Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078

bei uns veröffentlicht am30.05.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

1.

Der Antragsteller, seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zufolge ein am ... geborener syrischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung.

Der Antragsteller wurde am ... 2013 von Beamten der Bundespolizeiinspektion ... in einem Zug der Deutschen Bahn auf der Strecke nach ... festgenommen. Am .... beantragte er bei der Außenstelle ... des Bundesamtes seine Anerkennung als Asylberechtigter. Im Rahmen der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 22. November 2013 gab er unter anderem an: Seine Eltern seien bereits verstorben. Er habe sich vom 20. Oktober 2011 bis zum Juli 2013 am Freiheitskampf in Syrien beteiligt. Er sei durch einen Streifschuss am Hals und durch weitere Schüsse an den Beinen verletzt worden. Er sei aus Syrien zunächst nach ... ausgereist und sodann zu einer griechische Hafenstadt gefahren, von der aus er mit einem Schiff nach ... gelangt sei. Sodann sei er über ..., wo er sich einen Monat aufgehalten habe, und ... in die Schweiz gereist. Dort habe ihn die Polizei aufgegriffen und am 25. Oktober 2013 in das Aufnahmelager nach ... gebracht. Er sei dort erkennungsdienstlich behandelt worden. Einen Asylantrag habe er weder in Italien noch in der Schweiz gestellt.

Aus einem vom Antragsteller dem Bundesamt übergebenen Schreiben des schweizerischen Bundesamts für Migration vom 7. November 2013 geht hervor, dass der Antragsteller am selben Tag sein Asylgesuch vom ... 2013 zurückgezogen habe.

Im Rahmen einer Befragung der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern, Außenstelle ..., gab der Antragsteller unter anderem an: Er sei marokkanischer Staatsangehöriger, besitze keine weitere Staatsangehörigkeit und habe sein Heimatland Marokko ... verlassen. Bis zum Jahr ... habe er sich in Belgien und sodann bis zum Jahr ... in den Niederlanden aufgehalten. Im Jahr ... habe er in Frankreich gelebt. In den Jahren ... bis zum ... sei er in Italien gewesen. Er sei am ... 2013 gezwungen worden, in der Schweiz Asyl zu beantragen. Vom ... bis zum ... habe er sich in der Schweiz aufgehalten. Er sei am ... illegal von ... aus mit dem Zug nach Deutschland eingereist. Am ... 2013 sei er bei einer Polizeikontrolle in einem Zug festgenommen worden.

Das Bundesamt ersuchte die Schweiz am 13. Dezember 2013 um Wiederaufnahme des Antragstellers. Das schweizerische Bundesamt für Migration stimmte dem Gesuch mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. d) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-Verordnung) zu.

Das Bundesamt stellte mit Bescheid vom 21. Januar 2014 fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung in die Schweiz an (Nr. 2).

2.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 22. Januar 2014 zugestellten Bescheid am 29. Januar 2014 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung trägt er vor:

Während des Bürgerkrieges in Syrien habe er über den ganzen Körper verteilt acht Schussverletzungen erlitten. Nach deren Verheilung sei er mit weiteren 16 Kameraden geflüchtet. Dabei seien in seinem Beisein zwei der Kameraden erschossen worden. Nach der Flucht aus Syrien sei er am ... von Italien aus mit dem Zug durch die Schweiz in Richtung Deutschland gereist. Kurz vor ... sei er im Zug von der schweizerischen Polizei festgenommen worden, weil er keinen gültigen Ausweis habe vorlegen können. Er sei in Handschellen zur nächsten Polizeidienststelle abgeführt worden. Während des Verhörs habe er mehrfach angegeben, dass er nach Deutschland reisen und dort Asyl beantragen wolle. Ihm sei gesagt worden, dass er seine Wünsche in der (schweizerischen) Asylunterkunft äußern könne. Die Polizei habe ihn gegen seinen Willen festgehalten. Die Polizei habe ihn am nächsten Tag - wiederum mit Handschellen gefesselt - in eine Asylunterkunft gebracht. Er habe den Beamten immer wieder versichert, dass er nur in Deutschland, aber unter keinen Umständen in der Schweiz Asyl beantragen wolle. Von Beginn seiner so genannten Verhaftung an seien seine Einwände nicht gehört worden. Er sei wie ein Verbrecher, manchmal sogar wie ein Tier behandelt worden und habe Angst gehabt, wieder abgeschoben zu werden. Erst am 7. November 2013 habe ein persönliches Gespräch stattgefunden. Dabei habe er gemerkt, dass für ihn bereits ein Asylantrag in der Schweiz gestellt worden sei. Von ihm seien auch gegen seinen Willen Fingerabdrücke genommen worden. Auf sein persönliches Drängen hin, sei ihm mit Schreiben vom 7. November 2013 mitgeteilt worden, dass sein Asylantrag gegenstandslos geworden sei.

Gegen eine Rücküberstellung in die Schweiz sprächen humanitäre Gründe. Aufgrund der beschriebenen extremen Vorkommnisse bei der Flucht seien gesundheitsgefährdende Angstzustände bzw. eine Traumatisierung wahrscheinlich. In der Schweiz sei nach den bei seiner Festnahme gemachten schlimmen, diskriminierenden Erfahrungen für so genannte „Dublin-II-Rückkehrer“ kein effektiver Schutz garantiert. Es bestünde Anlass zur Befürchtung, dass in der Schweiz systemische Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen gegeben sein könnten.

Bei einer Rückkehr in die Schweiz sei zu erwarten, dass aufgrund des rechtswidrig durch die Behörden ausgefertigten Asylantrags und die nachfolgende Rücknahme ein erneuter Asylantrag als Folgeantrag behandelt oder der Zugang zum Asylverfahren verweigert werde und dadurch ein effektiver Schutz nicht garantiert sei. Bei einem Asylantrag in der Schweiz sei zudem zu befürchten, dass bei dessen Ablehnung keine Rechtsmittel zugelassen seien. Aus diesem Grund sei in einem solchen Fall sein Leben bedroht. Es sei außerdem nicht sichergestellt, dass die Schweiz bereit sei, ihn zurückzunehmen.

Für die Durchführung des Asylverfahrens wäre nach der Dublin-II-Verordnung im Übrigen Italien zuständig und nicht die Schweiz, weil er über Italien eingereist sei. Eine Rücküberstellung nach Italien sei unzulässig, weil ihm dort eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe.

Der Antragsteller beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 21. Januar 2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des verfahrensgegenständlichen Bescheids.

3.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Bundesamtsakte Bezug genommen.

II.

1.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 21. Januar 2014 anzuordnen, ist innerhalb der Wochenfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG bei Gericht eingegangen und auch sonst zulässig (§ 80 Abs. 5 VwGO).

Der Antrag ist allerdings unbegründet. Die insoweit vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse daran, dass es bei der nach Art. 75 AsylVfG angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Abschiebungsanordnung verbleibt, überwiegt das Interesse des Antragsstellers, von einer Abschiebung vorläufig verschont zu bleiben. Seine Klage wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die angefochtene Abschiebungsanordnung ist unter Berücksichtigung der maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Ein Asylantrag ist nach § 27 a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll ein Ausländer in einen solchen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nach Lage der Dinge vor. Die Schweiz ist gemäß § 27 a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (1.1) und es besteht keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, den Asylantrag des Antragstellers dennoch zu prüfen (1.2). Zudem steht fest, dass die Abschiebung des Antragstellers durchgeführt werden kann (1.3).

1.1

Die schweizerische Eidgenossenschaft ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, denen sie sich durch mehrere Abkommen angeschlossen hat, dafür zuständig, das vom Antragsteller beantragte Asylverfahren durchzuführen.

Das folgt aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Dublin-II-Verordnung, die hier aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 49Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-Verordnung) nach wie vor anzuwenden ist, weil der Antrag auf internationalen Schutz und auch das Übernahmegesuch an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden.

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-Verordnung wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III in der dort genannten Rangfolge (Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung) bestimmt wird. Lässt sich, wie es hier insbesondere mangels hinreichend konkreter und überdies widersprüchlicher Angaben bezüglich des Ausreisewegs und des jeweiligen illegalen Grenzübertritts der Fall ist, anhand der (vorrangigen) Kriterien des Kapitels III nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist gemäß Art. 13 Dublin-II-Verordnung der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellte wurde, für dessen Prüfung zuständig. Der Antragsteller hat Asyl erstmals in der Schweiz beantragt. Die zuständige schweizerische Behörde hat das anerkannt und sich nach dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts vom ...2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-Verordnung bereit erklärt, den Antragsteller wieder aufzunehmen. Mit Blick auf ein Schreiben des schweizerischen Bundesamts für Migration vom 7. November 2013, dem zufolge der Antragsteller am ... 2013 ein Asylgesuch eingereicht und am ...2013 zurückgezogen hat, spricht objektiv nichts konkret für das Vorbringen des Antragstellers, er habe in der Schweiz kein Asyl beantragt.

1.2

Das Bundesamt ist nicht verpflichtet, den Asylantrag des Antragstellers trotz der alleinigen Zuständigkeit der Schweiz gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung (entspricht Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung) selbst inhaltlich zu prüfen.

1.2.1

Das in der Dublin-II-Verordnung und in weiteren Rechtsakten geregelte Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf der Überzeugung und dem gegenseitigen Vertrauen darauf, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte beachten, die sich aus dem Abkommen vom 28. Juli 1951 und dem Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergeben. Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-Verordnung erlassen und weitere Übereinkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem nicht dadurch ins Stocken gerät, dass die staatlichen (europäischen) Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen. Darüber hinaus soll verhindert werden, dass nebeneinander bestehende Zuständigkeiten um bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile willen (systematisch) ausgenutzt werden. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem europäischen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (Abl. C 303, S. 1), der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist allerdings nicht unumstößlich. Es obliegt deshalb den Mitgliedstaaten, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinn der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in diesem Staat systemische Mängel aufweisen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011- C-411/10 u. C-493/10 - NVwZ 2012, 417/419 f. und U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - NVwZ 2014, 129/130). Davon ist auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Fall werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris).

1.2.2

Nach diesem Maßstab gibt es keine durch Tatsachen bestätigte Gründe, die ernsthaft befürchten ließen, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen in der Schweiz solche systemischen Mängel aufweisen (vgl. auch VG Schwerin, B.v. 10.3.2014 - 3 B 215/14 As - juris). Das Vorbringen des Antragstellers ist unabhängig von der Frage der Glaubhaftigkeit auf seinen Einzelfall bezogen und damit schon im Ansatz nicht geeignet, ein regelhaft defizitäres Asylverfahren bzw. derartige Aufnahmebedingungen zu belegen.

1.2.3

Einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt im angegriffenen Bescheid mit der ausreichenden Erwägung abgelehnt, außergewöhnliche humanitäre Gründe seien insoweit nicht ersichtlich.

1.3

Ein konkreter Anhalt dafür, dass die Abschiebung aus sonstigen rechtlichen oder aus tatsächlich Gründen nicht möglich ist, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch sind solche sonst ersichtlich. Insbesondere ist die Frist von sechs Monaten zur Überstellung des Klägers in die Schweiz unabhängig von der aufschiebenden Wirkung seines Eilantrags (§ 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-Verordnung) noch nicht abgelaufen.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078 zitiert 2 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. März 2014 - 10 B 6/14

bei uns veröffentlicht am 19.03.2014

Gründe I. 1 Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Se
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 30. Mai 2014 - AN 9 S 13.30078.

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 05. Dez. 2014 - 9 B 418/14

bei uns veröffentlicht am 05.12.2014

Gründe 1 Die Antragsteller wenden sich mit ihrem - gleichzeitig mit der Klage (9 A 417/14 MD) - am 10.11.2014 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.10.2014, mit dem

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.