Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 05. Jan. 2012 - 1 W 2/12

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2012:0105.1W2.12.0A
bei uns veröffentlicht am05.01.2012

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 28. Dezember 2011 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 27. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

2

Das Landgericht hat zu Recht seine Zuständigkeit für den Rechtsstreit verneint, weil eine ausschließliche Zuständigkeit der Familiengerichte nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gegeben ist.

3

Nach den §§ 23 a Abs. 1 Satz 1 Nr.1, S. 2 GVG, 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind die Amtsgerichte als Familiengerichte u. a. zuständig für Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn Ansprüche mit dem Ziel der wirtschaftlichen Entflechtung der (ehemaligen) Ehegatten mit Blick auf deren Trennung oder Scheidung geltend gemacht werden. Die von der Klägerin beanspruchte Nutzungsentschädigung für die im Miteigentum der Parteien stehende frühere Ehewohnung weist einen solchen inhaltlichen Zusammenhang auf. Dies wird in der Entscheidung des Landgerichts auch nicht infrage gestellt.

4

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre im November 2011 eingereichte Klage auf Nutzungsentschädigung für Oktober 2009 bis Juli 2011. Die Ehe der Parteien ist seit 30. April 2005 rechtskräftig geschieden. Der Beklagte nutzt das im Miteigentum der Parteien stehende Anwesen allein und bediente die darauf lastenden Verbindlichkeiten bis September 2009.

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Die Beschwerde ist der Auffassung, hier fehle ein Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung der Ehe der Parteien, weil die Zahlungseinstellung durch den Beklagten auf finanziellen Dispositionen ohne Bezug zur früheren Ehe mit der Klägerin erfolgt sei. Dieser Einwand geht schon deshalb fehl, weil die Klage nicht darauf gerichtet ist, dass der Beklagte weiterhin Zahlungen auf das gemeinsame Finanzierungsdarlehen für die frühere Ehewohnung leisten soll.

6

Die Anwendung von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Beendigung der Ehe und den geltend gemachten Ansprüchen fehlt.

7

Es ist umstritten, ob die gesetzliche Regelung neben dem inhaltlichen auch einen zeitlichen Zusammenhang erfordert. Letzteres wird mit Rücksicht auf die Gesetzesmaterialien vertreten, in denen eine inhaltliche und zeitliche Verbindung mit der Auflösung der Ehe als Vorstellung des Gesetzgebers formuliert ist. Die wohl überwiegende Auffassung lehnt eine zeitliche Einschränkung für die Frage des Zusammenhangs dagegen ab (vergleiche zum Meinungsstand etwa Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, § 266 FamFG Rn. 26; Musielak/Borth Familiengerichtliches Verfahren 2. Auflage § 266 Rn. 12, Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Auflage § 266 Rn. 15, OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1420; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 1581).

8

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Für sie spricht entscheidend, dass eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung Rechtssicherheit erfordert, eine zeitliche Eingrenzung des erforderlichen Zusammenhangs aber kaum verläßlich und vorhersehbar bestimmt werden kann (vergleiche Johannsen/Henrich/Jaeger aaO). Für den in den Gesetzesmaterialien angesprochenen zeitlichen Zusammenhang fehlt es an einer Umsetzung im Gesetzeswortlaut.

9

Grundlage des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin auf Nutzungsentschädigung ist ein Verlangen nach Änderung bzw. Anpassung der im Zusammenhang mit der Trennung beziehungsweise Scheidung - ausdrücklich oder konkludent - getroffenen Nutzungsregelung für die frühere Ehewohnung. Ob und in welchem zeitlichen Abstand nach Trennung und Scheidung ein Bedürfnis zu einer Neuregelung in diesen Fällen besteht, kann für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend sein. Ein gerichtlicher Zuständigkeitswechsel nach Verstreichen einer bestimmten Zeitspanne seit der Scheidung lässt sich sachlich nicht begründen und wäre willkürlich. Besteht wie hier eine Nutzungsregelung für gemeinsames Eigentum aus der Trennungsoder Scheidungszeit fort, ist davon auszugehen, dass eine wirtschaftliche Entflechtung der früheren Eheleute nicht vollständig vollzogen ist. Die Zuständigkeit der Familiengerichte ist daher auch systemgerecht.

10

Nebenentscheidungen betreffend die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht.

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Referenzen - Gesetze

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 05. Jan. 2012 - 1 W 2/12 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 266 Sonstige Familiensachen


(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die1.Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwisch

Referenzen

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die

1.
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwischen einer solchen und einer dritten Person,
2.
aus der Ehe herrührende Ansprüche,
3.
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe,
4.
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder
5.
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche
betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k der Zivilprozessordnung genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt.

(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.