Sozialgericht Münster Urteil, 15. Nov. 2018 - S 11 AS 584/16
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grund-sicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Gestalt des Arbeitslosengeldes II gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 19 a Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I).
3Die Klägerin, geboren am 00.00.1966, bezieht von der Beklagten seit mehreren Jahren unter Anrechnung einer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Arbeitslosengeld II. Sie leidet u.a. an einer Fib-romyalgie mit zusätzlicher Depression. Darüber hinaus sind bei ihr eine degenerative Ver-änderung der Halswirbelsäule mit Belastungseinschränkungen sowie eine retropatellare Chondromalazie diagnostiziert. Sie bewohnte seit den frühen 2000er Jahren bis zum 31.07.2015 eine Wohnung in dem Gebäudekomplex "A.S.C.00" in N ... Dieser stellt einen landläufig sog. sozialen Brennpunkt in der Stadt N. dar. Seit mehreren Jahren kommt es dort jedenfalls zu vermehrten Polizeieinsätzen u.a. wegen Ruhestörungen und Sachbe-schädigungen. Es werden (illegale) Drogen sowohl konsumiert als auch an- und verkauft. Die Polizei N. wird darüber hinaus in regelmäßigen Abständen wegen angezeigter Körper-verletzungsdelikte vorstellig. Die Klägerin selbst ist jedoch in der Zeit bis Juli 2015 kein Opfer einer Körperverletzung geworden.
4Am 08.05.2015 beantragte sie bei der Beklagten die Erteilung der Zustimmung zum Woh-nungswechsel. Ihr Bruder habe in der "E. Straße 00" ein Haus gekauft und betreibe dort eine Fahrradwerkstatt. Sie beabsichtige, dort gemeinsam mit einem Mitbewohner eine Wohnung anzumieten und zu beziehen. Die übersteigenden Kosten im Verhältnis zur bis-her bewohnten Wohnung beliefen sich auf ca. 54,00 Euro pro Monat. Dieses Ansinnen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 15.06.2015 bestandskräftig ab.
5Zum 01.08.2015 zog die Klägerin gemeinsam mit einem Mitbewohner in die avisierte Wohnung ("E. Straße 00") ein, in der beide bis heute noch leben.
6Mit Bescheid vom 15.03.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der damals geltenden Fassung in Verbindung mit § 328 Sozial-gesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.06.2016. Dabei legte sie im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die bisherigen Miet- und Nebenkosten der Wohnung "A.S.C.00" zugrunde und kürzte die zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung um 54,00 Euro monatlich. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2016 Widerspruch.
7Unter dem 27.04.2016 beantragte sie darüber hinaus die Übernahme der Mietkaution für die Wohnung "E. Straße 00". Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2016 ab. Die dagegen erhobene Klage nahm die Klägerin nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Sozialge-richts (SG) Münster vom 03.01.2017 zurück (Az.: S 11 AS 585/16).
8Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch vom 11.04.2016 gegen den Bescheid vom 15.03.2016 zurück.
9Dagegen hat die Klägerin am 18.08.2016 Klage erhoben. Sie habe sowohl aus sozialen als auch aus gesundheitlichen Gründen die Wohnung "A.S.C.00" verlassen müssen. Ein wei-terer Verbleib in diesem Gebäudekomplex sei unzumutbar gewesen.
10Mit Bescheid vom 27.01.2017 hat die Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 endgültig festgesetzt.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2016 in der Fassung des Festset-zungsbescheides vom 27.01.2017 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 431,40 Euro zu gewähren, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
15Sie hält den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig. Hinsichtlich ihrer Rechts-auffassung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016.
16Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte sowie durch Einbeziehung der ärztlichen Gutachten im Antragsver-fahren bei der DRV Bund.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des übrigen Vorbrin-gens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwal-tungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Ver-handlung gewesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 15.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2016 in der Fassung des Festsetzungsbescheides vom 27.01.2017 nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 keinen höheren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Gestalt des Arbeitslosengeldes II (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
21Insbesondere hat sie keinen höheren Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dem steht die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen.
22Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen an-erkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II).
23Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II schafft – ausweislich der Gesetzesbegrün-dung (siehe BT-Drs. 16/1410, S. 23) – eine individuelle Angemessenheitsgrenze für die Fälle, in denen der Hilfebedürftige von einer zuvor angemessenen in eine neuere, eben-falls (noch) angemessene Unterkunft umzieht. Hierdurch soll der Ausschöpfung der durch den jeweiligen kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenze entgegengewirkt werden. Die Frage, wann ein Umzug erforderlich ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1410, S. 23) ist dies insbesondere der Fall, wenn ein Wohnungswechsel zur Eingliederung in Arbeit oder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen erforderlich sei. Nach herrschender Meinung (vgl. dazu nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24.11.2011, Az.: B 14 AS 1007/10 R sowie Luik, in: Eicher/Luik, Kom-mentar zum SGB II, 4. Auflage, 2017, § 22, Rn. 122) kann von einem erforderlichen Um-zug gesprochen werden, wenn für diesen ein plausibler, nachvollziehbarer und verständli-cher Anlass vorliegt, von dem sich ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen und der nicht zumutbar auf andere Weise beseitigt werden kann.
24In diesem Sinne war der Umzug der Klägerin von der Wohnung "A.S.C.00" in die "E. Stra-ße 00" nicht erforderlich.
25Zunächst kann die Kammer hierfür keine gesundheitlichen Gründe erkennen. Dabei hat sie durchaus berücksichtigt, dass die Klägerin sowohl an körperlichen als auch an psychi-schen Erkrankungen leidet. Diese sind jedoch nach Auswertung der Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Therapeuten nicht derart gravierend, dass sie den Bezug einer teureren Wohnung in einem anderen Stadtviertel rechtfertigten. Jedenfalls lassen die seitens des Gerichts eingeholten Befundberichte keine Notwendigkeit des Um-zugs aus medizinischen Gründen erkennen. Allein eine Verbesserung der Gemütslage durch einen Umzug in einen "besseren" Stadtteil ist kein medizinisch relevanter Gesichts-punkt.
26Auch soziale Gründe für die Notwendigkeit eines Umzugs liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Insbesondere kann der Wunsch der Klägerin, aus einem (etwaigen) sog. sozialen Brennpunkt der Stadt N. in einen anderen Stadtteil zu ziehen, nicht zu einer Notwendigkeit des Umzugs im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II führen. Zwar gibt es auch in der Stadt N. Stadtviertel und Straßenzüge, die durch eine erhöhte Kriminalität, ei-ne ungünstige bzw. problematische Bevölkerungsstruktur und bauliche Mängel der Woh-nungen gekennzeichnet sind. Des Weiteren ist gerichtsbekannt, dass das Wohnen in dem Objekt "A.S.C.00" durch vielfältige soziale Probleme der dort lebenden Menschen beein-trächtigt ist. Allerdings gibt es – möglicherweise anders als in anderen Metropolen und Großstädten Nordrhein-Westfalens – keine sog. No-go-Areas in N ... Ein angemessenes und menschenwürdiges Wohnen ist in N. – zumindest dem Grunde nach – in jedem Stadt-teil und Straßenzug gewährleistet. Die Klägerin muss sich – nach der gesetzgeberischen Konzeption des SGB II – als Angehörige der unteren 20 Prozent der Einkommensschich-ten mit Personen vergleichen lassen, deren Einkommen nur geringfügig über dem Regel-bedarf des SGB II liegt und die deshalb kein Arbeitslosengeld II oder sonstige staatliche Existenzsicherungsleistungen beziehen. Angesichts eines Unterschiedsbetrages von 54,00 Euro monatlich hält es die Kammer für nicht wahrscheinlich, dass diese Personen eine teurere Wohnung angemietet hätten, wenn sie dies (allein) mit ihrem geringen Einkommen hätten finanzieren müssen. Die Kammer anerkennt durchaus den Wunsch der Klägerin, ihr bisher schwieriges Wohnumfeld zu verlassen. Allerdings hält sie es nicht für sachge-recht, dieses Ansinnen mit Steuermitteln zu finanzieren. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn ein Umzug die Wahrscheinlichkeit einer Integration in den Arbeitsmarkt erhöhte. Dies ist bei der Klägerin jedoch nicht der Fall.
27Wegen der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II der Klägerin in der hier streitge-genständlichen Zeit im Übrigen verweist die Kammer auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 sowie im Festsetzungsbescheid vom 27.01.2017. Zweifel gegen die Berechnung der Beklagten hat die Kammer nicht, werden jedoch von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
28Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
29Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Sache kommt im Besonderen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
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(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass
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rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird, - 2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über
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(weggefallen) - 2.
(weggefallen) - 3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4); - 4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen; - 5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.
(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes
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durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder - 2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.
(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.
(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.
(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.
(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.
(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.
(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.