Sozialgericht Nürnberg Urteil, 02. Aug. 2016 - S 3 EG 12/16

bei uns veröffentlicht am02.08.2016

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2016 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die über die Berücksichtigung einer Zahlung als Erwerbseinkommen im Bezugszeitraum.

Die Klägerin ist Mutter des 2014 geborenen Kindes J.. Am 11.07.2014 beantragte sie Elterngeld für die ersten zehn Lebensmonate ihres Kindes. Mit Bescheid vom 29.08.2014 bewilligte der Beklagte Elterngeld für die ersten 10 Lebensmonate unter Berücksichtigung der vorgelegten Verdienstbescheinigungen und des Steuerbescheids von 2012. Es wurde Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit und aus selbständiger Tätigkeit erzielt und deshalb das Kalenderjahr 2013 als Bemessungszeitraum herangezogen. Er zahlte für den 3. Lebensmonat 1.509,56 Euro und für den 4. bis 10. Lebensmonat jeweils 1.800,-.

Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 09.03.2015 wurde der Bezug des Elterngeldes um den 11. und 12. Lebensmonat verlängert mit Bescheid vom 25.03.2015. An der Auszahlungshöhe änderte sich nichts, da auch für 2013 ein Gewinn von 27.720,96 Euro bescheinigt wurde.

Auf Nachfrage übersandte die Klägerin die Gewinnmitteilung für den 01.06.2014 bis 31.05.2015. Der Gewinn betrug während des Bezugszeitraums demnach 873,59 Euro.

Mit Bescheid vom 11.08.2015 bewilligte die Beklagte Elterngeld in Höhe von 1.478,62 Euro für den 3. Lebensmonat und von 1.763,12 Euro für den 4. bis 12. Lebensmonat für das Kind J. aufgrund des Einkommens während des Elterngeldbezugs. Damit ergab sich eine Überzahlung von 362,86 Euro, die zurückgefordert wurde.

Am 30.08.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.08.2015 ein. Der Gewinn im Bezugszeitraum sei nur deshalb entstanden, weil die Landesjustizkasse B. als Auftraggeber mit der Bezahlung eines Gutachtens an die Klägerin in Verzug geraten sei und diese erst auf Mahnung am 11.06.2014 ausgekehrt worden sei. Es sei daher treuwidrig, wenn der Staat (hier: LG C./Justizkasse B.) selbst und ausschließlich jene Situation geschaffen habe, auf die sich später der Staat (ZBFS) zu Lasten der Klägerin berufen habe. Dafür stehe auch die Rechtsprechung des BSG, die das modifizierte Zuflussprinzip anwende, wonach hier kein Gewinn im Bezugszeitraum angerechnet werden dürfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der Berechnung des Einkommens im Bezugszeitraum nach § 2 Abs. 3 BEEG würden Einnahmen bei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach der Rspr. des BSG nach dem strengen Zuflussprinzip berücksichtigt, d.h. es würden auch im Bezugszeitraum zugeflossene Einnahmen berücksichtigt, die eventuell auf Leistungen beruhten, die außerhalb dieser Zeiträume erbracht worden seien. Das modifizierte Zuflussprinzip gelte nur bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht N. mit Schreiben vom 15.03.2015 zugegangen bei Gericht 16.03.2015 und begründete die Klage im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie im Vorverfahren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2016 zu verurteilen, keine Überzahlung von 362,96 Euro festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie das Vorbringen der Parteien in den eingereichten Schriftsätzen.

Gründe

Die von der Klägerin gemäß den §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines höheren Elterngeldes für die Lebensmonate 3 bis 12 für das Kind J..

Das Gericht konnte bei der Berechnung des Elterngeldes der Klägerin für den Sohn J. keine Fehler erkennen. Insbesondere hat der Beklagte bei der Berechnung zu Recht den Gewinn in Höhe von 873,96 Euro als Einkommen im Bezugszeitraum für den Bezug von Elterngeld in den Lebensmonaten 3 bis 12 berücksichtigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Begründungen im Bescheid und Widerspruchsbescheid des Beklagten verwiesen. Es wird ergänzend dazu vorgetragen, dass zu § 2 Abs. 3 S. 1 BEEG das BSG bereits mehrfach entschieden hat, das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift in dem Zeitraum erzielt wurde, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist (vgl. BSG vom 05.04.2012 - B 10 EG 10/11 R und vom 21.02.2013 - B 10 EG 12/12 R).

Ein treuwidriges Verhalten konnte das Gericht nicht erkennen. Einmal besteht ein Vertragsverhältnis zwischen dem LG C. mit der Klägerin, bei dem es wohl zu einem Verzug gekommen ist. Andererseits handelt der Beklagte in Ausführung eines Bundesgesetzes (BEEG) und zahlt Bundesmittel an die Klägerin aus. Inwieweit zwischen diesen beiden Beziehungen ein Zusammenhang bestehen soll, der ein treuwidriges Verhalten begründen kann, erschließt sich der Kammer nicht.

Die Klage war deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 2 Höhe des Elterngeldes


(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkomme

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Bundessozialgericht Urteil, 21. Feb. 2013 - B 10 EG 12/12 R

bei uns veröffentlicht am 21.02.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 05. Apr. 2012 - B 10 EG 10/11 R

bei uns veröffentlicht am 05.04.2012

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. April 2011 aufgehoben.
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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Apr. 2017 - L 9 EG 36/16 NZB

bei uns veröffentlicht am 03.04.2017

Tenor I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 2. August 2016 - S 3 EG 12/16 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe

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(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Absatz 3 hat.

(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.

(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. April 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit es die Erstattungspflicht des Klägers betrifft.

Im Übrigen wird auch das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21. Januar 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Elterngeldes des Klägers.

2

Der Kläger ist selbstständiger Fernsehredakteur. Auf seinen Antrag bewilligte ihm das Versorgungsamt Köln mit Bescheid vom 3.9.2007 für den 6. und 12. Lebensmonat seines am 13.4.2007 geborenen Sohnes (13.9. bis 12.10.2007 und 13.3. bis 12.4.2008) vorläufig Elterngeld in Höhe von monatlich 1800 Euro unter Hinweis auf § 8 Abs 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Der Bemessung wurde die vom Kläger vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2006 zugrunde gelegt, die ein Jahresergebnis von 80 668 Euro vor Steuern aufwies. Die Berechnung ist überschrieben mit "Ermittlung des Elterngeldes, sofern nach der Geburt keine Erwerbseinkünfte erzielt werden". Hinweise über eine mögliche Erstattungspflicht enthält der Bescheid nicht.

3

In den Elterngeldbezugszeiträumen erzielte der Kläger nach der Aufstellung seiner Steuerberaterin Überschüsse (Betriebseinnahmen abzüglich Betriebsausgaben) von insgesamt 11 912,85 Euro, im Wesentlichen für im August 2007 und im Februar 2008 geleistete Arbeiten. Nach Abzug der für 2007 und 2008 festgesetzten Steuervorauszahlungen verblieb ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2501,05 Euro.

4

Mit Bescheid vom 8.1.2009 setzte der inzwischen zuständig gewordene beklagte Kreis das Elterngeld für die beiden Bezugsmonate endgültig auf je 300 Euro fest und verlangte eine Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 3000 Euro (2 x 1800 = 3600 abzüglich 2 x 300 = 600 Euro). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2009 zurück.

5

Das vom Kläger daraufhin angerufene Sozialgericht Köln (SG) hat den Bescheid vom 8.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2009 aufgehoben (Urteil vom 21.1.2010). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 12.4.2011). Diese Entscheidung ist im Wesentlichen wie folgt begründet worden:

Der Kläger sei für den 6. und 12. Lebensmonat seines Sohnes dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigt. Die Voraussetzungen des § 1 BEEG lägen vor. Auch der Höhe nach habe der Kläger für die streitbefangenen Monate Anspruch auf Elterngeld von mehr als 300 Euro monatlich. Die vom Beklagten verfügte Absenkung des Elterngeldbetrages auf den gesetzlichen Mindestbetrag sei daher ebenso rechtswidrig wie die Rückforderung von Elterngeld. Der Berechnung des Elterngeldes des Klägers sei § 2 Abs 1 S 1 und nicht Abs 3 S 1 der Vorschrift zugrunde zu legen, denn der Kläger habe in den Bezugsmonaten kein zu berücksichtigendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, obwohl in diesen Zeiträumen Zahlungen von 7044 Euro bzw 2975 Euro auf seinem Konto eingegangen seien. Denn diese Beträge seien ausdrücklich für Aufträge gezahlt worden, die der Kläger in dem Zeitraum vor dem jeweiligen Elterngeldbezug abgeschlossen und abgerechnet habe. Anders als es der Beklagte meine, genügten allein tatsächliche Einnahmen im Bezugszeitraum für vorher erbrachte Leistungen nicht, um das Tatbestandsmerkmal des Erzielens von Einkommen nach § 2 Abs 3 S 1 BEEG zu erfüllen, wenn der Elterngeldberechtigte - wie hier - im Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit ausübe. Dies folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften.

6

§ 2 Abs 3 S 1 BEEG betreffe nach seinem Wortlaut Monate nach der Geburt mit Elterngeldbezug, in denen die berechtigte Person ein Einkommen "aus Erwerbstätigkeit" erzielt. Dieser Wortlaut lasse sich unterschiedlich verstehen: Einerseits so, dass es genüge, wenn ein Elterngeldberechtigter in den Monaten nach der Geburt mit Elterngeldbezug Einnahmen erhalte, möge die Erwerbstätigkeit auch bereits vorher ausgeübt worden sein, andererseits so, dass mit dem Ausdruck "Monate nach der Geburt" eine Beschränkung auf die Erzielung von Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit gemeint sei, die nach der Geburt im Bezugszeitraum ausgeübt werde. Für die letztgenannte Auslegung spreche die systematische Betrachtung. § 2 Abs 3 S 1 BEEG ordne zum Zweck der Elterngeldberechnung die Bildung der Differenz zwischen dem in den Monaten nach der Geburt durchschnittlich erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit und dem nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten durchschnittlich erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt an. Dieser Gegenüberstellung sei zu entnehmen, dass § 2 Abs 3 S 1 BEEG mit nach der Geburt erzieltem Einkommen spiegelbildlich nur Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach der Geburt im Bezugszeitraum des Elterngeldes meine. Entscheidend sei mithin, ob das Einkommen im Bezugszeitraum erarbeitet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Begriff des "Erzielens" im BEEG im Sinne der sog modifizierten Zuflusstheorie verwendet habe. Nach dieser Rechtsprechung sei das Entgelt abhängig Beschäftigter in dem Monat erzielt worden, für den es gezahlt worden sei, selbst wenn es erst nachträglich in Erfüllung des Arbeitsvertrages ausgezahlt werde. Diese Rechtsprechung müsse jedenfalls auf selbstständig Tätige, wie den Kläger, übertragen werden, bei denen sich das erwirtschaftete Einkommen eindeutig festen Zeiträumen zuordnen lasse.

7

Demgegenüber sei es nicht entscheidend, dass die Einkommensberechnung bei Selbstständigen auf der Grundlage anderer Vorschriften erfolge als bei abhängig Beschäftigten, nämlich ausgehend von dem nach § 2 Abs 8 S 1 und 2 oder Abs 9 BEEG ermittelten Gewinn. Aus § 2 Abs 8 S 2 BEEG lasse sich nicht auf die allgemeine Geltung des steuerrechtlichen Zuflussprinzips für Selbstständige im Elterngeldrecht schließen, denn das BEEG nehme nicht Bezug auf § 11 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres "bezogen" sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

8

Das vom BSG für die Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips bei abhängig Beschäftigten angeführte Argument, nur so seien Zufallsergebnisse zu vermeiden, treffe ebenfalls auf den Fall des Klägers und vergleichbarer selbstständig tätiger Elterngeldberechtigter zu. Es hänge häufig allein von Zufällen ab, wann ein Auftraggeber für eine in einem bestimmten Monat erbrachte Leistung zahle. Folge man demgegenüber der Auslegung des Beklagten, öffne dies Tür und Tor für Manipulationsmöglichkeiten der Elterngeldberechtigten, die dem Zweck des Elterngeldes gerade zuwider liefen. Die Anwendung des steuerrechtlichen Zuflussprinzips brächte die Gefahr mit sich, dass selbstständig tätige Elterngeldberechtigte während des Elterngeldbezugs im vom Gesetz erlaubten Rahmen von 30 Wochenstunden oder - ohne wirksame Kontrollmöglichkeit der Elterngeldbehörden - sogar darüber hinaus erwerbstätig blieben. Durch Abrede mit dem Auftraggeber könnten sie dabei den Zufluss ihrer Einnahmen aus dieser Tätigkeit gezielt auf die Monate nach Ablauf des Elterngeldbezuges verschieben.

9

Schließlich gehe der Hinweis des Beklagten fehl, angesichts des hohen Zuflusses an geschuldeten Leistungen in den Bezugsmonaten des Elterngeldes habe ein Bedarf des Klägers nicht mehr bestanden. Das Elterngeld sei nämlich keine bedarfsabhängige Sozialleistung. Der Senat sehe sich demgegenüber durch die inzwischen in Kraft getretene Neuregelung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 in seiner Auffassung bestärkt. Zwar habe der Gesetzgeber darin angeordnet, im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen nicht zu berücksichtigen. Er habe jedoch in Kenntnis der Diskussion um das Zuflussprinzip im Elterngeldrecht davon abgesehen, dieses Prinzip ausdrücklich und ausnahmslos zu verankern. Dafür hätte es einer Regelung bedurft, die auf den Zufluss genau im Bemessungs- bzw Bezugszeitraum und nicht im Kalenderjahr abstelle. In Bezug auf selbstständig Tätige habe der Gesetzgeber im Übrigen gar keine neue Regelung getroffen, sodass es auch nach der gesetzlichen Neuregelung ohnehin bei dem hier zugrunde zu legenden Rechtszustand bleibe.

10

Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 BEEG. Durch die in § 2 Abs 8 S 1 und 2 BEEG verwendeten steuerlichen Begriffe "Gewinn" und "Einnahme-Überschuss-Rechnung" stelle das BEEG eine eindeutige Verknüpfung zum Steuerrecht her. Ausdrücklich verlange das Gesetz, dass der Gewinn zu ermitteln sei, "wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung ergibt". Dieser Wortlaut lasse sich sinnvollerweise nur in der Weise verstehen, dass auch die zeitliche Zuordnung nach steuerrechtlichen Regeln erfolgen solle, da andernfalls der ausdrückliche Hinweis auf die Anforderung des § 4 Abs 3 EStG entbehrlich gewesen wäre. Einer zusätzlichen Bezugnahme auf die Regeln des Zuflussprinzips des § 11 EStG bedürfe es vor diesem Hintergrund nicht.

11

Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts gebe es klare Hinweise auf die Absicht des Gesetzgebers, sich bei der Ermittlung des Einkommens an steuerrechtlichen Vorgaben zu orientieren. Dafür spreche insbesondere der Umstand, dass der im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene eigenständige elterngeldrechtliche Einkommensbegriff im Laufe des parlamentarischen Verfahrens durch den jetzigen Einkommensbegriff ersetzt worden sei. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die Annahme des LSG nicht gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber durch die Auswahl der Regelungsgegenstände im Haushaltsbegleitgesetz 2011 eine Rechtsauslegung stützen wolle, die der gesetzgeberischen Zielsetzung eines möglichst praktikablen Elterngeldvollzugs zuwiderlaufe.

12

Zutreffend führe das LSG zwar aus, dass es das Ziel des Elterngeldes sei, das Einkommen vor der Geburt zu ersetzen. Eine andere Zielsetzung, die im Gesetzgebungsverfahren deutlich zum Ausdruck gekommen sei, sei allerdings das Bestreben, den Elterngeldvollzug und insbesondere die elterngeldrechtliche Einkommensermittlung möglichst praktikabel zu gestalten. Dazu erscheine eine starke Orientierung am steuerlichen Einkommensbegriff erforderlich. Auch gesetzessystematische Erwägungen sprächen dafür, dass bei der elterngeldrechtlichen Einkommensermittlung die zeitliche Zuordnung von Einnahmen grundsätzlich nach steuerrechtlichen Regeln erfolge. Eine andere Auslegung würde zur Funktionslosigkeit der Regelungen, insbesondere in § 2 Abs 7 S 4 und § 2 Abs 8 S 2 BEEG, über die als maßgeblich zu berücksichtigenden Nachweise führen. Sollte nämlich die zeitliche Zuordnung von Einnahmen im Elterngeldrecht anderen Regeln folgen als im Steuerrecht, so könnten die Angaben aus den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen und aus der Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs 3 EStG nicht zur Grundlage der Einkommensermittlung genommen werden, weil ihnen dann keine Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung beigemessen werden könnte.

13

Die vom LSG verfolgte Auslegung sei zudem mit einer Reihe von Folgeproblemen verbunden. Das Gericht vertrete lediglich die Auffassung, dass die steuerlichen Regeln der zeitlichen Zuordnung nicht gelten würden, ohne jedoch spezifisch elterngeldrechtliche Kriterien zu nennen, anhand deren die zeitliche Zuordnung dann zu erfolgen habe. Soweit das LSG seine Rechtsauffassung durch die Rechtsprechung des BSG zum modifizierten Zuflussprinzip bei nichtselbstständiger Arbeit bestätigt sehe, sei diese Schlussfolgerung nicht überzeugend. Es bestünden zwischen Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit Unterschiede von solchem Gewicht, die eine Gleichbehandlung beider Einkommensarten nicht als notwendigerweise passend erscheinen ließen. So seien Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Unterschied zu Einnahmen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit nicht in gleicher Weise eindeutig zeitlich zuzuordnen, da die Vergütung selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht notwendigerweise zeitbezogen erfolge.

14

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.4.2011 und das Urteil des SG Köln vom 21.1.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Ergänzend vertritt er die Auffassung, dass eine unterschiedliche Auslegung des Begriffs des "Erzielens", wie sie der Beklagte für zutreffend halte, je nachdem, ob es sich um einen abhängig Beschäftigten oder einen selbstständig Tätigen handele, gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstieße. Denn ein sachlicher Grund sei insoweit nicht ersichtlich.

17

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.

19

Einer Sachentscheidung durch das Revisionsgericht stehen keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Auch die Klage ist zulässig und zwar, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, als reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 SGG. Allerdings richtet sie sich nach dem richtig verstandenen Rechtsschutzziel des Klägers nicht - wie die Vorinstanzen angenommen haben - auf die vollständige, sondern nur auf eine teilweise Aufhebung des Bescheides vom 8.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2009. Dieser Bescheid enthält mehrere Regelungen (s § 31 SGB X),also auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtete Entscheidungen des Beklagten. Erstens nimmt er eine endgültige Festsetzung des Anspruchs auf Elterngeld vor. Rechtstechnisch handelt es sich dabei um die Aufhebung der mit dem Bescheid vom 3.9.2007 als Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 SGB X verbundenen Erklärung der Vorläufigkeit. Zweitens setzt der Bescheid vom 8.1.2009 das Elterngeld auf 300 Euro monatlich fest und drittens begründet er die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der rechnerischen Überzahlung von 3000 Euro. Sinnvollerweise anzufechten sind aus der Sicht des Klägers nur die zweite und dritte Regelung des Bescheides. Würden sie aufgehoben, erstarkte wegen der verbleibenden Aufhebung des Vorläufigkeitsvorbehalts die mit dem Bescheid vom 3.9.2007 bestimmte Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers von monatlich 1800 Euro zu einer endgültigen Festsetzung.

20

Das Berufungsurteil des LSG kann insgesamt keinen Bestand haben. Soweit das SG den Bescheid vom 8.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2009 auch insoweit aufgehoben hat, als es den Wegfall der im Bescheid vom 3.9.2007 angeordneten Vorläufigkeit betrifft, hätte das erstinstanzliche Urteil schon deshalb nicht vom LSG bestätigt werden dürfen, weil das SG dabei über das richtig verstandene Klagebegehren (vgl § 123 SGG) des Klägers hinausgegangen ist. Ferner ist der angefochtene Verwaltungsakt entgegen der Auffassung der Vorinstanzen rechtmäßig, soweit er den Anspruch des Klägers auf Elterngeld für die beiden Bezugsmonate endgültig auf jeweils 300 Euro festgesetzt hat. Hinsichtlich der des Weiteren erfolgten Rückforderung einer Überzahlung von 3000 Euro kann die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung wegen fehlender Tatsachenfeststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. In diesem Umfang ist die Sache mithin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

21

Die Klage ist nicht deshalb begründet, weil der Bescheid vom 8.1.2009 formal rechtswidrig wäre. Soweit vor Erlass dieses Verwaltungsaktes überhaupt eine Anhörung des Klägers erforderlich war (vgl dazu § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X), ist ihr Unterlassen jedenfalls deshalb gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X unbeachtlich, weil sie im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden ist(vgl Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 41 RdNr 15).

22

Die Klage ist unbegründet, soweit sich der Kläger gegen die Höhe seines mit Bescheid vom 8.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2009 festgestellten Elterngeldanspruchs für den sechsten und zwölften Lebensmonat des Kindes wendet. Die Ermächtigung zu einer von dem Bescheid vom 3.9.2007 abweichenden Regelung ergibt sich aus dem gemäß § 8 Abs 3 BEEG zulässigen Vorbehalt der Vorläufigkeit der mit diesem Bescheid erfolgten Bewilligung. Nach dieser Vorschrift (in der hier einschlägigen Fassung vom 5.12.2006, BGBl I 2748) wird Elterngeld bis zum Nachweis des tatsächlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vorläufig unter Berücksichtigung des glaubhaft gemachten Einkommens gezahlt, wenn das vor der Geburt erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht ermittelt werden kann oder nach den Angaben im Antrag im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Am 3.9.2007 war insbesondere noch nicht abzusehen, ob und ggf in welcher Höhe der Kläger in den beiden Bezugsmonaten (13.9. bis 12.10.2007 und 13.3. bis 12.4.2008) Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen würde.

23

Der Beklagte hat dem Kläger ohne Rechtsverstoß für die beiden Bezugsmonate (endgültig) Elterngeld in Höhe von jeweils 300 Euro bewilligt. Ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen besteht nicht.

24

Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld während der Betreuung seines Sohnes richtet sich nach dem BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748). Soweit die späteren Änderungen des BEEG (erstmals durch das Gesetz vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) überhaupt die den streitigen Anspruch berührenden Bestimmungen der §§ 1 und 2 BEEG betreffen, sind sie im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. Die durch das Gesetz vom 19.8.2007 erfolgte Änderung betraf den hier nicht einschlägigen Abs 7 des § 1 BEEG. Bei der ersten Änderung des § 2 BEEG durch das Gesetz vom 17.1.2009 (BGBl I 61) mit Wirkung zum 24.1.2009 war der letzte Elterngeldzahlungszeitraum bereits abgeschlossen (s BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 5/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 27 mwN), sodass die Neufassung des Gesetzes den vorliegend zu beurteilenden Anspruch des Klägers nicht erfasst.

25

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer

1.    

seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,

2.    

mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,

3.    

dieses Kind selbst betreut und erzieht und

4.    

keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

26

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindend sind, hat der Kläger im sechsten und zwölften Lebensmonat seines Sohnes diese Voraussetzungen erfüllt.

27

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers ist § 2 BEEG maßgebend. Nach dessen Abs 1 S 1 wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs 1 S 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe der Abs 7 bis 9 zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs 3 S 1 BEEG wird für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Abs 1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach Abs 1 (oder 2) maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkünfte aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Die weiter maßgebenden Bestimmungen enthält bei Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit § 2 Abs 7 BEEG, während für Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit die Abs 8 und 9 des § 2 BEEG gelten.

28

Für die Berechnung des Elterngeldes des Klägers ist § 2 Abs 3 BEEG einschlägig, weil der Kläger in den beiden Bezugsmonaten (sechster und zwölfter Lebensmonat seines Sohnes) Einkommen aus (selbstständiger) Erwerbstätigkeit erzielt hat.

29

Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass der nach § 2 Abs 3 S 1 BEEG maßgebliche Begriff des "Erzielens von Einkommen aus Erwerbstätigkeit" allein vom Wortlaut her unterschiedlich verstanden werden kann, und zwar entweder im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses des Einkommens (Zuflussprinzip) oder in dem Sinne, dass in dem maßgeblichen Zeitraum auch die Erwerbstätigkeit, mit der das Einkommen erwirtschaftet oder erarbeitet worden ist, ausgeübt worden sein muss (sog modifiziertes Zuflussprinzip).

30

Für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vor der Geburt des Kindes hat der erkennende Senat inzwischen mehrfach entschieden, dass ein Einkommen auch dann im Bemessungszeitraum erzielt ist, wenn es in diesem Zeitraum erarbeitet aber erst nach dessen Ablauf in Folge nachträglicher Vertragserfüllung durch den Arbeitgeber ausgezahlt worden ist (BSG Urteile vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6; vom 18.8.2011 - B 10 EG 5/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dieses für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit entwickelte modifizierte Zuflussprinzip ist indes nicht auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit anzuwenden. Ein solches Einkommen ist in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist. Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:

Gesetzessystematisch betrachtet wird der Begriff des Erzielens von Einkommen in der allgemeinen Regelung des § 2 Abs 1 S 1 BEEG ohne Differenzierung nach Einkunftsarten(vgl dazu § 2 Abs 1 S 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG) gebraucht. Für das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständige Arbeit erhält er in § 2 Abs 8 und 9 BEEG jedoch eine besonders deutliche steuerrechtliche Ausprägung. Nach § 2 Abs 8 S 2 BEEG ist auf den Gewinn abzustellen, wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung ergibt. Demzufolge ist insoweit der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben im steuerrechtlichen Sinne maßgebend. Noch eindeutiger ist der Bezug auf das Steuerrecht in § 2 Abs 9 BEEG verankert. Nach Satz 1 dieser Bestimmung gilt als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus der Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Demgegenüber verweist § 2 Abs 9 S 3 BEEG für die Ermittlung zeitgleich erzielten Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit auf die Regelung des § 2 Abs 7 BEEG, wonach gerade nicht auf den Steuerbescheid zurückzugreifen ist.

31

Der Senat hat im Rahmen seiner Rechtsprechung zum modifizierten Zuflussprinzip bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit bereits darauf hingewiesen, dass für Einkommen aus selbstständiger Arbeit in § 2 Abs 8 und 9 BEEG eigenständige Regelungen geschaffen sind, die den Besonderheiten dieser Einkunftsarten Rechnung tragen und Rückschlüsse auf die Auslegung des § 2 Abs 7 BEEG nicht zulassen(Urteil vom 30.9.2010, aaO, RdNr 31; Urteil vom 18.8.2011, aaO, RdNr 26).

32

Auch sonst kann sich das LSG für die von ihm für richtig gehaltene Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips auch auf Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nicht auf die Rechtsprechung des BSG berufen. Das vom BSG verfolgte Ziel der Vermeidung von Zufallsergebnissen durch Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips hat nur bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Bedeutung. Denn bei abhängig Beschäftigten ist die regelmäßige und zeitnahe Zahlung der Gehälter durch die Arbeitgeber der Regelfall, deren verspätete Zahlung dagegen die Ausnahme. Bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit ist das Gegenteil der Fall. Hier ist die unregelmäßige Bezahlung von erbrachten Leistungen die Regel. Darauf hat zB Dau (juris PR-SozR 1/2012 Anm 4) deutlich hingewiesen. Auch sonst bestehen zwischen beiden Einkunftsarten gewichtige Unterschiede. Während bei Arbeitnehmern das vor der Geburt des Kindes laufend erzielte Arbeitsentgelt regelmäßig wegfällt oder sinkt, sobald sie "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit" mehr ausüben, um ihr Kind zu betreuen, sind bei Selbstständigen tatsächliche Erwerbstätigkeit und Einkommensverlust nicht so eng verknüpft. Auch wenn sie ihre Arbeit unterbrechen, werden ihnen zumeist noch Betriebseinnahmen zufließen und weitere Betriebsausgaben entstehen. Diese Gegebenheiten rechtfertigen es, für Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit das modifizierte Zuflussprinzip anzuwenden (BSG Urteile vom 30.9.2010 und 18.8.2011, aaO), für Einkommen aus selbstständiger Arbeit hingegen am strengen Zuflussprinzip des Steuerrechts festzuhalten (vgl Dau, aaO).

33

Soweit der Kläger meint, die Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips sei jedenfalls bei Selbstständigen wie ihm, die zeitbezogene Arbeiten erbringen und abrechnen, geboten, verfängt diese Argumentation nicht. § 2 Abs 1 S 2 iVm Abs 7 bis 9 BEEG unterscheidet nur zwischen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit einerseits und aus nichtselbstständiger Arbeit andererseits. Eine vom Kläger für möglich angesehene Differenzierung innerhalb der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit danach, ob die Tätigkeit mehr oder weniger zeitbezogen ausgeübt wird, ist somit ausgeschlossen. Sie wäre auch kaum praktikabel.

34

Die unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit einerseits und nichtselbstständiger Arbeit andererseits verstößt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.

35

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 S 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70). Ebenso verbietet Art 3 Abs 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl 2011, Art 3 RdNr 8 mwN).

36

Durch die dargestellte andersartige Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldes infolge der Anwendung der modifizierten Zuflusstheorie bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einerseits und der strengen Zuflusstheorie bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit andererseits werden die betroffenen Personengruppen rechtlich unterschiedlich behandelt. Diese unterschiedliche Behandlung ist indes sachlich gerechtfertigt, da insbesondere die Ausübung der jeweiligen Erwerbstätigkeit sowie die Art der Erzielung des Einkommens wesentlich voneinander abweichen.

37

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich unter Berücksichtigung des vom Kläger im sechsten und zwölften Lebensmonat seines Sohnes erzielten Einkommens ein Anspruch des Klägers auf Elterngeld lediglich in Höhe des monatlichen Basisbetrages von 300 Euro. Einwände gegen die rechnerische Richtigkeit der vom Beklagten vorgenommenen Bemessung sind vom Kläger nicht vorgebracht worden. Mängel sind auch nicht ersichtlich. Die nach § 2 Abs 3 BEEG vorzunehmende Differenzberechnung ergibt, dass ein zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers zwar vorhanden ist, aber zu keinem höheren Zahlbetrag als monatlich 300 Euro führt. Angesichts des Einkommens des Klägers vor der Geburt des Kindes ist davon auszugehen, dass insoweit gemäß § 2 Abs 3 S 2 BEEG der monatliche Höchstbetrag von 2700 Euro anzusetzen ist. In den Bezugsmonaten des Elterngeldes hat der Kläger bei Anwendung des insoweit maßgeblichen Zuflussprinzips nach den Tatsachenfeststellungen des LSG jeweils ein zu berücksichtigendes Einkommen von durchschnittlich 2501,05 Euro gehabt. Ausgehend von der verbleibenden Differenz von 198,95 Euro ergibt sich bei einem Leistungssatz von 67 % kein den Elterngeldmindestbetrag von 300 Euro monatlich übersteigender Zahlbetrag.

38

Die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung einer Pflicht des Klägers, den überzahlten Elterngeldbetrag von 3000 Euro zu erstatten, vermag der Senat nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht zu bestätigen.

39

Eine Pflicht zur Erstattung des nach Maßgabe der endgültigen Feststellung überzahlten Elterngeldes ist in § 8 Abs 3 BEEG nicht geregelt. Auf die allgemeinen Erstattungsbestimmungen in § 50 SGB X kann ebenfalls nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden. § 50 Abs 1 SGB X ist nicht einschlägig, weil bei einer endgültigen Leistungsbewilligung der Verwaltungsakt über die vorläufige Zahlung nicht aufzuheben ist; vielmehr erledigt sich dieser damit iS von § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise(vgl Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 8 BEEG RdNr 16; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuschG, Stand Dezember 2011, § 8 BEEG RdNr 15; allg dazu auch BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5, RdNr 12 mwN). Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 50 Abs 2 SGB X gegeben, weil das Elterngeld dem Kläger nicht ohne Verwaltungsakt, sondern aufgrund des Bescheides vom 3.9.2007 vorläufig erbracht worden ist.

40

Da § 50 Abs 1 SGB X grundsätzlich eine Aufhebungsentscheidung nach § 45 oder § 48 SGB X voraussetzt, während § 50 Abs 2 S 2 SGB X eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen anordnet, kann dem Zusammenspiel beider Regelungen entnommen werden, dass einer Leistungsrückforderung - wenn nicht Spezialregelungen etwas anderes vorschreiben - an irgendeiner Stelle des Verfahrens eine Vertrauensschutz- und/oder Ermessensprüfung iS der §§ 45, 48 SGB X voranzugehen hat(vgl Steinwedel in KasselerKomm, Stand Dezember 2011, § 50 SGB X RdNr 8 mwN). In Fällen einer Erledigung der Leistungsbewilligung auf andere Weise kommt daher regelmäßig eine entsprechende Anwendung des § 50 Abs 2 SGB X in Betracht(vgl Steinwedel, aaO).

41

Obwohl demzufolge an sich auch im Rahmen des § 8 Abs 3 BEEG ein Rückgriff auf § 50 Abs 2 SGB X naheliegen mag(so Buchner/Becker, aaO; Jaritz, aaO, RdNr 16), hält es der erkennende Senat für sachgerecht, hier als Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung des Beklagten in erster Linie § 42 Abs 2 S 2 SGB I zur Lückenfüllung heranzuziehen(zur entsprechenden Anwendung des § 42 SGB I vgl allg BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 2; BSG SozR 3-1300 § 31 Nr 10). Nach § 42 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Gemäß § 42 Abs 2 S 1 SGB I sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen und nach § 42 Abs 2 S 2 SGB I zu erstatten, wenn die Vorschüsse die zustehende Leistung übersteigen.

42

Ein unmittelbarer Anwendungsfall dieser Norm liegt hier zwar - formal betrachtet - nicht vor, weil die Zahlung der 3600 Euro an den Kläger nicht gemäß § 42 Abs 1 SGB I als Vorschuss, sondern aufgrund einer vorläufigen Bewilligung nach § 8 Abs 3 BEEG erfolgt ist. Der Sache nach handelt es sich bei der vorläufigen Zahlung von Elterngeld (§ 8 Abs 3 BEEG) jedoch praktisch um einen Vorschuss iS des § 42 SGB I. Beide Zahlungen setzen voraus, dass ein Geldleistungsanspruch dem Grunde nach besteht und eine endgültige Festsetzung der Höhe noch nicht erfolgen kann. Auch die Interessenlage ist in beiden Fällen vergleichbar. Hier wie dort geht es um die Beschleunigung der Leistungsgewährung im Interesse des Berechtigten, was von vornherein mit dem Risiko einer Überzahlung verbunden ist. Ist dem Empfänger einer solchen Leistung klar, dass er zu viel gezahlte Beträge zurückzuerstatten hat, bedarf er - nach der dem § 42 Abs 2 S 2 SGB I zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers - keines besonderen Schutzes(vgl dazu BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 17 f; allg auch BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 1 S 4).

43

Dementsprechend kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Rückforderung nur dann auf § 42 Abs 2 S 2 SGB I gestützt werden, wenn bei der Bewilligung des Geldbetrages deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist(vgl zB BSGE 106, 244 = SozR 4-1200 § 42 Nr 2, RdNr 14; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 6 S 18 ff). Die Notwendigkeit eines solchen Hinweises rechtfertigt sich daraus, dass die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X stets an die Prüfung eines Vertrauensschutzes für den Empfänger und ggf auch an die Ausübung von Ermessen geknüpft ist. Da der Bescheid vom 3.9.2007 keine Hinweise auf eine zwingende Erstattungspflicht enthält, scheidet hier § 42 Abs 2 S 2 SGB I als spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Feststellung einer Erstattungspflicht des Klägers aus.

44

Unter diesen Umständen ist die Erstattungspflicht des Klägers nach § 50 Abs 2 SGB X zu beurteilen, der insoweit (hilfsweise) entsprechend anzuwenden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 50 Abs 2 S 2 SGB X die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend gelten. Bezogen auf den vorliegenden Fall wird damit auf § 48 SGB X verwiesen. Da das Elterngeld schon mit Bescheid vom 3.9.2007 für den sechsten und zwölften Lebensmonat, also für die Zeiten vom 13.9. bis 12.10.2007 und 13.3. bis 12.4.2008, in Höhe von monatlich 1800 Euro bewilligt worden war, handelt es sich nämlich bei dem Bezug von Einkommen in diesen Zeiträumen um eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8.1.2009 ist diese Änderung bei der endgültigen Feststellung der Höhe des Elterngeldes rückwirkend berücksichtigt worden. Demnach ist § 48 Abs 1 S 2 SGB X in entsprechender Anwendung einschlägig. Danach "soll" eine auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse bezogene Aufhebung des Ursprungsverwaltungsakts erfolgen, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

45

§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X ist nicht einschlägig. Ob die Voraussetzungen der Nr 2 und/oder der Nr 4 vorliegen, lässt sich den Tatsachenfeststellungen des LSG nicht entnehmen. Letztlich kann diese Frage hier offenbleiben, denn jedenfalls sind die Voraussetzungen der Nr 3 erfüllt. Der Kläger hat nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 3.9.2007 Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruchs auf Elterngeld geführt haben würde.

46

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG und einhelliger Auffassung in der Literatur bedeutet das Wort "soll" in § 48 Abs 1 S 2 SGB X, dass der Leitungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist nicht im Rahmen der Ermessensausübung zu klären, sondern im Rechtsstreit von den Gerichten zu entscheiden (Steinwedel in KasselerKomm, Stand Dezember 2011, § 48 SGB X RdNr 36 mwN; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 20). Obwohl der angefochtene Bescheid keine Ausführungen zum Fehlen einer Atypik enthält, ist er deswegen nicht rechtswidrig. In solch einem Fall muss das Gericht zunächst die Prüfung nachholen, ob ein atypischer Fall gegeben ist. Es darf den angefochtenen Bescheid nur dann wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die eigene Prüfung einen atypischen Fall ergibt (Steinwedel, aaO RdNr 38 mwN).

47

Die Frage, ob hier ein atypischer Fall iS des § 50 Abs 2 iVm § 48 Abs 1 S 2 SGB X vorliegt(s dazu Steinwedel, aaO RdNr 37 mwN) ist im bisherigen Verfahren nicht erörtert worden. Die dafür bedeutsamen Tatsachen können vom Revisionsgericht selbst nicht festgestellt werden (§ 163 SGG). Insoweit muss die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

48

Die Kostenentscheidung betreffend das Revisionsverfahren bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger gewährten Elterngeldes, insbesondere über die Berücksichtigung von Insolvenzgeld.

2

Der Kläger lebt mit seiner Lebensgefährtin sowie den gemeinsamen Kindern F, geboren am 4.10.2004, und M, geboren am 23.8.2007, in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. In der Zeit vor der Geburt seiner Tochter M betrieb er seit 1993 einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Zudem war er seit 1995 bei einem Werkzeughersteller abhängig beschäftigt. Im Jahr 2006 erzielte er in den Monaten Januar bis August sowie Dezember Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit (ohne Einmalzahlungen) in Höhe von 21 836,68 Euro brutto bzw 13 297,39 Euro netto. In der Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 bezog er Insolvenzgeld in Höhe von 4935,72 Euro.

3

Am 14.9.2007 beantragte der Kläger bei der beklagten Landeskreditbank die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate seiner Tochter M Hierbei legte er ua den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes Offenburg vom 19.10.2006 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vor, worin für das Jahr 2006 von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 10 258 Euro ausgegangen wird. Ferner gab er an, er werde im Elterngeldbezugszeitraum keine Einkünfte erzielen.

4

Mit Bescheid vom 22.11.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld in Höhe von monatlich 1377,13 Euro für den ersten und zweiten Lebensmonat sowie in Höhe von monatlich 1251,94 Euro für den dritten bis zwölften Lebensmonat. Die Bewilligung erfolgte unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass nach der Geburt Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt werde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.6.2008). In dem Widerspruchsbescheid stellte die Beklagte auch fest: Da das Einkommen aufgrund des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides für das Jahr 2006 ermittelt worden sei, erfolge die Bewilligung des Elterngeldes nach § 8 Abs 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nur vorläufig und stehe unter dem Vorbehalt einer später endgültigen Entscheidung.

5

Nachdem der Kläger während des erstinstanzlichen Klageverfahrens den Einkommensteuer-bescheid für das Jahr 2006 (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft: 13 957 Euro) eingereicht hatte, forderte die Beklagte ihn auf, Angaben zu etwaigen Einnahmen im Elterngeldbezugs-zeitraum zu machen. Hierauf erklärte der Kläger, er habe in der Zeit von der Geburt seiner Tochter bis zum 22.8.2008 Einkünfte aus Forstwirtschaft in Höhe von 3854,19 Euro gehabt (anteilige Steuern in Höhe von 944,14 Euro). Daraufhin setzte die Beklagte durch Änderungs-bescheid vom 24.9.2009 das Elterngeld des Klägers mit 1321,27 Euro für die ersten beiden Lebensmonate sowie 1201,15 Euro für die folgenden Monate neu fest. Den danach zu viel gezahlten Betrag von 619,62 Euro forderte sie zurück.

6

Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 20.4.2010 abgewiesen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 17.7.2012). Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

7

Die Bewilligung von Elterngeld sei rechtmäßig, insbesondere habe die Beklagte die Höhe des Elterngeldes zutreffend berechnet. Das Insolvenzgeld sei insoweit nicht zu berücksichtigen. Es sei bereits fraglich, ob es sich hierbei um Einkünfte aus Erwerbstätigkeit handele, da das Insolvenzgeld keine Leistung des Arbeitgebers für erbrachte Arbeitsleistung darstelle. Wie das Arbeitslosengeld sei das Insolvenzgeld eine Leistung der Sozialversicherung und keine Leistung aus dem Beschäftigungsverhältnis. Jedenfalls werde das Insolvenzgeld nach § 3 Nr 2 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei gewährt, weshalb es kein Einkommen iS des BEEG darstelle. Nach § 2 Abs 1 S 2 BEEG würden ausdrücklich nur Einkünfte nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG berücksichtigt, also nur die der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte. Für das Insolvenzgeld gelte insofern das gleiche wie für steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie steuerfreie Beitragszahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung des Arbeitnehmers.

8

Die Nichtberücksichtigung von Insolvenzgeld verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die im BEEG enthaltene Bezugnahme auf das EStG sei sachgerecht, da dies der Zielsetzung des Elterngeldes entsprechend eine Einkommensersatzleistung ermögliche, die sich an der Erwerbstätigkeit des Berechtigten vor der Geburt des Kindes orientiere, die aber nach dem Willen des Gesetzgebers keinen Ausgleich des allgemeinen Erwerbsrisikos, sondern lediglich des speziellen Risikos des Erwerbsausfalls durch Schwangerschaft herbeiführen solle. Im Rahmen dieser zulässigen Zielsetzung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Lohnersatzleistungen der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Das Insolvenzgeld sei eine solche Lohnersatzleistung. Entgegen der Auffassung des Klägers sei es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass es anders als das Arbeitslosengeld nicht nur anteilig das Arbeitsentgelt ersetze. Der Gesetzgeber halte sich vielmehr im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, wenn er bei einer einkommensabhängigen steuerfinanzierten Leistung nur steuerpflichtige Einkommensbestandteile bei der Berechnung der Leistungshöhe berücksichtige.

9

Schließlich sei auch die Abänderung der ursprünglichen Leistungsbewilligung rechtmäßig gewesen. Die Befugnis hierzu ergebe sich nicht aus dem nach § 8 Abs 2 S 1 BEEG zulässigen Widerrufsvorbehalt im Bescheid vom 22.11.2007. Denn aus dieser Regelung folge nur die Zulässigkeit eines Widerrufsvorbehalts als Nebenbestimmung. Die Ermächtigung zur (Teil-)Aufhebung des Bewilligungsbescheides ergebe sich aus den §§ 44 ff SGB X. Die Voraussetzungen der speziellen Ermächtigungsgrundlage für den Fall eines Widerrufsvorbehalts in § 47 Abs 2 SGB X, die - wie hier erfolgt - eine Aufhebung für die Vergangenheit ermögliche, seien allerdings nicht erfüllt. Als Ermächtigungsgrundlage greife jedoch § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 und 4 SGB X. Eine nachträgliche Änderung im Sinne des § 48 Abs 1 S 1 SGB X sei insoweit eingetreten, als nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkünfte erzielt worden seien, die zur Minderung des monatlichen Zahlbetrages geführt hätten. Die nachgeburtlichen Einkünfte des Klägers hätten in ihrer Summe im Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht festgestanden. Eine (den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechende) Gewinnermittlung für 2007 habe noch nicht vorgelegen, da das Wirtschaftsjahr noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Aufgrund des Widerrufsvorbehalts habe der Kläger iS des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB X wissen müssen, dass sich der Zahlbetrag aus dem Bewilligungsbescheid vom 22.11.2007 bei nachgeburtlichen Einkünften reduzieren würde. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X seien erfüllt, da das nach Erlass des Verwaltungsaktes erzielte Einkommen zur Minderung des Elterngeldanspruchs ab dem ersten Lebensmonat des Kindes geführt habe. Der Erstattungsanspruch der Beklagten folge aus § 50 Abs 1 SGB X.

10

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 1 iVm Abs 7 BEEG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:
Das LSG habe in fehlerhafter Auslegung des § 2 Abs 1 S 2 BEEG das von ihm bezogene Insolvenzgeld nicht bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt. Das Insolvenzgeld stelle Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS der genannten Regelung dar, da es verglichen mit anderen Sozialleistungen eine Sonderstellung einnehme, mit der es sich grundlegend von diesen unterscheide. Das Insolvenzgeld werde für einen Zeitraum gezahlt, in dem der Arbeitnehmer noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und sichere in erster Linie die Entgeltfortzahlung von Arbeitnehmern. Es handele sich bei dem Insolvenzgeld um eine Gegenleistung für die Beschäftigung des Arbeitnehmers. Das Insolvenzverfahren lasse das Beschäftigungsverhältnis unberührt. Im Insolvenzfall übernehme lediglich die Bundesagentur für Arbeit anstelle des Arbeitgebers für einen begrenzten Zeitraum die Zahlung der Vergütung. Dies ändere aber nichts daran, dass es sich hierbei um Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit handele. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes würden durch eine monatliche Umlage der Arbeitgeber aufgebracht (§ 358 SGB III). Die Arbeitgeber fungierten damit als eine Art Haftungsgemeinschaft, für die die Bundesagentur für Arbeit die "Zahlstelle" sei. Diese Merkmale unterschieden das Insolvenzgeld von anderen Sozialleistungen wie dem Kranken- oder Arbeitslosengeld.

11

Der Berücksichtigungsfähigkeit des Insolvenzgeldes stehe auch nicht entgegen, dass es sich hierbei um eine steuerfreie Leistung handele. Die zu anderen steuerfreien Leistungen ergangene Rechtsprechung könne nicht auf das Insolvenzgeld übertragen werden. Es bestünden Unterschiede zwischen dieser Leistung und anderen steuerfreien Leistungen. Das Insolvenzgeld verdränge den Bruttolohnanspruch nicht, sondern es verbleibe nach wie vor ein so genannter fiktiver Steueranteil. Trotz Zahlung des Insolvenzgeldes gehe die Steuerschuld nicht unter. Der Anspruchsübergang nach § 169 SGB III erfasse auch das Arbeitsentgelt einschließlich des Lohnsteueranteils. Zudem werde das Insolvenzgeld nach § 32b Abs 1 Buchst a EStG in den Progressionsvorbehalt einbezogen. Es handele sich bei den als Insolvenzgeld gezahlten Beträgen auch nicht um geringfügige Beträge, sondern um die komplette Gegenleistung für die in drei Monaten erbrachte Arbeitsleistung. Die Nichtberücksichtigung des Insolvenzgeldes habe daher eine gravierende Absenkung des Elterngeldes zur Folge. Ferner widerspreche dies dem Gesetzeszweck, da das Insolvenzgeld das monatliche Erwerbseinkommen aus dem Arbeitsverhältnis im Insolvenzgeldzeitraum ersetze.

12

Schließlich verstoße die Nichtberücksichtigung des Insolvenzgeldes gegen Art 3 Abs 1 GG. Sie führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Elterngeldbeziehern, die in den letzten zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt erwerbstätig gewesen seien und laufend Entgelt von ihrem Arbeitgeber erhalten hätten, und denjenigen, die ebenfalls in den letzten zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat erwerbstätig gewesen seien, aber aufgrund eines Insolvenzereignisses für drei Monate Insolvenzgeld erhalten hätten. Für diese Ungleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Personengruppen gebe es keinen sachlichen Grund. Die unterschiedslose Anknüpfung an das Steuerrecht, die keine Rücksicht darauf nehme, dass das Insolvenzgeld eine Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung sei, sei nicht sachgerecht.

13

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juli 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 20. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Änderungsbescheides vom 24. September 2009 zu verurteilen, ihm für die ersten zwölf Lebensmonate seiner am 23. August 2007 geborenen Tochter M höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des vom 1. September 2006 bis 30. November 2006 bezogenen Insolvenzgeldes zu gewähren.

14

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist vom LSG zugelassen worden und damit statthaft. Der Kläger hat bei der Einlegung und Begründung der Revision Formen und Fristen eingehalten. Die Revisionsbegründung erfüllt die Voraussetzungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

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1. Einer Sachentscheidung entgegenstehende Verfahrenshindernisse liegen nicht vor.

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a) Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Angesichts des Streitgegenstandes (höheres Elterngeld für zwölf Lebensmonate des Kindes) ergibt sich bei überschlägiger Berechnung (vgl zur Zulässigkeit einer überschlägigen Berechnung im Revisionsverfahren BSG Urteil vom 2.6.2004 - B 7 AL 38/03 R - BSGE 93, 42, 43 = SozR 4-4300 § 64 Nr 1, RdNr 6; Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 39/07 R - SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 11; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 15b mwN), dass der Berufungswert von 750 Euro nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des ArbGG vom 26.3.2008 (BGBl I 444) erreicht ist. Der Kläger erstrebt die zusätzliche Berücksichtigung des Bezugs von Insolvenzgeld in Höhe von rund 4900 Euro beim Bemessungseinkommen, was pro Monat einem Betrag von etwa 408 Euro entspricht. Bei einem Leistungssatz von 67 % würde sich ein zusätzlicher monatlicher Zahlbetrag von etwa 273 Euro (für die ersten beiden Lebensmonate 300 Euro) errechnen, sodass sich insgesamt ein streitiger Betrag von rund 3330 Euro ergibt.

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b) Auch die Klage ist zulässig, und zwar als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG). Der Kläger begehrt eine Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes sowie höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des für September bis November 2006 bezogenen Insolvenzgeldes.

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Gegenstand der Anfechtungsklage ist allein der Änderungsbescheid der Beklagten vom 24.9.2009. Zunächst hat sich die Klage gegen den Bewilligungsbescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2008 gerichtet. Diesen Verwaltungsakt über die Gewährung von Elterngeld hat der Änderungsbescheid vom 24.9.2009 ersetzt (vgl § 39 Abs 2 SGB X). Dieser enthält mehrere Regelungen (§ 31 SGB X): Zunächst hebt er die durch den Ausgangsbescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2008 erfolgte Elterngeldbewilligung (teilweise) auf, bewilligt Elterngeld in geringerer Höhe und stellt schließlich die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung des Differenzbetrages von 619,62 Euro fest. Damit sind die Regelungen des Änderungsbescheides nach § 96 Abs 1 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des SGG und des ArbGG vom 26.3.2008 (BGBl I 444) kraft Gesetzes Gegenstand des zum damaligen Zeitpunkt vor dem SG bereits anhängigen Klageverfahrens geworden. Die derzeit geltende Fassung des § 96 Abs 1 SGG ist anwendbar, da der Änderungsbescheid nach dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.4.2008 ergangen ist.

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2. Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Klage unbegründet. Die Beklagte war befugt, die ursprünglich bewilligte Höhe des Elterngeldes durch den Änderungsbescheid vom 24.9.2009 herabzusetzen (hierzu unter a). Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung des von ihm bezogenen Insolvenzgeldes bei der Berechnung des Elterngeldes (hierzu unter b). Schließlich ist die Beklagte berechtigt, von dem Kläger die Erstattung eines Betrages in Höhe von 619,62 Euro zu fordern (hierzu unter c).

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a) Die durch den Änderungsbescheid vom 24.9.2009 erfolgte teilweise Aufhebung der ursprünglichen Elterngeld-Bewilligung ist rechtmäßig. Dies beurteilt sich auf der Grundlage des materiellen Elterngeldrechts insbesondere nach Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts.

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aa) Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich nach dem BEEG idF vom 5.12.2006 (BGBl I 2748). Soweit die späteren Änderungen des BEEG (erstmals durch das Gesetz vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) überhaupt die den streitigen Anspruch berührenden Vorschriften der §§ 1 und 2 BEEG betreffen, sind sie im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. Die durch das Gesetz vom 19.8.2007 erfolgte Änderung betraf den hier nicht einschlägigen Abs 7 des § 1 BEEG. Bei der ersten Änderung des § 2 BEEG durch das Gesetz vom 17.1.2009 (BGBl I 61) mit Wirkung zum 24.1.2009 war der vorliegend streitbefangene Elterngeldzahlungszeitraum bereits abgeschlossen (vgl BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 5/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 11 RdNr 27 mwN; Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 24), sodass die Neufassung des Gesetzes den hier zu beurteilenden Anspruch des Klägers nicht erfasst.

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Für die hier allein streitige Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers ist § 2 BEEG maßgebend. Nach dessen Abs 1 S 1 wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs 1 S 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe der Abs 7 bis 9 zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs 3 S 1 BEEG wird für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Abs 1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach Abs 1 (oder 2) maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt.

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Gemäß § 2 Abs 4 S 1 BEEG wird das nach den Absätzen 1 bis 3 und 5 zustehende Elterngeld um 10 %, mindestens um 75 Euro, erhöht, falls die berechtigte Person mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt lebt. Nach S 2 sind alle Kinder zu berücksichtigen, für die die berechtigte Person die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 und 3 BEEG erfüllt und für die sich das Elterngeld nicht nach Abs 6 erhöht. Der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag endet nach S 5 mit dem Ablauf des Monats, in dem eine der in S 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen entfallen ist.

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Die für die Ermittlung des Einkommens weiter maßgebenden Bestimmungen enthält bei nichtselbstständiger Arbeit im Prinzip § 2 Abs 7 BEEG, während das zu berücksichtigende Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit nach Maßgabe der Abs 8 oder 9 (uU in Verbindung mit einzelnen Bestimmungen des Abs 7) zu ermitteln ist.

27

Nach § 2 Abs 7 S 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit 1/12 des Pauschbetrages nach § 9a Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG(idF des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007 ) anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen.

28

§ 2 Abs 8 S 1 BEEG stellt den Grundsatz auf, dass als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit der (um Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verminderte) Gewinn zu berücksichtigen ist (sog Bemessungseinkommen). Dabei ist grundsätzlich, wie für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit, gemäß § 2 Abs 1 S 1 BEEG auf die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes abzustellen (Bemessungszeitraum). Abweichend von § 2 Abs 1 S 1 und Abs 8 BEEG bestimmt § 2 Abs 9 S 1 BEEG als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit den durchschnittlich monatlich erzielten Gewinn, wie er sich aus dem für den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt, wenn die dem zu berücksichtigenden Einkommen zugrunde liegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden ist. Diese Fiktion des Bemessungszeitraums tritt nach § 2 Abs 9 S 2 BEEG nicht ein, wenn im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 S 5 oder 6 BEEG vorgelegen haben, also Elterngeld für ein älteres Kind oder Mutterschaftsgeld bezogen worden ist und/oder Einkommen aus Erwerbstätigkeit wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung ganz oder teilweise weggefallen ist.

29

Schließlich bestimmt § 2 Abs 9 S 3 Halbs 1 BEEG, dass dann, wenn in dem für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraum zusätzlich Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt worden ist, S 1 dieser Vorschrift (Zugrundelegung des letzten steuerlichen Veranlagungszeitraums) nur anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen der S 1 und 2 auch für die dem Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit zugrunde liegende Erwerbstätigkeit erfüllt sind. In diesen Fällen gilt als vor der Geburt durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen nach § 2 Abs 7 BEEG das in dem dem Veranlagungszeitraum nach Abs 9 S 1 zugrunde liegenden Gewinnermittlungszeitraum durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit(§ 2 Abs 9 S 3 Halbs 2 BEEG).

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bb) Die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung durch den Bescheid vom 24.9.2009 ist nicht formal rechtswidrig. Vor Erlass dieses Verwaltungsaktes war eine Anhörung des Klägers nicht erforderlich, weil die Beklagte damit eine einkommensabhängige Leistung iS des § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X den geänderten Verhältnissen angepasst hat(vgl dazu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 21). Zwar handelt es sich beim Elterngeld nicht um eine Leistung, bei der der Anspruch dem Grunde nach von der Frage der Einkommenserzielung abhängt (vgl § 1 Abs 1 BEEG); von § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X werden jedoch auch Leistungen erfasst, die - wie das Elterngeld - nur der Höhe nach einkommensabhängig sind und bei Erzielung von Einkommen oberhalb bestimmter Grenzen teilweise entfallen(BSG Urteil vom 5.2.2004 - B 11 AL 39/03 R - SozR 4-4300 § 128 Nr 1 RdNr 7 mwN).

31

cc) Die Herabsetzung der Höhe des Elterngeldes durch den Änderungsbescheid vom 24.9.2009 beruht auf einer Neuberechnung, die in zweierlei Hinsicht von der ursprünglichen Bewilligung (Bescheid vom 22.11.2007) abweicht: Zum einen ist - zugunsten des Klägers - für den Bemessungszeitraum ein höheres Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (Forstwirtschaft) und zum anderen - zu Ungunsten des Klägers - während des Bezugszeitraums (ebenfalls im forstwirtschaftlichen Betrieb) erzieltes Einkommen berücksichtigt worden.

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aaa) Die Zugrundelegung eines höheren Einkommens im Bemessungszeitraum ist verfahrensrechtlich zulässig. Dabei kann offenbleiben, ob die zuvor ausgesprochene Bewilligung - wie sich aus der entsprechenden Feststellung des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2008 ergeben könnte - iS von § 8 Abs 3 BEEG rechtswirksam vorläufig erfolgt ist(vgl dazu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 6/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 15 RdNr 13 mwN; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 67/0AS 67/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 13 RdNr 18 mwN), auch wenn dies im Bewilligungsbescheid vom 22.11.2007 nicht zum Ausdruck kommt (vgl dazu BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12; Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 4/94 - SozR 3-1300 § 31 Nr 10 S 12 f). Ebenso kann dahinstehen, ob - bei Fehlen einer vorläufigen Bewilligung - § 44 SGB X eingreift, weil das höhere Einkommen im Jahre 2006 - also vor Erlass des Bewilligungsbescheides vom 22.11.2007 - erzielt worden ist, oder ob insoweit § 48 SGB X heranzuziehen ist, weil der gemäß § 2 Abs 9 BEEG maßgebliche Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 erst am 11.6.2008 ergangen ist. Auf allen diesen Wegen kann ein höheres Bemessungseinkommen berücksichtigt werden, weil es den möglichen Elterngeldanspruch erhöht.

33

Eine vorläufige Bewilligung iS des § 8 Abs 3 BEEG wird ohne Weiteres durch die endgültige Entscheidung ersetzt(vgl dazu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 22). Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X).

34

Auf dieser rechtlichen Grundlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem Einkommensteuerbescheid für 2006 Einkünfte aus Forstwirtschaft in Höhe von 13 957 Euro entnommen hat. Abzüglich der hierauf entfallenden Steuern von 2141,29 Euro ergibt sich insoweit ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von 11 815,71 Euro (entsprechend 984,64 Euro/Monat). Hinzu kommt der bei der ursprünglichen Bewilligung bereits zugrunde gelegte Betrag für Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit in Höhe von 12 607,36 Euro (1050,62 Euro/Monat). Danach beläuft sich das monatliche Bemessungseinkommen - abgesehen von der Frage einer Berücksichtigung des vom Kläger bezogenen Insolvenzgeldes - auf 2035,26 Euro.

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bbb) Auch die Berücksichtigung des vom Kläger im Bezugszeitraum erzielten Einkommens aus Forstwirtschaft hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung stand.

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(1) Die Berechtigung zur rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Bewilligung ergibt sich insoweit nicht aus dem Widerrufsvorbehalt, der im Bewilligungsbescheid vom 22.11.2007 enthalten ist.

37

Allerdings ist es nach § 8 Abs 2 BEEG (idF vom 5.12.2006) zulässig, die Bewilligung von Elterngeld mit einem Widerrufsvorbehalt als Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 SGB X zu versehen. Nach dieser Bestimmung wird Elterngeld in den Fällen, in denen nach den Angaben im Antrag im Bezugszeitraum voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird, unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall gezahlt, dass entgegen den Angaben im Antrag Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird. Zwar hatte der Kläger in seinem Antrag angegeben, er werde im Bezugszeitraum kein Einkommen erzielen. Da er jedoch vor der Geburt des Kindes auch Einkommen aus Forstwirtschaft gehabt hatte, war hinsichtlich der Einkommenserzielung im Bezugszeitraum eine Prognose vorzunehmen. Insoweit war die Voraussetzung für die Verbindung der Bewilligung mit einem Widerrufsvorbehalt ("im Bezugszeitraum voraussichtlich kein Einkommen") erfüllt.

38

Dieser Widerrufsvorbehalt berechtigte die Beklagte jedoch nicht, die Elterngeldbewilligung für die Vergangenheit zu widerrufen. Die Rechtsgrundlage in § 47 Abs 1 Nr 1 SGB X erlaubt der Behörde nur eine Anpassung des Elterngeldes an die geänderten Verhältnisse mit Wirkung für die Zukunft. Die Voraussetzungen für den nach § 47 Abs 2 SGB X grundsätzlich möglichen Widerruf eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit liegen nicht vor, da das Elterngeld nicht als zweckbestimmte Geld- oder Sachleistung anzusehen ist(Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, Stand 7/2012, § 8 BEEG RdNr 9 mwN). Ausreichend hierfür ist nicht die allgemeine Zweck- und Zielsetzung als Sozialleistung, sondern es muss im Verwaltungsakt selbst eine Zweckbestimmung zur Verwendung der Geld- und Sachleistungen getroffen worden sein (BSG Urteil vom 14.12.2000 - B 11 AL 63/00 R - BSGE 87, 219, 221 = SozR 3-1300 § 47 Nr 1 S 3 f). Die Regelung des § 47 Abs 2 SGB X zielt auf Verwaltungsakte, die das erkennbare Ziel haben, vom Begünstigten ein bestimmtes Verhalten einzufordern(Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 47 RdNr 17 mwN). Ein derartiger Zweck ist mit der Bewilligung von Elterngeld nicht verbunden.

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(2) Die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung war im Hinblick auf das nach der Geburt des Kindes erzielte Einkommen des Klägers gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 und 4 SGB X zulässig.

40

Da der Kläger nach der Geburt seiner Tochter Einkünfte aus Forstwirtschaft erzielt hat, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 22.11.2007 noch nicht gemäß § 2 Abs 3 BEEG berücksichtigt werden konnten, ist iS des § 48 Abs 1 SGB X eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Zu vergleichen sind dabei die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, tatsächlich vorgelegen haben (BSG Urteil vom 7.7.2005 - B 3 P 8/04 R - BSGE 95, 57, 60 RdNr 11 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 RdNr 12). Zwar hat das LSG nicht ausdrücklich festgestellt, dass die betreffenden Einkünfte dem Kläger erst nach dem Erlass des Bescheides vom 22.11.2007 zugeflossen sind (vgl dazu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14), der Senat berücksichtigt diesen Umstand gleichwohl aus prozessökonomischen Gründen, weil er zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d mwN).

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Wesentlich ist diese Änderung auch dann, wenn man den Bewilligungsbescheid vom 22.11.2007 insoweit als rechtswidrig ansieht, als er entgegen § 2 Abs 9 iVm § 8 Abs 3 BEEG die Höhe des Elterngeldes nicht nur vorläufig, sondern endgültig festgestellt hat. Denn die Änderung steht mit dieser Rechtswidrigkeit in keinem Zusammenhang (vgl dazu BSG Urteil vom 27.2.1996 - 10 RKg 27/93 - SozR 3-1300 § 48 Nr 47 S 105).

42

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.9.2009 ist diese Änderung bei der Feststellung der Höhe des Elterngeldes rückwirkend berücksichtigt worden. Somit ist § 48 Abs 1 S 2 SGB X einschlägig. Danach "soll" eine auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse bezogene Aufhebung des Ursprungsverwaltungsakts erfolgen, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Nr 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr 3), der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr 4).

43

Nach den Tatsachenfeststellungen des LSG sind hier jedenfalls die Voraussetzungen der Nr 3 und der Nr 4 des § 48 Abs 1 S 2 SGB X erfüllt. Der Kläger hat nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 22.11.2007 iS der Nr 3 Einkommen erzielt, das nach § 2 Abs 3 BEEG zur Minderung des Anspruchs auf Elterngeld geführt haben würde. Im Sinne der Nr 4 wusste der Kläger auch oder wusste infolge grober Fahrlässigkeit nicht, dass sein Elterngeldanspruch wegen des nachgeburtlichen Einkommens teilweise weggefallen war. Denn die Beklagte hatte die Elterngeldbewilligung in Bezug auf die Erzielung nachgeburtlichen Einkommens mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden.

44

Schließlich war nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kein atypischer Fall gegeben, der eine Ermessungsausübung erforderlich gemacht hätte (vgl dazu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 46; Steinwedel in KasselerKomm, Stand August 2012, § 48 SGB X RdNr 36 mwN; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 20).

45

(3) Nach Maßgabe des § 2 Abs 3 BEEG hat die Beklagte die Höhe des Elterngeldes zutreffend berechnet. Sie hat die Differenz zwischen dem von ihr ermittelten monatlichen Bemessungseinkommen (2035,26 Euro) und dem im Bezugszeitraum durchschnittlich erzielten Einkommen von 242,50 Euro/Monat gebildet (1792,76 Euro) und daraus den monatlichen Leistungssatz abgeleitet (67 % von 1792,76 Euro = 1201,15 Euro), wobei für die ersten beiden Monate nach der Geburt der Tochter gemäß § 2 Abs 4 BEEG noch eine Erhöhung um 10 % ("Geschwisterbonus") hinzukommt, was einen Zahlbetrag von 1321,27 Euro ergibt.

46

b) Ein höheres Elterngeld kann der Kläger nicht beanspruchen. Das von ihm von September bis November 2006 bezogene Insolvenzgeld ist bei der Ermittlung des Bemessungseinkommens nicht zu berücksichtigten. Dabei ist § 2 Abs 9 BEEG zugrunde zulegen, da der Kläger vor der Geburt des Kindes nicht nur Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern auch aus Forstwirtschaft erzielt hat und Tatbestände iS des § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ausscheiden(vgl § 2 Abs 9 S 2 BEEG).

47

aa) Für das Bemessungseinkommen des Klägers ist nach § 2 Abs 1 S 2 BEEG von der Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 und 4 EStG auszugehen. Darüber hinaus sind die in § 2 Abs 7 bis 9 BEEG vorgesehenen Maßgaben zu beachten. Das streitige Insolvenzgeld hat der Kläger im Zusammenhang mit seiner abhängigen Beschäftigung bezogen. Hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit hat der Senat bereits entschieden, dass durch § 2 Abs 1 S 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG zwar zunächst grundsätzlich alle Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis erfasst werden; ausgenommen sind jedoch solche Einnahmen, die ausdrücklich steuerfrei gestellt sind (vgl dazu insbesondere BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 19 ff, 22 f; Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16, 18). Welche Einnahmen im Einzelnen dazu gehören, ergibt sich aus den Vorschriften des EStG. Insoweit wird der Begriff der Einkünfte in § 2 Abs 1 S 2 BEEG durch weitere Regelungen des Einkommensteuerrechts geprägt.

48

aaa) Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist das Insolvenzgeld kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 S 1 und 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG. Zwar mag es - obwohl es keinen Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG darstellt - unter den Begriff der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG fallen, weil es als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG angesehen werden kann. Es ist jedoch gemäß § 3 Nr 2 EStG von der Steuer befreit und darf aus diesem Grunde der Bemessung des Elterngeldes nicht zugrunde gelegt werden.

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(1) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Dabei müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein(vgl zB BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 f mwN). Dementsprechend sind auch im Elterngeldrecht grundsätzlich alle Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis berücksichtigungsfähig (vgl dazu Senatsurteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 26, - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 25 und - B 10 EG 21/09 R - Juris RdNr 24 ; Senatsurteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26 ; Senatsurteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16).

50

Das Insolvenzgeld stellt keinen Arbeitslohn dar, weist aber eine "Nähe" zum Arbeitsentgeltanspruch auf. Es handelt sich um eine Leistung für Arbeitnehmer, die nach Maßgabe des § 183 Abs 1 S 1 SGB III(idF vom 2.12.2006 ; im Folgenden aF) für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Nach § 183 Abs 1 S 3 SGB III aF gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Hierunter fallen alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 17 mwN). Ferner wird das Insolvenzgeld nach § 185 Abs 1 SGB III(idF vom 23.12.2003 ; im Folgenden aF) in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gewährt, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Es besteht damit eine weitgehende Akzessorietät des Insolvenzgeldanspruchs zum Arbeitsentgeltanspruch (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Mai 2012, § 165 RdNr 12). Da das Insolvenzgeld in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle des Arbeitsentgeltanspruchs tritt, hat der 4. Senat des BSG entschieden, es sei im Rahmen des SGB II auch hinsichtlich der Einkommensanrechnung und -bereinigung wie der Arbeitsentgeltanspruch zu behandeln (vgl BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 19).

51

Diese für den Bereich des SGB II getroffene Wertung hat jedoch für die Einkommensermittlung im Rahmen des § 2 Abs 1 BEEG keine unmittelbare Bedeutung. Der Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass bei der Vorbereitung des BEEG zwar zunächst noch vorgesehen war, die Einnahmen aus Erwerbstätigkeit unter entsprechender Anwendung der Arbeitslosen-geld II/Sozialgeld-Verordnung zu bestimmen, schließlich jedoch der Wunsch des Bundesrates aufgegriffen worden ist, das Einkommen nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts zu ermitteln, weil dies der Zielsetzung des Elterngeldes besser entspreche (vgl zB nur BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 27 mwN). Daher ist im Rahmen des BEEG eine von den Grundsätzen des SGB II abweichende Einkommensermittlung angezeigt, die sich am Einkommensteuerrecht orientiert. Danach ist das Insolvenzgeld kein Arbeitslohn iS des § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG; denn es besteht kein ausreichender Zusammenhang zwischen dieser Zahlung und dem Arbeits- bzw Dienstverhältnis. Zuwendungen wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen steuerrechtlich keinen Arbeitslohn dar (BFH Urteil vom 30.6.2011 - VI R 80/10 - BFHE 234, 195, 197 mwN; Krüger in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 19 RdNr 29 mwN). Das Insolvenzgeld wird bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf der Grundlage eines besonderen gesetzlichen Sicherungssystems als Entgeltersatzleistung an Arbeitnehmer gezahlt. Es stellt mithin keine Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung dar (vgl dazu BFH Urteil vom 23.11.2000 - VI R 93/98 - BFHE 193, 555, 557 f ; Urteil vom 1.3.2012 - VI R 4/11 - BFHE 237, 59 = Juris RdNr 17 ).

52

(2) Das Insolvenzgeld lässt sich als eine Entschädigung einordnen, die als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG gewährt wird und damit zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG zählt.

53

Nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG gehören zu den Einkünften iS des § 2 Abs 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Die Vorschrift betrifft alle Einkunftsarten iS des § 2 Abs 1 EStG und bildet - wie sich aus dem Wort "auch" in § 24 EStG ergibt - keine neue Gruppe von steuerpflichtigen Einnahmen(vgl etwa BFH Urteil vom 16.10.2002 - XI R 71/00 - BFHE 200, 544, 546; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 2/05 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 6 RdNr 13; BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8 RdNr 17; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 29; Wacker in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 24 RdNr 2 mwN). Entschädigungen für Arbeitnehmer sind dann als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG anzusehen, wenn sie geleistet werden für ausgefallenen Arbeitslohn iS des § 19 EStG, der - seinen Zufluss unterstellt - ebenfalls unter diese Einkunftsart zu subsumieren wäre.

54

Eine Entschädigung nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG muss unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen und auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen(vgl BFH Urteil vom 25.8.2009 - IX R 3/09 - BFHE 226, 261, 263 mwN). Ob diese Voraussetzungen bei dem Insolvenzgeld erfüllt sind, braucht hier nicht näher geprüft zu werden. Dafür sprechen folgende Gesichtspunkte:

55

Das Insolvenzgeld stellt eine Leistung der Sozialversicherung dar, die einen konkret ausgefallenen Anspruch auf Arbeitsentgelt ersetzen soll. Da die Insolvenzgeldversicherung zusätzlich auch die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung absichert (§ 208 Abs 1 SGB III - idF vom 23.12.2003 ; im Folgenden aF), erfüllt sie alle Elemente einer Schadensversicherung, die den bei Arbeitnehmern durch den Ausfall des Arbeitsentgelts eintretenden Vermögensschaden ausgleichen soll (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Mai 2012, § 165 RdNr 26 mwN). Durch die Zahlung des Insolvenzgeldes soll ein Ausgleich für die objektive Verletzung der Lohnzahlungspflicht durch den Arbeitgeber geschaffen werden (BSG Urteil vom 21.10.1999 - B 11/10 AL 8/98 R - BSGE 85, 83, 86 = SozR 3-4100 § 186b Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 29.5.2008 - B 11a AL 61/06 R - BSGE 100, 286 = SozR 4-4300 § 359 Nr 1, RdNr 24). An diesem Zweck der Insolvenzgeldversicherung als Schadensversicherung ändert auch der Umstand nichts, dass der durch diese Versicherung vermittelte Schutz (auf drei Monate und auch der Höhe nach) begrenzt ist (vgl Wacker in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 24 RdNr 6; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 24 RdNr B 9).

56

Wie bei der Zahlung von Arbeitslohn (vgl § 38 Abs 1 S 3 EStG) ist bei der Leistung einer Entschädigung unerheblich, dass eine Entschädigung iS des § 24 EStG nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten - regelmäßig dem Schadensverursacher - gezahlt wird(vgl BFH Urteil vom 30.3.1982 - III R 150/80 - BFHE 135, 488, 492; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 30). Auch eine Entschädigung durch eine Versicherung fällt unter den Tatbestand des § 24 Nr 1 EStG, wenn diese rechtlich (oder moralisch) verpflichtet ist, den Schaden auszugleichen(Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 24 RdNr B 12).

57

Ferner ist erforderlich, dass die bisherige rechtliche Grundlage für die Einnahme wegfällt und eine andere an ihre Stelle tritt (Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 24 RdNr B 25; Wacker in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 24 RdNr 7 mwN). Um den Tatbestand des § 24 Nr 1 Buchst a EStG zu erfüllen, muss der Wegfall von Einnahmen auf einem außergewöhnlichen Ereignis beruhen, das über den Rahmen einzelner Geschäfte hinausgeht, wie sie für die jeweilige Einkunftsart typisch sind(Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 24 RdNr B 20 mwN, B 50 ff). Die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt für den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ein außergewöhnliches Ereignis dar. Mit dem Antrag auf Insolvenzgeld gehen zudem die entsprechenden Arbeitsentgeltansprüche auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 SGB III idF vom 2.12.2006 ; im Folgenden aF). Daher stellt die Zahlung des Insolvenzgeldes keine Erfüllung der Arbeitsentgeltansprüche dar, sondern ersetzt den bei dem Arbeitnehmer eingetretenen Schaden. Damit beruht das Insolvenzgeld auf einer neuen Rechtsgrundlage. Es wird nicht auf der Grundlage des Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet, sondern aufgrund der §§ 183 ff SGB III aF.

58

Zudem muss die Entschädigung iS des § 24 Nr 1 Buchst a EStG für unfreiwillige Einnahmeverluste erlangt worden sein(vgl hierzu ausführlich BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 31 ff mwN). Dies ist bei der Zahlung des Insolvenzgeldes der Fall, da der Arbeitnehmer keinen Einfluss darauf hat, ob sein Arbeitgeber einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. Er hat den durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers verursachten Ausfall der Einnahmen nicht mitverursacht.

59

Schließlich stellt das Insolvenzgeld keine nichtsteuerbare Versicherungsleistung dar, die bereits aus diesem Grunde von vornherein nicht unter die Einkünfte iS des § 2 Abs 1 EStG fallen könnte. Die Vorschrift des § 2 Abs 1 EStG bestimmt die Steuerbarkeit von Einkünften iS der §§ 13 bis 24 EStG. Bezüge, die außerhalb dieser gesetzlichen Einkunftsarten anfallen, sind nicht steuerbar (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 2 RdNr 1 und 14). Die Regelung des § 24 Nr 1 Buchst a EStG erweitert zwar den Bereich der einzelnen Einkunftsarten, hält jedoch an dem Erfordernis einer Verknüpfung mit der Arbeitsleistung fest(v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/22 mwN). Daher sind Leistungen nach dem SGB III, denen eigene Beiträge des Arbeitnehmers zugrunde liegen (zB Arbeitslosengeld), nichtsteuerbare Versicherungsleistungen und damit auch keine Entschädigungen nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG. Denn diese beruhen in erster Linie nicht auf der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern stellen eine Gegenleistung für die gezahlten Versicherungsbeiträge dar. Für solche von vornherein nichtsteuerbaren Vermögensmehrungen hat die Aussage über die Steuerfreiheit (vgl für das Arbeitslosengeld § 3 Nr 2 EStG) lediglich deklaratorischen Charakter (vgl Heinicke in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 3 Vorbemerkung/Anwendungsbereich; v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/35). Anders ist dies bei dem Insolvenzgeld, das zum einen durch eine Umlage der Arbeitgeber finanziert wird und dem zum anderen eine Arbeitsleistung vorausgegangen ist. Da es nicht durch eigene Versicherungsbeiträge der Arbeitnehmer finanziert wird und noch ausreichend mit einer eigenen Arbeitsleistung verknüpft ist, erscheint es gerechtfertigt, das Insolvenzgeld zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und damit zu einer Einkunftsart iS des § 2 Abs 1 EStG zu zählen(vgl v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/22 f mwN; offen gelassen in BFH Urteil vom 23.11.2000 - VI R 93/98 - BFHE 193, 555, 557).

60

(3) Entscheidend für die Nichtberücksichtigung des Insolvenzgeldes bei der Bestimmung des Bemessungseinkommens für das Elterngeld ist es, dass dieses zu den "übrigen Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (…), soweit sie Arbeitnehmern (…) gewährt werden", gehört, die gemäß § 3 Nr 2 EStG mit konstitutiver Wirkung von der Steuer befreit sind(vgl BFH Urteil vom 23.11.2000 - VI R 93/98 - BFHE 193, 555, 557 ; v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/64). Das Insolvenzgeld ist eine Nettoleistung, dh die individuell ermittelten steuerlichen Abzüge verringern im Rahmen der Berechnung der Höhe des Insolvenzgeldes (§ 185 Abs 1 SGB III aF) lediglich als Rechnungsposten den Bruttobetrag der Arbeitsentgeltbezüge. Die steuerlichen Abzüge werden jedoch nicht tatsächlich durch die Bundesagentur für Arbeit an das Finanzamt abgeführt (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Mai 2012, § 167 RdNr 23).

61

Steuerfrei sind ebenso das Arbeitsentgelt sowie die Beiträge zur Sozialversicherung, falls der Arbeitgeber oder der Insolvenzverwalter das Arbeitsentgelt aufgrund des Anspruchsübergangs (§ 187 SGB III aF) an die Bundesagentur für Arbeit erstattet sowie den Gesamtsozialversicherungsbeitrag aufgrund des § 208 Abs 2 S 1 SGB III aF an die Einzugsstelle zahlt(vgl § 3 Nr 2 EStG idF vom 10.10.2007 : "Leistungen auf Grund der in (…) § 187 und § 208 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch genannten Ansprüche"). Entgegen der Ansicht des Klägers besteht damit bei Zahlung des Insolvenzgeldes keine "Steuerschuld" bzw Steuerpflicht mehr. Wegen des umfassend geltenden Steuerbefreiungstatbestandes sind auf das gesamte durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausgefallene Arbeitsentgelt, das das Insolvenzgeld absichert und ersetzt, keine Steuern zu entrichten. Weder hat die Bundesagentur für Arbeit Steuern auf das Insolvenzgeld abzuführen noch der Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter auf das (Netto-)Arbeitsentgelt bei einer Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit und auf die Sozialversicherungsbeiträge bei einer Zahlung an die Einzugsstelle.

62

Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des BSG vom 20.6.2001 (- B 11 AL 97/00 R - SozR 3-4100 § 141m Nr 3). In dieser Entscheidung hat das BSG lediglich festgestellt, dass der Arbeitnehmer nach Gewährung von Konkursausfallgeld (jetzt Insolvenzgeld) keinen Anspruch gegen die Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit auf Anmeldung der steuerlichen Bruttorestlohnforderung (also des auf den Bruttolohn entfallenden Steueranteils) zur Konkurstabelle bzw auf deren Rückübertragung habe. Korrespondierend hierzu hatte das BAG zuvor entschieden, dass der Arbeitnehmer nach der Inanspruchnahme von Konkursausfallgeld keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber bzw Konkursverwalter auf Auszahlung des Teiles des Bruttolohnanspruches habe, der als Lohnsteuer abzuführen gewesen wäre (Urteile vom 17.4.1985 - 5 AZR 74/84 - BAGE 48, 229 sowie vom 11.2.1998 - 5 AZR 159/97 - AP Nr 19 zu § 611 BGB Lohnanspruch).

63

Hintergrund dieser Entscheidungen war, dass zuvor hinsichtlich des Umfangs des Anspruchsübergangs nach § 187 SGB III aF bzw nach dessen Vorgängervorschrift in § 141m AFG umstritten war, ob dieser nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Konkursausfall- bzw Insolvenzgeldes - und damit nur in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes - erfolgt oder in Höhe des Bruttoarbeitslohnes(mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozial-versicherungsbeitrags, der nach § 208 Abs 2 S 1 SGB III aF bei der Einzugsstelle verbleibt). Während das BAG diese Frage in dem Urteil vom 17.4.1985 noch offen gelassen hatte, stellten BAG und BSG in den genannten späteren Urteilen fest, dass nicht nur der Nettolohnanspruch übergeht, sondern auch der als Lohnsteuer abzuführende Teil des Bruttolohnanspruches (vgl hierzu ausführlich BSG vom 20.6.2001 - B 11 AL 97/00 R - SozR 3-4100 § 141m Nr 3 S 6 f; BAG Urteil vom 11.2.1998 - 5 AZR 159/97 - AP Nr 19 zu § 611 BGB Lohnanspruch). Hinsichtlich dieses Steueranteils fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die den Anspruchsübergang insoweit ausschließt (so auch Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Mai 2012, § 169 RdNr 20). Damit steht auch der auf den Bruttolohn entfallende Steueranteil grundsätzlich mit Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit zu. Es handelt sich hierbei aber lediglich um einen fiktiven Betrag, der weder durch die Bundesagentur für Arbeit noch durch den Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter an das Finanzamt entrichtet wird. Dies wird erreicht über die Regelung in § 3 Nr 2 EStG aF, wonach auch "Leistungen auf Grund der in (…) § 187 (…) des Dritten Buches Sozialgesetzbuch genannten Ansprüche" steuerfrei gestellt sind. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Zahlungen der Arbeitgeber bzw Konkursverwalter regelmäßig erst längere Zeit nach dem Insolvenzereignis und in sehr kleinen Beträgen erfolgten, sodass in fast allen Fällen eine Zuordnung der Zahlungen zum Arbeitsentgeltanspruch bestimmter Arbeitnehmer entweder nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich sei (BT-Drucks 12/1108 S 51).

64

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine andere Sichtweise auch nicht aus dem Umstand, dass der Bruttolohnanspruch, wenn der Antrag auf Insolvenzgeld zurückgenommen oder durch die Bundesagentur für Arbeit abgelehnt wird, wieder dem Arbeitnehmer zusteht und er von diesem - mitsamt dem Steueranteil - gegen den Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegend zu beurteilenden nicht vergleichbar, da in dieser Situation gerade kein Insolvenzgeld gewährt wird; stattdessen kann und muss der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Arbeitgeber selbst durchsetzen. Erfüllt der Arbeitgeber diesen Anspruch, ist er ua verpflichtet, Lohnsteuer zu entrichten. Die Steuerbefreiung des Insolvenzgeldes nach § 3 Nr 2 EStG wirkt sich in diesem Fall nicht aus, weil es nicht gezahlt worden ist.

65

Ferner rechtfertigt der Umstand, dass das Insolvenzgeld nach § 32b Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegt, sodass die Zahlung von Insolvenzgeld Auswirkungen auf die Steuersatzberechnung erlangt, keine abweichende Beurteilung. Dem Progressionsvorbehalt unterfallen auch andere steuerbefreite Zahlungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Verletztengeld, zu denen der Senat bereits entschieden hat, dass diese nicht im Rahmen der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen sind (vgl dazu Senatsurteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 und - B 10 EG 21/09 R - Juris ; Senatsurteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24 ). Insofern wird das Insolvenzgeld nicht anders behandelt als diese ebenfalls steuerbefreiten Leistungen.

66

bbb) Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch eine Auslegung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des BEEG zu dem Schluss, dass das steuerfrei gewährte Insolvenzgeld nicht zum Einkommen iS des § 2 Abs 1 BEEG zu rechnen ist(vgl zu den steuerfreien Einnahmen im Rahmen der Einkommensermittlung nach dem BEEG: Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, RdNr 150 - 153; Pauli in Hambüchen, BEEG/EStG/BKGG, Stand 12/2009, § 2 BEEG RdNr 7; konkret zur Nichtberücksichtigung des Insolvenzgeldes Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, Stand 7/2012, § 2 BEEG RdNr 84 ff, 88; LSG Nordrhein-Westfalen Urteile vom 19.3.2010 - L 13 EG 44/09 - Juris RdNr 26, mit Anm von Dau in jurisPR-SozR 10/2010 Anm 4, sowie vom 27.6.2011 - L 13 EG 7/11 - Juris RdNr 22; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 8.6.2011 - L 2 EG 12/10 - Juris RdNr 38).

67

Die Nichtberücksichtigung steuerfreier Einnahmen oder Einkünfte entspricht mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des BEEG dem Willen des Gesetzgebers. Auszugehen ist von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, das Einkommen nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts zu ermitteln (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8; BT-Drucks 16/2785 S 37). Dabei war den zuständigen Gremien bewusst, dass die Anknüpfung an die Summe der positiven Einkünfte zugleich bewirkt, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG bei der Einkommensermittlung für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen sind(vgl BT-Drucks 16/2785 S 37). Die weitere Gesetzesentwicklung bestätigt diese Regelungsabsicht (vgl hierzu BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 26 mwN). Die Nichtberücksichtigung steuerfreier Einnahmen bei der Bemessung des Elterngeldes ist daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht beschränkt auf die Beispiele, die der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG genannt hat("etwa Krankengeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld", vgl BT-Drucks 16/2785 S 37); der Gebrauch des Wortes "etwa" zeigt, dass es sich hierbei ersichtlich um eine nicht abschließende Aufzählung der ausgeschlossenen steuerfreien Zahlungen handeln sollte, was auch angesichts der Vielzahl der Steuerbefreiungstatbestände in § 3 EStG verständlich ist.

68

Auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes gebieten hier keine den Wortlaut des § 2 Abs 1 S 2 BEEG einschränkende Auslegung. Der Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass das Elterngeld nur eine begrenzte Einkommensersatzleistung darstellt (vgl hierzu BSG Urteile vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 28 sowie vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 27). Diese Funktion des Elterngeldes ist noch gewährleistet, wenn das nach § 3 Nr 2 EStG steuerfreie Insolvenzgeld bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleibt, auch wenn es für den Arbeitnehmer - rein tatsächlich - als Arbeitsentgeltersatz für drei Beschäftigungsmonate dient. Es darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Arbeitsentgeltanspruch aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht realisiert werden kann, dass der Arbeitnehmer aus diesem Grunde eine steuerfreie Entgeltersatzleistung in Anspruch nimmt und sein Arbeitsentgeltanspruch auf die Bundesagentur für Arbeit übergeht, die diesen ebenfalls nur ohne Berücksichtigung der Steuern geltend machen kann. Für die Frage, ob eine steuerbefreite Zahlung im Rahmen der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen sein könnte, ist es entgegen der Auffassung des Klägers nicht maßgebend, ob es sich lediglich um geringfügige Beträge handelt. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat in seiner Entscheidung zu der Nichtberücksichtigung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit - im Gegensatz zu dem dieser Entscheidung vorangegangenen Urteil des Hessischen Landessozialgerichts - bewusst nicht abgestellt (vgl Senatsurteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 22 ff). Die Höhe der geflossenen Zahlungen ist irrelevant für die Frage, ob es sich hierbei um Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 S 1 und 2 BEEG handelt. Diese Frage soll nach dem Gesetzeszweck des BEEG allein anhand der Bestimmungen des Steuerrechts geklärt werden. Hinzu treten weitere Beschränkungen durch das BEEG.

69

Der Gesetzgeber fördert die familienbedingte Auszeit in finanzieller Hinsicht durch das Elterngeld nur in bestimmten Grenzen. Neben einem Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro (vgl § 2 Abs 5 BEEG) ist ein Höchstbetrag von 1800 Euro (vgl § 2 Abs 1 S 1 BEEG) festgelegt worden. Auch in der Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht mit den im BEEG vorgesehenen Modifikationen liegt in erster Linie eine Beschränkung der Ersatzfunktion des Elterngeldes. Abgesehen von steuerfreien Arbeitsentgeltbestandteilen finden zB auch sog Einmalzahlungen keine Berücksichtigung (vgl § 2 Abs 7 S 2 BEEG). Darüber hinaus wirkt sich der Abzug pauschalierter Werbungskosten (vgl § 2 Abs 7 S 1 BEEG) für Berechtigte, die während des Bemessungszeitraums einer Beschäftigung mit niedrigeren tatsächlichen Werbungskosten nachgegangen sind, ungünstig aus.

70

Die Auswirkungen der "steuerrechtlichen" Ausgestaltung der elterngeldlichen Bemessungsgrundlage mögen im Einzelfall kritisch zu sehen sein, angesichts des Gesetzeswortlauts, der ins Steuerrecht verweisenden Systematik und des sich in der Gesetzesentwicklung bereits ausdrücklich bestätigten Willens des Gesetzgebers sieht der Senat jedoch keinen gangbaren Auslegungsweg, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, zumal auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes keine Einbeziehung der steuerfrei gestellten Einnahmen gebietet.

71

bb) Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt (vgl Art 100 Abs 1 GG), dass die Nichtberücksichtigung der nach § 3 Nr 2 EStG steuerfreien Insolvenzgeldzahlungen bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG(iVm Art 6 Abs 1 GG) verstößt. Weder der Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr 2 EStG selbst noch dessen Auswirkung im Elterngeldrecht ist von Verfassungs wegen zu beanstanden.

72

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschlüsse vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN und vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 f mwN).

73

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).

74

aaa) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl BVerfG Beschlüsse vom 22.6.1995 - 2 BvL 37/91 - BVerfGE 93, 121, 136; vom 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 ua - BVerfGE 107, 27, 47; vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30 und Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07 ua - BVerfGE 122, 210, 230). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft, wird im Bereich des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl BVerfG Urteil vom 6.3.2002 - 2 BvL 17/99 - BVerfGE 105, 73, 125 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 184; BVerfG Beschlüsse vom 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 ua - BVerfGE 107, 27, 46; vom 21.6.2006 - 2 BvL 2/99 - BVerfGE 116, 164, 180; vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30 und Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07 ua - BVerfGE 122, 210, 230 f). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl BVerfG Beschlüsse vom 30.9.1998 - 2 BvR 1818/91 - BVerfGE 99, 88, 95; vom 11.11.1998 - 2 BvL 10/95 - BVerfGE 99, 280, 290; Urteil vom 6.3.2002 - 2 BvL 17/99 - BVerfGE 105, 73, 126 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 185; Beschlüsse vom 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 ua - BVerfGE 107, 27, 47; vom 21.6.2006 - 2 BvL 2/99 - BVerfGE 116, 164, 180 f; vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 31 und Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07 ua - BVerfGE 122, 210, 231). Dies gilt insbesondere für Steuerbefreiungen als die Belastungsgleichheit durchbrechende Ausnahmetatbestände. Ein solcher Grund ist für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr 2 EStG gegeben, soweit sie das Insolvenzgeld betrifft.

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Geht man davon aus, dass das Insolvenzgeld eine Entschädigung darstellt, die als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn gezahlt wird, und damit nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG unter die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG zu fassen ist, so erfüllt es - anders als zB das Arbeitslosengeld - einen Einkunftstatbestand. Seine Steuerbefreiung beruht offenbar auf der Überlegung, die Leistungsgewährung zu unterstützen. Aufgrund der Steuerbefreiung müssen lediglich die Nettoleistungen durch die Insolvenzgeldversicherung finanziert werden (vgl zum Überbrückungsgeld v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/36). Die Steuerbefreiung des Insolvenzgeldes führt somit zu einer finanziellen Entlastung der Arbeitgeber, die diese Versicherung über eine Umlage nach § 358 SGB III finanzieren.

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Neben dem Insolvenzgeld sind auch die späteren Zahlungen des Arbeitgebers oder des Insolvenzverwalters an die Bundesagentur für Arbeit auf die übergegangenen Arbeitsentgelt-ansprüche sowie an die Einzugsstelle auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 3 Nr 2 EStG steuerfrei. Diese Steuerbefreiung erfolgte aus Vereinfachungsgründen, da die im Einzelfall schwierige und zum größten Teil sehr aufwändige oder gar unmögliche Zuordnung der Zah-lungen zu dem jeweiligen Arbeitsentgelt- bzw Beitragsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers erübrigt werden sollte (vgl BT-Drucks 12/1108 S 51; v Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand November 2012, § 3 RdNr B 2/37).

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bbb) Die Nichtberücksichtigung der nach § 3 Nr 2 EStG steuerfreien Insolvenzgeldzahlungen bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens beruht ebenfalls auf hinreichenden sachlichen Gründen.

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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören (§§ 6, 25 Abs 2 S 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26). Hinzu kommt, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, muss der Staat allerdings zusätzlich den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2004 - 1 BvR 684/98 - BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55).

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Zwar werden im Rahmen des BEEG Berechtigte wie der Kläger gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in dem maßgeblichen Bemessungszeitraum kein Insolvenzgeld beziehen mussten, sondern stattdessen von ihrem Arbeitgeber Arbeitsentgelt erhalten haben, dadurch benachteiligt, dass die Insolvenzgeldzahlungen nicht bei der Bemessung des Elterngeldes berücksichtigt werden, obwohl das Insolvenzgeld der Höhe nach dem Nettoarbeitslohn entspricht. Für diese Ungleichbehandlung lassen sich jedoch ausreichende Sachgründe finden. Dies gilt ebenso für die Gleichbehandlung mit Personen, die im Bemessungszeitraum andere steuerfreie Lohnersatzleistungen bezogen haben, denen keine Arbeitsleistung gegenübersteht (zB Arbeitslosengeld, Krankengeld, Verletztengeld).

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Die Nichtberücksichtigung steuerfreier Leistungen bei der Berechnung des Elterngeldes beruht darauf, dass das BEEG bei der Einkommensermittlung an den steuerrechtlichen Einkünfte-begriff anknüpft. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist insbesondere die in § 2 Abs 1 S 2 BEEG enthaltene Bezugnahme auf § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG sachgerecht(vgl BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 9/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 37 ff; Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 29; Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 36). Der Zielsetzung des Elterngeldes entsprechend ermöglicht diese Regelung eine Einkommensersatzleistung, die sich an den Einkünften aus der Erwerbstätigkeit des Berechtigten vor der Geburt des Kindes orientiert. Eine Konsequenz der Ausrichtung am Einkommensteuerrecht ist es auch, dass steuerfreie Insolvenzgeldzahlungen nicht zum Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des BEEG zählen. Das Insolvenzgeld stellt eine Leistung der Sozialversicherung dar, die gezahlt wird, falls ein Arbeitnehmer im Falle einer Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers, die im Zusammenhang mit einem Insolvenzereignis auftritt, kein Arbeitsentgelt erhält. Die Insolvenzgeldzahlung erfüllt nicht den Arbeitsentgelt-anspruch, vielmehr geht dieser auf die Bundesagentur für Arbeit über, die ihn gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend macht.

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Das Elterngeld stellt eine einkommensorientierte Zuwendung dar, mit der diejenigen Einbußen an Erwerbseinkommen ganz oder teilweise kompensiert werden sollen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem ausgleichsberechtigenden Ereignis - der Geburt des Kindes - stehen. Realisiert sich in der Zeit vor der Geburt des Kindes bereits ein anderes Erwerbsrisiko (Wirtschafts- oder Arbeitsmarktlage, Streik, Krankheit, etc), so sind die damit einhergehenden Einkommensausfälle grundsätzlich nicht vom Sinn und Zweck der Zuwendung erfasst (BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R - Juris RdNr 63 mwN). Aufgrund der Ausgestaltung des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Ausgleich für wegfallende staatliche Transferleistungen nicht gewährt wird (BVerfG Beschluss vom 24.11.2011 - 1 BvR 1457/11 - FamRZ 2012, 188 = Juris RdNr 5). Da in der vorliegenden Situation der Arbeitsentgeltanspruch aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht bzw erst längere Zeit später und sodann zumeist nur zu einem Teil realisiert werden kann und das Insolvenzgeld insofern lediglich eine Entgeltersatzleistung darstellt, war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei der Bemessung des Elterngeldes den Bezug von Insolvenzgeld der Erzielung von Arbeitsentgelt gleichzustellen. Ebenso wenig ist es insofern verfassungsrechtlich bedenklich, dass das Insolvenzgeld in dieser Hinsicht - trotz ansonsten bestehender Unterschiede - mit anderen Entgeltersatzleistungen gleichbehandelt wird.

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An dieser Beurteilung ändert auch Art 6 Abs 1 GG nichts. Danach hat der Staat ua die Pflicht, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl BVerfG Beschlüsse vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95 ua - BVerfGE 106, 166, 177 f = SozR 3-5870 § 3 Nr 4 S 15; vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436; vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 - BVerfGE 111, 160, 172 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 53; BSG Urteil vom 13.10.2005 - B 10 EG 4/05 R - SozR 4-7833 § 6 Nr 3 RdNr 20; Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 5/07 R - BSGE 99, 293 = SozR 4-7837 § 27 Nr 1, RdNr 28). Dieser Pflicht hat der Gesetzgeber mit dem BEEG Rechnung getragen. Aus Art 6 Abs 1 GG ergibt sich jedoch weder eine Verpflichtung, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastungen auszugleichen, noch erwachsen hieraus konkrete Ansprüche auf staatliche Leistungen. Mit einer sich für alle Familien in gleicher Weise auswirkenden Regelung zur Nichtberücksichtigung bestimmter steuerfreier Zahlungen bzw Leistungen hat der Gesetzgeber deshalb die Grenzen des ihm insoweit zustehenden weiten Gestaltungsspielraums nicht überschritten.

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c) Die in dem angefochtenen Änderungsbescheid enthaltene Feststellung einer Pflicht des Klägers, den überzahlten Elterngeldbetrag von 619,62 Euro zu erstatten, ist rechtmäßig. Diese Pflicht beruht auf § 50 Abs 1 SGB X. Sie folgt aus der teilweisen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22.11.2007 und ist der Höhe nach zutreffend.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.