Schifffahrtsobergericht Köln Urteil, 27. Aug. 1999 - 3 U 211/98 Bsch
Gericht
Tenor
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
3Das Schiffahrtsgericht hat zu Recht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten gemäß §§ 3, 4, 92 ff., 114 BSchG, 823 BGB aus dem Schiffsunfall vom 17.12.1995 auf dem Dortmund-Ems-Kanal zwischen MS "E." und MS "R." verneint. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Schiffahrtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Insbesondere hat der Senat übereinstimmend mit dem Schiffahrtsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die für eine Verurteilung der Beklagten erforderliche sichere Überzeugung gewonnen, dass MS "R." in den Kurs des entgegen kommenden MS "E." gefahren wäre. Die Aussage des Zeugen G. ist zu den gefahrenen Kursen unergiebig. Mangels sonstiger objektiver Umstände reichen auch die Aussagen der Zeugen van den B und van den B. R., die als Schiffsführer von MS "E." praktisch in eigener Sache ausgesagt haben, nicht aus (vgl. Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt, 4. Aufl., S. 77 f.). Es liegt somit "non liquet" vor, bei dem Ersatzansprüche des Geschädigten aus dem Zusammenstoß der Schiffe gegen den angeblichen Schädiger ausgeschlossen sind (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl., § 93 a Rdnr. 7 f.).
4Eine Beweislastumkehr oder ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht zugute. Nach neuerer Auffassung gibt es im Binnenschiffahrtsrecht keine Beweislastumkehr für das Verschulden bei objektiven Verstößen gegen Normen (vgl. Wassermeyer aaO. S. 90; Vortisch/Bemm aaO. § 92 b Rdnr. 33 f.). Auch ein Anscheinsbeweis streitet nicht für die Klägerin. Es ist bereits kein Verstoß der Beklagten gegen § 3.05 und § 3.07 BSchStrO zu erkennen. Grundsätzlich ist das Fahren mit Scheinwerfern nicht verboten, es sei denn, dass sie blenden und dadurch die Schiffahrt oder den Verkehr an Land gefährden und behindern, § 3.07 Abs. 2 BSchStrO.
5Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass Schiffsführer van den B. durch die Scheinwerfer von MS "R." geblendet worden wäre. Dieser hat selbst bekundet, der Bergfahrer habe bei einer Entfernung von ca. 200 m von Bug zu Bug alle Scheinwerfer ausgemacht. Dass die Scheinwerfer hiervon abweichend erst unmittelbar vor der Kollision ausgestellt worden wären, kann der Aussage des Zeugen G. nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden.
6Soweit die Klägerin darauf abstellt, der Beklagte zu 3) habe durch das vorangegangene Fahren mit Scheinwerfern seine eigene Sehfähigkeit nach dem Abstellen beeinträchtigt, fällt dies nicht in den Schutzbereich von § 3.07 Abs. 2 BSchStrO. Durch diese Norm sollen nur die anderen Verkehrsteilnehmer zu Wasser und zu Land vor Blendung geschützt werden. Zudem ist es eine bloße Vermutung der Klägerin, dass der Beklagte zu 3) zum Zeitpunkt der Kollision "blind wie ein Maulwurf" gefahren wäre. Seine Augen können sich nach dem Abschalten der Scheinwerfer auch wieder an die Dunkelheit angepasst haben. Die hierfür benötigte Zeit ist individuell verschieden. Es ist ungeklärt, wie viele Sekunden zwischen dem Ausschalten der Scheinwerfer und der Kollision lagen. Nach seiner Aussage vor der Wasserschutzpolizei will der Beklagte zu 3) die Scheinwerfer schon etwa 300 m vor der S.-F.-Brücke bei einer Entfernung von ca. 1 km von MS "E." ausgeschaltet haben. Da beide Schiffe nach der jeweiligen Darstellung ihrer Schiffsführer vor der Begegnung langsam machten, also den Kanal mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 - 6 km/h befuhren, näherten sie sich einander mit ca. 3 m pro Sekunde. Auch bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen van den B., die Scheinwerfer von MS "R." seien bei einer Entfernung von 200 m von Bug zu Bug ausgestellt worden, blieb somit bis zur Kollision eine Zeitspanne von mehr als 1 Minute, in der sich die Augen des Beklagten zu 3) an die Dunkelheit gewöhnt haben dürften.
7Zudem war MS "Ellery" mit den vorgeschriebenen Positionslampen ausgestattet, die mit Sicherheit erkennbar waren.
8Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass das Sehvermögen des Beklagten zu 3) infolge des vorangegangenen Fahrens mit Scheinwerfern noch eingeschränkt war, kann daraus nicht prima facie geschlossen werden, er habe einen Hauer nach backbord gemacht. Der Beklagte zu 3) musste lediglich bei der Kanalverengung im Bereich zwischen Kilometer 88,9 und 89,0 etwas nach backbord ziehen, da dort das linke Ufer mit der Spundwand um 10 m verspringt. Nach der Aussage des Zeugen van den B. vor dem Schiffahrtsgericht soll die Kollision auch in diesem Bereich stattgefunden haben. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden; denn der Zeuge hat - wie auch die übrigen Beteiligten - gegenüber der Wasserschutzpolizei angegeben, der Unfall habe sich bei Kilometer 88,7 ereignet. Im Hinblick auf die zeitliche Nähe - die Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei ist noch am Unfalltag erfolgt - ist davon auszugehen, dass die damaligen Aussagen der Beteiligten zum Kollisionsort zutreffen. Bei einem Zusammenstoß bei Kilometer 88,7, also aus Sicht des Beklagten zu 3) hinter der S.-F.-Brücke, musste MS "R." aber schon über 200 m in dem verengten Kanalbereich geradeaus gefahren sein. Das durch die Kanalverengung bedingte Steuermanöver war demnach längst beendet. Der Unfall kann ebenso gut dadurch passiert sein, dass der Zeuge van den B. vor dem Zusammenstoß, als kein Gegenverkehr herrschte, in der Kanalmitte gefahren ist, zumal sich auf seiner Seite die Böschung befand, und sodann dem Bergfahrer nicht genug Platz gemacht hat.
9Aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 3) das Schiff gesteuert hat, ergibt sich kein Verstoß gegen § 1.09 BSchStrO. Der Beklagte zu 3) war im Sinne von § 1.09 Abs. 1 BSchStrO zum Führen des Schiffs geeignet. Er besaß auch die erforderliche Streckenkenntnis, da er die Unfallstelle unstreitig als Steuermann bereits mehr als hundertmal passiert hatte. Das
10Fahren mit Scheinwerfern lässt keinen zwingenden Schluß auf mangelnde Streckenkenntnis zu.
11Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
12Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
13Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 50.000,00 DM
Annotations
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(3) (weggefallen)
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