Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 28. Apr. 2017 - 1 Ws 76/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2017:0428.1WS76.17.0A
28.04.2017

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Februar 2017 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht – Strafrichter – Speyer hat … am 12. Mai 2015 (rechtkräftig seit diesem Tage) wegen Diebstahls – unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16. September 2014 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht hat hierbei eine gewerbsmäßige Begehungsweise bejaht. Nach dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Speyer ist dem Verurteilten u. a. zur Auflage gemacht worden, einen Betrag in Höhe von 1.800 €, zahlbar in monatlichen Raten zu je 150 €, an Soziale Alternativen in der Bewährungshilfe Speyer e. V. zu leisten. Zugleich ist der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16. September 2014 aufrechterhalten worden, der eine Geldauflage von 500 €, zahlbar in monatlichen Raten zu je 100 €, an den Förderverein der Kindertagesstätte … vorsah.

2

An Soziale Alternativen in der Bewährungshilfe Speyer e. V. hat der Verurteilte Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.650 € geleistet. Zudem geht der Senat nach einer Bitte um Auskunftserteilung an den Förderverein der genannten Kindertagesstätte, die unbeantwortet geblieben ist, davon aus, dass der Verurteilte die an diesen zu entrichtende Geldauflage vollständig beglichen hat.

3

Das Amtsgericht – Strafrichter – Lampertheim hat den Verurteilten am 14. April 2016 (rechtskräftig seit 10. Oktober 2016) wegen gewerbsmäßigen Diebstahls – begangen am 10. Juli 2015 – zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt (52 Ds – 400 Js 47289/15).

4

Seit dem 8. Dezember 2016 befindet sich der Verurteilte in Strafhaft.

5

Mit Beschluss vom 21. Februar 2017 hat die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die ihm nach dem Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 12. Mai 2015 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Eine ausdrückliche Entscheidung zur Anrechnung erbrachter Leistungen geht aus dem Beschluss nicht hervor.

6

Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hat mit Verfügung vom 22. Februar 2017 gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Anrechnungsentscheidung nicht lediglich aufgrund eines Schreibversehens unterblieben ist.

7

Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat in ihrer Zuschrift vom 13. März 2017 beantragt, den angefochtenen Beschluss um eine Anrechnungsentscheidung zu ergänzen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten der Staatskasse aufzuerlegen.

II.

8

Die zulässige – insbesondere statthafte (vgl. nur KG, Beschluss vom 26. Juni 2013 – 2 Ws 303/13, BeckRS 2013, 17690 m. w. N.) und fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

9

Im Grundsatz werden Leistungen, welche die verurteilte Person u. a. zur Erfüllung von Bewährungsauflagen oder -weisungen erbracht hat, nicht erstattet (§ 56f Abs. 3 S. 1 StGB). Nach § 56f Abs. 3 S. 2 StGB kann das Gericht jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung u. a. von Geldauflagen im Sinne von § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB erbracht hat, auf die Strafe anrechnen. Unterbleibt bei einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung eine Anrechnungsentscheidung, wird die Anrechnung versagt (OLG Frankfurt/Main, NStZ-RR 2006, 353 [354] m. w. N.; KG, a. a. O.).

10

Die Anrechnung erbrachter Leistungen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (OLG Hamm, NStZ-RR 2016, 168; Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 56f, Rn. 18b m. w. N.). Sie ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 56f Abs. 3 S. 2 StGB in der Regel vorzunehmen, denn der Verurteilte soll nicht schlechter gestellt werden, als wenn er sogleich zu einer Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden wäre. Die Anrechnung kann jedoch dann unangemessen sein, wenn der erbrachte Teil der Geldauflage nicht nennenswert ins Gewicht fällt (KG, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 5 Ws 465/00; BeckRS 2000, 15825, Rn. 5; OLG Hamm, NStZ-RR 2016, 168 [169] m. w. N.), die Geldauflage durch Dritte, aus rechtswidrig beschafften Mitteln oder erst bei drohendem Widerruf erbracht wurde oder ein außergewöhnlicher, besonders krasser Fall des Bewährungsversagens der Anrechnung entgegensteht (OLG Hamm, a. a. O., m. w. N.; vgl. auch KG, a. a. O.; KG, Beschluss vom 6. Dezember 2001 – 1 AR 1515/01 – 5 Ws 775 Ws 771/01, juris, Rn. 5; KG, Beschluss vom 26. Juni 2013 – 2 Ws 303/13, BeckRS 2013, 17690).

11

Eine Anrechnung der geleisteten Zahlungen auf die Geldauflage ist hier zu Recht nicht erfolgt:

12

Der Verurteilte hat die Geldauflage zwar nahezu vollständig beglichen. Es bestehen auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er die Leistungen aus anderen Mitteln erbracht hat als denen, die ihm berechtigterweise zur Verfügung standen. Allerdings ist angesichts des Ausmaßes seines Bewährungsversagens eine Anrechnung der erbrachten Leistungen nicht mehr gerechtfertigt. Denn der Verurteilte hat die Straftat, deren Ahndung zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung geführt hat, am 10. Juli 2015 und somit noch nicht einmal zwei Monate nach Verkündung des Urteils des Amtsgerichts Speyer begangen. Zudem handelt es sich um eine Tat, die bis hin zur Erfüllung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit einschlägig ist. Demnach stehen sowohl die Rückfallgeschwindigkeit als auch der Unrechtsgehalt der neuen Straftat der Anrechnung der erbrachten Leistungen entgegen.

III.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Da die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zu Gunsten des Verurteilten eingelegt hatte, waren seine notwendigen Auslagen nicht der Staatskasse aufzuerlegen (arg. § 473 Abs. 2 S. 2 StPO; vgl. auch KG, Beschluss vom 26. Juni 2013 – 2 Ws 303/13, BeckRS 2013, 17690; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Auflage 2016, § 473, Rn. 16 m. w. N.).

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Referenzen - Gesetze

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 28. Apr. 2017 - 1 Ws 76/17 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 56f Widerruf der Strafaussetzung


(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

Strafgesetzbuch - StGB | § 56b Auflagen


(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, 1.

Referenzen

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.