Sozialgericht Rostock Urteil, 29. Nov. 2018 - S 2 AL 69/17

bei uns veröffentlicht am29.11.2018

Tenor

Der Bescheid vom 04.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 02.09.2017 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitslosengeldanspruch des Klägers wegen einer Abfindung in der Zeit vom 01.09.2017 bis 26.02.2017 ruht.

2

Der am … geborene Kläger war von 2002 bis 2013 als Geschäftsführer bei einer .. und wechselte ab dem 01.01.2014 in eine neue Beschäftigung als hauptamtliches Vorstandsmitglied C-Stadt beschäftigt. Grundlage für das Beschäftigungsverhältnis war die Satzung der Wohnungsgenossenschaft und der am 19.12.2012 geschlossene Dienstvertrag (DV), wonach der Kläger durch Beschluss des Aufsichtsrates mit Wirkung vom 01.01.2014 für Dauer von fünf Jahren zum Vorstandsmitglied bestellt wurde. Der Kläger war berechtigt, die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder mit einem Prokuristen zu vertreten. Die Vergütung betrug 6.900 € brutto monatlich. Zuzüglich wurden Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. § 10 DV regelte zu Vertragsbeginn und Vertragsende Folgendes:

3

1. „Das Dienstverhältnis beginnt am 1. Januar 2014. Es endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf der jeweiligen Bestellung. Wird das Vorstandsmitglied durch Beschluss der Vertreterversammlung abberufen, endet das Dienstverhältnis automatisch mit einer Frist von sechs Monaten. Das Vorstandsmitglied kann während dieses Zeitraumes von seiner Tätigkeit freigestellt werden. Das Dienstverhältnis endet auch, wenn Umstände nach § 9 (durch den RV-Träger festgestellte Erwerbsminderung) eintreten.

4

2. Wird das Vorstandsmitglied erneut bestellt, verlängert sich der Vertrag automatisch.

5

3. Der Vertrag endet ohne ausdrückliche Kündigung in dem Monat, in dem das Vorstandsmitglied das gesetzliche Rentenalter erreicht.

6

4. Ab dem Zeitpunkt des Beschlusses des Aufsichtsrates, das Vorstandsmitglied nicht über die laufende Amtsdauer hinaus wieder zu bestellen, kann das Vorstandsmitglied für die restliche Dauer des Dienstverhältnisses freigestellt werden.

7

5. Im Fall der Nichtwiederbestellung durch den Aufsichtsrat oder durch die Abberufung durch die Vertreterversammlung erhält das Vorstandsmitglied eine einmalige Abfindung sechs Monatsgehältern.“

8

Nach der Satzung der Wohnungsgenossenschaft (§ 21 Abs. 6) sollten Anstellungsverträge mit hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern für die Dauer der Bestellung abgeschlossen werden. Für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Fristen sowie für den Abschluss von Aufhebungsverträgen war der Aufsichtsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden zuständig. Für fristlose Kündigungen aus wichtigem Grund war die Vertreterversammlung zuständig.

9

Im November 2016 teilte der Kläger den Aufsichtsratmitgliedern der Wohnungsgenossenschaft mit, dass er nicht mehr bereit sei, seine Zustimmung zu Rechtsgeschäften zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und der Wohnungsgenossenschaft zu geben. Nach Angaben des Klägers wurde er darauf hin vom Aufsichtsrat ab dem 17.11.2016 vom Dienst suspendiert und mit einem Hausverbot belegt. Mit Schreiben vom 23.11.2016 wurde der Kläger vorläufig seines Amtes enthoben. Es wurde eine außerordentliche Vertreterversammlung für den 15.12.2016 einberufen, in der die Abberufung bzw. Kündigung des Klägers in seiner als Vorstandsmitglied beschlossen werden sollte. Nachdem auf der Sitzung ein entsprechender Beschluss nicht gefasst wurde, schloss der Kläger am 02.03.2017 einen Aufhebungsvertrag, wonach die Bestellung zum Vorstand einvernehmlich mit Wirkung zum 28.02.2017 beendet wird und er sein Mandat als Vorstandsmitglied niederlegt. Die Wohnungsgenossenschaft gewährte dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 200.000 € und überließ dem Kläger sein Dienstfahrzeug, dessen Verkehrswert mit 15.000 € beziffert wird.

10

Am 16.02.2017 meldete sich der Kläger ab dem 01.03.2017 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg).

11

Mit Bescheid vom 04.04.2017 stellte die Beklagte fest, dass der Alg-Anspruch wegen der gewährten Entlassungsentschädigung für die Zeit vom 01.03.2017 bis zum 26.02.2018 ruht. Mit Bewilligungsbescheid vom 07.04.2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 27.02.2016 bis zum 28.02.2019 Alg in Höhe von 72,02 € täglich (2.160,60 € monatlich).

12

Hiergegen legte der Kläger am 04.05.2017 Widerspruch ein, mit dem er sich im Wesentlichen gegen den Vorwurf wandte, das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet zu haben. Der Arbeitgeber sei zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Ein Ruhen komme allenfalls für die Zeit bis 31.08.2017 in Betracht, weil dann die Sechs-Monats-Frist für die Abberufung geendet hätte. Er habe sich vor Abschluss des Aufhebungsvertrages bei der Arbeitsagentur in A-Stadt beraten lassen und sei über das Ruhen bei Abfindung nicht informiert worden.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für das Arbeitsverhältnis des Klägers sei die ordentliche Kündigung zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen, sodass nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 158 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III) eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten gelte. Mit Rücksicht auf das Lebensalter des Klägers am Ende des Arbeitsverhältnisses (44 Jahre) und die Dauer der Betriebszugehörigkeit (3 Jahre), seien 55 % der Entlassungsentschädigung zu berücksichtigen, was einem Betrag von 118.250 € entspreche. Bei Anrechnung dieses Betrages ruhe der Alg-Anspruch bis zum 26.02.2018.

14

Mit der am 04.09.2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Im Wesentlichen wiederholt er den Vortrag im Widerspruchsverfahren.

15

Der Kläger beantragt:

16

Der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.09.2017 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie verweist im Wesentlichen auf die Begründung der Bescheide sowie darauf, dass eine Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund durch die einberufene außerordentliche Vertreterversammlung nicht erfolgt sei.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakten des Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

22

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und abzuändern. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass ihm ab dem 02.09.2017 Alg gewährt wird.

23

Nach § 158 SGB III ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 S. 1 SGB III). Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Kündigung und bei Fehlen einer Kündigung mit der Vereinbarung, die der Beendigung vorausgegangen ist (§ 158 Abs. 1 S. 2 SGB III). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB III), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (§ 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III). Kann der Arbeitnehmerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 158 Abs. 1 S. 4 SGB III).

24

Vorliegend sieht das Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund als erfüllt an, so dass für die Frage, ob eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 158 SGB III anzunehmen ist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebende Kündigungsfrist gilt (§ 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III). Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 158 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB III keine Anwendung.

25

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz vollständigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl. BSG, Urteil vom 17.12. 2013, – B 11 AL 13/12 R –, juris, Rn. 16 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BAG).

26

Das Arbeitsverhältnis des Klägers konnte nicht ordentlich gekündigt werden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war vom 01.01.2014 für die Dauer von fünf Jahren, das heißt bis zum 31.12.2019 befristet. Nach § 15 Abs. 3 TzBfG unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

27

Einzelvertraglich war eine Kündigung des Dienstverhältnisses nicht vorgesehen. Nach § 10 DV sollte das Anstellungsverhältnis automatisch mit Ablauf der Bestellung und in Fällen einer vorzeitigen Abberufung mit einer Frist von sechs Monaten enden. Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (MTV) vom 03.06.1997 fand auf den Kläger als leitenden Angestellten keine Anwendung (vgl. § 1 MTV).

28

Die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als hauptamtliches Vorstandsmitglied war vorliegend weggefallen. Nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers gab es im November 2017 grundlegende Differenzen hinsichtlich der Geschäftsführung, die den Aufsichtsrat veranlassten, den Kläger von der Arbeit freizustellen, ihm ein Hausverbot zu erteilen und die Abberufung des Klägers als hauptamtliches Vorstandsmitglied einzuleiten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Abberufung am 15.12.2016 tatsächlich nicht von der Vertreterversammlung beschlossen wurde, denn dieses kann nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass tatsächlich kein wichtiger Grund vorlag. Abgesehen davon, dass die Erwägungen der Vertreterversammlung für die seinerzeit unterbliebene Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grund nicht bekannt sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Versuch einer gütlichen Einigung mit dem Kläger unternommen werden sollte, um (öffentliche und gerichtliche) Auseinandersetzungen zu vermeiden. Für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit spricht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsrat nach den Vorfällen tiefgreifend gestört war und der Aufsichtsrat erkennbar die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, mit dem Kläger nicht weiter zusammen zu arbeiten.

29

Unter den gegebenen Umständen war dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund nicht zumutbar. Die oben angeführten Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 626 BGB mit Auslauffrist lagen vor. Die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages wäre bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 02.03.2017 gemäß § 10 DV in der Weise möglich gewesen, dass der Kläger aus seinem Amt abberufen wird und das Arbeitsverhältnis mit Ablauf einer Auslauffrist von sechs Monaten am 02.09.2017 endet. Gemäß § 158 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB III ruht der Alg-Anspuch längstens bis zu diesem Tag.

30

Der Auszahlung des rechtswidrig vorenthaltenen Alg steht nicht entgegen, dass der Kläger inzwischen seinen Alg-Anspruch weitgehend ausgeschöpft hat. Dem Kläger ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes so zu stellen, wie sie stünde wenn von vornherein rechtmäßig entschieden worden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 11 AL 13/12 R, juris, Rn. 21).

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Wegen des nur geringen Unterliegens kommt eine Kostenteilung nicht in Betracht.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG | § 15 Ende des befristeten Arbeitsvertrages


(1) Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit. (2) Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitn

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 158 Ruhen des Anspruchs bei Entlassungsentschädigung


(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der orden

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Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 13/12 R

bei uns veröffentlicht am 17.12.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

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(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei

1.
zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
2.
zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Hat die oder der Arbeitslose auch eine Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2) erhalten oder zu beanspruchen, verlängert sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Leistungen, die der Arbeitgeber für eine arbeitslose Person, deren Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahres beendet wird, unmittelbar für deren Rentenversicherung nach § 187a Absatz 1 des Sechsten Buches aufwendet, bleiben unberücksichtigt. Satz 6 gilt entsprechend für Beiträge des Arbeitgebers zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.

(2) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,

1.
bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2.
an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte, oder
3.
an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nummer 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent; er beträgt nicht weniger als 25 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 150 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.

(3) Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Soweit die oder der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Verpflichtete die Entlassungsentschädigung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an die Arbeitslose, den Arbeitslosen oder an eine dritte Person gezahlt, hat die Bezieherin oder der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008.

2

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1988 als Raumpflegerin bei einer Sparkasse (Arbeitgeberin) beschäftigt. Die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Bestimmungen sahen vor, dass Arbeitnehmern nach einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende und nach Vollendung des 40. Lebensjahrs bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte.

3

Die Arbeitgeberin kündigte aufgrund eines Beschlusses ihres Vorstands, die Reinigungsarbeiten künftig von einem externen Unternehmen ausführen zu lassen, der Klägerin mit Schreiben vom 23.5.2007 das Arbeitsverhältnis wegen Ausgliederung des Reinigungsdienstes zum 31.12.2007. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht; das Verfahren endete durch Vergleich, in dem sich die Arbeitgeberin verpflichtete, der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 20 000 Euro zu zahlen.

4

Nachdem sich die Klägerin zum 1.1.2008 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihr die Beklagte dem Grunde nach Alg ab 1.1.2008, stellte jedoch gleichzeitig für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 das Ruhen des Anspruchs wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung gemäß § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) fest(Bescheide vom 16.1.2008). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.2.2008).

5

In der Folgezeit bezog die Klägerin mit Unterbrechungen Alg bis einschließlich 29.12.2009 unter Ausschöpfung der ihr insgesamt zustehenden Anspruchsdauer.

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Ruhensbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids verurteilt, der Klägerin Alg bereits ab 1.1.2008 zu gewähren (Urteil vom 26.10.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 21.5.2012). Es hat angenommen, die Arbeitgeberin sei aufgrund ihrer unternehmerischen Entscheidung, den Reinigungsdienst auszugliedern, zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigt gewesen. Die somit im Rahmen des § 143a SGB III geltende ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende sei eingehalten worden, weshalb der Alg-Anspruch nicht geruht habe. Dem Anspruch für den streitigen Zeitraum stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte später Alg für die gesamte Anspruchsdauer geleistet habe.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, die Unkündbarkeit der Klägerin führe gemäß § 143a Abs 1 S 3 SGB III zu einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten, die nicht eingehalten sei. Es komme nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können. Die Beklagte macht weiter geltend, dass Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum auch deshalb nicht nachzuzahlen sei, weil die Klägerin durch den Erhalt späterer Zahlungen bis einschließlich 29.12.2009 die ihr zustehende Anspruchsdauer vollständig ausgeschöpft habe. Es sei Erfüllung analog § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw Annahme an Erfüllungs statt analog § 364 Abs 1 BGB eingetreten.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 21.5.2012 und das Urteil des SG vom 26.10.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

12

1. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf Alg in der Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 nicht geruht hat.

13

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 die Anspruchsvoraussetzungen für Alg (§§ 117 ff SGB III, jeweils in der im Jahre 2008 geltenden Fassung) erfüllt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs gemäß § 143a SGB III - hier anwendbar in der Fassung, die die Vorschrift durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) gefunden hat - nicht vor.

14

Nach § 143a SGB III in der einschlägigen Fassung(vgl seit 1.4.2012 § 158 SGB III) ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (Abs 1 S 1). Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist (Abs 1 S 2). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (Abs 1 S 3 Nr 1), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (Abs 1 S 3 Nr 2).

15

Im vorliegenden Fall fehlt es an der für ein Ruhen des Alg-Anspruchs erforderlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS des § 143a Abs 1 SGB III. Den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist zunächst zu entnehmen, dass die für das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geltenden tariflichen Bestimmungen eine ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vorsahen und dass diese Frist eingehalten wurde (Kündigung im Mai 2007 zum 31.12.2007). Diese Frist ist maßgebend, weil - wie sich ebenfalls aus den Feststellungen des LSG ergibt - die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorlagen (§ 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III).

16

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz vollständigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl bereits BAGE 2, 214 = AP Nr 4 zu § 626 BGB; BAGE 48, 220 = AP Nr 86 zu § 626 BGB; zuletzt BAG, Urteil vom 24.1.2013 - 2 AZR 453/11 - NZA 2013, 959). Nach dieser Rechtsprechung, die der Vorschrift des § 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III zugrunde liegt(vgl zur Vorgängerregelung in § 117 Abs 2 S 3 Arbeitsförderungsgesetz BT-Drucks 12/3211 S 22 f, zu Nr 31), darf der Arbeitgeber im Rahmen seiner durch das Grundgesetz (GG) geschützten unternehmerischen Freiheit (vgl insbesondere Art 12 und Art 14 GG) auch darüber entscheiden, ob er bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausführen lassen oder ob er Arbeiten im Wege der Fremdvergabe ausgliedern will (näher dazu BAGE 103, 31 = NZA 2003, 549; BAG, Urteil vom 22.11.2012 - 2 AZR 673/11 - NZA 2013, 730 mwN). Die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führende unternehmerische Entscheidung ist durch die Gerichte nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG aaO).

17

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Arbeitgeberin der Klägerin ihre unternehmerische Entscheidung, anfallende Reinigungsarbeiten an ein Fremdunternehmen zu vergeben, damit begründet, die Beschaffung dieser Dienstleistungen bei externen Anbietern sei kostengünstiger als die Verrichtung der Arbeiten durch eigene Arbeitnehmer. Diese Erwägungen der Arbeitgeberin sind weder als sachfremd noch als willkürlich anzusehen. Es ist auch evident, dass infolge der vollständigen Ausgliederung der Reinigungsarbeiten für die Arbeitgeberin keine Möglichkeit mehr bestand, die Klägerin noch zu beschäftigen, weil dieser nach den getroffenen Feststellungen die Kompetenz für eine Wahrnehmung anderer Aufgaben fehlte. Das LSG ist deshalb rechtsfehlerfrei vom vollständigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit und demgemäß von der Berechtigung der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist iS der Rechtsprechung des BAG ausgegangen.

18

Der Ansicht der Revision, es komme im Rahmen des § 143a Abs 1 S 3 SGB III nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können, folgt der Senat nicht. Die Ausführungen der Revisionsbegründung beziehen sich vorwiegend auf die Vorgängerregelung zu § 143a Abs 1 S 4 SGB III (Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung), die für die vorliegende Fallgestaltung offensichtlich nicht einschlägig ist. Aus Wortlaut wie auch aus Sinn und Zweck des hier anzuwendenden § 143a Abs 1 S 3 SGB III ergibt sich eindeutig, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund nicht eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, sondern die im Einzelfall geltende ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen ist(vgl ua Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 171, 221 ff; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 143a RdNr 119, Stand Einzelkommentierung Mai 2008; Siefert in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 158 RdNr 35 f).

19

2. Dem Zahlungsanspruch der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum (1.1. bis 22.5.2008) stehen auch sonstige Einwendungen nicht entgegen. Insbesondere ist dem Vorbringen der Revision, die Anspruchsdauer habe sich durch spätere Zahlungen gemindert bzw die Ansprüche seien erfüllt worden oder die Klägerin habe spätere Zahlungen an Erfüllungs statt angenommen, nicht zu folgen.

20

a) Eine Minderung der Anspruchsdauer gemäß § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III(in der im Jahre 2008 geltenden alten Fassung , vgl ab 1.4.2012 § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) ist nicht eingetreten. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist. Die Vorschrift bezieht sich auf das Stammrecht (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 2013, § 148 RdNr 48 mwN). Sie kann für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 nicht eingreifen, weil nach den getroffenen Feststellungen zum 1.1.2008 ein neues Stammrecht der Klägerin entstanden ist und die daraus erwachsenden Zahlungsansprüche der Klägerin im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ungemindert zur Verfügung standen.

21

Dass eine Minderung nach § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III aF(jetzt § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) unter den Umständen des vorliegenden Falls in dem Zeitraum, in dem die Zahlungsansprüche noch ungemindert zur Verfügung standen, nicht eintreten kann, folgt bereits aus dem Charakter des Alg als für bestimmte Kalendertage vorgesehene Versicherungsleistung. Der Alg-Anspruch erschöpft sich nicht etwa in der Auszahlung eines Gesamtbetrags; vielmehr hängen Dauer und Höhe von den im jeweiligen Zeitraum gegebenen Umständen ab (ua Vorliegen von Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung oder von Ruhenstatbeständen, Erzielung von Nebeneinkommen). Der Leistungsberechtigte ist deshalb stets so zu stellen, als sei im jeweiligen Zeitraum von vornherein rechtmäßig entschieden worden. Dies schließt es aus, eine später eintretende Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung einem früheren Zahlungsanspruch entgegenzuhalten (in diesem Sinne auch Hessisches LSG, Urteil vom 21.5.2010 - L 7 AL 108/09 - info also 2010, 159, 162; Bienert SGb 2009, 576, 579 f und info also 2011, 256, 258). Eine andere Sichtweise würde es der Beklagten ermöglichen, nach Belieben über eine Verschiebung des Leistungszeitraums zu entscheiden, was nicht mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) zu vereinbaren wäre.

22

b) Die der Klägerin aus dem zum 1.1.2008 entstandenen Stammrecht erwachsenen Zahlungsansprüche sind auch nicht in entsprechender Anwendung der §§ 362 ff BGB erloschen. Zwar ist auch in Fällen der Erfüllung von Sozialleistungen auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen (vgl BSGE 80, 41, 42 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 148 SGB III RdNr 4). Die Voraussetzungen für ein Erlöschen des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs liegen jedoch nicht vor.

23

Nach § 362 Abs 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Liegen Verpflichtungen aus mehreren Schuldverhältnissen vor, ist für die Tilgungswirkung gemäß § 366 Abs 1 BGB in erster Linie die Bestimmung des Schuldners maßgebend, wobei der innere Wille des Leistenden dem Leistungsempfänger gegenüber zum Ausdruck gebracht werden muss(vgl BGHZ 106, 163 = NJW 1989, 1792). Die Beklagte macht jedoch gar nicht geltend, sie habe mit den späteren Zahlungen auch die der Klage zugrunde liegenden Ansprüche für die Zeit vom 1.1. bis 22.5.2008 erfüllen wollen; auszugehen ist vielmehr davon, dass die Beklagte die späteren Zahlungen im Hinblick auf gesonderte, die späteren Zeiträume betreffende Bewilligungsbescheide geleistet hat. Von dieser Tilgungsbestimmung kann sich die Beklagte nicht nachträglich lösen, zumal der Klägerin aufgrund der Bewilligungsbescheide formal auch ein Anspruch auf Alg für die späteren Zeiträume bis einschließlich 29.12.2009 zustand.

24

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Hinweis der Revision auf § 364 Abs 1 BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Denn die späteren Alg-Zahlungen betrafen - wie ausgeführt - Zeitabschnitte, in denen die Beklagte aufgrund vorliegender Bescheide zur Leistung verpflichtet war; sie stellen deshalb keine "anderen" Leistungen iS des § 364 Abs 1 BGB dar(vgl Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen des Schuldverhältnisses aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 192). Außerdem fehlt es an einer "Annahme" iS des § 364 Abs 1 BGB durch die Klägerin, die durch Erhebung und Aufrechterhaltung ihrer Rechtsbehelfe stets deutlich gemacht hat, dass sie auf Nachzahlung von Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum besteht.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit.

(2) Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.

(3) Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

(4) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

(5) Ist das Arbeitsverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.

(6) Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitteilt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Hat die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei

1.
zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,
2.
zeitlich begrenztem Ausschluss oder Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.
Kann der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Hat die oder der Arbeitslose auch eine Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2) erhalten oder zu beanspruchen, verlängert sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Leistungen, die der Arbeitgeber für eine arbeitslose Person, deren Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahres beendet wird, unmittelbar für deren Rentenversicherung nach § 187a Absatz 1 des Sechsten Buches aufwendet, bleiben unberücksichtigt. Satz 6 gilt entsprechend für Beiträge des Arbeitgebers zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.

(2) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,

1.
bis zu dem die oder der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2.
an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte, oder
3.
an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nummer 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent; er beträgt nicht weniger als 25 Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 150 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und Absatz 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.

(3) Hat die oder der Arbeitslose wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Soweit die oder der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Verpflichtete die Entlassungsentschädigung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an die Arbeitslose, den Arbeitslosen oder an eine dritte Person gezahlt, hat die Bezieherin oder der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008.

2

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1988 als Raumpflegerin bei einer Sparkasse (Arbeitgeberin) beschäftigt. Die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Bestimmungen sahen vor, dass Arbeitnehmern nach einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende und nach Vollendung des 40. Lebensjahrs bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte.

3

Die Arbeitgeberin kündigte aufgrund eines Beschlusses ihres Vorstands, die Reinigungsarbeiten künftig von einem externen Unternehmen ausführen zu lassen, der Klägerin mit Schreiben vom 23.5.2007 das Arbeitsverhältnis wegen Ausgliederung des Reinigungsdienstes zum 31.12.2007. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht; das Verfahren endete durch Vergleich, in dem sich die Arbeitgeberin verpflichtete, der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 20 000 Euro zu zahlen.

4

Nachdem sich die Klägerin zum 1.1.2008 arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte ihr die Beklagte dem Grunde nach Alg ab 1.1.2008, stellte jedoch gleichzeitig für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 das Ruhen des Anspruchs wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung gemäß § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) fest(Bescheide vom 16.1.2008). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.2.2008).

5

In der Folgezeit bezog die Klägerin mit Unterbrechungen Alg bis einschließlich 29.12.2009 unter Ausschöpfung der ihr insgesamt zustehenden Anspruchsdauer.

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Ruhensbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids verurteilt, der Klägerin Alg bereits ab 1.1.2008 zu gewähren (Urteil vom 26.10.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 21.5.2012). Es hat angenommen, die Arbeitgeberin sei aufgrund ihrer unternehmerischen Entscheidung, den Reinigungsdienst auszugliedern, zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigt gewesen. Die somit im Rahmen des § 143a SGB III geltende ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende sei eingehalten worden, weshalb der Alg-Anspruch nicht geruht habe. Dem Anspruch für den streitigen Zeitraum stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte später Alg für die gesamte Anspruchsdauer geleistet habe.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, die Unkündbarkeit der Klägerin führe gemäß § 143a Abs 1 S 3 SGB III zu einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten, die nicht eingehalten sei. Es komme nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können. Die Beklagte macht weiter geltend, dass Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum auch deshalb nicht nachzuzahlen sei, weil die Klägerin durch den Erhalt späterer Zahlungen bis einschließlich 29.12.2009 die ihr zustehende Anspruchsdauer vollständig ausgeschöpft habe. Es sei Erfüllung analog § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw Annahme an Erfüllungs statt analog § 364 Abs 1 BGB eingetreten.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 21.5.2012 und das Urteil des SG vom 26.10.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

12

1. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf Alg in der Zeit vom 1.1.2008 bis 22.5.2008 nicht geruht hat.

13

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 die Anspruchsvoraussetzungen für Alg (§§ 117 ff SGB III, jeweils in der im Jahre 2008 geltenden Fassung) erfüllt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs gemäß § 143a SGB III - hier anwendbar in der Fassung, die die Vorschrift durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) gefunden hat - nicht vor.

14

Nach § 143a SGB III in der einschlägigen Fassung(vgl seit 1.4.2012 § 158 SGB III) ruht der Anspruch auf Alg, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist, von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (Abs 1 S 1). Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist (Abs 1 S 2). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (Abs 1 S 3 Nr 1), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund jedoch die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (Abs 1 S 3 Nr 2).

15

Im vorliegenden Fall fehlt es an der für ein Ruhen des Alg-Anspruchs erforderlichen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS des § 143a Abs 1 SGB III. Den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist zunächst zu entnehmen, dass die für das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geltenden tariflichen Bestimmungen eine ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vorsahen und dass diese Frist eingehalten wurde (Kündigung im Mai 2007 zum 31.12.2007). Diese Frist ist maßgebend, weil - wie sich ebenfalls aus den Feststellungen des LSG ergibt - die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorlagen (§ 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III).

16

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz vollständigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl bereits BAGE 2, 214 = AP Nr 4 zu § 626 BGB; BAGE 48, 220 = AP Nr 86 zu § 626 BGB; zuletzt BAG, Urteil vom 24.1.2013 - 2 AZR 453/11 - NZA 2013, 959). Nach dieser Rechtsprechung, die der Vorschrift des § 143 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB III zugrunde liegt(vgl zur Vorgängerregelung in § 117 Abs 2 S 3 Arbeitsförderungsgesetz BT-Drucks 12/3211 S 22 f, zu Nr 31), darf der Arbeitgeber im Rahmen seiner durch das Grundgesetz (GG) geschützten unternehmerischen Freiheit (vgl insbesondere Art 12 und Art 14 GG) auch darüber entscheiden, ob er bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausführen lassen oder ob er Arbeiten im Wege der Fremdvergabe ausgliedern will (näher dazu BAGE 103, 31 = NZA 2003, 549; BAG, Urteil vom 22.11.2012 - 2 AZR 673/11 - NZA 2013, 730 mwN). Die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führende unternehmerische Entscheidung ist durch die Gerichte nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG aaO).

17

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Arbeitgeberin der Klägerin ihre unternehmerische Entscheidung, anfallende Reinigungsarbeiten an ein Fremdunternehmen zu vergeben, damit begründet, die Beschaffung dieser Dienstleistungen bei externen Anbietern sei kostengünstiger als die Verrichtung der Arbeiten durch eigene Arbeitnehmer. Diese Erwägungen der Arbeitgeberin sind weder als sachfremd noch als willkürlich anzusehen. Es ist auch evident, dass infolge der vollständigen Ausgliederung der Reinigungsarbeiten für die Arbeitgeberin keine Möglichkeit mehr bestand, die Klägerin noch zu beschäftigen, weil dieser nach den getroffenen Feststellungen die Kompetenz für eine Wahrnehmung anderer Aufgaben fehlte. Das LSG ist deshalb rechtsfehlerfrei vom vollständigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit und demgemäß von der Berechtigung der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist iS der Rechtsprechung des BAG ausgegangen.

18

Der Ansicht der Revision, es komme im Rahmen des § 143a Abs 1 S 3 SGB III nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin der Klägerin individualarbeitsrechtlich wirksam habe kündigen können, folgt der Senat nicht. Die Ausführungen der Revisionsbegründung beziehen sich vorwiegend auf die Vorgängerregelung zu § 143a Abs 1 S 4 SGB III (Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung), die für die vorliegende Fallgestaltung offensichtlich nicht einschlägig ist. Aus Wortlaut wie auch aus Sinn und Zweck des hier anzuwendenden § 143a Abs 1 S 3 SGB III ergibt sich eindeutig, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund nicht eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, sondern die im Einzelfall geltende ordentliche Kündigungsfrist zugrunde zu legen ist(vgl ua Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 171, 221 ff; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 143a RdNr 119, Stand Einzelkommentierung Mai 2008; Siefert in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 158 RdNr 35 f).

19

2. Dem Zahlungsanspruch der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum (1.1. bis 22.5.2008) stehen auch sonstige Einwendungen nicht entgegen. Insbesondere ist dem Vorbringen der Revision, die Anspruchsdauer habe sich durch spätere Zahlungen gemindert bzw die Ansprüche seien erfüllt worden oder die Klägerin habe spätere Zahlungen an Erfüllungs statt angenommen, nicht zu folgen.

20

a) Eine Minderung der Anspruchsdauer gemäß § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III(in der im Jahre 2008 geltenden alten Fassung , vgl ab 1.4.2012 § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) ist nicht eingetreten. Nach dieser Vorschrift mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist. Die Vorschrift bezieht sich auf das Stammrecht (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 2013, § 148 RdNr 48 mwN). Sie kann für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 1.1.2008 nicht eingreifen, weil nach den getroffenen Feststellungen zum 1.1.2008 ein neues Stammrecht der Klägerin entstanden ist und die daraus erwachsenden Zahlungsansprüche der Klägerin im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ungemindert zur Verfügung standen.

21

Dass eine Minderung nach § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III aF(jetzt § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III) unter den Umständen des vorliegenden Falls in dem Zeitraum, in dem die Zahlungsansprüche noch ungemindert zur Verfügung standen, nicht eintreten kann, folgt bereits aus dem Charakter des Alg als für bestimmte Kalendertage vorgesehene Versicherungsleistung. Der Alg-Anspruch erschöpft sich nicht etwa in der Auszahlung eines Gesamtbetrags; vielmehr hängen Dauer und Höhe von den im jeweiligen Zeitraum gegebenen Umständen ab (ua Vorliegen von Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung oder von Ruhenstatbeständen, Erzielung von Nebeneinkommen). Der Leistungsberechtigte ist deshalb stets so zu stellen, als sei im jeweiligen Zeitraum von vornherein rechtmäßig entschieden worden. Dies schließt es aus, eine später eintretende Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung einem früheren Zahlungsanspruch entgegenzuhalten (in diesem Sinne auch Hessisches LSG, Urteil vom 21.5.2010 - L 7 AL 108/09 - info also 2010, 159, 162; Bienert SGb 2009, 576, 579 f und info also 2011, 256, 258). Eine andere Sichtweise würde es der Beklagten ermöglichen, nach Belieben über eine Verschiebung des Leistungszeitraums zu entscheiden, was nicht mit dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) zu vereinbaren wäre.

22

b) Die der Klägerin aus dem zum 1.1.2008 entstandenen Stammrecht erwachsenen Zahlungsansprüche sind auch nicht in entsprechender Anwendung der §§ 362 ff BGB erloschen. Zwar ist auch in Fällen der Erfüllung von Sozialleistungen auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen (vgl BSGE 80, 41, 42 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 148 SGB III RdNr 4). Die Voraussetzungen für ein Erlöschen des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs liegen jedoch nicht vor.

23

Nach § 362 Abs 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Liegen Verpflichtungen aus mehreren Schuldverhältnissen vor, ist für die Tilgungswirkung gemäß § 366 Abs 1 BGB in erster Linie die Bestimmung des Schuldners maßgebend, wobei der innere Wille des Leistenden dem Leistungsempfänger gegenüber zum Ausdruck gebracht werden muss(vgl BGHZ 106, 163 = NJW 1989, 1792). Die Beklagte macht jedoch gar nicht geltend, sie habe mit den späteren Zahlungen auch die der Klage zugrunde liegenden Ansprüche für die Zeit vom 1.1. bis 22.5.2008 erfüllen wollen; auszugehen ist vielmehr davon, dass die Beklagte die späteren Zahlungen im Hinblick auf gesonderte, die späteren Zeiträume betreffende Bewilligungsbescheide geleistet hat. Von dieser Tilgungsbestimmung kann sich die Beklagte nicht nachträglich lösen, zumal der Klägerin aufgrund der Bewilligungsbescheide formal auch ein Anspruch auf Alg für die späteren Zeiträume bis einschließlich 29.12.2009 zustand.

24

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Hinweis der Revision auf § 364 Abs 1 BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Denn die späteren Alg-Zahlungen betrafen - wie ausgeführt - Zeitabschnitte, in denen die Beklagte aufgrund vorliegender Bescheide zur Leistung verpflichtet war; sie stellen deshalb keine "anderen" Leistungen iS des § 364 Abs 1 BGB dar(vgl Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate sowie das Erlöschen des Schuldverhältnisses aus anderen Gründen, 2. Aufl 1994, S 192). Außerdem fehlt es an einer "Annahme" iS des § 364 Abs 1 BGB durch die Klägerin, die durch Erhebung und Aufrechterhaltung ihrer Rechtsbehelfe stets deutlich gemacht hat, dass sie auf Nachzahlung von Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum besteht.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.