - 6 C 11.11 - BVerwGE 142, 48 Rn. 27; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 335 m. w. N.).

So liegen die Dinge hier. Die Klägerin kann durch die Aufhebung des Widerspruchsbescheids und das damit verbundene Wiederaufleben der streitgegenständlichen Baugenehmigung ihre Rechtsstellung in keiner Weise verbessern, weil sich die Baugenehmigung infolge ihres „Tekturantrags“ vom 6. Juli 2006 und der planabweichenden Ausführung des Vorhabens im Herbst 2006 entsprechend diesem Antrag gemäß Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG „auf andere Weise“ erledigt und damit ihre Wirksamkeit verloren hat.

1. Nach den Umständen des Verfahrens ist anzunehmen, dass die Klägerin mit ihrem „Tekturantrag“ vom 6. Juli 2006 auf die Baugenehmigung vom 2. Februar 2004 verzichtet hat. Dies ergibt sich nicht nur aus der planabweichenden Realisierung des Vorhabens entsprechend diesem Antrag, sondern vor allem auch aus dem Inhalt des „Tekturantrags“ selbst. Aus diesem geht eindeutig hervor, dass sie die bisherige Planung nicht aufrechterhalten wollte und konnte. Die Klägerin hat mit dem „Tekturantrag“ vollständig neu gefertigte Planzeichnungen vorgelegt und unter Beifügung der Erklärung des Ingenieurbüros für Tragwerksplanung vom 5. Juli 2006, aus der sich ergibt, dass sich die ursprünglich geplante Konstruktion als nicht durchführbar erwiesen hat, ausdrücklich erklärt, dass „die bisher geplante hängende Wandkonstruktion verworfen wird“. Damit hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die neue Planung nicht alternativ neben der ursprünglichen Planung bestehen lassen wollte, um etwa zu einem späteren Zeitpunkt von einem Wahlrecht unter verschiedenen Planungen Gebrauch machen zu können, sondern dass sie das ursprüngliche Vorhaben nicht mehr ausführen will und kann. Darin liegt ein (konkludenter) Verzicht auf die Rechte aus der Baugenehmigung, mit der Folge, dass diese nach Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG unwirksam geworden ist.

2. Ein Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung des Widerspruchsbescheids besteht auch nicht deswegen, weil das ausgeführte Vorhaben der Klägerin nur als „Tektur“ des genehmigten Vorhabens und nicht als ein anderes Vorhaben („aliud“) einzustufen wäre, so dass der Klägerin noch ein Interesse an der Aufrechterhaltung der ursprünglichen Baugenehmigung vom 2. Februar 2004 als Grundlage für eine diesen Bescheid ergänzende „Tekturgenehmigung“ zugesprochen werden könnte. Denn zum einen würde das nichts daran ändern, dass die Klägerin mit ihrem Tekturantrag und der Erklärung vom 5. Juli 2006 auf die Baugenehmigung vom 2. Februar 2004 verzichtet hat (vgl. BayVGH, B. v. 11.4.2006 - 15 ZB 06.424 - juris Rn. 4). Zum anderen kann der Antrag vom 6. Juli 2006 nicht mehr nur als geringfügige, das Bauvorhaben in seinen Grundzügen nicht berührenden Änderungen und die „Identität des Vorhabens“ wahrende „Tektur“ angesehen werden. Vielmehr stellten sich die neuen Balkone im Verhältnis zur ursprünglichen Konstruktion als ein anderes Vorhaben („aliud“) dar, welches nunmehr aus Gründen der Standsicherheit (vgl. Art. 10 Satz 1 BayBO) eine Abstützung der Balkone mit insgesamt vier bis auf den Erdboden reichenden, seitlich angebrachten Stützen anstelle der an jeder Balkonbodenplatte seitlich nach oben in die Hauswand führenden „Hänger“ erfordert und dadurch ein auf den ersten Blick ins Auge fallendes, neues Erscheinungsbild mit aufgeständerten anstatt nur auskragenden Balkonen entstehen lässt (zur Abgrenzung Tektur- und Änderungsantrag vgl. BayVGH, B. v. 2.8.2007 - 1 CS 07.801 - BayVBl. 2007, 758 = juris Rn. 31 ff.; OVG BB, U. v. 14.11.2012 - 2 B 3.11 - juris Rn. 57; NdsOVG, B. v. 16.6.2014 - 1 ME 70/14 - BauR 2014, 1762 = juris Rn. 11 f.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 64 Rn. 18 f.).

II.

Selbst wenn man aber annehmen würde, dass für die Klage noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestünde, wäre sie jedenfalls unbegründet. Die Aufhebung der Baugenehmigung durch den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 15. Dezember 2009 ist zu Recht erfolgt. Der Nachbarwiderspruch der Beigeladenen zu 2 gegen die Baugenehmigung war zulässig und begründet.

1. Der Widerspruch war zulässig.

Die Beigeladene zu 2 hatte ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids vom 2. Februar 2004, obwohl dieser infolge des Verzichts der Klägerin nach Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG wirkungslos geworden ist. Denn die Klägerin beruft sich, wie auch der vorliegende Rechtsstreit zeigt, noch auf die Wirksamkeit des Bescheids. Da mit dem Bescheid zulasten der Beigeladenen zu 2 eine Abweichung vom Erfordernis zugelassen wurde, dass vor der westlichen (fiktiven) Außenwand der Balkone Abstandsflächen freizuhalten sind und diese auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO), wird aufgrund der Feststellungswirkung einer Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO) zumindest der Rechtsschein erweckt, dass durch das Bauvorhaben Abstandsflächenvorschriften zum Nachteil der Beigeladenen zu 2 nicht verletzt sind. An der Beseitigung dieses Rechtsscheins hatte die Beigeladene zu 2 ein rechtlich geschütztes Interesse.

Dass der Widerspruch nicht deswegen unzulässig war, weil die Beigeladene zu 2 mit der Unterschrift ihres Verwalters auf dem genehmigten „Eingabeplan“ dem Bauvorhaben nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBO 1998 (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zugestimmt und damit auf ihre öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte verzichtet hätte (vgl. BayVGH Großer Senat, B. v. 3.11.2005 - 2 BV 04.1756 u. a. - BayVBl 2006, 246 = juris Rn. 10), hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt (vgl. Urteilsabdruck Rn. 39). Hierauf wird Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Gleiches gilt für die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO gewahrt wurde (vgl. Urteilsabdruck Rn. 40 f.) und dass die Beigeladene zu 2 ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt hat (vgl. Urteilsabdruck Rn. 42 bis 44). Diese Ausführungen werden von den Beteiligten im Berufungsverfahren auch nicht mehr infrage gestellt.

2. Der Widerspruch war auch begründet.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Baugenehmigung Rechte des Nachbarn verletzt, ist auch beim Nachbarwiderspruch grundsätzlich der Erlass des Ausgangsbescheids, nicht des Widerspruchsbescheids. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage werden nur berücksichtigt, wenn sie sich zugunsten des Bauherrn auswirken, weil einem Bauherrn die Rechtsposition, die er mit Erteilung der Baugenehmigung erlangt hat, auch in einem Widerspruchsverfahren nicht wieder entzogen werden darf. Denn es wäre mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich wieder erteilt werden müsste (vgl. BVerwG, U. v. 20.8.2008 - 4 C 11/07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 21; B. v. 8.11.2010 - 4 B 43/10 - ZfBR 2011, 164 = juris Rn. 9; BayVGH, B. v. 18.10.2005 - 1 ZB 04.1597 - juris Rn. 17 m. w. N.; B. v. 24.4.2014 - 15 ZB 13.1167 - Rn. 21). Im Zeitpunkt ihres Erlasses war die Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998 materiell rechtswidrig (vgl. dazu unten a). Aber auch dann, wenn man die Baugenehmigung zu einem späteren Zeitpunkt beurteilt, ergibt sich deren Rechtswidrigkeit (vgl. dazu unten b).

a) Zum Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung war diese materiell rechtswidrig, weil das Vorhaben die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen zur westlichen Grundstücksgrenze auf dem Baugrundstück nicht einhielt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998) und eine dafür erforderliche Abweichung (Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998) nicht erteilt wurde.

Für das Vorhaben war eine sog. abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung erforderlich. Die Balkone sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine untergeordneten Bauteile im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO 1998 (vgl. auch Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO), die für sich genommen abstandsflächenrechtlich irrelevant wären. Aufgrund der baulichen Verbindung mit dem Hauptgebäude war die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens jedoch nicht isoliert allein für die Abstandsflächen vor den Balkonen, sondern vor der westlichen Außenwand des O.hauses insgesamt zu prüfen (zur Frage der abstandflächenrechtlichen Neubeurteilung in Fällen des Anbaus an ein Bestandsgebäude vgl. BayVGH, U. v. 20.12.1988 - 20 B 88.00137 - BayVBl 1989, 721; U. v. 12.7.1999 - 14 B 95.2069 - juris; U. v. 20.2.1990 - 14 B 88.02464 - BayVBl 1990, 500; vgl. auch B. v. 15.1.2007 - 15 ZB 06.1361 - juris Rn. 4). Die Tiefe dieser Abstandsfläche beträgt nach den Eintragungen in den Bauvorlagen der Klägerin 11,16 m. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998 sind erfüllt, weil die westliche Außenwand des (Haupt)Gebäudes nur ca. 1 m von der Grundstücksgrenze entfernt liegt, obwohl nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayBO eine Abstandsflächentiefe von 11,16 m eingehalten werden müsste. Dass eine (rechtsfehlerhafte) Abweichung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 70 Abs. 1 BayBO 1998 isoliert nur für die vor der (fiktiven) Außenwand der Balkone erteilt wurde, ist insoweit unerheblich. Auf die Frage, ob auch ein Verstoß gegen das Überdeckungsverbot des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO 1998 (Art. 6 Abs. 3 BayBO 2008) vorliegt, kommt es nicht mehr an (vgl. dazu aber BayVGH, B. v. 14.1.2009 - 1 ZB 08.97 - BayVBl. 2009, 694 = juris Ls und Rn. 27; Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand: April 2014, Art. 6 Rn. 104).

Durch den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998 wurden die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte der Beigeladenen zu 2 verletzt. Diesen Vorschriften kommt Nachbarschutz zu (vgl. BayVGH, B. v. 15.4.1992 - 14 B 90.856 - BauR 1992, 605 = juris Rn. 14). Ob von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO eine (im Ermessen der Behörde stehende) Abweichung zugelassen hätte werden können, ist - anders als das Verwaltungsgericht mit seinen Ausführungen zu Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO (vgl. Urteilsabdruck Rn. 67 ff.) offenbar meint - für die Frage der Rechtsverletzung schon deswegen ohne Belang, weil eine solche Abweichung nicht erteilt wurde.

Die Beigeladene zu 2 konnte sich auf diese Rechtsverletzung auch berufen. Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung grundsätzlich nur dann nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U. v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - IBR 2011, 303 = juris Rn. 37; B. v. 23.12.2013 - 15 CS 13.2479 - juris Rn. 13; VGH BW B. v. 4.1.2007 - 8 S 1802/06 - BRS 71 Nr. 181 = juris Rn. 4; B. v. 29.9.2010 - 3 S 1752/10 - juris Rn. 5; OVG NW, U. v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - juris Rn. 39). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2 bei Anwendung des 16-m-Privilegs die Abstandsflächen zur östlichen Grundstücksgrenze in vollem Umfang einhält und bei einer Abstandsflächentiefe von 1 H nur geringfügig überschreitet, so dass sich keine „Gleichwertigkeit“ in den beiderseitigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts feststellen lässt.

b) Beurteilt man die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung zu einem späteren Zeitpunkt und berücksichtigt zugunsten der Klägerin insbesondere die Erklärung nach Art. 83 Abs. 1 BayBO 2008 vom 21. September 2009 zum Verfahrenswahlrecht, welches ohne Weiteres auch noch im Widerspruchsverfahren ausgeübt werden konnte (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 83 Rn. 5a), ergäbe sich für sie keine günstigere Rechtslage. Denn zu diesem Zeitpunkt war infolge des „Tekturantrags“ vom 6. Juli 2006 und der entsprechenden Ausführung des Vorhabens die Baugenehmigung bereits nach Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG unwirksam geworden (vgl. oben I. 1.), so dass die Erklärung insoweit ins Leere ging.

III.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene hat zu 1 hat keinen Antrag gestellt, so dass ihr keine Kosten auferlegt werden können (§ 154 Abs. 3 VwGO). Es besteht aber auch keine Veranlassung, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch die Beigeladene zu 2 war notwendig (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft des Anwesens ...-str. 33 in ..., Fl.Nr. ..., Gemarkung ... Sie begehrt als Nachbarin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache erhobenen Klage (M 8 K 15.1422) gegen eine der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für eine Balkonerneuerung und -erweiterung des Vordergebäudes in der ...-str. 31, Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., das unmittelbar an das Grundstück der Antragstellerin angrenzt. Beide Grundstücke sind Teil einer geschlossenen Zeilenbebauung entlang der ...-straße.

Zur Bebauungssituation siehe auch den nachfolgenden Lageplan (Maßstab 1:1000):

Bild

Am 7. Juli 2014 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Balkonerneuerung und -erweiterung ihres Vordergebäudes sowohl auf der Straßen- wie auf der Hofseite (Plan-Nr. ...). Auf der Hofseite sollen vom 1. bis zum 3. Obergeschoss jeweils 2 Balkone angesetzt werden, wobei die südlich (in Richtung des Anwesens der Antragstellerin) gelegenen Balkone nach dem Eingabeplan eine Grundfläche von 5,86 m² und eine Abmessung von 1,50 m x 4,10 m haben. Da die Balkonbrüstung im oberen Teil jeweils um 20 cm weiter vorragt, ergibt sich insgesamt eine Fläche von 1,70 m x 4,50 m.

Mit Bescheid vom ... März 2015 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung gemäß Art. 59 und 68 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren zur Balkonerneuerung und -erweiterung auf dem Grundstück...-str. 31. Wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen durch die hofseitigen Balkone nach Süden zum Nachbargrundstück Fl.Nr. ... (Grundstück der Antragstellerin) und nach Norden zum Nachbargrundstück Fl.Nr. ... wurden Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO erteilt. Die Errichtung der Balkone sei planungsrechtlich zulässig; die Anforderungen an ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung seien gewährleistet. Die nähere Umgebung sei geprägt von Gebäuden, die die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht einhielten. Auch bei den Nachbarn gebe es hofseitige Balkone.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung vom ... März 2015 wurde der Hausverwaltung der Antragstellerin am 11. März 2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz von Montag, dem 13. April 2015, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigen der Antragstellerin Klage mit dem Antrag, die Baugenehmigung vom ... März 2015 insoweit aufzuheben, als auf der Rückseite des Vordergebäudes nach Süden zum Nachbarn ...-str. 33 hin 3 Balkone vom 1. - 3. Obergeschoss genehmigt wurden. Zugleich beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. April 2015 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom ... März 2015 für die ... GmbH & Co. KG Vermögensverwaltung, vertreten durch den Geschäftsführer der GmbH, ..., Balkonerneuerung des Anwesens ...-str. 31, Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., anzuordnen.

Die Baugenehmigung sei hinsichtlich der Errichtung der hofseitigen Balkone materiell rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Balkone der Beigeladenen müssten die erforderlichen Abstandsflächen einhalten, da sie keine untergeordneten Baukörper im Sinn des Art. 6 Abs. 8 BayBO seien. Sie erfüllten keine der Kriterien des Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO und würden entgegen Ziff. 2 a mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand in Anspruch nehmen. Weiter würden sie entgegen Ziff. 2 b mehr als 1,50 m vor die Außenwand treten und seien entgegen Ziff. 2 c mit 0,60 m keine 2 m Mindestabstand von der Grundstücksgrenze entfernt. Die Balkone auf der nach Süden zum Grundstück der Antragstellerin hin zeigenden rückwärtigen Fassade hätten eine Länge von 4,10 m und eine Grundfläche von 5,86 m². Die Balkone an der rückwärtigen Fassade des Anwesens der Antragstellerin seien deutlich kleiner; man erreiche sie über einen kleinen Austritt von 0,60 m Tiefe und 1 m Breite. Die Balkone selbst seien 1,50 m tief und 3 m breit. Der Austritt halte zur Nachbargrenze den Mindestabstand von 2 m ein; der eigentliche Balkonkörper sei mehr als 3 m entfernt. Es sei nicht ersichtlich, wo es in der Nachbarschaft Gebäude gäbe, die die erforderlichen Abstandsflächen im Bereich der Balkone und Erker nicht einhielten. Andere Abstandsflächenverletzungen seien nicht relevant. Die Einhaltung des Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze von 3 m sei nicht verzichtbar, soweit es sich nicht um untergeordnete Bauteile handele, wenn - wie hier - eine dichte innerstädtische Bebauung vorliege. Ein Mindestmaß an Abstand sei notwendig, damit sich die Nachbarn ungestört voneinander unterhalten könnten. Die Einhaltung der Abstandsflächen sei wichtig, um gesunde Wohnverhältnisse zu schaffen und zu erhalten. Es sei nicht einzusehen, warum die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit aufwendigen Balkonkonstruktionen die Einhaltung von Mindestabständen verlangt habe und dies bei den Nachbarn nicht tue. Die von der Antragsgegnerin gewählte Begründung der Abweichung sei jedenfalls für eine derartig einschränkende Maßnahme nicht ausreichend.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2015 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung vom ... März 2015 sei rechtmäßig, es liege keine Verletzung des Abstandsflächenrechtes vor. Die Antragsgegnerin habe die Abweichung zulassen können, da sie unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Es sei eine atypische Situation gegeben. Diese liege im Vorhandensein historischer Bausubstanz im dichtbebauten innerstädtischen Bereich, wobei jede bauliche Veränderung der bestehenden Anwesen geeignet sei, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen. Wolle man in diesen Gebieten den zeitgemäßen Wohnbedürfnissen Rechnung tragen, komme man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen. Die Abweichung liege sowohl im Interesse der Bewohner wie auch im öffentlichen Interesse, Wohnungen mit einer zeitgemäßen Ausstattung inklusive dem Vorhandensein von Balkon zur Verfügung zu haben. Im Hinblick auf Belichtung, Besonnung und Belüftung komme es in der bestehenden Hofsituation zu keiner Verschlechterung. Die Balkone seien licht- und luftdurchlässig. Eine Einsichtnahmemöglichkeit sei schon jetzt nicht auszuschließen und im dichtbebauten innerstädtischen Bereich nicht zu vermeiden. Am Gebäude der Antragstellerin befänden sich ebenfalls Balkone. Nach den Plänen der Antragstellerin hielten diese die seitlichen Abstandsflächen zur Beigeladenen ebenfalls nicht ein. Bei der Berechnung der für die Abstandsflächen relevanten Höhen ergäben sich vergleichbare Höhen; auch die Tiefe der Balkone würden keine wesentlichen Unterschiede aufweisen. Die Situation sei daher von einer wechselseitigen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen geprägt.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2015 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung vom ... März 2015 beinhalte die streitgegenständliche Balkonerneuerung sowie die nicht gerügte Erweiterung am Vordergebäude. Das Gebäude der Antragstellerin verfüge selbst über massive Balkone. Auf dem als Anlage 1 beigefügten Foto sei deutlich erkennbar, dass diese Balkone auf der Südseite neben einem Gebäuderücksprung des Gebäudes der Antragstellerin angebracht seien, der deutlich über die Rückwand des Gebäudes hinausrage. Auf diesem Gebäuderücksprung befände sich eine Dachterrasse. Auf der als Anlage 2 beigefügten Fotografie sei die Situation auf der Rückseite der weiteren benachbarten Gebäude zu sehen. Es zeige sich, dass umliegend massive Balkonanlagen angebracht seien, und dass insoweit die seitens der Antragstellerin angesprochene vielfache Nichteinhaltung von Abstandsflächen den gesamten rückwärtigen Bereich in der Nachbarschaft präge. Zu Recht sei die Antragsgegnerin daher aufgrund der strukturellen Gegebenheiten im Inneren des Gevierts von einer atypischen Situation ausgegangen. Ganz entscheidend komme aber hinzu, dass auch die Balkonanlage am Gebäude der Antragstellerin - insbesondere aber der dort vorhandene rückwärtige Gebäuderücksprung - die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhalte. Gerade für den rückwärtigen Gebäuderücksprung gelte, dass dieser noch in deutlich größerem Umfang als die Balkone der Beigeladenen die Abstandsflächen nicht einhalte. In einer solchen Situation würde eine Rüge wegen Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Im Übrigen seien die Balkone annähernd gleich groß, so dass von ihnen insoweit keine Beeinträchtigungen ausgehen könnten, die unzumutbar oder rücksichtlos seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der nach § 80 a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.

1. Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Bei dem Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (vgl. Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 ff.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen schon bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.03.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. Als nachbarschützende Rechte im Bauplanungsrecht kommt vorliegend nur der Anspruch auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme in Betracht, der jedoch nicht durch die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt worden ist.

3.1 Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.09.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 06.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9).

3.2 Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes zulasten der Antragstellerin hier nicht vor. Die von dem Bauvorhaben in der genehmigten Form ausgehenden Belästigungen und die mit der Benutzung der Balkone für die nähere Umgebung verbundenen Auswirkungen sind ortsüblich und sozialadäquat und damit von den Nachbarn hinzunehmen. Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

3.2.1 Im vorliegenden Fall ist es bereits fraglich, ob die Balkonerneuerung an der Hofseite des Vordergebäudes überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt, aber sie führt jedenfalls nicht zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen. Eine solche Beeinträchtigung ist auch von der Antragstellerin nicht dargelegt.

3.2.2 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch die Balkonerweiterung der Sozialfriede und Sozialabstand bzw. der Wohnfriede beeinträchtig würde, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebotes.

Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung - speziell von jeglichen Einblicken - verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 a. a. O.). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dichtbebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und führen nicht automatisch zu einer Verletzung des Sozialabstandes. Im Übrigen sind die verbleibenden Sozialabstände in der vorgegebenen städtebaulichen Situation hinzunehmen, obschon damit auch Einsichtnahmemöglichkeiten einhergehen können (vgl. BayVGH, U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 30).

Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist insoweit nicht auszumachen.

4. Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da die Antragsgegnerin Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO erteilt hat, gehören diese auch zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO, so dass im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfes auch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften zu prüfen sind.

4.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.

4.1.1 Der Zweck des Abstandsflächenrechtes besteht vor allem darin, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern. Da jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechtes nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16).

Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann grundsätzlich auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. In dichtbebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation regelmäßig dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

4.1.2 Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Es ist stets zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherren oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

4.1.3 Ob nach diesen Maßstäben eine derartige Sondersituation im vorliegenden Fall gegeben ist, die nicht nur die Erneuerung der Balkone, sondern auch ihre Erneuerung mit dem vorliegendem Maß rechtfertigen würde, kann hier allerdings dahinstehen.

4.2 Denn im vorliegenden Fall könnte sich die Antragstellerin jedenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie durch die erteilte Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von den nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen in eigenen Rechten verletzt wird. Eine solche Rüge verstößt hier gegen den - auch im öffentlichen Recht - anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Aus dem System nachbarlicher Ausgleichs- und Rücksichtnahmepflichten folgt, dass derjenige, der selbst mit seinem Gebäude die erforderlichen Abstands-flächen nicht einhält, billigerweise nicht verlangen kann, dass der Nachbar die Abstandsflächen freihält. Dies führt dazu, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Nachbar sich gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Einhaltung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen kann, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück nicht dieser Vorschrift entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (BayVGH, U. v. 04.02.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37; VGH BW, B. v. 29.09.2010 - 3 S 1752/10, BauR 2011, 148 - juris Rn. 5; VGH BW, B. v. 04.01.2007 - 8 S 1802/06 - juris Rn. 4).

Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin, U. v. 11.02.2003 - 2 B 16.99 - juris Rn. 29; VGH SH U. v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; OVG Lüneburg B. v. 30.03.199 - 1 M 897/99 - juris Rn. 43; a.A. OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - juris Rn. 11; kritisch Kuchler, juris, PR-UmwR 6/2014 - Anm.1). Maßgeblich ist allein, dass der klagende Nachbar den jetzt erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, denn die Versagung des Abwehranspruchs beruht darauf, dass es unbillig wäre, einem Nachbarn den durch die grenznahe bauliche Anlage des anderen Nachbarn ausgehenden Nachteilen auszusetzen, ihm selbst aber eine Ausnutzung seines Grundstücks im Grenzbereich zu verwehren.

Bei der Frage, ob wechselseitige Verletzungen der Abstandsflächenvorschriften annähernd vergleichbar sind, ist keine zentimetergenaue quantitative Entsprechung gefordert, sondern es ist eine wertende Betrachtung in Bezug auf die Qualität der mit der Verletzung der Abstandsflächenvorschriften einhergehenden Beeinträchtigungen anzustellen (OVG Berlin, U. v. 11.02.2003 - 2 B 16.99 - juris Rn. 30; OVG Lüneburg, U. v. 30.03.1999 - 1 M 897/99 - juris LS 1, Rn. 43).

4.2.1 Im vorliegenden Fall wirft das antragstellerseitige Gebäude - insbesondere der vorspringende und in den Innenhof hineinragende Gebäudeteil - eine Abstandsfläche von ca. 14,62 m² auf das streitgegenständliche Bauvorhabengrundstück.

Der Gebäuderücksprung hat nach den mit der Baugenehmigung vom ... September 2005 genehmigten Plänen eine Höhe von 16,62 m, wobei die Wandhöhe mit 15,68 m vermasst ist und daran eine Dachfläche mit einer Dachneigung von abgegriffen etwa 63° anschließt, die gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO lediglich mit einem Drittel (= 0,31 m) hinzuzurechnen ist, so dass sich eine Wandhöhe von insgesamt ca. 15,99 m ergibt. Der Gebäuderücksprung ist etwa 1,20m tief (abgegriffen aus den mit der Baugenehmigung vom ...9.2005 genehmigten Plänen) und der Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze zum benachbarten Bauvorhabengrundstück beträgt ca. 6 m (ebenfalls abgegriffen), so dass auf das streitgegenständliche Grundstück etwa 11,92 m² Abstandsfläche fallen.

Dazu kommt die Abstandsfläche, die durch die Balkone verursacht wird, da diese über den Gebäuderücksprung, der lediglich eine Tiefe von 1,20 m aufweist, mit einer Balkontiefe von etwa 1,50 m (abgegriffen aus den genehmigten Plänen) um 0,30 m vorstehen. Die Balkone lösen daher mit 0,30 m zusätzlich Abstandsflächen aus, da sie mehr als ein Drittel der Außenwand des antragstellerischen Gebäudes in Anspruch nehmen und somit nicht untergeordnet in Sinn von Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 a BayBO sind. Die Oberkante des Balkons im 3. Obergeschoss ist in den genehmigten Plänen mit 11,23 m vermasst und der Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze beträgt etwa 3 m (abgegriffen aus den genehmigten Plänen). Damit fallen zusätzlich durch den Vorsprung der Balkone von 0,30 m über den Gebäuderücksprung etwa 2,76 m² Abstandsfläche auf dem Bauvorhabengrundstück an.

Insgesamt wirft das antragstellerische Gebäude daher eine Abstandsfläche von etwa 14,62 m² auf das Vorhabengrundstück.

4.2.2 Die durch die streitgegenständliche Balkonerneuerung zur Hofinnenseite hervorgerufene Abstandsfläche beträgt etwa 17,17 m² auf dem antragstellerseitigen Grundstück.

Die Balkone haben nach dem Plan unter Berücksichtigung der Umwehrung des Balkons eine Tiefe von 1,70 m. Die Oberkante des Balkons im 3. Obergeschoss ist im Eingabeplan mit 10,90 m vermasst, der Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze beträgt unter Berücksichtigung der Balkonumwehrung etwa 0,80 m (abgegriffen aus dem Lageplan).

4.2.3 Insgesamt werfen die geplanten Balkone daher etwa 17,17 m² auf das antragstellerseitige Grundstück. Dem steht - wie oben unter 4.2.1 berechnet - eine der Antragstellerin zuzurechnende Abstandsflächenüberschreitung von ca. 14,62 m² gegenüber.

Der wechselseitige Abstandsflächenverstoß ist somit im vorliegenden Fall vergleichbar, da es sich jeweils um vergleichsweise kleine Flächen handelt, die im rückwärtigen Grundstücksbereich situiert sind. Bei solchen relativ kleinen Flächen verbietet sich auch eine prozentuale Gegenüberstellung der Abstandsflächenüberschreitung, da bei nur geringfügigen absoluten Unterschieden - hier etwa 2,55 m² - bei prozentualer Betrachtung eine größere Differenz entstehen kann (vgl. VG München, U. v. 02.01.2014 - M 8 SN 13.5141 - juris Rn. 50), die aber im Ergebnis nicht dazu führt, dass bei einer wertenden Betrachtung kein gleichwertiger Abstandsflächenverstoß mehr vorliegen würde.

Die Antragstellerin kann sich folglich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen die grundsätzlich nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechtes berufen, da auch die Bebauung auf ihrem Grundstück nicht diesen Vorschriften entspricht, die beidseitigen Abweichungen etwa gleichwertig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U. v. 04.02.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Es entspricht billigem Ermessen im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Klägerin hat folgende rechtlichen Fragen formuliert, die inhaltlich jedoch auf dasselbe Ziel hinauslaufen:

„Ist bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften davon auszugehen, dass sich derjenige, der sich gegen einen Abstandsflächenverstoß zur Wehr setzt, seinem Rechtschutzbegehren gegen ein Nachbarbauvorhaben das Verbot des Rechtsmissbrauchs entgegen halten lassen muss, wenn die Bebauung auf seinem Grundstück zwar in vergleichbarer Weise nicht den heute geltenden nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften entspricht, die Bebauung auf seinem Grundstück jedoch dem zur Zeit ihrer Genehmigung geltenden Recht entsprach bzw. Bestandsschutz genießt?“

anders formuliert

„Kann dem Rechtschutzbegehren eines Nachbarn, der sich gegen einen Abstandsflächenverstoß zur Wehr setzt, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Rechtsmissbrauchsverbot entgegengehalten werden, wenn auf Seiten des klagenden Nachbarn kein ungesetzmäßiges Verhalten (keine Verletzung nachbarlicher Rücksichtnahmepflichten) feststellbar ist, insbesondere sein Gebäude in Übereinstimmung mit den seinerzeit geltenden Bauschriften errichtet worden ist und Bestandsschutz genießt?“

oder

„Hat die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen des Abstandsflächenrechts zur Folge, dass der Eigentümer eines bebauten Grundstücks, dessen Gebäude zwar seinerzeit in Übereinstimmung mit dem geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist, aber den jetzt nach den Abstandsflächenvorschriften erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, sich nicht mehr gegen die Verletzung von Abstandsflächenvorschriften durch ein Nachbarbauvorhaben zur Wehr setzen kann, wenn die beiderseitigen, wechselseitigen Verstöße gemessen an dem jetzt erforderlichen Grenzabstand etwa gleichwertig bzw. vergleichbar sind?“

Fraglich ist bereits, ob die so gestellten Fragen hier tatsächlich entscheidungserheblich für das Erstgericht waren und für den Senat sind. Denn die Fragen zielen schwerpunktmäßig auf den Bestandsschutz des Nachbargebäudes sowie dessen Übereinstimmung mit den bei Errichtung geltenden Bauvorschriften. Vorliegend wurde das Nachbargebäude mit Bescheid vom 18. Juli 1957 genehmigt. Mit Bescheid vom 17. Juni 2004 wurde der Anbau von Außenaufzügen sowie der Dachgeschossneubau mit Tonnendach genehmigt. Diese Baugenehmigung enthält zudem unter anderem eine Abweichung gemäß Art. 63 BayBO wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück der beigeladenen Bauherrin hin. Im Zug der Änderung des Dachgeschosses ist eine abstandsflächenrechtliche Neubeurteilung für das gesamte Gebäude vorgenommen worden, das das zum damaligen Zeitpunkt im Jahr 2004 geltende Abstandsflächenrecht nicht einhielt und auch heute nicht einhält. Abzustellen wäre daher auf die Frage, ob einem bestandskräftig genehmigten Nachbargebäude der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden kann. Da das Gebäude durch den Umbau 2004 wesentlich verändert wurde, kann auf die ursprüngliche Genehmigung aus dem Jahr 1957 insoweit nicht mehr abgestellt werden.

Unabhängig davon hat sich der Senat (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2016 - 2 CS 16.751 - n.v.) ausdrücklich dahingehend geäußert, dass es insoweit nicht entscheidend ist, dass das Gebäude des Nachbarn in der vorliegenden Form genehmigt ist. Es kommt lediglich auf das tatsächliche Maß der Abstandsflächenüberschreitung zum jetzigen Zeitpunkt, also der Genehmigung des Bauvorhabens der Beigeladenen, an. Damit hat sich der Senat bereits ausdrücklich der herrschenden Rechtsprechung angeschlossen (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869), die davon ausgeht, dass es unerheblich ist, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt. Nach anderer Auffassung der älteren Rechtsprechung sowie in der Literatur (vgl. OVG NRW, U.v. 24.4.2001 - 10 A 1402/98 - BauR 2002, 295; OVG LSA, B.v. 30.11.2000 - 2 M 319/00 - juris; OVG RhPf, B.v. 29.10.1982 - 1 B 59/81 - juris; Kuchler, BauR 2015, 1580/1584, 1592f) verstößt das Rechtsschutzbegehren eines Nachbarn gegen ein Bauvorhaben nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sein eigenes Grundstück mit einer bauaufsichtlich genehmigten Anlage bebaut ist. Indirekt hat sich auch der 14. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris) der herrschenden Meinung der Rechtsprechung angeschlossen, denn auch in diesem Fall war das Gebäude des Nachbarn baurechtlich genehmigt.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die gestellten Fragen bereits obergerichtlich durch das Berufungsgericht geklärt sind und damit eine grundsätzliche Bedeutung fehlt.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass der angefochtene Vorbescheid keine drittschützenden Rechte verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann einen Vorbescheid mit dem Ziel seiner Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlichrechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die herrschende Rechtsprechung den Bestandsschutz bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vollständig außer Acht lasse und kein Korrektiv existiere. Insbesondere sei im Fall einer Abweichung nach Art. 63 BayBO das Vorliegen von dessen Voraussetzungen, vor allem der Voraussetzung der Atypik, vorab zu prüfen, bevor der Grundsatz von Treu und Glauben eingreifen könne. In der Interessenabwägung im Rahmen der Abweichung sei zu prüfen, ob sich die Belange des Nachbarn, von einem Abstandsflächenverstoß durch den Bauherrn verschont zu bleiben, durchsetzen können.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch die Klägerin als Nachbarin hier ihr Bauvorhaben lediglich im Rahmen einer Abweichung nach Art. 63 BayBO genehmigt erhalten hat. Zwar war bei der ursprünglichen Baugenehmigung vom 18. Juli 1957 noch kein Abstandsflächenrecht zu prüfen. Jedoch wurde mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2004 die Abstandsflächenfrage neu aufgeworfen. Die Klägerin hat damals einen Außenaufzug errichtet sowie das Dachgeschoss von einem Walm- zu einem Tonnendach umgebaut und damit maßgeblich verändert. Dabei wurde die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen neu geprüft und ihr insbesondere zum Grundstück der Beigeladenen hin eine Abweichung nach Art. 63 BayBO erteilt, da die Abstandsflächen nach geltenden Recht nicht eingehalten werden konnten. Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte darauf bestand, dass der Dachgeschossumbau ohne Veränderung der Abstandsflächen erfolgen müsse. Die Beklagte hat erkannt, dass bereits eine nicht unerhebliche Überschreitung der gesetzlich erforderlichen Abstandsflächen vorliegt, die durch den Umbau nicht noch erhöht werden sollte. Nur unter dieser Voraussetzung war damals offensichtlich die Beklagte zur Erteilung der Abweichung bereit. Auf diesen genehmigten Zustand ist heute abzustellen und nicht auf die Situation von 1957, die in dieser Form nicht mehr vorhanden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 14.10.2014 - 4 B 51.14 - juris) hat nochmals bestätigt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung gilt. Eine konkrete Entscheidung zur Geltung im Abstandsflächenrecht sowie zur systematischen Einordnung hat das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis darauf, dass hier Landesrecht betroffen ist, nicht getroffen. Die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung wendet den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB auch im Rahmen des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts an. Dabei ist es unerheblich, ob das Gebäude des klagenden Nachbarn seinerzeit in Übereinstimmung mit den geltenden Bauvorschriften errichtet worden ist oder Bestandsschutz genießt (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.2.2003 - 2 B 16.99 - juris; VGH SH, U.v. 15.12.1992 - 1 L 118/91 - juris; NdsOVG, B.v. 30.3.1999 - 1 M 897/99 - NVwZ-RR 1999, 716; VGH BW, U.v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - VBlBW 2003, 235; OVG NRW, B.v. 12.2.2010 - 7 B 1840/09 - juris; U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Dem ist das Erstgericht gefolgt, was nicht zu beanstanden ist, auch wenn die Klägerin hier der Mindermeinung in der Rechtsprechung und Literatur den Vorzug gibt. Die Klägerin verkennt insoweit, dass auch im Abstandsflächenrecht der Grundsatz von Treu und Glauben nicht gänzlich uneingeschränkt gilt. Nach den in der herrschenden Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen müssen die beidseitigen Abweichungen etwa gleichwertig sein und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Vorschrift - schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; VGH BW, B.v. 29.9.2010 - 3 S 1752/10 - BauR 2011, 148).

Hinsichtlich der systematischen Einordnung des Grundsatzes von Treu und Glauben in das bauordnungsrechtliche Prüfprogramm lassen sich verschiedene Ansätze vertreten. So könnte das Korrektiv des Grundsatzes von Treu und Glauben bereits grundsätzlich eine Berufung auf die Verletzung des Abstandsflächenrechts ausschließen, so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Abweichung nach Art 63 BayBO nicht weiter ankäme (so BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris; ThürOVG, B.v. 5.10.1999 - 1 EO 698/99 - NVwZ-RR 2000, 869). Das Oberverwaltungsgericht Thüringen prüft dabei in einem obiter dictum noch die Voraussetzungen der Abweichung, wohingegen der 1. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keine Prüfung vornimmt. Im Ergebnis kommt es aber auch nach dem OVG Thüringen nicht darauf an, ob die erteilte Abweichung rechtmäßig war. Als zweite Variante wäre eine Prüfung des Korrektivs des Grundsatzes von Treu und Glauben als Ausschlusskriterium nach Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Abweichung denkbar. Als dritte Variante käme in Betracht, die bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Abstandsflächenrecht vorauszusetzende wechselseitige Verletzung der Abstandsflächen im Rahmen der nach Art. 63 BayBO zu treffenden Interessenabwägung einfließen zu lassen.

Die genaue systematische Einordnung kann hier im Ergebnis jedoch offen bleiben, da bei allen drei Betrachtungsweisen, das Ergebnis der Würdigung dasselbe bliebe. Unstreitig liegt eine in etwa gleiche wechselseitige Abstandsflächenüberschreitung seitens der klagenden Nachbarin und der beigeladenen Bauherrin vor. Ebenfalls nicht bestritten ist, dass keine schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnisse durch das Bauvorhaben der Beigeladenen entstehen. Nach der herrschenden Rechtsprechung kommt es nur auf die tatsächliche Abstandflächenüberschreitung an, nicht aber auf deren Genehmigung oder Bestandsschutz. Bei ersten Variante käme es zudem nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO und insbesondere das Merkmal der Atypik vorliegen, denn die klagende Nachbarin könnte sich wegen des wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf den Abstandsflächenverstoß oder die Fehlerhaftigkeit der erteilten Abweichung nicht berufen. Eine Prüfung der Voraussetzungen des Art. 63 BayBO wäre somit nicht erforderlich. Diese lägen hier jedoch ohnehin vor. Zwar ist das Grundstück im Wesentlichen rechteckig und damit grundsätzlich gut bebaubar. Das Bauvorhaben darf sich aber zur Lückenschließung an der vorhandenen, zur Straße errichteten Bausubstanz, die im Übrigen in der Regel die rückwärtige Abstandsflächentiefe nicht einhält, orientieren. Zwar bleibt das südlich unmittelbar anschließende Gebäude in seiner Tiefe hinter dem im Vorbescheid geplanten Gebäude zurück. Der Neubau ist mit einer Tiefe von 10,90 m geplant. Diese Bebauungstiefe findet sich jedoch auf den nördlich angrenzenden Grundstücken wieder, auch wenn an diese nicht unmittelbar angebaut wird. Es ist nicht zwingend profilgleich an ein Nachbargebäude anzubauen. Vor- und Rücksprünge sind im in der Umgebung auffindbaren Maß grundsätzlich möglich. Auch vorliegend findet sich die geplante Tiefe von 10,90 m in der unmittelbaren Umgebung an den straßenseitig errichteten Gebäuden wieder und stellt daher unter Berücksichtigung der Schutzgüter des Abstandsflächenrechts kein die Atypik ausschließendes Kriterium dar. Entsprechend wäre das Bauvorhaben der Beigeladenen nach der zweiten Variante ebenfalls zulässig.

Auch wenn die Prüfung der wechselseitigen Abstandsflächenüberschreitung im Rahmen der Interessenabwägung des Art 63 BayBO stattfände, ergäbe sich vorliegend kein anderes Ergebnis. Unstreitig ist der Anteil der seitens der Klägerin auf das Baugrundstück fallenden Abstandsfläche sogar etwas größer als die vom Baugrundstück auf das Grundstück der Klägerin fallende Abstandsfläche. Die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, Belichtung, Belüftung und Besonnung, werden nicht beeinträchtigt, insbesondere kann der 45° Lichteinfallswinkel am Gebäude der Klägerin eingehalten werden. Im Rahmen der Interessenabwägung spielt die Frage der Genehmigung des Abstandsflächenverstoßes grundsätzlich keine Rolle. Insoweit würde die Interessenabwägung hier zum selben Ergebnis führen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.