Sozialgericht Itzehoe Urteil, 28. Sept. 2005 - S 1 KR 71/04
Gericht
Tenor
1. Die Bescheide der Beklagten vom 04. August und 21. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2004 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Sportrollstuhl zur Verfügung zu stellen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einem Sportrollstuhl.
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Die 1988 geborene und über ihre Mutter bei der Beklagten familienversicherte Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einem offenen Rücken (Spina bifida) sowie einem Hydrocephalus internus ( Wasserkopf ) mit Shunt - Versorgung. Sie ist ständig auf einen Rollstuhl angewiesen, nutzt allerdings auch ein Handy-Bike.
- 3
Sie besucht die kooperative Gesamtschule in E..
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Der die Klägerin behandelnde Arzt für Innere Medizin Dr. F. verordnete am 3. Juli 2003 einen Sportrollstuhl nach Maß. Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag für einen Sportrollstuhl „Supor all court“ beträgt bzw. betrug der Kaufpreis 2.805,42 €. Ebenfalls dem Antrag auf Kostenübernahme beigefügt war eine Bescheinigung des R.vom 7. Juli 2003, wonach die Klägerin regelmäßig an den Übungsveranstaltungen des RSC H. teilnimmt und zur Erreichung eines guten Trainingserfolges die Beschaffung eines Sportrollstuhls empfohlen wurde.
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Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein in einer kurzen Stellungnahme den Sportrollstuhl nicht als Leistung der GKV angesehen hat, ohne diese Auffassung näher zu begründen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. August 2003 die Übernahme der Kosten für den Sportrollstuhl mit der Begründung ab, dieser sei kein zugelassenes Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtmittelbelehrung.
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Dagegen erhob die gesetzliche Vertreterin der Klägerin am 21. August 2003 Widerspruch und machte geltend, die Klägerin besuche eine Regelschule, auf der sie auch am regelmäßigen Sportunterricht teilnehmen könne, sofern die dies hindernden behinderungsbedingten Nachteile ausgeglichen würden. Dies sei durch den zur Verfügung stehenden Aktivrollstuhl jedoch nicht gegeben und dieser sei zum Gebrauch zum Sport nicht geeignet. Es sei nicht zutreffend, dass der Sportrollstuhl für den Leistungssport benötigt werde. Im Übrigen sei auch der Einwand, der Sportrollstuhl sei im Hilfsmittelverzeichnis nicht gelistet, nicht leistungsausschließend, da das Hilfsmittelverzeichnis nicht abschließend sei.
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Mit weiterem Bescheid vom 21. August 2003 blieb die Beklagte bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung und ergänzte, nach Auffassung des MDK würden Sportrollstühle nur für den Leistungssport benötigt. Für den Rehabilitationssport reichten auch Akitv- oder Adaptivrollstühle aus. Eine derartige Stellungnahme des MDK findet sich allerdings nicht in der Verwaltungsakte.
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In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 21. Oktober 2003 bleib der MDK bei seiner Auffassung, die er nunmehr damit begründete, dass von der Krankenkasse lediglich im Rahmen ihrer Leistungspflicht die Grundbedürfnisse ausgeglichen werden müssten und dies mit der Versorgung von zwei Rollstühlen ausreichend und umfassend geschehen sei.
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Mit Bescheid vom 30. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und ergänzend darauf hin, dass die gesetzliche Krankenversicherung bei dem Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen habe und die Krankenkasse nicht den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage versetzen müsse, Wegstrecken jeder Art und Länge zurück zu legen.
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Dagegen richtet sich die am 26. Februar 2004 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobene Klage. Unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens macht die Klägerin ergänzend geltend, dass zu einer möglichst altersgerechten Entwicklung im jugendlichen Alter die Versorgung mit einem Sportrollstuhl für den Sportunterricht erforderlich sei. Darüber hinaus wolle sie mit dem Sportrollstuhl Basketball spielen.
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Die Klägerin beantragt schriftsatzgemäß,
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den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2003 in der Form des Bescheides vom 21. August 2003 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die begehrten Mittel zur Verfügungstellung eines Sportrollstuhls zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid und wendet ergänzend ein, die beabsichtigte Nutzung des begehrten Sportrollstuhls für das Basketballspiel in der Halle gehöre nicht mehr zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens sondern sei in erster Linie der Freizeit im privaten Bereich zuordnen. Soweit geltend gemacht werde, dass die Klägerin am Sportunterricht in der von ihr besuchten Regelschule teilnehmen wolle, müsse auf das Gutachten des MDK vom 21. Oktober 2003 verwiesen werden. Die Beklagte weist ergänzend darauf hin, dass in diesem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt werde, dass in Regelschulen kein Rollstuhlsport stattfinde und somit das Argument nicht greifen könne.
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Die Klägerin hat hierzu eine Stellungnahme der Lehrerin der Kooperativen Gesamtschule E. vom 2. Mai 2004 zur Akte gereicht. Die Lehrerin bestätigt die regelmäßige und sehr engagierte Teilnahme an dem integriert durchgeführten Sportunterricht und bestätigt das Erfordernis eines Sportrollis mit der Begründung, dieser würde zu einer deutlich besseren Aktivität und Beweglichkeit der Klägerin bei den Sportspielen führen und die Integrationsmöglichkeiten würden dadurch verbessert. Darüber hinaus sei das Verletzungsrisiko geringer als bei einem herkömmlichen Rollstuhl.
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Die Kammer hat zur Aufklärung des Sachverhaltes (§ 106 SGG) Befundberichte der Kinder- und Jugendärztin Dr. L. (22. August 2004) und von Dr. F. (12. September 2004 mit Arztberichten des Klinikums N. vom 29. April 2004 und 1. Juli 2004, des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. vom 22. Juli 2004 sowie des W. Instituts vom 16. August 2004 eingeholt.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung um 15. Juni 2005 hat die Klägerin ein im Rahmen der Überprüfung der Pflegebedürftigkeit erstelltes Gutachten des MDK vom 16. Februar 2004 zur Akte gereicht. Die Gutachterin empfiehlt unter 7.1 des Gutachtens Rollstuhlsport nach ärztlicher Verordnung.
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Darüber hinaus hat die Klägerin die Ablichtung eines Bewilligungsbescheides des begehrten Sportrollstuhls an eine andere Versicherte durch die Beklagte (Bescheid vom 1. April 2003) zur Akte gereicht.
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Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen einerseits und des richterlichen Hinweises auf die Rechtssprechung des BSG zum Rollstuhl-Bike für Jugendliche andererseits hat die Beklagte in diesem Termin den geltend gemachten Klaganspruch anerkannt. Sie hat sich allerdings den Widerruf von diesem Anerkenntnis binnen eines Monats nach Zustellung des Protokolls vorbehalten. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist das Protokolls der Beklagten am 29. Juni 2005 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2005 hat die Beklagte das Anerkenntnis widerrufen und auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen.
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In jenem sowie in dem Termin am 28. September 2005 haben die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Die Zulässigkeit scheitert auch nicht an den zunächst abgegebenen und angenommenen Anerkenntnis und dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, denn die Beklagte hat das Anerkenntnis fristgerecht und zulässig widerrufen.
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Die Klage ist auch begründet.
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Zu Unrecht hat die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit einem Sportrollstuhl abgelehnt. Der angefochtene Bescheid vom 4. August 2003 in der Form des Bescheides vom 21. August 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2004 war deshalb aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Sportrollstuhl zur Verfügung zu stellen.
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Die Kammer hat den Klagantrag der Klägerin, der von einer Mittelbeschaffung zur Besorgung eines Sportrollstuhls ausgeht, dahingehend ausgelegt, dass die Anschaffung bisher nicht erfolgt ist und unter Zugrundelegung des im Krankenversicherungsrecht vorrangig geltenden Sachleistungsanspruchs die Versorgung begehrt wird. Die Auslegung wird auch bestätigt durch den Schriftsatz der Klägerin vom 27. Oktober 2005, wo ausdrücklich die Lieferung eines Sportrollstuhls genannt ist.
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Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Ein Sportrollstuhl stellt keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nur von Behinderten eingesetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2002, Az. B 3 KR 3/02 R m.w.N. in: SozR-2500 § 3 Nr. 46 zum Therapiedreirad; BSG, Urteil vom 16. April 1008 Az. B 3 KR 9/97 R zum Handybike). Es ist zudem nicht durch die zu § 34 Abs. 4 SGB V erlassene Rechtsverordnung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen.
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Bei einem Hilfsmittel wird nur die Hilfe geschuldet, die unmittelbar auf die Behinderung selbst gerichtet ist, nicht die Hilfe, die bei ihren Folgen auf beruflichem, gesellschaftlichem oder privaten Gebiet ansetzen (Wagner in Krauskopf, Gesetzliche Krankenversicherung, § 33 Rdnr. 4). Das Hilfsmittel muss also zum Ausgleich eines Funktionsdefizits geeignet und notwendig sein. Ein Hilfsmittel ist dann erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (BSG, Urteil vom 16. April 1998, Az. B 3 KR 9/97 R in: SozR 3-2500 § 3 Nr. 27). Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst (BSG, Urteil vom 7. März 1990, Az. 3 RK 15/89 in BSGE 66, 245, 246).
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Die Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln fällt danach nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben („allgemein“) beseitigt oder mildert und damit ein „Grundbedürfnis des täglichen Lebens“ betrifft (BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 a.a.O. m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie z. B. Gehen, Stehen. Die elementare „Bewegungsfreiheit“ ist deshalb als Grundbedürfnis anzusehen. Es wird bei Gesunden durch die Fähigkeit des Gehens, Laufens, Stehens etc. sichergestellt. Ist diese Fähigkeit durch eine Behinderung beeinträchtigt, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in diesem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Dient ein behindertengerechtes Fahrzeug nur dem Zweck, einen größeren Radius als ein Fußgänger zu erreichen, so ist es im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V nicht notwendig. Nur wenn durch das Fahrzeug ein weitergehendes Grundbedürfnis gedeckt wird, kann es ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Dies ist für einen querschnittsgelähmten Jugendlichen angenommen worden, der auf den Rollstuhl angewiesen war (Rollstuhl-Bike für Jugendliche: Urteil des BSG vom 16. April 1998, a.a.O.). Demgegenüber ist ein Rollstuhl-Bike bei einem querschnittsgelähmten Erwachsenen als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt worden (BSG, Urteil vom 16. September 1999, Az. B 3 KR 8/98 R in SozR 3-2500, § 33 Nr. 31. Der 3. Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass nur bei Kindern und Jugendlichen das Rollstuhl-Bike Hilfsmittel des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingestuft werden könne, der Versorgungsanspruch hänge insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab. Das „Laufen“ bzw. „Rennen“ zähle nur bei Kindern und Jugendlichen, nicht aber bei Erwachsenen, zu den Vitalfunktionen.
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In dem Urteil vom 23. Juli 2002 (a.a.O.) hat der 3. Senat dementsprechend betont, dass es ausreiche, wenn durch das begehrte Hilfsmittel die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert werde. Dies ist bei einem 12 oder 13 Jahre alten Jugendlichen angenommen worden. Der. 3. Senat hat ausgeführt, die Integration in dem Kreis gleichaltriger Jugendlicher sei nicht schon dann erreicht, wenn der Jugendliche überhaupt in der Lage sei, eine gewisse Wegstrecke eigenständig zurückzulegen; damit könne er allenfalls Ziele aufsuchen, an denen sich andere Jugendliche aufhalten. Er sei damit aber noch nicht in der Lage, dem Bewegungsdrang Jugendlicher im jeweils erforderlichen Umfang auch zu folgen. Mit dieser Begründung hat der 3. Senat den Anspruch eines Jugendlichen auf ein Therapiedreirad anerkannt. Der vom BSG veröffentliche Leitsatz: „ Zum Anspruch eines Kindes auf Ausstattung mit einem behindertengerechten Dreirad ...“ ist insoweit irreführend, denn der 1989 geborene Kläger war zum Zeitpunkt der Entscheidung im Juli 2002 zumindest 12 Jahre alt und galt mithin als Jugendlicher, worauf der 3. Senat auch in seiner Entscheidungsbegründung abgestellt hat.
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In seinen Urteilen vom 16. April 1998 und 23. Juli 2002 hat der 3. Senat betont, dass in der Entwicklungshase von Kindern und Jugendlichen, zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, sich die Lebensbereiche nicht in der Weise trennen wie bei Erwachsenen, nämlich in die Bereiche Beruf, Gesellschaft und Freizeit. Der Senat hat deshalb stets nicht nur die Teilnahme am allgemeinen Schulunterricht als Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen angesehen, vielmehr darauf hingewiesen, dass auch ein Grundbedürfnis in der Teilnahme an der sonstigen üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lernprozesses gesehen wird. Gefordert wird die durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende möglichst weitgehende Eingliederung durch den Behinderungsausgleich des behinderten Kindes bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass das begehrte Hilfsmittel nachweislich unverzichtbar ist, eine Isolation des Kindes zu verhindern (BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 a.a.O.). Auch wenn der 3. Senat in diesem Urteil von einer Altersgrenze der Vollendung des 15. Lebensjahres ausgegangen ist, so bedeutet die Überschreitung dieses Alters nach der Auffassung der Kammer keinen Leistungsausschluss, wie sich auch aus der Einschränkung „zumindest“ ergibt.
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Sind aber zur Prüfung des Klaganspruchs nicht die allgemeinen, für Erwachsene geltenden, Hilfsmittelskriterien heranzuziehen sondern die speziellen Grundbedürfnisse bei Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen, so kann die Beklagte den Anspruch nicht damit ablehnen, dass nur ein Basisausgleich zu gewähren ist und die Nutzung des begehrten Sportrollstuhls für das Basketballspielen nicht mehr zu den beschriebenen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens sondern in erster Linie der Freizeit im privaten Bereich zuzuordnen ist. Ihr Argument, die Schule biete keinen Rollstuhlsport an, kann vor dem Hintergrund der eindeutigen Stellungnahme der Lehrerin Sigrid Klüver nicht mehr aufrecht erhalten werden, auch wenn diese nicht den Rollstuhlsport an sich nicht erwähnt hat. Denn die Lehrerin hat ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin an einem integrativen Sportunterricht mit ihrem Alltagsrollstuhl teilnimmt, dieser jedoch sie in ihrer Bewegungsfreiheit und den Möglichkeiten der Teilnahme an den Sportspielen einschränkt. Gerade diese Einschränkungen gilt es jedoch auszugleichen, um die Integration in den Kreis Gleichaltriger so weit wie möglich zu fördern. Nur mit dem leichteren schnelleren und aufgrund der Neigung der Räder auch sturzsicheren Sportrollstuhl kann die Klägerin ihrem Bewegungsdrang im jugendlichen Alter nachkommen. Die Klägerin ist aufgrund ihrer erheblichen Behinderungen derart stark an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt, dass alle bestehenden Möglichkeiten genutzt werden sollten, sie in den Kreis Gleichaltriger zu integrieren. Alle behandelnden Ärzte haben bestätigt, dass die Teilnahme am Sport die Integration weiter verbessern könnten. Auch die MDK-Gutachterin hat einen den Rollstuhlsport nach ärztlicher Verordnung empfohlen. Offenbar hat die Beklagte auch in einem anderen Fall einen derartigen Sportrollstuhl zur Verfügung gestellt, so dass ihr weiterer Einwand, dieser sei im Hilfsmittelverzeichnis nicht enthalten, keinen Leistungsausschluss zu entfalten vermag.
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Rechtlich ist das Hilfsmittelverzeichnis ohnehin für die Gericht nicht verbindlich. Darauf ist auch in der Rechtsprechung stets hingewiesen worden. So hat das BSG in seinem Urteil vom 29. September 1997 (Az. B 8 RKn 27/96 entschieden, dass es keinen Einfluss auf den Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel hat, wenn das begehrte Hilfsmittel in dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 SGB V nicht aufgeführt ist. Das Hilfsmittelverzeichnis hat nicht die Aufgabe, abschließend als Positivliste darüber zu befinden, welche Hilfsmittel der Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung beanspruchen kann. Vielmehr stellt das Hilfsmittelverzeichnis für die Gerichte eine unverbindliche Auslegungshilfe dar ( ständige Rspr., so BSG vom 16. April 1998, Az.: B 3 KR 9/97 R RdNr. 15 m.w.N. )
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Offenbar ist auch die Beklagte zunächst von einem Anspruch auf die Versorgung mit dem Sportrollstuhl ausgegangen, anders ist das in dem Termin abgegebene Anerkenntnis nicht zu verstehen. Weshalb dann anschließend dennoch ein Widerruf erfolgt ist, muss offen bleiben denn der Widerruf ist nicht begründet worden. Vielmehr hat sich die Beklagte lediglich auf ihre bisherige Argumentation zurückgezogen.
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Nach alldem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.
(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere
- 1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen, - 2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen, - 3.
Auskünfte jeder Art einholen, - 4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen, - 5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen, - 6.
andere beiladen, - 7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.
(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:
- 1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, - 2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
- 1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel, - 2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen, - 3.
Abführmittel, - 4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.
(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.
(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.
(5) (weggefallen)
(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte über Depots bei Vertragsärzten ist unzulässig, soweit es sich nicht um Hilfsmittel handelt, die zur Versorgung in Notfällen benötigt werden. Satz 1 gilt entsprechend für die Abgabe von Hilfsmitteln in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen.
(2) Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. Unzulässig ist ferner die Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen, die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmitteln von Vertragsärzten erbracht werden, durch Leistungserbringer. Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.
(3) Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße gegen die Verbote nach den Absätzen 1 und 2 angemessen geahndet werden. Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.
(4) Vertragsärzte dürfen nur auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit Krankenkassen über die ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung obliegenden Aufgaben hinaus an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln mitwirken. Die Absätze 1 bis 3 bleiben unberührt. Über eine Mitwirkung nach Satz 1 informieren die Krankenkassen die für die jeweiligen Vertragsärzte zuständige Ärztekammer.
(4a) Krankenkassen können mit Vertragsärzten Verträge nach Absatz 4 abschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit und die Qualität der Versorgung dadurch nicht eingeschränkt werden. § 126 Absatz 1 Satz 2 und 3 sowie Absatz 1a gilt entsprechend auch für die Vertragsärzte. In den Verträgen sind die von den Vertragsärzten zusätzlich zu erbringenden Leistungen und welche Vergütung sie dafür erhalten eindeutig festzulegen. Die zusätzlichen Leistungen sind unmittelbar von den Krankenkassen an die Vertragsärzte zu vergüten. Jede Mitwirkung der Leistungserbringer an der Abrechnung und der Abwicklung der Vergütung der von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen ist unzulässig.
(4b) Vertragsärzte, die auf der Grundlage von Verträgen nach Absatz 4 an der Durchführung der Hilfsmittelversorgung mitwirken, haben die von ihnen ausgestellten Verordnungen der jeweils zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung der Versorgung zu übersenden. Die Verordnungen sind den Versicherten von den Krankenkassen zusammen mit der Genehmigung zu übermitteln. Dabei haben die Krankenkassen die Versicherten in geeigneter Weise über die verschiedenen Versorgungswege zu beraten.
(5) Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend, wenn Krankenkassen Auffälligkeiten bei der Ausführung von Verordnungen von Vertragsärzten bekannt werden, die auf eine mögliche Zuweisung von Versicherten an bestimmte Leistungserbringer oder eine sonstige Form unzulässiger Zusammenarbeit hindeuten. In diesen Fällen ist auch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung zu informieren. Gleiches gilt, wenn Krankenkassen Hinweise auf die Forderung oder Annahme unzulässiger Zuwendungen oder auf eine unzulässige Beeinflussung von Versicherten nach Absatz 5a vorliegen.
(5a) Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.
(5b) Die Absätze 2, 3, 5 und 5a gelten für die Versorgung mit Heilmitteln entsprechend.
(6) Ist gesetzlich nichts anderes bestimmt, gelten bei der Erbringung von Leistungen nach den §§ 31 und 116b Absatz 7 die Absätze 1 bis 3 sowohl zwischen pharmazeutischen Unternehmern, Apotheken, pharmazeutischen Großhändlern und sonstigen Anbietern von Gesundheitsleistungen als auch jeweils gegenüber Vertragsärzten, Ärzten in Krankenhäusern und Krankenhausträgern entsprechend. Hiervon unberührt bleiben gesetzlich zulässige Vereinbarungen von Krankenkassen mit Leistungserbringern über finanzielle Anreize für die Mitwirkung an der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die Verbesserung der Qualität der Versorgung bei der Verordnung von Leistungen nach den §§ 31 und 116b Absatz 7. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei Leistungen zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden nach § 37 Absatz 7 gegenüber den Leistungserbringern, die diese Leistungen erbringen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.