Sozialgericht Düsseldorf Urteil, 30. März 2016 - S 33 SV 26/15


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Klage betrifft die Zahlung von Unterhalt nach Kap. II Art. 7 der Haager Landkriegsordnung (HLKO).
3Die am 24.08.2015 bei Gericht eingegangene, unter Angabe des Namens "N T." und Verwendung des Titels "Prof. Dr.-Ing. Architekt" erhobene Klage richtet sich gegen ein "Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, (auch Versorgungsamt genannt)". Behauptet wird, der Kläger habe am 31.12.2009 beim Sozialamt der Stadt Xl einen Antrag auf Zahlung von Unterhalt nach der HLKO gestellt und nachgehend erfolglos eine Frist gesetzt.
4Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs wird vorgetragen, das deutsche Reich sei mit der militärischen Kapitulation 1945 nicht untergegangen und bestehe fort. Die Bundesrepublik Deutschland sei lediglich ein Verwaltungskonstrukt der Besatzungsmächte. In Deutschland bestehe daher ein Besatzungszustand. Einen Friedensvertrag gebe es nicht und da Deutschland besetztes Gebiet sei, sei die HLKO in vollem Umfang aktiv. Das Verwaltungskonstrukt "Bundesrepublik in Deutschland" sei der direkt vor Ort befindliche Teil der Besatzungsmacht, von dem der Kläger sich distanziert habe. Der Anspruch auf Unterhalt nach der HLKO habe nichts mit den üblichen Leistungen der BRD und dem SGB zu tun, sondern sei vorrangig zu behandeln und nicht mit den Gesetzen der BRD verhandelbar. Der Kläger sei Kriegsgefangener im Sinne der HLKO und der Unterhalt nach der Besoldungsstufe B 11 zu bemessen.
5Schriftsätzlich wird beantragt,
6festzustellen, dass auf Grundlage der folgenden Erklärungen, sowie unter Einbeziehung des Bundesversorgungsgesetzes § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 a-d, jedoch insbesondere 2 b, ein Unterhaltsanspruch vorrangig nach HLKO besteht, und die Zahlung anzuordnen.
7Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
8die Klage zurück zu weisen.
9Die Beklagte macht geltend, ein Antrag auf Gewährung von Leistungen vom 31.12.2009 sowie eine Erinnerung lägen nicht vor. Hinsichtlich der beantragten Leistung gehe die Beklagte davon aus, dass der Kläger kein "Kriegsgefangener" auf dem Boden Deutschlands im Sinne der Haager Landkriegsordnung sei.
10Die an die allein angegebene Postfachadresse übermittelte prozessuale Korrespondenz (Klageeingangsbestätigung, Schriftsätze des Beklagte) sowie die Mitteilung zum anberaumten Verhandlungstermin hat der Kläger jeweils an das Gericht zurückgeschickt, versehen mit Bemerkungen unter anderem dahin, dass sein Postfach unter dem Schutz der Genfer Konvention stehe und das Einwerfen dem Personal der BRD verboten sei, sowie dass nicht erkennbar sei, dass das deutsche Reich dem Gericht eine Betriebserlaubnis erteilt habe.
11Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Kammer hat die Streitsache verhandeln und entscheiden können, obwohl im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.03.2016 niemand für die Beteiligten erschienen ist, weil diese mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Verhandlung und Entscheidung der Streitsache auch in ihrer Abwesenheit vom Termin benachrichtigt worden sind. Dass die Terminmitteilung dem Kläger nicht an eine ladungsfähige Anschrift übermittelt werden konnte, ist unschädlich, weil dieser die Mitteilung geöffnet an das Gericht zurückgeschickt hat und sie ihm daher erwiesenermaßen zur Kenntnis gelangt ist.
14Das Gericht geht zugunsten des Klägers davon aus, dass sich die Klage gegen die als Vertreter der Beklagten bezeichnete Stadt Xl handelt. Denn ein "Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (auch Versorgungsamt genannt)" existiert im Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht und auch Versorgungsämter gibt es in Nordrhein-Westfalen seit 2008 nicht mehr.
15Die Klage ist abzuweisen, da diese in mehrfacher Hinsicht unzulässig ist.
16Die Unzulässigkeit der Klage folgt bereits daraus, dass keine ladungsfähige Anschrift angegeben wird. Zu den zwingenden Bestandteilen einer wirksamen Klageerhebung bei Gericht gehört nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Benennung einer ladungsfähigen Anschrift; die Angabe einer Postfachadresse oder die Angabe "postlagernd" genügen insoweit nicht (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2015 – L 19 AS 1912/15 B – m.w.N.).
17Unabhängig davon ist die Klage zudem deshalb unzulässig, weil sie sich als rechtsmissbräuchlich darstellt. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem nachvollziehbaren Grund mit der Klage Rechtsschutz von einem Gericht erlangt werden soll, das nach der vorgetragenen Überzeugung keine hoheitlichen Befugnisse hat (vgl. hierzu FG München, Urteil vom 14.04.2015 – 2 K 3118/14 -). Die Bemerkungen, dass das deutsche Reich dem angerufenen Gericht keine Betriebserlaubnis erteilt habe, dass es sich bei dem Sozialgericht um eine private Firma handele oder dass keine wirksame Ernennung eines gesetzlichen Richters vorliege, können nur dahin verstanden werden, dass dem angerufenen Gericht von Seiten des Klägers die Befugnis abgesprochen wird, rechtsprechende Gewalt auszuüben.
18Nicht ersichtlich ist ferner, welche zulässige Klageform vorliegen könnte. Soweit ein Feststellungsbegehren formuliert wird, steht der Zulässigkeit der Klage der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage entgegen.
19Soweit es sich um eine Anfechtungs- und / oder Verpflichtungsklage handeln sollte, fehlt es an einem abgeschlossenen Verwaltungsverfahren. Denn dass eine anzufechtende Verwaltungsentscheidung ergangen sein sollte, ist weder ersichtlich, noch wird eine solche vom Kläger vorgelegt oder behauptet.
20In Betracht könnte daher allenfalls kommen, das vorgetragene Begehren in eine Untätigkeitsklage umzudeuten, wobei aber auch für diese ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Denn ein Rechtsschutzinteresse entfällt, wenn das Klageziel ohnehin nicht erreichbar ist. Dies ist hier der Fall, denn selbst wenn die behauptete Antragstellung als zutreffend unterstellt wird, ist der Beklagte nicht verpflichtet, einen entsprechenden Antrag zu bescheiden (vgl. SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 25.03.2014 – S 28 SO 683/13 – sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. 10.2014 – L 12 S0 164/14 -). Denn ein Anspruch auf Bescheidung eines Antrags besteht in Fällen missbräuchlicher Rechtsverfolgung nicht. Eine derartige missbräuchliche Rechtsverfolgung liegt hier vor, weil der Kläger unter keinem denkbaren Aspekt einen Unterhaltsanspruch nach der HLKO geltend machen kann und ein dahingehender materiell-rechtlicher Anspruch unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet (vgl. hierzu auch SG Heilbronn, Urteil vom 05.08.2014 – S 11 SO 2377/13 -). Nach Kap. II Art. 7 HLKO hat die Regierung, in deren Gewalt sich die Kriegsgefangenen befinden, für ihren Unterhalt zu sorgen. Falls nicht besondere Vereinbarungen zwischen den Kriegsparteien getroffen werden, sind die Kriegsgefangenen in Beziehung auf Nahrung, Kleidung und Unterhalt ebenso zu behandeln, wie die Truppen der Regierung, die sie gefangen genommen hat. Die HLKO ist indes Teil des humanitären Völkerrechts und begründet keinerlei subjektive Rechte, auf die sich der Kläger berufen könnte. Zudem würde sich ein Anspruch aus Kap. II Art. 7 HLKO gegen die Regierung und nicht gegen den örtlichen Träger der Sozialhilfe bzw. Grundsicherung richten. Aus demselben Grund fehlt auch für eine allgemeine Leistungsklage das Rechtsschutzinteresse.
21Einer Auseinandersetzung mit dem weiteren Vortrag des Klägers, der wesentlich dem hinreichend bekannten Gedankengut selbst ernannter sogenannter "Reichsbürger" und / oder "Selbstverwalter" entliehen ist, bedarf es somit schon aus den vorstehenden Gründen nicht.
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(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch
- a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung, - b)
eine Kriegsgefangenschaft, - c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, - d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, - e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen, - f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.
(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.