Sozialgericht Nürnberg Gerichtsbescheid, 25. Juli 2016 - S 5 SO 34/16

bei uns veröffentlicht am25.07.2016
nachgehend
Bayerisches Landessozialgericht, L 18 SO 214/16, 12.07.2018

Gericht

Sozialgericht Nürnberg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig sind sogenannte Budget-Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger bezieht seit Herbst 2015 Altersrente. Er wohnt in der A-Straße, A-Stadt; es handelt sich um eine Form des ambulanten betreuten Wohnens. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Hilfeleistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. SGB XII und auf Eingliederungshilfeleistungen nach den §§ 53 ff. SGB XII.

Am 29.08.2014 fand eine Budget-Konferenz zur Ermittlung des Hilfebedarfs und zur Erstellung einer Zielvereinbarung statt. In der zusammenfassenden Stellungnahme vom 05.09.2014 hielt der Beklagte fest, dass es dem Kläger vorrangig um die Wiederherstellung eines ordentlichen Haushalts gehe. Im weiteren Verlauf wolle er sich eine „Person seines Vertrauens suchen“. Aktuell sei der Hilfebedarf auf den Bereich des Wohnens beschränkt. Es gehe darum, eine „Grundreinigung“ samt „Entmüllung“ durchzuführen und anschließend wöchentliche Reinigungen sicherzustellen. Es werde ein Hilfebedarf von aktuell 25 Stunden für die Grundreinigung und von 5 Stunden pro Woche für eine hauswirtschaftliche Unterstützung geschätzt. Es werde empfohlen, für den Kläger ein Persönliches Budget ab dem 01.09.2014 einzurichten und zunächst bis zum 30.11.2014 zu befristen. Dieses Protokoll wurde zu einer Anlage der „Zielvereinbarung zum Persönlichen Budget“ (vgl. Bl. 423 der Beklagtenakte), das dem Kläger mit Schreiben vom 10.09.2014 zugeleitet wurde.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 17.02.2015 mit, der vorgelegten Zielvereinbarung könne er nicht zustimmen. Das vom Beklagten angeblich durchgeführte Gesamtplanverfahren entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Was angeboten werde, sei nichts weiter als eine verdeckte Sachleistung und kein Persönliches Budget, was sich schon aus den Kriterien und Pflichten zur Qualitätssicherung erkennen lasse. Der Kläger werde dadurch in seinen Rechten beschnitten.

Mit Schreiben vom 21.08.2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, den Antrag auf ein Persönliches Budget abzulehnen, wenn der Kläger die Zielvereinbarung nicht unterschreibe. Der Kläger reagierte mit Schreiben vom 24.08.2015 (Bl. 435 der Beklagtenakte); er sei nicht bereit, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die im Ergebnis ihm eine verdeckte Sachleistung zukommen lasse.

Mit Bescheid vom 27.08.2015 lehnte der Beklagte den Antrag vom 13.06.2014 auf Gewährung eines Persönlichen Budgets ab. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 31.08.2015, das an diesem Tag beim Beklagten einging, Widerspruch und verlangte Akteneinsicht. Der Widerspruch wurde vom Kläger mit Schreiben vom 28.09.2015 näher begründet; auf dieses Schreiben wird Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 3 Absatz 5 und § 4 der Budget-Verordnung (BudgetV) werde zwischen der den Antrag stellenden Person und dem Budgetgeber eine Zielvereinbarung abgeschlossen. Die Zielvereinbarung werde für die Dauer der bewilligten Leistung abgeschlossen. Sie sei kündbar. Die Kündigung führe zur Aufhebung des Verwaltungsaktes. Die Zielvereinbarung enthalte mindestens Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie die Qualitätssicherung und die jeweiligen Rechte und Pflichten der beiden Vertragspartner. Ohne die Unterschrift des Klägers könne die Zielvereinbarung nicht in Kraft treten. Daher habe der Antrag auf persönliches Budget abgelehnt werden müssen. Gemäß § 3 Absatz 5 BudgetV sei der Abschluss einer Zielvereinbarung Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung des persönlichen Budgets und damit für den Erlass des Bewilligungsbescheides. Eine Zielvereinbarung sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß § 53 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), an den beide Vertragsparteien gebunden seien (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 31.01.2013 - L 8 SO 4/12 - Juris). Durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag in Form der Zielvereinbarung würden die niedergelegten Rechte und Pflichten der Vertragspartner rechtsverbindlich festgestellt und konkretisiert. Nachdem der Kläger die vorgelegte Zielvereinbarung nicht unterschrieben habe bzw. sich geweigert habe, seine Unterschrift zu tätigen, habe der Antrag abgelehnt werden müssen. Damit sei auch der Widerspruch zurückzuweisen.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 25.02.2016, das an diesem Tag beim Sozialgericht Nürnberg eingegangen ist, Klage erhoben. Das Sozialgericht hat dem Kläger Akteneinsicht gewährt. Das Sozialgericht Nürnberg hat in nicht öffentlicher Sitzung am 08.06.2016 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Der Bevollmächtigte des Beklagten hat erklärt, dass aus Sicht des Beklagten die in der Budget-Konferenz vom 29.08.2014 dokumentierten Bedarfe weiterhin als bestehend gesehen würden, zumal der Kläger in der nichtöffentlichen Verhandlung aktuelle Fotos von seiner Wohnung vorgelegt und mitgeteilt habe, dass diese Bilder den Zustand seit 2009 dokumentierten.

Das Sozialgericht hat in der nicht öffentlichen Sitzung angekündigt, dass es eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren oder durch Gerichtsbescheid treffen wolle. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren oder mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden ist. Einer Zielvereinbarung, die rechtlich so aufgebaut sei, wie diejenige vom August 2014, werde er auch künftig nicht zustimmen und sie nicht unterschreiben, da das zwingend erforderliche Gesamtplanverfahren nicht durchgeführt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

auf der Grundlage eines noch durchzuführenden Gesamtplanverfahrens ihm Budget-Leistungen zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Beklagtenakten beigezogen. Vorgelegen haben die Gerichtsakten im Klageverfahren S 20 SO 209/10. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von M. vom 26.01.2016 hält einer gerichtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte hat den Antrag auf Budget-Leistungen zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 3 Absatz 5 Satz 1 BudgetV erlässt der Beauftragte den Verwaltungsakt, „wenn eine Zielvereinbarung nach § 4 abgeschlossen ist, und erbringt die Leistung“. Nachdem eine Zielvereinbarung nach § 4 BudgetV nicht abgeschlossen worden ist, weil der Kläger seine Unterschrift darunter verweigert hat, durfte der Beklagte den vom Kläger begehrten Verwaltungsakt über die Bewilligung eines Persönlichen Budgets nicht erlassen. Zur Begründung im Übrigen wird gemäß § 136 Absatz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den zutreffenden Widerspruchsbescheid der Regierung von M. vom 26.01.2016 Bezug genommen.

Die Verfahrensweise des Beklagten wird von der Rechtsprechung der Sozialgerichte gedeckt; das Bundessozialgericht (BSG) hat im Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 19/15 R - ausgeführt: „Die Regelungssystematik der §§ 17 und 21a SGB IX (§ 21a SGB IX i. d. F. durch Art. 261 Nummer 1 der Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407) i. V. m. § 3 und § 4 BudgetV bestätigt die Zukunftsgerichtetheit des Persönlichen Budgets und die strikte Zweckbindung der Geldmittel. Die Regelungen der BudgetV sind auf alle Arten des Persönlichen Budgets anwendbar (vgl § 21a SGB IX; §§ 1, 2 Satz 2 BudgetV). Die Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers (Beauftragter; vgl § 3 Absatz 1 Satz 1 BudgetV) über das Persönliche Budget setzt voraus, dass der individuelle Bedarf des Berechtigten beraten (§ 3 Absatz 3 Satz 1 BudgetV), festgestellt (§ 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 BudgetV) und eine zuvor beratene Zielvereinbarung mit dem Berechtigten geschlossen ist (§ 3 Absatz 5 Satz 1 BudgetV). Die Zielvereinbarung ist ihrer Natur nach zukunftsgerichtet. Sie sichert die Zielverwirklichung bei Durchführung des Persönlichen Budgets und deren Kontrolle. Hierzu muss sie mindestens Regelungen enthalten über 1. die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, 2. die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie 3. die Qualitätssicherung (§ 4 Absatz 1 Satz 2 BudgetV)“(Zitat Ende).

Diesen rechtlichen Vorgaben hat der Beklagte entsprochen. Zu Unrecht kritisiert der Kläger auch, es habe kein gesetzlich vorgegebenes Gesamtplanverfahren gegeben. Ein solches Verfahren ist in der Regel dann angezeigt, wenn ein Persönliches Budget beantragt ist, bei dem mehrere Leistungsträger beteiligt sind. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn der Kläger hat budgetfähige Ansprüche nur gegenüber dem Beklagten auf der Grundlage der §§ 53 ff. und 67 ff. SGB XII. Damit entspricht die vom Beklagten vorgelegte Zielvereinbarung im Ergebnis einem Gesamtplanverfahren.

Somit musste die Klage ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 53 Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages


(1) Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt ein

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 17 Begutachtung


(1) Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnor

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Bundessozialgericht Urteil, 08. März 2016 - B 1 KR 19/15 R

bei uns veröffentlicht am 08.03.2016

Tenor Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2014 wird zurückgewiesen.

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(1) Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

(2) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Persönlichen Budgets (PB).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesene, am 2015 verstorbene Tochter der Kläger (im Folgenden: Versicherte) litt an der Erbkrankheit Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom). Sie hatte das Kostenerstattungsverfahren gewählt und beantragte, ihr ab 1.1.2008 ein PB von monatlich 2000 Euro für die ambulante medizinische Rehabilitation (Reha) zu gewähren (Schreiben vom 2.11.2007). Die Beklagte forderte von ihr nähere Angaben zu Bedarf und Leistungen. Die Versicherte verwies auf die der Beklagten aus den Abrechnungen bekannten jährlichen Bedarfe und Leistungen. Die Beklagte traf keine Entscheidung. Die Untätigkeitsklage der Versicherten blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 29.12.2011 - S 13 KR 542/07; LSG-Urteil vom 15.5.2013 - L 5 KR 359/11). Während des Berufungsverfahrens bewilligte die Stadt K. als Sozialhilfeträger der Versicherten vom 1.1. bis 30.9.2013 ein trägerübergreifendes PB (6918,38 Euro/Monat). Die Versicherte forderte daraufhin von der Beklagten für die Jahre 2008 bis 2012 rückwirkend ein PB (ab 1.11.2012: monatlich 2500 Euro; Schreiben vom 20.4.2013). Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 8.5.2013, Widerspruchsbescheid vom 25.6.2013). Die Versicherte ist mit ihrem Begehren auch beim SG (Gerichtsbescheid vom 10.12.2013) und beim LSG erfolglos geblieben: Ein PB könne für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nicht gewährt werden (Urteil vom 17.4.2014).

3

Die Kläger rügen mit ihrer Revision die Verletzung des § 17 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 und 3 SGB IX. Die Versicherte habe das PB am 2.11.2007 für die Zukunft beantragt, nicht rückwirkend. Der Anspruch auf Gewährung eines PB sei vererblich, da es sich um eine Geldleistung handele. Es bestehe auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse, da die Gewährung eines PB in einem neuen Verwaltungsverfahren oder zumindest ein Amtshaftungsanspruch in Betracht komme.

4

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 10. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern für die Versicherte A. S. ein Persönliches Budget für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012 zu gewähren,

5


hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 10. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

6

ganz hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 10. Dezember 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Versicherte A. S. für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012 auch noch nach dessen Ablauf gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung eines Persönlichen Budgets hatte,

7

äußerst hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz vom 17. April 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 10. Dezember 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Versicherte A. S. für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012 bis zu dessen Ablauf gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung eines Persönlichen Budgets hatte.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Kläger als BGB-Erben der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Versicherten ist zulässig, aber unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Berufung der Versicherten gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückgewiesen. Der Hauptantrag der Kläger, ihnen für die Versicherte ein PB für die Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2012 zu gewähren, ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, der erste - bei sachgerechter Auslegung von Klageerhebung an begehrte - Hilfsantrag als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft, aber unzulässig. Die Kläger sind nicht befugt, den Anspruch der Versicherten auf Gewährung eines PB klageweise geltend zu machen. Er erlosch spätestens mit dem Tod der Versicherten (dazu 1.). Sowohl der zweite als auch der dritte Hilfsantrag der Kläger ist jeweils als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, aber ebenfalls unzulässig. Den Klägern fehlt das erforderliche berechtigte Interesse an der jeweils begehrten Feststellung, dass die Versicherte Anspruch auf die Gewährung eines PB für die Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2012 hatte (dazu 2.).

11

1. Die Kläger führen anstelle der verstorbenen Versicherten als deren Erben den Rechtsstreit fort. Sie haben erklärt, den Rechtsstreit aufzunehmen (vgl § 202 S 1 SGG; § 239 Abs 1 ZPO). Ihre Erbenstellung wird nicht durch eine Sonderrechtsnachfolge verdrängt (dazu a). Die Kläger sind indes nicht klagebefugt, den statthaft (dazu b) mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG), hilfsweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 und 2 SGG)verfolgten Anspruch auf Gewährung eines PB geltend zu machen (dazu c).

12

a) Die Kläger sind nach ihrem Vorbringen gesetzliche Erben der Versicherten (§ 1922 Abs 1, § 1925 Abs 2, § 2032 BGB). Sie machen geltend, dass - soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen - diese nach den Vorschriften des BGB vererbt werden(§ 58 S 1 SGB I). Die Voraussetzungen einer Sonderrechtsnachfolge liegen nicht vor (vgl § 56 Abs 1 SGB I idF durch Art 3 § 48 Nr 2 Buchst a Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16.2.2001, BGBl I 266). Die Kläger haben entsprechend ihren Angaben und der Aktenlage zur Zeit des Todes der Versicherten nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr gelebt und sind von ihr nicht wesentlich unterhalten worden. Auch sonstige Sonderrechtsnachfolger sind nicht ersichtlich.

13

b) Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung eines PB für ambulante medizinische Reha ist statthaft in Fällen der Ermessensreduzierung auf null mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, im Übrigen mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend zu machen. KKn entscheiden über ambulante medizinische Reha gemäß näherer gesetzlicher Bestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 Abs 3 S 1 HS 1 SGB V). Die Entscheidung über die Gewährung eines diesbezüglichen PB setzt voraus, dass die KK ihr Ermessen über die ohne das PB zu gewährende Naturalleistung zugunsten des Versicherten betätigt hat oder insoweit eine Ermessensreduktion auf null vorliegt. Auch bei der Leistungsausführung durch ein PB kann eine zum Bedarf zählende Einzelleistung nur in Abhängigkeit vom Ermessen des zuständigen Trägers beansprucht werden, wenn diese Leistung gesetzlich als Ermessensleistung ausgestaltet ist (vgl BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, RdNr 17; BSGE 109, 293 = SozR 4-3250 § 17 Nr 2, RdNr 16). Das zwingend vorgeschriebene Ermessen ist auch zu beachten, wenn nicht darüber gestritten wird, ob überhaupt ein ersetzendes PB bewilligt werden soll, sondern wenn es um die mit der Bewilligung eines PB untrennbar verbundene Entscheidung über die Höhe der ersetzenden Geldleistung geht (vgl BSGE 110, 83 = SozR 4-3250 § 17 Nr 3, RdNr 25, 30).

14

c) Die Kläger sind nicht klagebefugt für die Klage, ihnen ein PB für ambulante medizinische Reha der Versicherten zu gewähren oder hierüber ermessensfehlerfrei zu entscheiden. An der Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl BSG Urteil vom 21.9.2010 - B 2 U 25/09 R - Juris RdNr 12 mwN). Die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage besteht, wenn der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Verwaltungsakt beschwert zu sein (vgl § 54 Abs 1 S 2 und Abs 2 S 1 SGG; BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 12; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 21; BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 12 mwN; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 131 RdNr 10). Beschwert in diesem Sinne kann auch ein Drittbetroffener sein, in dessen Rechtssphäre durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird. Die Klagebefugnis für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage setzt dementsprechend voraus, dass der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Verwaltungsakt und die Verweigerung der begehrten Leistung beschwert zu sein, weil er hierauf einen Rechtsanspruch hat. Die Klagebefugnis für die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage setzt voraus, dass der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Verwaltungsakt und die Verweigerung des begehrten Verwaltungsakts beschwert zu sein, weil er auf dessen Erlass oder zumindest eine ermessensfehlerfreie Entscheidung einen Rechtsanspruch hat.

15

Es kommt nicht in Betracht, dass die Kläger als Erben Anspruch auf Gewährung oder zumindest ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung eines PB für die Versicherte haben. Denn der Anspruch eines Versicherten auf Gewährung eines PB oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber ist nicht auf einen fälligen Anspruch auf Geldleistungen gerichtet, sondern auf eine Verwaltungsentscheidung, die erst fällige Ansprüche auf Geldleistungen begründet. Er ist in diesem Sinne ein höchstpersönlicher Anspruch, der spätestens mit dem Tode des Versicherten erlischt. Grundsätzlich erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 S 1 SGB I idF des Gesetzes vom 11.12.1975, BGBl I 3015). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen dagegen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 S 2 SGB I). Nur soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt(§ 58 S 1 SGB I). Der Anspruch der Versicherten auf Gewährung eines PB oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber war auf eine Geldleistung gerichtet (dazu aa), aber weder fällig noch vererblich (dazu bb).

16

aa) Die beantragte Gewährung im Sinne einer Regelung eines PB ist auf eine Geldleistung gerichtet. Die Versicherte beantragte ab 1.1.2008 ein PB von monatlich 2000 Euro und ab 1.11.2012 von monatlich 2500 Euro für die ambulante medizinische Reha (2.11.2007; 20.4.2013). § 11 Abs 2 S 1 und 3 SGB V bestimmt: "Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation …, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern … Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist." Ergänzend sieht § 11 Abs 1 Nr 5 SGB V dazu ausdrücklich vor, dass Versicherte Anspruch auf Leistungen des PB nach § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX haben. PBs werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich (§ 17 Abs 3 S 1 SGB IX, hier anzuwenden idF durch Art 8 Nr 3 Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, BGBl I 818; vgl auch Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch BT-Drucks 15/1514 S 72 zu Art 8 Nr 3).

17

bb) Der mit dem Anspruch auf Gewährung eines PB für die Versicherte geltend gemachte Geldleistungsanspruch ist vor dem Tode der Versicherten nicht fällig geworden. Denn die Beklagte traf hierüber keine Ermessensentscheidung (zum Ermessen vgl oben, II. 1. b). Soweit die besonderen Teile des SGB keine Regelung enthalten, werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig (§ 41 SGB I). Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen grundsätzlich, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl § 40 Abs 1 SGB I). Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, dass in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist (vgl § 40 Abs 2 SGB I). Dementsprechend hat das BSG einen Anspruch von Erben eines verstorbenen Unfallversicherten auf Zahlung der Abfindung für dessen Unfallrente abgelehnt, weil der Bescheid des Unfallversicherungsträgers dem Versicherten nicht mehr bekannt gegeben und der im Ermessen der Verwaltung stehende Abfindungsanspruch so zum Todeszeitpunkt nicht entstanden (und demgemäß nicht fällig) gewesen sei, auch wenn ein Fall der Ermessensreduzierung auf null vorgelegen habe (vgl BSG SozR 1200 § 40 Nr 3).

18

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nach der Rechtsprechung des BSG für Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 S 1 BKV. Nach dieser Regelung haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Das BSG begründet die Ausnahme damit, dass auf diese Leistung dem Grunde nach ein Rechtsanspruch des Versicherten besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Zudem geht es um Geldleistungen, deren Verwendung keiner strikten Zweckbindung unterliegt (vgl insgesamt BSG SozR 4-1200 § 56 Nr 3 RdNr 24 ff): Ob der Versicherte den Geldbetrag der Übergangsleistung entsprechend ihrem sozialen Zweck einsetzt, berührt den Rechtsgrund zum Behaltendürfen dieser Leistung nicht. Ihr kommt schon nach dem klaren Wortlaut der Regelung eine Lohnersatz- und Schadensminderungsfunktion, zudem eine Präventionsfunktion zu (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 27 RdNr 17 mwN).

19

Diese Rechtsgedanken für eine Ausnahme von den Grundsätzen mangelnder Fälligkeit und damit Unvererblichkeit von Ansprüchen auf Ermessensleistungen in Geld vor ihrer Verbescheidung lassen sich auf die Gewährung eines PB nicht übertragen. Auch wenn das PB in der Regel als Geldleistung gewährt wird und dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung eines PB bestehen kann, unterliegt es strikter Zweckbindung. Sein Zweck besteht in notwendig zumindest auch zukunftsgerichteter selbstgestalteter Deckung des Individualbedarfs Berechtigter, der ohne PB in der Regel durch Naturalleistungen der Träger gedeckt wird. Ein Recht auf ein PB kann nur statt der von ihm insgesamt ersetzten Naturalleistungsansprüche ent- und bestehen, weil ein bestimmter individueller Bedarf in derselben Hinsicht nur auf die eine oder aber die andere Weise gedeckt werden soll und kann (vgl BSGE 110, 83 = SozR 4-3250 § 17 Nr 3, RdNr 19). Seine zukunftsgerichtete strikte Zweckbindung bewirkt, dass das Recht auf nachträgliche Gewährung eines PB - obwohl in der Regel auf Geldleistungen gerichtet - jedenfalls spätestens mit dem Tod des Berechtigten erlischt. Insoweit schränken die speziellen Grundsätze über die Gewährung des PB die Regelung über die Vererblichkeit sozialer Rechte des § 59 SGB I ein. Das SGB I und das SGB X gelten nämlich für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs nur, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 SGB I bleibt unberührt(vgl § 37 S 1 SGB I). Der aus dem zuerkannten Anspruch auf ein PB resultierende Geldleistungsanspruch ist hingegen vererblich, wenn und soweit der Berechtigte, dem das PB zuerkannt ist, durch die Beschaffung von den vom PB erfassten Leistungen bereits Gebrauch gemacht, aber noch keine entsprechende Geldleistung vom Leistungsträger erhalten hat. Daran fehlt es hier.

20

Die strikte Bindung des PB und der auf seiner Grundlage gewährten Geldmittel an den Zweck, den bestimmten individuellen Bedarf des Berechtigten anstelle von Naturalleistungsansprüchen abzudecken, ergibt sich aus Wortlaut (dazu 1) und Regelungszweck (dazu 2) des § 17 SGB IX in Einklang mit dessen Entstehungsgeschichte(dazu 3) sowie dem Regelungssystem (dazu 4). Ist ein Anspruch auf ein PB mit Geldleistungen bereits durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X)zuerkannt, erledigt sich dieser im Todeszeitpunkt "auf andere Weise" (§ 39 Abs 2 SGB X). Das PB gibt dem Berechtigten kein Recht, die auf dieser Grundlage empfangenen Geldmittel für andere, budgetfremde Zwecke zu verwenden.

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(1) Schon der Wortlaut der Regelungen verdeutlicht die strikte Zweckbindung der Geldmittel des PB. Auf Antrag können danach Leistungen zur Teilhabe auch durch ein PB ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des PB sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Reha-Träger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt (vgl § 17 Abs 2 S 1 und 2 SGB IX). PBs werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des PB die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das PB zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (vgl § 17 Abs 3 S 3 und 4 SGB IX).

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(2) Das PB bezweckt, dem Berechtigten Leistungen zur Teilhabe zu gewähren, um seinen individuell festgestellten Bedarf zu decken. Es gibt dem zuständigen Reha-Träger ein rechtliches Instrument für die Versorgung des Berechtigten mit von ihm selbst zu beschaffenden Sach- und Dienstleistungen an die Hand, um diesem eine möglichst selbstbestimmte, effektive, bedarfsgerechtere Organisation der Teilhabeleistungen zu ermöglichen. Das PB muss hierzu in seiner inhaltlichen Ausgestaltung den Bedarf abdecken, den ohne PB die jeweiligen Naturalleistungen befriedigen (vgl insgesamt hierzu Coseriu in Masuch/Spellbrink/Becker/Leibfried, Grundlagen und Herausforderungen des Sozialstaats, Bd 2, 2015, S 687 ff, 707). Es ist kein inhaltliches Aliud zu den Naturalleistungen. Das PB gewährt keinen Anspruch auf Leistungen, die das maßgebliche Leistungsgesetz nicht kennt (vgl auch BSGE 109, 293 = SozR 4-3250 § 17 Nr 2, RdNr 16; Berchtold, Sozialrecht aktuell, Sonderheft 2014, 18, 29). Für eine selbstbestimmte Organisation der Teilhabeleistungen ist kein Raum mehr, wenn es ausschließlich um erfolgte Bedarfsdeckung in der Vergangenheit geht. In solchen Fällen reduziert sich das Interesse des Berechtigten auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung.

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(3) Die Gesetzesmaterialien betonen in diesem Sinne, dass die Möglichkeit, Leistungen in Form eines PB zu erbringen, eine Form ist, wie dem Wunsch- und Wahlrecht bei Ausführung als Geldleistung unter den Voraussetzungen gleicher Wirksamkeit und wirtschaftlicher Gleichwertigkeit Rechnung getragen werden kann. Sie ergänzt die in § 9 Abs 2 SGB IX vorgesehene Umwandlung von Sach- in Geldleistungen. Auch bei der Leistungsausführung durch ein PB in Form von Geldleistungen müssen die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein (vgl Entwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, BT-Drucks 14/5074 S 103, Zu § 17). Dies gilt ungeachtet der Zielsetzung des PB, dem Berechtigten sachliche, zeitliche und soziale Dispositionsspielräume zu eröffnen (vgl Entwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, BT-Drucks 15/1514 S 72 zu Art 8 Nr 3). Die Dispositionsmöglichkeiten bestehen nur im Rahmen der Deckung des Individualbedarfs.

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(4) Die Regelungssystematik der §§ 17 und 21a SGB IX(§ 21a SGB IX idF durch Art 261 Nr 1 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407) iVm § 3 und § 4 BudgetV(Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX - Budgetverordnung vom 27.5.2004, BGBl I 1055) bestätigt die Zukunftsgerichtetheit des PB und die strikte Zweckbindung der Geldmittel. Die Regelungen der BudgetV sind auf alle Arten des PB anwendbar (vgl § 21a SGB IX; §§ 1, 2 S 2 BudgetV). Die Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers (Beauftragter; vgl § 3 Abs 1 S 1 BudgetV) über das PB setzt voraus, dass der individuelle Bedarf des Berechtigten beraten (§ 3 Abs 3 S 1 BudgetV), festgestellt (§ 4 Abs 1 S 2 Nr 2 BudgetV)und eine zuvor beratene Zielvereinbarung mit dem Berechtigten geschlossen ist (§ 3 Abs 5 S 1 BudgetV). Die Zielvereinbarung ist ihrer Natur nach zukunftsgerichtet. Sie sichert die Zielverwirklichung bei Durchführung des PB und deren Kontrolle. Hierzu muss sie mindestens Regelungen enthalten über 1. die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, 2. die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie 3. die Qualitätssicherung (§ 4 Abs 1 S 2 BudgetV). Ein wichtiger Grund für die sofortige Kündigung der Vereinbarung kann vorliegen, wenn der Berechtigte die Vereinbarung insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhält (vgl § 4 Abs 2 S 3 BudgetV). Laufende Geldleistungen des PB werden monatlich im Voraus ausgezahlt (§ 3 Abs 5 S 3 Halbs 1 BudgetV). Ist es ausgeschlossen, dass gezahlte Geldleistungen noch für die Deckung eines festgestellten Bedarfs verwendet werden können, gibt das PB keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen dieses Geldes.

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Der erkennende Senat lässt es offen, ob die aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben jede Rückwirkung eines zu bewilligenden PB ausschließen (vgl dazu auch BSGE 109, 293 = SozR 4-3250 § 17 Nr 2; BSGE 110, 83 = SozR 4-3250 § 17 Nr 3). Jedenfalls besteht kein Anspruch auf Bewilligung eines PB für einen vollständig in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum. Hierfür kann keine rückwirkende Deckung des tatsächlichen Individualbedarfs mehr stattfinden. Die Rechte des Betroffenen und dessen möglicher Rechtsnachfolger sind auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung für erfolgte selbst beschaffte Bedarfsdeckung beschränkt. Erst recht schließt der Tod des Berechtigten die Möglichkeit aus, für ihn noch rückwirkend ein PB zu gewähren.

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Hiervon sind Fälle zu unterscheiden, in denen der Leistungsträger dem Berechtigten ein PB zuerkannt hat, der Berechtigte entsprechend der Zielvereinbarung seinen Bedarf eigeninitiativ gedeckt hat, aber vor dem Eintritt seines Todes für die selbst beschafften Teilhabeleistungen noch keine Geldleistungen erhalten hat (vgl rechtsähnlich zur Pflicht der bisherigen KK im Falle des KK-Wechsels bereits entstandene Geldleistungsansprüche zu erfüllen BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 9 mwN, dort zu einem naturalleistungsersetzenden Kostenerstattungsanspruch). Der Geldleistungsanspruch aufgrund des bewilligten PB ist fällig und die Kosten auslösende Selbstbeschaffung entspricht dem Zweck des PB. Die Voraussetzungen einer Selbstbeschaffung nach PB-Bewilligung liegen hier indes nicht vor.

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2. Die Kläger haben die zunächst von der Versicherten erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage, hilfsweise Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Revisionsverfahren statthaft - hilfsweise - auf zwei in einem Haupt- und Hilfsverhältnis gestufte Fortsetzungsfeststellungsklagen umgestellt (§ 131 Abs 1 S 3 iVm § 54 Abs 1 S 1 SGG; zur Zulässigkeit der Antragsumstellung im Revisionsverfahren vgl BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 10 mwN). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist die statthafte Klageart, da die Kläger hilfsweise - zu Recht - den Rechtsstandpunkt einnehmen, dass sich das Leistungs-, hilfsweise das Bescheidungsbegehren jedenfalls durch den Tod der Versicherten am 17.12.2015 erledigt hat (vgl dazu II. 1. c).

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Sowohl die in erster Linie als auch die äußerst hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist indes unzulässig. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, wenn die ursprüngliche Anfechtungsklage zulässig gewesen ist, ein den Verwaltungsakt erledigendes Ereignis eingetreten ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse vorliegt (vgl zB BSGE 111, 280 = SozR 4-2500 § 171a Nr 1, RdNr 13 mwN; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 131 RdNr 55). Die Kläger haben jedenfalls kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Versicherte auch noch nach dem 31.12.2012 - hilfsweise bis zum Ablauf des 31.12.2012 - noch einen Anspruch auf Gewährung eines PB für die Zeit vom 1.1.2008 bis 31.12.2012 hatte. Ein berechtigtes Interesse (vgl § 131 Abs 1 S 3 SGG) an der von Klägern begehrten Feststellung setzt voraus, dass die Feststellung für sie in Zukunft rechtlich bedeutsam sein kann (vgl BSG Urteil vom 23.11.1995 - 1 RR 1/95 - Juris RdNr 14). Daran fehlt es.

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Ein berechtigtes Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Ein Feststellungsinteresse kommt grundsätzlich in Betracht bei Präjudiziabilität, Schadensersatz-, Rehabilitierungsinteresse und Wiederholungsgefahr (vgl BSG SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11; Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2015, § 131 Anm 14a bb mwN). Die Kläger tragen hierzu indes weder entsprechende Tatsachen vor noch berufen sie sich auf einschlägige Feststellungen des LSG. Insbesondere ist ein konkretes Schadensersatzinteresse nicht ersichtlich. Auch die Kläger ziehen nicht in Zweifel, dass der in Betracht kommende Bedarf der Versicherten im betroffenen Budgetzeitraum durch Naturalleistungen oder im Wege gewählter Kostenerstattung gedeckt worden ist. Für ein Rehabilitierungsinteresse oder eine Wiederholungsgefahr liegt nichts vor.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen.

(2) Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. Das Gutachten soll den von den Rehabilitationsträgern vereinbarten einheitlichen Grundsätzen zur Durchführung von Begutachtungen nach § 25 Absatz 1 Nummer 4 entsprechen. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275 des Fünften Buches und die gutachterliche Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 bleiben unberührt.

(3) Hat der leistende Rehabilitationsträger nach § 15 weitere Rehabilitationsträger beteiligt, setzt er sich bei seiner Entscheidung über die Beauftragung eines geeigneten Sachverständigen mit den beteiligten Rehabilitationsträgern über Anlass, Ziel und Umfang der Begutachtung ins Benehmen. Die beteiligten Rehabilitationsträger informieren den leistenden Rehabilitationsträger unverzüglich über die Notwendigkeit der Einholung von Gutachten. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden in den Teilhabeplan nach § 19 einbezogen. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Rehabilitationsträger stellen sicher, dass sie Sachverständige beauftragen können, bei denen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.