Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2015 - AN 11 K 15.30613
Tenor
1. Das Verfahren wird bis zum
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am...1992 in ..., Afghanistan geboren, afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und begehrt im Wege einer Untätigkeitsklage die Verpflichtung der Beklagten, eine Entscheidung über seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens vom 18. Dezember 2013 zu treffen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. November 2013, der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eingegangen ist, stellte der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Asylerstverfahrens (Az. des VG Ansbach: AN 11 K 11.30320) die Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Ziel der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Beigefügt war unter anderem ein fachpsychologisches Gutachten von ... vom ... 2013, mit dem ihm eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund von Ereignissen in Afghanistan attestiert wurde, sowie ein nervenärztliches Attest der Diplom-Psychologin ... vom ... 2013 über die Behandlungsbedürftigkeit. Eine Entscheidung über den Antrag des Klägers erging trotz mehrfacher Nachfrage seines Bevollmächtigten nicht. Das Bundesamt teilte mit Schreiben vom 5. November 2014 dem Bevollmächtigten des Klägers mit, dass Aufgrund der im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dramatisch gestiegenen Asylbewerberzugänge, der hohen Anzahl noch anhängiger Wiederaufgreifensanträge und Beteiligungsverfahren, sowie der prekären Personalsituation derzeit leider keine verbindliche Aussage getroffen werden könne, wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne. Auch danach blieben die schriftlichen Nachfragen des Klägerbevollmächtigten ohne Erfolg.
Mit Telefax vom 22. April 2015 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach die vorliegende Untätigkeitsklage, zu deren Begründung ausgeführt wurde, dass der Kläger mit Antrag vom 18. Dezember 2013 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt habe. Mit Schreiben vom 5. November 2014 sei ihm nach mehreren Anfragen mitgeteilt worden, dass mit einer Entscheidung nicht gerechnet werden könne. Dies, obwohl die Aktenlage klar ergebe, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verpflichtet, aufgrund des klägerischen Antrages auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens mit Antrag vom
Gleichzeitig wurde Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten gestellt.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom
die Untätigkeitsklage abzuweisen,
alternativ die Aussetzung des Verfahrens bis zu einem halben Jahr.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diverse Priorisierungsvorgaben in den letzten Monaten zu beachten gewesen seien, aktuell West-Balkan, insbesondere Albanien. Sämtliche Kapazitäten seien unter anderem auch aufgrund der in den letzten Monaten nochmals verstärkten Zugangszahlen unter anderem aus Syrien, Albanien, gebunden. Allein im Juni seien über 50.000 Asylanträge gestellt worden, im Juli seien die Zahlen dann nochmals dramatisch auf 79.000 gestiegen, wie der Presse zu entnehmen gewesen sei. Infolgedessen hätten selbst bereits priorisierte ältere Verfahren wieder zurücktreten müssen. Dies, sowie die nicht von heute auf morgen mögliche Gewinnung und Qualifizierung von Mitarbeitern stellten einen sachlichen Grund für die bisherige Nichtentscheidung dar. Ein organisatorisches Problem seitens des Bundesamtes könne insofern nicht unterstellt werden. Wann eine Entscheidung ergehen könne, sei weiterhin nicht absehbar. Sobald die Priorisierungsvorgaben es erlaubten, würden auch die entscheidungsreifen Verfahren chronologisch abgearbeitet.
Der Bevollmächtigte des Klägers erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 11. August 2015 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG Dresden
Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 3. August 2015 (Beklagte) und vom 11. August 2015 (Klägerseite) auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
1.
Das Verfahren war vom Gericht nach § 75 Satz 3 VwGO bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist auszusetzen, da das Bundesamt im vorliegenden Fall aufgrund eines zureichenden Grundes noch nicht über den Antrag des Klägers vom 18. Dezember 2013 entschieden hat.
Der Kläger begehrt vorliegend die Verpflichtung des Bundesamts zur Entscheidung über seinen Antrag vom 18. Dezember 2013. Statthafte Klageart ist damit eine Verpflichtungsklage in der Form einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO. Ungeachtet der Frage, welcher Klageantrag bei einer derartigen Klage zu stellen ist (hierzu die Ausführungen unter 2.) sind hier, da über den Antrag noch nicht entschieden ist, die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 75 VwGO zu beachten. Nach § 75 Satz 3 VwGO setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus, wenn ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist.
Der zureichende Grund für das Nichtentscheiden über den gestellten Antrag muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vorliegen (Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 11). Das Gericht hat hinsichtlich der Frage, ob ein zureichender Grund für die Verzögerung der Entscheidung vorliegt, einen gewissen Beurteilungsspielraum (Kopp/Schenke, a. a. O. Rn. 8).
Die Frage, wann ein zureichender Grund in diesem Sinne im Falle einer Überlastung einer Behörde vorliegt, ist grundsätzlich umstritten. So ist nach Auffassung unter anderem des VG Dresden (laut dem klägerseits angeführten Urteil vom 13.2.2015) der Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung einer Behörde grundsätzlich nicht ausreichend. Denn bei einer permanenten Überlastung bestimmter Behörden sei es Aufgabe des zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichenden Ersatz zu sorgen oder entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen. Diese Auffassung hätte somit zur Folge, dass ein zureichender Grund nicht vorläge und eine Aussetzung des Verfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO nicht in Frage käme.
Nach Auffassung des Gerichts ist diese Rechtsmeinung jedoch nicht überzeugend. Sie trägt in ihrer Pauschalität insbesondere den tatsächlichen Gegebenheiten im Tätigkeitsbereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in den vergangenen Jahren nicht Rechnung. Allerdings ist dieser Auffassung zuzugeben, dass für die Annahme eines zureichenden Grundes wegen einer Arbeitsüberlastung einer Behörde ein strenger Maßstab anzuwenden ist, um nicht von Vornherein auf Kosten des rechtssuchenden Bürgers den Behörden der öffentlichen Hand die Möglichkeit der Verfahrensverzögerung auf der Grundlage des § 75 VwGO zu leicht zu ermöglichen. Allerdings liegt hier im Bereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts ein zureichender Grund vor. Denn bereits seit dem Jahr 2012, also ein Jahr bevor der Kläger den Folgeantrag vom 18. Dezember 2013 gestellt hat, sind die Asylantragszahlen und damit die Arbeitsbelastung des Bundesamts signifikant gestiegen. So waren im Jahr 2012 noch lediglich 77.651 Asylanträge insgesamt zu verzeichnen (so die Statistik des Bundesamts, abzurufen über www.bamf.de). 2013, mithin im Jahr der Antragstellung des Klägers wurden bereits 127.023 Asylanträge gestellt, 2014 202.834 und von Januar bis Oktober 2015 362.153. Diese Antragsteigerung traf auf ein Bundesamt, das angesichts der sehr geringen Asylantragszahlen von jeweils maximal rund 50.000 (Jahre 2004 bis 2011) personell ausgedünnt war. Nachdem die Zeit für die Schulung von neuen Mitarbeitern ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, war ein Anstieg der Dauer der Verfahren angesichts der gestiegenen Antragszahlen unvermeidlich. Umso mehr liegt dies auf der Hand angesichts von Asylantragszahlen von 54.877 allein im Oktober 2015. Zu berücksichtigen für die Frage, ob ein zureichender Grund für die Nichtbearbeitung des Antrag gerade des Klägers vorliegt, ist insoweit auch, dass es sich dabei um einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt. Der Kläger hatte bereits ein Asylerstverfahren erfolglos durchlaufen. Er hatte also bereits einmal Gelegenheit, seine Gründe beim Bundesamt und nachfolgend auch beim Verwaltungsgericht inhaltlich darzulegen. Es ist daher ein nachvollziehbarer sachlicher Grund, derartige Verfahren weniger dringlich als Erstverfahren zu behandeln.
Nach alledem ist unter Berücksichtigung des gerichtlichen Beurteilungsspielraums für die Beurteilung für die Annahme eines zureichenden Grundes angesichts der seit 2012 erheblich gestiegenen Asylantragszahlen ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung über den Asylantrag des Klägers gegeben.
Nach § 75 Satz 3 VwGO ist daher das Verfahren für eine angemessene Frist auszusetzen. Für die Bemessung dieser Frist besteht ebenfalls ein Beurteilungsspielraum des Gerichts (Kopp/Schenke a.a.O). Angesichts der dargestellten, erheblich gestiegenen Antragszahlen hält das Gericht es für angemessen, das Verfahren für neun Monate auszusetzen. Es ist bei der Festsetzung der angemessenen Frist im Sinne des § 75 VwGO insbesondere nicht an eine beklagtenseits mitgeteilte Frist für die Aussetzung gebunden. Dies umso mehr, als die Beklagte ebenfalls mitgeteilt hat, dass angesichts der derzeitigen Sachlage nicht davon ausgegangen werden kann, dass innerhalb der beklagtenseits genannten sechs Monate eine Entscheidung erfolgen wird.
2.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Klageverfahren war abzulehnen, da der Klage aufgrund des derzeit gestellten Klageantrags die notwendige hinreichende Erfolgsaussicht fehlt, § 167 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.
Dies ergibt sich daraus, dass klägerseits beantragt wird, eine Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens vom 18. Dezember 2013 zu treffen. Bei der Untätigkeitsklage, die vorliegend erhoben wurde, ist aber im Grunde nur ein auf Sachentscheidung gerichteter Antrag statthaft. Ein Antrag wie er vorliegend vom Klägerbevollmächtigten gestellt wurde, der nur auf das Treffen einer (wie auch immer gearteten) Entscheidung angesichts der bisherigen Untätigkeit der Beklagten gerichtet ist, ist aber nach § 75 VwGO gerade nicht vorgesehen.
Soweit in der Rechtsprechung vereinzelt vertreten wird, dass wegen der Besonderheiten des Asylverfahrens auch eine Untätigkeitsklage, die nur auf das Treffen einer Entscheidung gerichtet ist (so z. B. VG Ansbach, U. v. 28.1.2014, AN 1 K 13.31136, juris; VG Gelsenkirchen, U. v. 22.7.2015, 1a K 5125/14.A, juris; VG Düsseldorf, U. v. 30.10.2014, 24 K 992/14.A) überzeugt dieser Rechtsprechung nicht. Denn die Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes/Asylgesetzes weisen keine derartigen Besonderheiten auf, dass von der Grundsatzentscheidung des § 75 VwGO für dieses spezielle Rechtsgebiet abgewichen werden könnte. Auch kann § 113 Abs. 3 VwGO auf die vorliegende Fallkonstellation nicht analog angewendet werden, wie das Bundeverwaltungsgericht bereits mit
Damit ist festzuhalten, dass der klägerseits gestellte Klageantrag bereits unstatthaft ist, die Klage daher unzulässig. Die Klage hat daher nicht die notwendige hinreichende Erfolgsaussicht im dargestellten Sinne.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2015 - AN 11 K 15.30613
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2015 - AN 11 K 15.30613
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 13. Nov. 2015 - AN 11 K 15.30613 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom °°°°°°°° auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 1. Januar 1973 in C. T. geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger und gehört dem Volk der U. an.
3Der Kläger verließ Eritrea nach eigenen Angaben am 19. September 2011 zu Fuß in Richtung Äthiopien, wo er sich drei Monate lang aufhielt. Sodann ging er in den Sudan und reiste nach sechs Monaten in Richtung Libyen weiter. Nachdem er dort ein Jahr und acht Monate gelebt hatte, fuhr er mit einem Boot über das Mittelmeer nach Italien. Dort hielt er sich zwölf Tage lang auf. Schließlich reiste er am 16. November 2013 mit einem Pkw in das Bundesgebiet ein.
4Am °°°°°°° stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Antrag auf Asyl sowie auf Anerkennung als Flüchtling. Noch am gleichen Tag fand eine Befragung zur Vorbereitung der Anhörung statt, in deren Rahmen er seinen Reiseweg schilderte. Eine Anhörung hinsichtlich seiner Asylgründe erfolgte nicht.
5Mit Schriftsatz vom 25. September 2014 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Bundesamt auf, das bereits ein Jahr zuvor begonnene Asylverfahren spätestens bis zum 16. Oktober 2014 zu betreiben.
6Nachdem eine Bescheidung weiterhin nicht erfolgte, hat der Kläger am 17. November 2014 Untätigkeitsklage erhoben.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich,
8die Beklagte zu verpflichten, seinen Asylantrag zu bearbeiten und über diesen innerhalb von drei Monaten zu entscheiden.
9Die Beklagte hat trotz Gelegenheit hierzu und mehrfacher Erinnerung hieran weder eine Klageerwiderung abgegeben noch schriftsätzlich einen Klageabweisungsantrag gestellt.
10Der Kläger hat sich mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 9. Juli 2015 auf entsprechende Anfrage des Gerichts mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Von der Beklagten liegt ein genereller Verzicht auf eine Stellungnahme vor dem Erlass eines Gerichtsbescheides in Form einer allgemeinen Prozesserklärung gegenüber den Verwaltungsgerichten, zuletzt aktualisiert mit Schreiben vom 26. Januar 2015, vor.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Das Gericht kann mit Einverständnis des Klägers und aufgrund des von der Beklagten erklärten Verzichts auf eine entsprechende Stellungnahme ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung– VwGO –.
14Die Klage ist sowohl zulässig als auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
15Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig. Die in § 75 Satz 2 VwGO genannte Frist von drei Monaten war bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen: Der Antrag des Klägers beim Bundesamt datiert auf den °°°°°°°; die Klageerhebung erfolgte am 17. November 2014. Dabei wird die Frist des § 75 Satz 2 VwGO für das Asylverfahren nicht durch die Regelung in § 24 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes – AsylVfG –, in welcher eine Benachrichtigung bei mehr als sechsmonatiger Bearbeitungsfrist vorgesehen ist, modifiziert.
16Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 24 K 992/14.A –, juris Rn. 13; VG Ansbach, Beschluss vom 4. August 2014 - AN 11 K 13.31060-, juris, Rn. 10.
17Im Übrigen war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch die Frist von sechs Monaten seit Stellung des Antrags beim Bundesamt abgelaufen.
18Soweit die Beklagte regelmäßig in parallelen Klageverfahren wegen Untätigkeit im Asylverfahren argumentiert, dass einer auf eine gebundene Entscheidung gerichteten Untätigkeitsklage – wie im Asylverfahren, wo kein Ermessens-, Beurteilungs- oder Bewertungsspielraum besteht – das Rechtsschutzbedürfnis fehle, verfängt dieser Einwand nicht. Die insoweit zum Beleg angeführten obergerichtlichen Entscheidungen,
19vgl. insbesondere OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. März 2009 – 3 O 422/08 –, juris (Rn. 4), unter Bezug-nahme auf BVerwG, Beschluss vom 28. April 1997 – 6 B 6/97 –, juris (Rn. 28), und Urteil vom 7. Oktober 1980– 6 C 39/80 –, BVerwGE 61, 45 = juris,
20betreffen ausschließlich Fallkonstellationen, in denen nur noch eine gebundene Rechtsentscheidung durch Widerspruchsbescheid zu treffen gewesen wäre. Sie unterscheiden sich von der vorliegenden Sachlage jedoch dahingehend, dass die Ausgangsbehörde immerhin bereits durch Erlass eines Ausgangsbescheids tätig geworden ist, woran es bei der Beklagten vorliegend gänzlich mangelt. Beide Konstellationen sind vor diesem Hintergrund nicht vergleichbar.
21Darüber hinaus lag weder im Zeitpunkt der Klageerhebung noch liegt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Antrags des Klägers im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO vor. Das Bundesamt hat insoweit in parallelen Klageverfahren vorgetragen, dass die Zugangszahlen sich kurzfristig exorbitant erhöht hätten: Ausgehend vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2012 sei zunächst eine kontinuierliche und sodann in den Jahren 2013 und 2014 eine nochmalige massive Steigerung der Erst- und Folgeanträge in Deutschland zu verzeichnen gewesen; alleine der Anstieg der Asylanträge zwischen den Jahren 2013 und 2014 belaufe sich auf rund 60 Prozent. Dieser Situation werde bei im Wesentlichen unverändertem Personalbestand durch organisatorische Umverteilungsmaßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen. Ausweislich der im Jahr 2014 exorbitant gestiegenen Zugangszahlen handele es sich schließlich auch noch um eine als vorübergehend einzustufende und außergewöhnlich stark angestiegene Geschäftsbelastung.
22Diese Darlegungen rechtfertigen die Annahme eines zureichenden Grundes nicht. Das Vorliegen eines zureichenden Grundes im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO ist zunächst objektiv zu beurteilen. Ein zureichender Grund kann sich etwa aus dem besonderen Umfang oder der besonderen Schwierigkeit der Sachaufklärung sowie der besonderen Schwierigkeit des zu entscheidenden Falls ergeben. Mit Blick auf die Geschäftsbelastung einer Behörde gelten folgende Grundsätze: Zwar kann sich ein zureichender Grund aus einer kurzfristigen besonderen Geschäftsbelastung oder der Überlastung aufgrund einer Gesetzesänderung ergeben, von der ebenfalls anzunehmen ist, dass sie vorübergehend ist. Jedoch liegt ein zureichender Grund nicht bei einer permanenten Überlastung bestimmter Behörden vor, da es in einem solchen Fall Aufgabe des zuständigen Ministeriums bzw. der Behördenleitung ist, für hinreichenden Ersatz zu sorgen oder entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.
23Vgl. aus der Rechtsprechung VG Braunschweig, Urteil vom 8. September 2014 – 8 A 618/13 –; VG Wiesbaden, Urteil vom 7. Mai 2015 – 7 K 720/14.WI.A – sowie desweiteren VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 24 K 992/14.A –, juris (Rn. 17); siehe auch Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 75 VwGO, Rn. 13; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 75 Rn. 9; Brenner, in: Sodann/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 4. Auflage, 2014, § 75 Rn. 52.
24Gemessen hieran stellt die unzweifelhaft vorliegende, hohe Geschäftsbelastung des Bundesamtes keinen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Antrags des Klägers dar. Denn jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung, d.h. Mitte des Jahres 2015, ist die durch den sehr starken Anstieg der Asylbewerberbezahlen begründete Geschäftsbelastung nicht mehr nur als vorübergehend einzustufen. Das Bundesamt hat insoweit – in den in Parallelverfahren vorliegenden Klageerwiderungen – zutreffend ausgeführt, dass der sprunghafte Anstieg der Asylanträge bereits im zweiten Halbjahr des Jahres 2012 begonnen habe und auch danach in den Jahren 2013 und 2014 – dort sogar mit einem exorbitanten Anstieg – fortlaufend höhere Eingangszahlen zu verzeichnen gewesen seien. Zwar hat das Bundesamt bzw. die personalausstattende Stelle organisatorische Maßnahmen ergriffen und ist das Personal auch in gewissem Umfang aufgestockt worden. Doch haben die getroffenen Maßnahmen – was angesichts der dargelegten Zahlen spätestens im Jahr 2014 deutlich erkennbar gewesen sein dürfte – offenkundig nicht genügt, um die eingehenden Asylverfahren in angemessener Zeit bearbeiten zu können. Es wäre insoweit Aufgabe und Pflicht der zuständigen Stelle, das Bundesamt in dem erforderlichen Umfang mit Personal auszustatten.
25Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, namentlich betreffend die Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über den Antrag des Klägers vom °°°°°°° auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, begründet. Der Kläger hat, wie von ihm beantragt, einen Anspruch darauf, dass das Bundesamt nach Ablauf von nunmehr etwa 1,5 Jahren seit seinem Asylantrag am °°°°°°° zeitnah hierüber entscheidet.
26Im Rahmen der vorliegenden Untätigkeitsklage sieht sich das Gericht insoweit wegen der Besonderheiten des Asylverfahrens nicht gehalten, „durchzuentscheiden“ und eine Entscheidung in der Sache zu treffen, d.h. Spruchreife im Sinne einer Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herzustellen. Denn für einen gerichtlichen Verpflichtungsausspruch im Sinn des § 113 Abs. 1 VwGO ist unter Berücksichtigung der asylrechtlichen Besonderheiten kein Raum. Die besondere – auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde – gerichtete Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz steht der Annahme entgegen, dass das Verwaltungsgericht die Sache durch Ermittlung des gesamten für eine Sachentscheidung über den Asylantrag erforderlichen Sachverhalts spruchreif zu machen hätte, solange – wie vorliegend – noch keine Verwaltungsentscheidung über den Asylantrag ergangen ist.
27In gleicher Weise bereits: VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 – AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 33 ff.);VG Trier, Urteil vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11.TR –, juris (Rn. 24 ff.); VG Berlin, Urteil vom 16. April 2013 – 23 K 508.12 A –, juris (Rn. 14 ff.); VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 – A 2 K 13182/95 –, juris (Rn. 15 ff.); diesen Entscheidungen folgend ebenfalls: VG Wiesbaden, Urteil vom 7. Mai 2015 – 7 K 720/14.WI.A –; VG Braunschweig, Urteil vom 8. September 2014 – 8A 618/13 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 24 K 992/14.A –, juris (Rn. 21 ff.); zu einem früheren Zeitpunkt schon VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 – A 2 K 13182/95 –, juris; a.A. hingegen VG Regensburg, Urteil vom 16. Februar 2015 – RO 4 K 14.30747 –; VG Würzburg, Urteil vom 22. April 2015 – W 6 K 15.30041 –; VG Gießen, Beschluss vom 11. Mai 2015 – 6 K 1663/15.GI.A –, allesamt juris.
28Zwar richtet sich die begehrte Verpflichtung im Asylverfahren auf eine gebundene Verwaltungsentscheidung und nicht auf solche in Ausübung eines eingeräumten Ermessens oder einer Beurteilungsermächtigung. Deshalb hat das Gericht grundsätzlich die Streitsache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO in vollem Umfang selbst spruchreif zu machen und Unklarheiten und Lücken in der behördlichen Sachverhaltsermittlung zu schließen, vgl. § 86 VwGO.
29In dieser Weise BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1998 – 9 C 45/97 – BVerwGE 107, 128-133 = juris (Rn. 10), und vom 7. März 1995 – 9 C 264/94 –, juris (Rn. 14 ff.).
30Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings auch entschieden, dass der Grundsatz, die Sache spruchreif zu machen und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage zu beschränken, nicht ausnahmslos gelte. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus § 113 Abs. 3 VwGO sei zu entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Vor allem stehe die besondere – auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde – gerichtete Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme.
31Vgl. für den Fall der Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteile vom 7. März 1995– 9 C 264/94 –, juris (Rn. 14 ff.), und vom 5. September 2013 – 10 C 1/13 –, juris (Rn. 14).
32Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ebenfalls auf den Fall der Untätigkeit des Bundesamtes übertragbar. Auch in diesem Fall trifft das Bundesamt keine Sachentscheidung über den Anspruch auf Asylanerkennung und wird sogar, anders als in zwischenzeitlich anerkannten Fällen, in denen in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Verpflichtung der Gerichte zum Durchentscheiden überwiegend abgelehnt wird, wenn das Bundesamt das Verfahren in rechtswidriger Weise einstellt (§§ 32, 33 AsylVfG),
33vgl. BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 – 9 C 264/94 –, juris (Rn. 14 ff.), und vom 5. September 2013 – 10 C1/13 –, juris (Rn. 14); siehe außerdem VG Karlsruhe, Urteil vom 17. Oktober 2011 – A 3 K 2090/11 –, juris (Rn. 14),
34oder das Bundesamt die Durchführung eines Asylverfahrens in rechtswidriger Weise ablehnt (§ 27a AsylVfG).
35vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juni 2015 – 13 A 220/15.A –, juris (Rn. 20, 24), und vom 16. Juni 2015– 13 A 221/15.A –, juris (Rn. 3 ff.); OVG Lüneburg, Urteilvom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/14 –, juris (Rn. 27 ff.),
36überhaupt nicht tätig.
37Es erschiene jedoch widersinnig, in Fällen, in welchen das Bundesamt über verfahrensrechtliche Fragen entschieden hat, lediglich eine gerichtliche Verpflichtung zur Durchführung des Verfahrens und zur Verbescheidung auszusprechen, in Fällen aber, in welchen das Bundesamt gänzlich untätig bleibt, die Streitsache gerichtlich aufzuklären und an Stelle der Behörde in der Sache zu entscheiden.
38Siehe schon VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014– AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 39); VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 – A 2 K 13182/95 –, juris (Rn. 15 ff.).
39Es kann insbesondere nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamtes, das sich mit dem Asylbegehren inhaltlich noch nicht befasst und eine Entscheidung hierüber noch nicht getroffen hat, abschließend über den Asylanspruch zu befinden.
40Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993– 2 BvR 1988/92 –, juris (Rn. 23) in einer – den Fällen der Untätigkeit vergleichbaren – Konstellation, in welcher das Bundesamt aufgrund einer Entscheidung ausschließlich der Ausländerbehörde noch nicht mit dem Asylbegehren befasst war.
41Für die Übertragung der vorgenannten Rechtsprechung zu §§ 32, 33 sowie § 27a AsylVfG auf die Konstellationen der Untätigkeit des Bundesamtes spricht desweiteren auch, dass bei einem Durchentscheiden der Verwaltungsgerichte die dem Bundesamt (§ 5 AsylVfG) vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen würden:
42Gelangt das Bundesamt nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, es sei gemäß §§ 29a und 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Entscheidung des Bundesamtes und gegebenenfalls eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Ausländers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit hat das Gericht nicht. Es kann eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG unter Fristsetzung (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) nicht aussprechen.
43Stellt sich das Asylbegehren nach Ansicht des Verwaltungsgerichts als schlicht unbegründet heraus, bemisst § 38 Abs. 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Da das Gericht sie nicht aussprechen kann, müsste das Bundesamt nachträglich (nach Eintritt der Bestandkraft der gerichtlichen Entscheidung) den Asylbewerber zur Ausreise auffordern und ihm die Abschiebung androhen (§§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG). Gegen diese Entscheidung wäre wiederum der Rechtsweg eröffnet (§ 74 Abs. 1 AsylVfG), was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes völlig widerspricht. Ein „Durchentscheiden“ bei Untätigkeit des Bundesamtes kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Kläger mit seinem ersten in Deutschland gestellten Asylantrag erfolglos geblieben ist, mithin bereits eine behördliche Entscheidung zu seinem Asylbegehren vorliegt und lediglich über seinen Asylfolgeantrag zu entscheiden ist.
44Vgl. zum gesamten Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264/94 –, juris (Rn. 15), für den Fall der Verfahrenseinstellung nach §§ 32,33 AsylVfG; VG Trier, Urteil vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11 –, juris (Rn. 26); VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 – AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 35. f.); vgl. schließlich auch BVerwG Urteil vom6. Juli 1998 – 9 C 45/97 –, juris (Rn. 10), wo das Vorliegen einer ablehnenden Behördenentscheidung für die Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zum Durchentscheiden vorausgesetzt wird.
45Darüber hinaus ginge dem Kläger, wenn das Gericht gehalten wäre, im Rahmen der Untätigkeitsklage unmittelbar über sein Begehren auf Asyl und Flüchtlingsschutz zu entscheiden, eine komplette Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist: Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Diese Regelungen des AsylVfG lassen darauf schließen, dass die unterlassene sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist. Dass diese Nachholung zugleich einen Zeitverlust mit sich bringen kann, tritt gegenüber dem Anliegen einer schnellen Beendigung des Aufenthalts bei rechtskräftiger Versagung von Asyl und Abschiebungsschutz zurück.
46Für den Fall der Verfahrenseinstellung nach §§ 32,33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995– 9 C 264/94 –, juris (Rn. 16 f.).
47Angesichts dieser zahlreichen, im Asylverfahren bestehenden Besonderheiten, die dem Bundesamt zur Sachverhaltsaufklärung und zur Verfahrensbeschleunigung vom Gesetzgeber zugewiesen sind, kann eine infolge Untätigkeit gemäß § 75 VwGO erhobene Klage nicht dazu führen, dass das Verwaltungsgericht an Stelle und ohne dass das Bundesamt sich inhaltlich mit dem Asylbegehren auseinandergesetzt hat, erstmals in der Sache entscheidet.
48Vgl. VG Trier, Urteil vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11 –, juris (Rn. 26); VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 – AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 35. f.); VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 – A 2 K 13182/95 –, juris (Rn. 15 ff.); zur Thematik insgesamt BayVGH, Urteil vom 23. Juli 1996– 24 BA 94.31056 – NvWZ-Beilage 1997/13 = juris(Rn. 20 ff.).
49Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG würde eine gerichtliche Entscheidung über das Vorliegen der materiellen asylrechtlichen Voraussetzungen in diesem Verfahrensstadium rechtlichen Bedenken begegnen.
50Vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 7. März 1995, – 9 C 264/94 –, juris (Rn. 15); VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014– AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 38 a.E.).
51Vor diesem Hintergrund soll erst die Entscheidung des Bundesamtes, die über den Antrag des Klägers auf Feststellung der Asylanerkennung, Flüchtlingseigenschaft und von Abschiebungsverboten ergeht, der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO unterliegen.
52So bereits ausdrücklich VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 – AN 1 K 13.31136 –, juris (Rn. 40).
53Ob es ausnahmsweise Fälle geben mag, in denen das Gericht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung befugt sein sollte, auf einen mit dem Aufhebungsbegehren verbundenen Verpflichtungsantrag entsprechend § 75 VwGO zur Sachentscheidung vorzudringen, braucht hier nicht geklärt zu werden, da der Kläger seinen Antrag auf die bloße Verpflichtung der Beklagten zu einer Entscheidung beschränkt hat.
54Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C264/94 –, juris (Rn. 18), dort in Bezug auf §§ 32,33 AsylVfG.
55Abweichend von dem klägerischen Antrag ist der Beklagten jedoch nach Auffassung der Kammer keine konkrete Frist zur Entscheidung zu setzen, da davon auszugehen ist, dass diese der durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochenen Verpflichtung nach Rechtskraft Folge leisten wird. Demgegenüber wäre die Bestimmung einer zeitlichen Vorgabe – nicht zuletzt in Anbetracht der noch ausstehenden Anhörung des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal – eine in den verwaltungsorganisatorischen Spielraum des Bundesamtes eingreifende Maßnahme, die eine Beschleunigung des Verfahrensablaufs zuungunsten der Richtigkeit und Qualität der Aufklärung befürchten lassen könnte. Eine unmittelbare Anwendung der in § 75 VwGO normierten Frist scheidet ohnehin aus, da diese Regelung den Zeitraum vor Klageerhebung betrifft, vorliegend jedoch eine zeitliche Vorgabe im Nachgang der abschließenden gerichtlichen Entscheidung in Rede stehen würde. Für die analoge Anwendung fehlt es hingegen an der vergleichbaren Interessenlage. Denn die Beklagte ist auch ohne Fristsetzung im Tenor gehalten, dem Verpflichtungsausspruch zeitnah nach Rechtskraft dieser Entscheidung nachzukommen.
56In gleicher Weise zur Verpflichtung ohne konkrete Frist-setzung im Tenor: VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 – AN 1 K 13.31136 –; VG Trier, Urteil vom 30. Mai 2012 – 5 K 967/11.TR –; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 24 K 992/14.A –, allesamt juris; abweichend hingegen VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 – A 2 K 13182/95 –, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 8. September 2014 – 8A 618/13 –.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylVfG; der klageabweisende Teil hinsichtlich der vom Kläger beantragten, im Tenor jedoch unterbliebenen zeitlichen Vorgabe von drei Monaten zur Entscheidung fällt neben der allgemeinen Verpflichtung hierzu nicht beträchtlich ins Gewicht.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 709 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 5. August 2013, unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 1995 in der Person der Klägerin Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.0.1967 geborene Klägerin ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Sie führte bereits im Jahr 1995 bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) ein Asylverfahren durch. Den entsprechenden Asylantrag nahm sie am 1. März 1995 zurück. Mit Bescheid vom 19. Mai 1995 stellte das Bundesamt das Asylverfahren ein und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 des damals geltenden Ausländergesetzes nicht vorliegen. Ferner erließ es eine Abschiebungsandrohung.
3Am 5. August 2013 stellte die Klägerin beim Bundesamt einen Wiederaufgreifensantrag mit dem Ziel, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG festzustellen. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013 fragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Bundesamt an, wann eine Entscheidung erfolgen werde. Weitere Nachfragen nach dem Sachstand erfolgten am 7. November 2013 und am 2. Januar 2014. Mit Schreiben vom 13. Januar 2014 teilte das Bundesamt mit, dass aufgrund der im vergangenen Jahr dramatisch angestiegenen Asylbewerberzugänge derzeit leider keine Aussage hinsichtlich des Verfahrensstandes getroffen werden könne. Daraufhin wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Bundesamt mit Schreiben vom 23. Januar 2014 auf die Regelung des § 75 VwGO hin.
4Nachdem eine Bescheidung nicht erfolgte, hat die Klägerin am 13. Februar 2014 Untätigkeitsklage erhoben.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte zu verpflichten, in der Person der Klägerin zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG festzustellen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung hat sie zunächst auf Ihr Schreiben vom 13. Januar 2014 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 12. März 2014 hat sie beantragt, das Verfahren für sechs Monate auszusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es liege ein zureichender Grund für die bisherige Nichtbescheidung vor, weil es sich bei der Geschäftslage des Bundesamts um eine vorübergehende Überlastung bzw. besondere Geschäftsbelastung handele.
10Mit Beschluss vom 15. April 2014 hat das Gericht der Klägerin auf ihren entsprechenden Antrag hin für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Das Gericht kann trotz Ausbleibens der Beteiligten, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden ist, in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil sie ordnungsgemäß geladen und auf diese Folgen des Ausbleibens mit der Ladung hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 VwGO.
14Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
15Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig. Die in § 75 Satz 2 VwGO genannte Frist von drei Monaten war (bereits) im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen: Der Antrag der Klägerin beim Bundesamt datiert auf den 5. August 2013; die Klageerhebung erfolgte am 13. Februar 2014. Dabei wird die Frist des § 75 Satz 2 VwGO für das Asylverfahren nicht durch die Regelung des § 24 Abs. 4 AsylVfG - der eine Benachrichtigung bei mehr als sechsmonatiger Bearbeitungsfrist vorsieht - modifiziert.
16Vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 4. August 2014 - AN 11 K 13.31060 -, juris, Rn. 10.
17Im Übrigen war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch die Frist von sechs Monaten seit Stellung des Antrags beim Bundesamt abgelaufen.
18Darüber hinaus lag bzw. liegt weder im Zeitpunkt der Klageerhebung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Antrags der Klägerin im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO vor. Das Bundesamt hat insoweit vorgetragen, es habe exorbitante Zugänge von Asylbewerbern nach Deutschland im zweiten Halbjahr 2012 sowie unverändert hohe Zuzugszahlen seit Beginn des Jahres 2013 gegeben. Dieser Situation müsse bei im Wesentlichen unverändertem Personalbestand durch organisatorische Umverteilungsmaßnahmen und Priorisierungsentscheidungen Rechnung getragen werden.
19Diese Darlegungen rechtfertigen die Annahme eines zureichenden Grundes nicht. Das Vorliegen eines zureichenden Grundes im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO ist zunächst objektiv zu beurteilen. Ein zureichender Grund kann sich etwa aus dem besonderen Umfang oder der besonderen Schwierigkeit der Sachaufklärung sowie der besonderen Schwierigkeit des zu entscheidenden Falls ergeben. Mit Blick auf die Geschäftsbelastung einer Behörde gelten folgende Grundsätze: Zwar kann sich ein zureichender Grund aus einer kurzfristigen besonderen Geschäftsbelastung oder der Überlastung aufgrund einer Gesetzesänderung ergeben, von der ebenfalls anzunehmen ist, dass sie vorübergehend ist. Jedoch liegt ein zureichender Grund nicht bei einer permanenten Überlastung bestimmter Behörden vor, da es in einem solchen Fall Aufgabe des zuständigen Ministeriums bzw. der Behördenleitung ist, für hinreichenden Ersatz zu sorgen oder entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.
20Brenner, in: Sodann/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 3. Auflage, 2010, § 75 Rn. 52 mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen.
21Gemessen daran stellt die geschilderte - und unzweifelhaft vorliegende - hohe Geschäftsbelastung des Bundesamtes keinen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Antrags der Klägerin dar. Zunächst ist die durch den sehr starken Anstieg der Asylbewerberbezahlen begründete Geschäftsbelastung nicht (mehr) vorübergehend. Das Bundesamt hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der sprunghafte Anstieg der Asylverfahren bereits im zweiten Halbjahr des Jahres 2012 begann und auch danach unverändert hohe Eingangszahlen zu verzeichnen gewesen seien. Zum anderen hat das Bundesamt bzw. die personalausstattende Stelle zwar organisatorische Maßnahmen ergriffen und ist das Personal auch (geringfügig) aufgestockt worden. Diese Maßnahmen genügen jedoch offenkundig nicht, um die eingehenden Asylverfahren in angemessener Zeit bearbeiten zu können. Es wäre insoweit Aufgabe und Pflicht der zuständigen Stelle, das Bundesamt in dem erforderlichen Umfang mit Personal auszustatten.
22Liegt ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung danach nicht vor, hatte das Gericht auch keinen Anlass, dem mit Schriftsatz des Bundesamts vom 12. März 2014 gestellten Antrag, das Verfahren für sechs Monate auszusetzen, nachzugehen. Im Übrigen ist selbst die beantragte Frist der Aussetzung im Zeitpunkt der hiesigen gerichtlichen Entscheidung abgelaufen.
23Die Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch darauf, dass das Bundesamt in angemessener Frist über ihren Wiederaufgreifensantrag betreffend die Feststellung zu § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG entscheidet. Im Rahmen der vorliegenden Untätigkeitsklage sieht sich das Gericht insoweit wegen der Besonderheiten des Asylverfahrens zur Vermeidung des Verlustes einer Tatsacheninstanz gehindert, „durchzuentscheiden“ und eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Das Asylverfahren unterscheidet sich von anderen Verwaltungsverfahren durch seine besondere Struktur. Neben der Tatsache, dass das Bundesamt insoweit mit besonderer Sachkunde ausgestattet ist, gewährt das Asylverfahren auch besondere Verfahrensgarantien.
24Mit gleichem Ergebnis: VG Ansbach, Urteil vom 28. Januar 2014 - AN 1 K 13.31136 -, juris, Rn. 33 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 7. März 2012 - 21 K 7676/11.A -, juris, Rn. 20 ff; VG Freiburg, Urteil vom 20. März 1997 - A 2 K 13182/95 -, juris, Orientierungssatz 2.
25Diese Erwägungen gelten nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht nur für Asylerst- und Asylfolgeverfahren, sondern auch für das hier angestrengte Verfahren zur Abänderung der vormals getroffenen Feststellung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG.
26Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 VwGO, 83b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.