Sozialgericht Düsseldorf Urteil, 11. Jan. 2016 - S 18 AS 1257/14

Gericht
Tenor
1) Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014 wird aufgehoben, soweit die Forderung den Betrag übersteigt, der sich ergibt aus dem Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2) Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um eine Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte diversen Bewilligungsbescheide betreffend den Zeitraum Juni 2006 bis Oktober 2013 aufhebt und vom Kläger die Erstattung eines Betrages von 31.233,72 EUR fordert. Der Kläger steht seit 1.6.2006 im Leistungsbezug. Mit Bewilligungsbescheid vom 30.5.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis November 2006 sowie mit diversen weiteren Bewilligungsbescheiden – insoweit wird auf die Übersicht auf Seite 2 des Widerspruchsbescheids verwiesen - für die folgenden Zeiträume bis einschließlich Oktober 2013. Bei erstmaliger Antragsstellung im Mai 2006 verneinte der Kläger, über ein den Betrag von 4.850 EUR übersteigendes Vermögen zu verfügen. Er gab diverse Sparbücher und Girokonten an, nicht aber ein weiteres Sparbuch mit einem Guthaben von 10.061,88 EUR im Mai und Juni 2006. Aufgrund eines Datenabgleichs erhielt der Beklagte Kenntnis von Zinszahlungen für dieses Konto und fragte insoweit beim Kläger nach. Dieser gab im Rahmen einer Anhörung durch den Beklagten an, dass er mit den Beträgen Kredite zurückzahlen haben wollen und das Geld auch zur Anschaffung eines PKW haben zurückhalten wollen. Er habe das Guthaben und die Zinserträge verschwiegen, weil er angesichts von damals fünf Millionen Arbeitslosen und seinen prekären Beschäftigungsverhältnisses Existenzsorgen gehabt hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Beklagte hob daraufhin die oben genannten bzw. darauf verwiesenen Bewilligungsbescheide mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16.12.2013 auf, forderte vom Kläger die Erstattung von 31.233,72 EUR und rechnete in Höhe von 117,30 EUR oder 30 % mit den dem Kläger laufend zustehenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II auf. Der Kläger hat gegen den Bescheid Widerspruch erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.3.2014 als unbegründet zurückgewiesen hat. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird verwiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger sodann Klage erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, dass man den fiktiven Verzehr seines Vermögens berücksichtigen müsse. Denn hätte er das Vermögen ordnungsgemäß angegeben und entsprechend keinerlei Leistungen nach dem SGB II bezogen, wäre sein Vermögen spätestens nach fünf Monaten unter den für ihn geltenden Freibetrag gefallen. Mithin müsse er nur den Betrag erstatten, der über dem für ihn geltenden Freibetrag liege, mithin 3.625,04 EUR. Er könne sein Vermögen schließlich nur einmal einsetzen, dann sei es – nach fünf Monaten – verbraucht. Der Beklagte fordere aber die Erstattung für 90 Monate, was geradezu widersinnig und nicht im Sinne des Gesetzes sei. Er stünde damit bedeutend schlechter als er stehen würde, wenn er das Vermögen bei Antragstellung angegeben hätte. Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung auch den BSG sei nicht einschlägig, da es sich in diesen Fällen nicht um Erstattungen, sondern um laufende Bewilligungen gehandelt habe. Der Kläger beruft sich seinerseits auf diverse Entscheidungen, die seine Ansicht stützten.
3Der Kläger beantragt,
4der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des beklagten Jobcenters vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 3.461,88 EUR übersteigt.
5Der Beklagte beantragt,
6die Klage abzuweisen.
7Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Das nicht verbrauchte und seinen Freibetrag übersteigende Vermögen des Klägers könne ihm während des gesamten streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums entgegengehalten werden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BSG und diverser Landessozialgerichte, u.a. des LSG NRW.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
9Entscheidungsgründe:
10Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, soweit sie von dem Kläger die Erstattung eines Betrages fordern, der den Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG übersteigt.
111) Soweit der Beklagte einen Betrag fordert, der dem Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG entspricht (als Teil der insgesamt geforderten 31.233,72 EUR), sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Der Kläger muss zunächst sein über den für ihn geltenden Freibetrag liegendes Vermögen zur eigenen Bedarfsdeckung einsetzen muss. Dies wird vom Kläger auch selbst eingestanden. Die Kammer verweist insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Da der entsprechende Rückforderungsbetrag geringfügig höher ist als der im Klageantrag durch den Klägerbevollmächtigten Errechneten führt dies dazu, dass der Kläger insoweit unterliegt. 2) Soweit der Beklagte darüber hinaus die weitere Erstattung fordert, sind die Bescheide rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG. Den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des BSG und des LSG NRW liegt eine entscheidend andere Konstellation zugrunde: Dort geht es jeweils nicht um Rückforderungen erbrachter Leistungen für vergangene Zeiträume, sondern um aktuelle Bewilligungszeiträume. In diesen Fällen war ein die Freibeträge übersteigendes Vermögen noch tatsächlich vorhanden und konnte zur Deckung der eigenen Existenz durch die Hilfebedürftigen eingesetzt werden. Dass diese das Vermögen während vergangener Bewilligungszeiträume hätten verbrauchen können, spielt insoweit zu Recht keine Rolle.
12Die Annahme eines längeren Zeitraums der Bedarfsdeckung kommt vorliegend indes nicht in Betracht. Zwar ist bei vorausschauenden Bewilligungsentscheidungen wie soeben dargelegt ein einzusetzendes, aber tatsächlich nicht verbrauchtes Vermögen solange anzurechnen, wie es noch vorhanden ist. Ein "fiktiver Vermögensverbrauch" ist nicht zu prüfen (vgl. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2008, Az.: B 14 AS 14/08 B, juris RN 5). Bei der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden wegen verschwiegenem Vermögen ist dagegen rückschauend zu überprüfen, ob und wie lange einzusetzende Beträge zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012 – L 5 AS 55/10: SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1986 - 5 B 10/85). Der "Grundsatz der Subsidiarität" von Leistungen nach dem SGB II würde jedoch überstrapaziert, wenn die hier maßgeblichen Vorschriften auf eine Weise ausgelegt werden, dass jemand in die Ver- oder gar Überschuldung getrieben wird, der "nur" (grob) fahrlässig falsche Angaben gemacht hat (aA nunmehr offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2011, L 12 AS 4994/10, wobei die von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des BVerwG gerade keine Rückforderungskonstellationen betreffen). Soweit – wie vom Beklagten – vertreten wird, im Rahmen von § 45 SGB X sei eine Mehrfachanrechnung zulässig (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. März 2010, Az.: L 5 AS 2340/08, juris RN 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2011, Az.: L 12 AS 4994/10, juris RN 33), ist dem nicht zu folgen. Durch die Anwendung des § 45 SGB X soll die materiell zutreffende Rechtslage hergestellt werden nach einer rechtswidrigen Begünstigung des Leistungsempfängers (vgl. Schütze in von Wulffen: SGB X, 7. Auflage 2010, § 45 RN 2). Dabei ist der Normalfall, also die ordnungsgemäße Verwertung des Vermögens, zugrunde zulegen und nicht der atypische Fall einer verweigerten Verwertung. Die Regelung des § 45 SGB X hat keinen über die genannte Zielsetzung hinausgehenden Sanktionscharakter (a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., RN 35). Hätte ein Hilfebedürftiger beispielsweise bloß fahrlässig einen geringen dreistelligen – aber in seinem Fall einen Monat lang bedarfsdeckenden – Betrag vergessen anzugeben, wäre die Folge dieser Rechtsprechung – die mitunter hoffnungslose Überschuldung des Leistungsempfängers – völlig unverhältnismäßig, wenn der Betreffende lange im Leistungsbezug stünde und das Vermögen erst zu einem späten Zeitpunkt bekannt würde. Würde eine gesetzliche Regelung dies ausdrücklich anordnenden – und sei es nur dass § 45 SGB X ein Sanktionscharakter innewohnte –, hat die Kammer große Zweifel, ob dies verfassungemäß wäre oder ob nicht vielmehr ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorläge. Soweit dem Leistungsempfänger – wie vorliegend – ein Vorwurf gemacht werden kann wegen vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verhalten, kann dem über Strafbarkeitsnormen Rechnung getragen werden. Ob darüber hinaus der Beklagte in einer Situation wie hier – in der der zurückgeforderte Betrag nicht nur höher ist als der Betrag, um den die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II überschritten sind, sondern sogar höher als das gesamte Vermögen – zumindest gehalten gewesen, eine besondere Härte zu prüfen (wie das SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, meint), kann daher offen bleiben.
13Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Das nur geringfügige Unterliegen des Klägers wirkt sich kostenmäßig nicht aus.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.
(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.
(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.
(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.
(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.
(1) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung, - 4.
die Urteilsformel, - 5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands, - 6.
die Entscheidungsgründe, - 7.
die Rechtsmittelbelehrung.
(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.
(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind
- 1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend, - 2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt, - 3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden, - 4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird, - 5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde, - 6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie - 7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.
(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.
(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.
(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.
(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.
(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.