Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 16. März 2011 - 2 A 25/10

bei uns veröffentlicht am16.03.2011

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Dezember 2009 – 10 K 330/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der fristgerecht gestellte und auch ansonsten zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16.12.2009 – 2 A 330/09 -, mit dem seine gegen den Bescheid des Beklagten vom 29.10.2008 (Ausweisung und Versagung der beantragten Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.3.2009 gerichtete Klage abgewiesen wurde, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 II Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache (§ 124 II Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass er sich mit Blick auf die ergangene Ausweisungsverfügung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auf § 56 I 1 Nr. 2 AufenthG berufen könne. Die Behörde habe mit der Ausstellung der Fiktionsbescheinigung einen Rechtsschein dahingehend gesetzt, dass sein Aufenthalt als erlaubt gelte, wie aus der Bescheinigung selbst zu ersehen sei. Dies könne aus der entscheidenden Adressatensicht nur so verstanden werden, dass er sich weiterhin erlaubt in Deutschland aufhalten dürfe. Dieser Rechtsschein könne nicht im Nachhinein dadurch beseitigt werden, dass der Beklagte die Erteilung der Bescheinigung als Behördenirrtum bezeichnet habe. Dieser hätte schließlich die Bescheinigung unverzüglich einziehen und dem Kläger eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erteilen können. „Nach dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns in Verbindung mit dem Vertrauensschutzgrundsatz“ sei die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Fiktionsbescheinigung keine konstitutive Wirkung haben könne und lediglich Beweiszwecken diene, falsch. Davon ausgehend erfülle er die 5-Jahres-Frist des § 56 I 1 Nr. 2 AufenthG, so dass es bei der vorzunehmenden Überprüfung, ob die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten wäre, auf Art. 6 I GG, Art. 8 I EMRK ankomme. Dies sei vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Sei somit die Begründung für die verwaltungsgerichtliche Annahme, er genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz, fehlerhaft, spreche zumindest eine Vermutung dafür, dass auch bezüglich des Entscheidungsergebnisses ernstliche Zweifel bestünden. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass sich der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts darauf berufen könne, dass der Ausweisungsgrund mit Blick auf die ihm am 18.11.2004 erteilte Aufenthaltsbefugnis und „durch den Verlängerungsantrag“, der Fiktionswirkung entfaltet habe, verbraucht sei. Schließlich begründeten auch – bedenklich formulierte – Erwägungen des Verwaltungsgerichts (S. 20 des Urteilsum-drucks) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht unterstelle dem Kläger und seiner Familie, mit dem Generalkonsulat zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland („kollusiv“) gehandelt zu haben. Da es für eine solche im Zusammenwirken mit dem algerischen Generalkonsulat begangene Straftat nicht die geringsten objektiven Anhaltspunkte gebe, seien „ermessensfremde Motive“ in die damit grob ermessensfehlerhaft werdende Entscheidung eingeflossen. Gerade die Formulierung (S. 21 1. Abs., letzter HS des Urteilsumdrucks), die Ausstellung eines Reisepasses sei mit vorgefasster Meinung abgelehnt worden, spreche deutlich für eine Voreingenommenheit der Kammer. Im Übrigen verkenne die Kammer die völkerrechtliche Funktion der Botschaft bzw. des Generalkonsulates der Republik Algerien, die immer noch völlig autark entscheiden könne, wem sie einen Reisepass ausstelle. Sie habe zu akzeptieren, dass das allein zuständige Generalkonsulat in Bonn dem Kläger trotz Vorführung keinen Reisepass ausgestellt habe und auch nicht ausstellen werde. Daher habe er es im Sinne des § 25 V 1 AufenthG nicht zu vertreten, dass er nicht ausreisen könne. Dass das Gericht vom gewünschten Ergebnis her argumentiere, zeige die Aussage, dass er ohnehin keinen Anspruch gemäß dieser Vorschrift habe, da er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt habe. Wenn ihm trotz Vorführung kein Reisepass ausgestellt werde, sei es ihm objektiv unmöglich, noch weitere Anstrengungen zur Passbeschaffung anzustellen. Schließlich seien die Anforderungen, die die Kammer „im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis“ stelle, auch überhöht. Einem Ausländer, der als „Kleinstkind“ in die Bundesrepublik eingereist sei und demzufolge wohl generell den gleichen Schutz wie ein Unionsbürger genieße, könne nicht angesonnen werden, mit allen Mitteln auf seine Auslandsvertretung einzuwirken, dass diese ihm endlich einen Pass ausstelle. Es sei doch völlig nachvollziehbar, dass der Kläger absolut keine Bezüge zu Algerien habe, da er mit drei Jahren dieses Land verlassen habe. Dies hätten sowohl der Beklagte als auch das Gericht verkannt und stattdessen ständig seine Straftaten in den Vordergrund gestellt, ohne Art. 8 I EMRK bedeutungsangemessen anzuwenden. Die Berufung sei darüber hinaus auch gemäß § 124 II Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergebe sich daraus, dass die generelle Problematik, ob die Weigerung der Auslandsvertretung, einen Reisepass für einen ihrer Staatsangehörigen auszustellen, für sich allein gesehen schon ausreiche, um von einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 V 1 AufenthG auszugehen, oder ob der Ausländer sich trotz dieser definitiven Weigerung weiterhin bei seiner Auslandsvertretung um einen Pass bemühen müsse. Wenn die Auslandsvertretung eine Passausstellung ablehne, sei dies vom Ausländer ebenso wie von der Ausländerbehörde hinzunehmen, weil sie dies in Kenntnis der Person des Ausländers und der Umstände, insbesondere auch in Kenntnis eines Rücknahmeübereinkommens zwischen Algerien und Deutschland getan habe. Ein Vorgehen gegen eine nachweisbare Ablehnung – wie bei dem Kläger - könne dem Ausländer nicht zugemutet werden. Anders liege der Fall, wenn die Auslandsvertretung nur untätig bleibe.

Die Antragsbegründung rechtfertigt zunächst nicht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 II Nr. 1 VwGO, denn an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel.

Zunächst kann sich der Kläger hinsichtlich der angefochtenen Ausweisungsverfügung nicht mit Erfolg auf besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 I 1 Nr. 2 AufenthG berufen, denn er erfüllt nicht dessen Tatbestandsvoraussetzung eines mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet. Wie sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Beklagte zutreffend festgestellt haben, war der Aufenthalt des Klägers nur während der bis zum 17.11.2006 bestehenden Gültigkeit der ihm am 18.11.2004 erteilten, ab 1.1.2005 als Aufenthaltserlaubnis fortgeltenden Aufenthaltsbefugnis rechtmäßig. Sein erst zwei Monate nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis beim Beklagten eingegangener Verlängerungsantrag vom 12.1.2007 konnte, worauf der Senat bereits in seinem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 30.6.2009 - 2 B 366/09 – hingewiesen hat, ebenso wie die irrtümlich vom Beklagten ausgestellte Fiktionsbescheinigung, die als solche nur Beweiszwecken dient, aber keine konstitutive Wirkung haben kann, keine Fiktionswirkung im Sinne des § 81 IV AufenthG auslösen. Zu der Fiktionswirkung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 30.3.2010 – 1 C 6/09 -,  BVerwGE 136, 211) ausgeführt, dass Sinn und Zweck der neuge-stalteten Fiktionswirkung in dieser Vorschrift gewesen sei, der Neuordnung des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das Zuwanderungsgesetz gerecht zu werden. Da nunmehr nach § 4 III 1 AufenthG Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben dürften, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtige, sei es zwingend erforderlich gewesen, die bisher über das gesonderte Arbeitsgenehmigungsrecht mögliche Fortsetzung der Erwerbstätigkeit während eines noch ungeklärten Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch eine fiktive Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels sicherzustellen (für die Dauer des Antragsverfahrens bei der Ausländerbehörde in § 81 IV AufenthG, für das Widerspruchs- und Klageverfahren in § 84 II 2 AufenthG). Dass darüber hinaus durch § 81 IV AufenthG auch die aufenthaltsrechtlichen Verfestigungsmöglichkeiten – unabhängig von der materiellen Rechtslage – hätten grundlegend umgestaltet und verbessert werden sollen, sei dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr spreche alles dafür, dass die Fortbestandsfiktion - ebenso wie nach § 69 III AuslG 1990 - nur vorläufigen Charakter bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde haben und sich auf die Beurteilung des materiellen Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht auswirken sollte. Denn ein Antragsteller solle durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte. Daher habe auch die Fiktion nach § 81 IV AufenthG besitzstandswahrende, nicht aber rechtsbegründende Wirkung. Steht danach eine – tatsächliche - fiktive Fortgeltung einer Aufenthaltserlaubnis dem Besitz der Aufenthaltserlaubnis nur dann gleich, wenn dem Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt auch ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zusteht (BVerwG, Urteil vom 16.11.2010 – 1 C 21/09 -, juris) , konnte die dem Kläger wegen nicht bestehender Fiktionswirkung zu Unrecht ausgestellte Fiktionsbescheinigung – entgegen seiner Meinung – erst recht nicht wegen eines von ihrer bloßen Existenz ausgehenden „Rechtsscheins“ rechtsbegründend sein. Somit ist auf den Kläger § 56 I 2 AufenthG, wonach Ausländer im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, nicht anwendbar.

Der Zulassungsantrag des Klägers kann ferner, soweit er wohl über die Ausweisung hinaus von einem „Verbrauch“ der Ausweisungsgründe (vgl. § 5 I Nr. 2 AufenthG) auch mit Blick auf die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeht, keinen Erfolg haben. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Ausweisungsgründe – zumal in Form eines Erlaubnisversagungsgrundes – in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und solange entgegengehalten werden dürfen, als sie noch „aktuell“ und nicht „verbraucht“ sind bzw. die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent „verzichtet“ hat. (BVerwG, Urteil vom 15.3.2005 – 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114,  m.z.w.N.) Von einem solchen Fall ist vorliegend indes auszugehen. Der Kläger ist, nachdem er mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2004 (Bl. 35 Ausländerakte) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden war, im Zusammenhang mit der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis am 18.11.2004 am 23.11.2004 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine erneute Straffälligkeit eine Ausweisung bzw. Rücknahme der Aufenthaltsbefugnis bzw. Versagung einer Verlängerung des Aufenthaltstitels zur Folge haben könne. (Bl. 52 Ausländerakte) Danach wurde er mit weiterem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 16.12.2004 - wegen vor der Belehrung liegender Delikte – unter Einbeziehung der früheren Verurteilung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Unter Einbeziehung dieser beiden Verurteilungen wurde der Kläger schließlich durch Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2006 (Bl. 148 Ausländerakte) wegen in den Jahren 2005 und 2006 begangener weiterer Straftaten – u.a. räuberischer Erpressung in zwei Fällen - zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach diesen Verurteilungen beantragte der Kläger sodann – nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis am 17.11.2006 – mit Schreiben vom 12.1.2007 die Verlängerung seines Aufenthaltstitels, die der Beklagte schließlich nach einer Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 29.10.2008 abgelehnt hat. Da die dem Kläger am 19.1.2007 erteilte Fiktionsbescheinigung mangels bestehender Fiktionswirkung nach dem Vorstehenden nicht nur ins Leere ging, sondern auch unter Vertrauensaspekten ohne Bedeutung war, hat der Beklagte nichts unternommen, was dem Kläger hätte berechtigten Anlass geben können, auf die aufenthaltsrechtliche Folgenlosigkeit seiner kriminellen Handlungen zu vertrauen. Ein Verbrauch von Ausweisungsgründen ist daher nicht feststellbar.

Die Zulassung der Berufung ist auch nicht wegen der Rüge des Klägers gerechtfertigt, die erkennende Kammer sei bei Erlass der angefochtenen Entscheidung ausweislich ihrer Ausführungen über ein Zusammenwirken des Klägers, seiner Familie und des Generalkonsulats voreingenommen gewesen. Der Begründung der angefochtenen Entscheidung vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der hierzu gegebenen Begründung des Klägers keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine erstinstanzliche Befangenheit zu entnehmen.

Der Kläger beanstandet Ausführungen, die im Rahmen der Prüfung des Verwaltungsgerichts, ob die Erlangung von Reisepapieren durch die Auslandsvertretung für den Kläger überhaupt noch möglich und auch zumutbar ist, erfolgt sind. Dabei hat das Gericht zunächst dargelegt, dass auch weiterhin eine Dokumentenbeschaffung möglich sei (S. 20 des Urteilsumdrucks, dritter Absatz). Es hat danach ausgeführt, dass sich daran auch für den Fall nichts ändere, dass die algerische Auslandsvertretung – eventuell im Rahmen eines „kollusiven“ Zusammenwirkens mit der Familie des Klägers – die Ausstellung eines Reisepapiers für den Kläger ablehne, um dessen Rückführung ins Heimatland zu verhindern, denn auch bei einer solchen Fallkonstellation lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG nicht vor.

Zunächst ist die Annahme des Klägers, mit dem Wort „kollusiv“ werde eine Straftat unterstellt, ohne weitere Darlegung nicht nachvollziehbar, denn dieser Begriff ist nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Zivilrecht und darüber hinaus auch umgangssprachlich als Ableitung von „kolludieren“, das „im geheimen Einverständnis stehen“ (Vgl. etwa Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 2000) bedeutet, gebräuchlich. Dafür, dass das Gericht das Wort in einem anderen als in seiner umgangssprachlichen Bedeutung verwenden wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dass es in seiner Entscheidung das Verhalten der Auslandsvertretung mit deutlichen Worten kritisiert und – wie die angegebenen Belegstellen zeigen – sowohl auf eine Verhinderungsabsicht des Generalkonsulats als auch eine Beteiligung der Familie des Klägers hingewiesen hat, ist indes in der Sache nicht zu beanstanden und weist auch nicht auf eine Voreingenommenheit der Kammer hin. Zum einen steht die Vertragswidrigkeit der Vorgehensweise des Generalkonsulats fest. Denn die Auslandsvertretung ist, worauf das Auswärtige Amt in seiner Verbalnote vom 10.7.2009 auch hingewiesen hat, gemäß Art. 1 III des deutsch- algerischen Rückübernahmeabkommens verpflichtet, nach Vorlage einer Kopie des Reisepasses ein Passersatzpapier auszustellen. Hiergegen hat das Generalkonsulat nach Aktenlage klar verstoßen. Zum anderen ist auch eine vom Verwaltungsgericht in Betracht gezogene Beteiligung der Familie des Klägers nach Aktenlage keineswegs fernliegend; sie drängt sich vielmehr auf.

Unstreitig hatten Vater und Schwester A des Klägers bereits am 8.4.2009 beim algerischen Generalkonsulat vorgesprochen, um den Reisepass der Letztgenannten verlängern zu lassen. Bei dieser Gelegenheit haben beide ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Vaters vom 9.4.2009 (Bl. 407 Ausländerakte) „ganz offen“ über die persönliche Situation des Klägers und seiner Familie mit Frau A gesprochen. Zur Sprache seien die Abschiebehaft, in der sich der Kläger zu dieser Zeit befunden habe, ferner seine Verlobung mit einer Deutschen und die Eheschließungsabsicht gekommen. Schließlich hätten sie gefragt, ob ihm nicht ein Pass oder ein Laissez-Passer ausgestellt werden könne, damit er „wenigstens aus der Haft entlassen werden“ könne. Dies habe Frau A abgelehnt, weil er bereits mit drei Jahren nach Deutschland übergesiedelt und hier aufgewachsen sei, sich in Algerien keine Familie mehr befinde, vielmehr Eltern, Geschwister und „alle anderen Verwandten“ im Bundesgebiet lebten, er seine deutsche Verlobte heiraten wolle und seine Familie mit gesicherten Aufenthaltsrechten seit langer Zeit und absehbar bis zu ihrem Lebensende in Deutschland lebe. Da er in Deutschland seine Ausbildung gemacht habe, sei er verpflichtet, dies durch Arbeitsleistung in Deutschland zu vergelten. Dass diese vorgetragene dezidierte Begründung der Frau A auf der Unterrichtung durch die Familie des Klägers beruhte, lässt sich schon daraus schließen, dass etwa der Aufenthaltsort „aller anderen Verwandten“ im Generalkonsulat sicherlich nicht aktenkundig ist, nur für eine Integration des Klägers in Deutschland sprechende Aspekte Erwähnung fanden, während - als gravierend dagegen sprechende Umstände – u.a. seine Straffälligkeit und Drogenabhängigkeit überhaupt nicht thematisiert wurden und seine „Ausbildung“, die weder Schulabschluss noch Berufsausbildung aufweist, nur pauschal genannt wurde. Es muss im gegebenen Zusammenhang auch als lebensfremd angesehen werden, dass Vater und Schwester mit ihrer an Frau A gerichteten Frage ernsthaft die Ausstellung eines Passes oder eines Laissez-Passer für den Kläger, damit er „wenigstens aus der Abschiebehaft entlassen“ werden könne, hätten erreichen wollen. Dagegen spricht schon mit Gewicht die Tatsache, dass er in diesem Falle sofort hätte abgeschoben werden können, woran offensichtlich weder der Kläger noch seine Familie interessiert sind. Vielmehr konnte diese Frage vor dem Hintergrund der zuvor erteilten Informationen der Sache nach nur als Anregung oder Bitte an Frau A verstanden werden, diese Abschiebung mit Blick auf die behauptete Integration des Klägers nicht durch die Erteilung eines Reisedokuments zu ermöglichen. Angesichts der auf den erteilten Informationen beruhenden Antwort der Frau A liegt es daher nahe, von einem stillschweigenden „Zusammenwirken“ der Handelnden auszugehen; diese naheliegende Annahme wird auch durch die Geschehnisse in der Folge gestützt.

Allerdings bedeutete für den Kläger die vorgenannte Erklärung der Frau A noch keine endgültige Verweigerung der Ausstellung eines Reisepapiers durch die Auslandsvertretung. Dies ergibt sich aus dem Telefonanruf des Herrn Y vom 20.4.2009, bei dem dieser einem Mitarbeiter des Beklagten erklärte, es würde für den Kläger zwar kein Passersatzdokument ausgestellt, die Ausstellung eines Reisepasses sei indes im Rahmen seiner persönlichen Vorsprache möglich (Bl. 292 Ausländerakte) . Überraschenderweise erklärte dann aber ein Mitarbeiter des Generalkonsulats bei der darauf hin erfolgten Vorführung des Klägers am 29.4.2009 im Generalkonsulat, bei dessen Eintreffen dessen Familienangehörige und Verlobte im dortigen Wartebereich anwesend waren, dem Mitarbeiter des Beklagten ausweislich seines Vermerks vom 30.4.2009 (Bl. 328 Ausländerakte) „bereits nach kurzer Zeit in einem kurzen Gespräch“, dass für den Kläger kein Passersatzpapier ausgestellt würde und für das Generalkonsulat dieser Fall abgeschlossen sei; auf Einwände hinsichtlich der Ausreiseverpflichtung des Betroffenen und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Passersatzdokuments gemäß Rückübernahmeabkommen sei er nicht eingegangen. Diese überraschende Erklärung, die in krassem Widerspruch zum Inhalt des Telefonats vom 20.4.2009 stand, legt einen Zusammenhang mit dem Erscheinen der Familie zur Vorführung des Klägers nahe, dessen Sinn wohl darin bestand, insbesondere die im Generalkonsulat auch tatsächlich wiederum anwesende Frau A – sei es ausdrücklich oder durch ihre bloße Anwesenheit – an ihre die familiäre Interessenlage betreffenden Darlegungen zu erinnern. Inwiefern die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Ablehnung der Erteilung eines Reisepapiers auf einer „vorgefassten Meinung“ des Generalkonsulats beruhe, - selbst wenn sie falsch sein sollte - eine Voreingenommenheit der Kammer, wie der Kläger meint, belegen soll, erschließt sich angesichts dieses Geschehensablaufs nicht.

Soweit das Verwaltungsgericht u.a. unter Hinweis auf die Verbalnote der Botschaft der demokratischen Volksrepublik Algerien vom 8.10.2009 (Bl. 645 Ausländerakte) ausführt, dass die Auslandsvertretung „nicht nur die – ersichtlich fehlerhafte – Rechtsauffassung des Klägers vollständig übernommen, sondern zudem nicht beachtet“ habe, dass die Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach deutschem Recht nicht deren Sache sei, sondern in die Zuständigkeit der deutschen Behörden und Gerichte falle, kann der Kläger hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, die Auslandsvertretung könne immer noch völlig autark entscheiden, wem sie einen Reisepass ausstelle, und die Ausländerbehörde habe dies zu akzeptieren. Insofern verkennt er wiederum, dass das Verhalten der algerischen Auslandsvertretung nicht mit dem deutsch- algerischen Rückübernahmeabkommen vereinbar ist und es in diesem Rahmen nicht darauf ankommen kann, ob sie einen ausreisepflichtigen Staatsangehörigen als „gut integriert“ ansieht.

Im Übrigen bedeutet die in der vorgenannten Verbalnote geäußerte Bitte der algerischen Auslandsvertretung um eine nochmalige Prüfung der Situation des Klägers in der Sache, dass damit keine endgültige – vertragswidrige – Ablehnung der Erteilung eines Reisedokuments erfolgte und entgegen der Meinung des Klägers keineswegs feststeht, dass für ihn ein unabsehbar andauerndes objektives Ausreisehindernis besteht.

Soweit der Kläger beanstandet, dass ihm vom Verwaltungsgericht zur Last gelegt wurde, selbst nicht aktiv auf die Ausstellung eines Passes oder Passersatzpapiers hingewirkt und daher gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen zu haben, hat er sich mit keinem der konkreten Vorhalte des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, sondern sich vielmehr darauf beschränkt, diese Ausführungen lediglich unsubstantiiert als überhöhte Anforderungen und eine Argumentation „vom gewünschten Ergebnis her“ zu bezeichnen. Soweit der Kläger schließlich meint, dass ihm nicht angesonnen werden könne, „mit allen Mitteln auf seine Auslandsvertretung einzuwirken, damit diese ihm endlich einen Pass ausstellt“, ist darauf hinzuweisen, dass gerade bei der Beschaffung von Identitätspapieren von ihm mit Blick auf seine Passpflicht nach § 3 I AufenthG und seine Mitwirkungspflicht nach § 48 III AufenthG gesteigerte Anstrengungen verlangt werden können. Dazu gehört auch, soweit erforderlich, die Abgabe einer Erklärung, dass er zur freiwilligen Ausreise bereit sei, wenn von einer solchen Erklärung die Ausstellung des Reisepapiers abhängig gemacht wird oder sie zu einer deutlich schnelleren Ausstellung des Papiers führt. Auf einen eventuell entgegenstehenden inneren Willen des Ausländers kommt es insofern nicht an. Eine solche Freiwilligkeitserklärung ist einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar. (BVerwG, Urteil vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 -, BVerwGE 135, 219)

Der Kläger kann auch nicht den gleichen Schutz wie ein Unionsbürger einfordern, denn eine vergleichbare Rechtsstellung kommt ihm offensichtlich nicht zu. Er beruft sich im Wesentlichen auf seinen langjährigen - aber nur während zwei Jahren rechtmäßigen - Aufenthalt im Bundesgebiet und fehlende Bezüge zu seinem Heimatland und wendet sich dagegen, dass seine Straftaten sowohl vom Beklagten als auch vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellt wurden. Dabei will er nicht zur Kenntnis nehmen, dass gerade diese Straftaten zusammen mit seinem unbewältigtem Drogenproblem, fehlendem Schulabschluss, fehlender Berufsausbildung und wirtschaftlicher Integration belegen, dass es ihm trotz offensichtlich guter Deutsch-Kenntnisse und langjährigem Aufenthalt nicht gelungen ist, in Deutschland Fuß zu fassen. Im Übrigen kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden.

Eine Zulassung der Berufung ist auch nicht mit Blick auf § 124 II Nr. 3 VwGO gerechtfertigt, denn der Rechtssache kommt entgegen der Meinung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche, klärungsfähige und klärungsbedürftige, insbesondere höchst- oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der berufungsgerichtlichen Klärung bedarf.

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, ob die Weigerung der Auslandsvertretung, einen Reisepass für einen ihrer Staatsangehörigen auszustellen, für sich allein gesehen schon ausreiche, um von einer „Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 V 1 AufenthG“ auszugehen, oder ob der Ausländer sich trotz dieser definitiven Weigerung weiterhin bei seiner Auslandsvertretung um einen Pass bemühen müsse, ist nicht grundsätzlich klärungsfähig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist über die Zumutbarkeit der einem Ausländer obliegenden Handlungen zur Beseitigung eines Ausreisehindernisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 – 1 B 54/06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4).

Im Übrigen kann nach dem Vorstehenden, insbesondere der Verbalnote der algerischen Botschaft vorliegend nicht von einer „definitiven Weigerung“ der Auslandsvertretung ausgegangen werden, zumal sich der Kläger bisher nicht selbst um einen Reisepass zur freiwilligen Ausreise in sein Heimatland bemüht hat.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 II VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 II, 52 I, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 16. März 2011 - 2 A 25/10

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

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Tatbestand 1 Der Kläger, ein 1971 geborener Staatsangehöriger aus Sri Lanka, erstrebt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen.

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und wendet sich zugleich gegen
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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 22. Aug. 2011 - 2 B 318/11

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Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Juli 2011 – 10 L 485/11 – wird zurückgewiesen.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.Der Streitwert für das Beschwerdev

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Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und wendet sich zugleich gegen die ihm angedrohte Abschiebung in den Irak.

2

Der 1968 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 16. Mai 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - stellte mit Bescheid vom 14. März 2001 fest, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Die Ausländerbehörde der Beklagten erteilte dem Kläger daraufhin am 28. März 2001 eine auf ein Jahr befristete und dann jeweils verlängerte Aufenthaltsbefugnis, die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, zuletzt bis zum 5. September 2006 verlängert wurde.

3

Mit Bescheid vom 2. Januar 2006 widerrief das Bundesamt die Flüchtlingsanerkennung des Klägers und stellte zugleich fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Hinblick auf den Irak vorliegen. Diese Entscheidung wurde am 19. Mai 2006 bestandskräftig.

4

Am 4. September 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er erhielt aufgrund der Antragstellung eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG bis zum 3. März 2007, die später bis zum 3. September 2007 verlängert wurde. Im Mai 2007 beantragte er ferner die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

5

Nach Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. August 2007, zugestellt am 6. August 2007, sowohl die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als auch die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Irak an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass wegen des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung und der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durch das Bundesamt als Rechtsgrundlagen für einen Anspruch des Klägers auf einen humanitären Aufenthaltstitel nur §§ 23, 25 Abs. 4 und 5 sowie § 26 Abs. 4 AufenthG in Betracht kämen. Der Kläger erfülle aber weder die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (in Umsetzung des Bleiberechtsbeschlusses der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006) noch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 oder 5 AufenthG. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG scheide aus, da der Kläger die erforderliche Frist eines mindestens siebenjährigen Besitzes eines Aufenthaltstitels bei Ablauf der zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis am 5. September 2006 noch nicht erreicht habe. Die Zeiten des Besitzes einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AufenthG seien nicht anzurechnen.

6

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 2. April 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen besitze. Die Zeit von seiner Asylantragstellung im Mai 2000 bis zum Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis im September 2006 betrage weniger als sieben Jahre. Die anschließende Zeit der Fiktionswirkung des Verlängerungsantrags vom 4. September 2006 bis zur Entscheidung der Beklagten über diesen Antrag im August 2007 sei dabei nicht anzurechnen. Die Fiktion des Fortbestehens des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG sei mit dem Besitz des Aufenthaltstitels im Sinne von § 26 Abs. 4 AufenthG nicht gleichzustellen. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 81 Abs. 4 AufenthG die Rechtsposition des Ausländers im Vergleich zu der Vorgängerregelung in § 69 Abs. 3 AuslG 1990 derart habe verbessern wollen, dass die Zeit der Fiktionswirkung in die Siebenjahresfrist des § 26 Abs. 4 AufenthG einzurechnen sei, gebe es keine Anhaltspunkte. Die Ersetzung der bisherigen Erlaubnisfiktion durch eine Titelfortbestandsfiktion sei nur der Abschaffung der Doppelspurigkeit von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht durch das Zuwanderungsgesetz geschuldet. Mit der Neuregelung habe lediglich sichergestellt werden sollen, dass der betroffene Ausländer während der Schwebezeit in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht so gestellt werde, wie er durch seinen abgelaufenen Aufenthaltstitel gestanden habe. Eine Verfestigung des noch ungeklärten Aufenthaltsrechts für die Zukunft sei damit aber nicht bezweckt gewesen.

7

Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe dem Kläger, wie in dem angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, nicht zu. Demnach sei auch die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.

8

Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 4. Februar 2009 (InfAuslR 2009, 335) das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verpflichtet, dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu. Er erfülle zum einen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 AufenthG i.V.m. der Übergangsregelung in § 104 Abs. 2 AufenthG, da sein Lebensunterhalt gesichert sei und er über ausreichenden Wohnraum und einfache Deutschkenntnisse verfüge. Zum anderen erfülle er auch das Erfordernis des siebenjährigen Besitzes einer humanitären Aufenthaltserlaubnis. Auf diese Frist sei gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG auch die Zeit von der Stellung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung der Behörde über den Antrag (sog. Fiktionszeit) anzurechnen. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte, vor allem aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 81 Abs. 4 AufenthG. Wenn es dort heiße, dass der bisherige Aufenthaltstitel "mit allen sich daran anschließenden Wirkungen" als fortbestehend gelte, seien damit nicht nur die arbeits- und sozialrechtlichen Wirkungen, sondern sämtliche Wirkungen des Aufenthaltstitels - einschließlich der Rechtsfolgen in § 26 Abs. 4 AufenthG - gemeint. Der Gesetzgeber habe anders als bei der Vorgängerregelung des § 69 Abs. 3 AuslG 1990 bewusst nicht nur eine Erlaubnisfiktion, sondern eine Titelfiktion angeordnet und damit die Fiktionswirkung insgesamt auf eine neue Grundlage gestellt. Daraus ergebe sich eine wesentliche Verbesserung der Rechtsstellung der Betroffenen, die zugleich der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes Rechnung trage, Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit zu ermöglichen und zu gestalten. Die Fiktion des Titels stehe daher dem Besitz des Titels gleich. Sie wolle sicherstellen, dass Vorschriften, die - wie § 26 Abs. 4 AufenthG - an den Besitz eines Aufenthaltstitels anknüpfen, weiterhin anwendbar blieben. Die Ausländerbehörde hätte es ansonsten in der Hand, durch "planvolles Nichtentscheiden" über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder Erteilung der Niederlassungserlaubnis das Erreichen der Siebenjahresfrist des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu verhindern und dem Betroffenen damit den durch diese Vorschrift garantierten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Einräumung eines Daueraufenthaltsrechts zu nehmen, obwohl der Betroffene auch während des Fiktionszeitraums an seiner Integration arbeite und damit eine Anwartschaft auf aufenthaltsrechtliche Verfestigung erwerbe. In seinem Vertrauen hierauf sei er schutzwürdig und auch schutzbedürftig. Die Fiktion des Aufenthaltstitels stelle diesen Schutz sicher, indem sie für den Zeitraum, den die Behörde zu ihrer Entscheidung benötige, eine Hemmung des Fristlaufs verhindere. Durch die Anrechnung des Fiktionszeitraums werde zugleich auch ein Konflikt mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes und dem Anspruch auf ein faires Verfahren vermieden. Dabei bleibe es der Ausländerbehörde unbenommen, den Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen durch eine rasche ablehnende Entscheidung vor Ablauf der Siebenjahresfrist zu verhindern.

9

Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stehe auch nicht entgegen, dass die humanitären Gründe für die Aufenthaltserlaubnis nach dem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers entfallen seien. § 26 Abs. 4 AufenthG verlange nämlich nicht, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis die Voraussetzungen für die Erteilung oder Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis noch vorlägen. Es genüge vielmehr, dass der Ausländer sich noch im Besitz einer humanitären Aufenthaltserlaubnis befinde, was bei dem Kläger wegen des Titelbesitzes infolge der Fiktionswirkung der Fall sei.

10

Schließlich sei auch das der Ausländerbehörde nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zustehende Ermessen vorliegend auf Null reduziert. Lägen die strengen Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG vor, sei durch den Normzweck und die gesetzgeberische Intention, Zuwanderung zu ermöglichen und zu gestalten, regelmäßig - und so auch hier - eine Ermessensausübung zugunsten des Betroffenen intendiert. Ebenso wenig stehe die Nichterfüllung der Passpflicht der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entgegen. Denn hiervon könne gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach Ermessen abgesehen werden. Die Voraussetzungen hierfür seien aufgrund der feststehenden Identität des Klägers erfüllt.

11

Gegen diese Entscheidung wendet sich die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern mit ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung von § 5 AufenthG in Bezug auf die Erfüllung der Passpflicht sowie die Verletzung von § 26 Abs. 4 AufenthG wegen der Anrechnung der Fiktionszeit auf den siebenjährigen Besitz eines Aufenthaltstitels. Ferner bemängelt sie, dass der Verwaltungsgerichtshof sowohl hinsichtlich des Absehens von der Passpflicht als auch hinsichtlich der Erteilung der Niederlassungserlaubnis eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen habe.

12

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und sieht die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auch durch die inzwischen erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz bestätigt. Nach deren Nr. 26.4.8 würden Zeiten des Besitzes einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG zu einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf die Siebenjahresfrist angerechnet. Im Übrigen verweist er darauf, dass er der Beklagten inzwischen einen gültigen irakischen Reisepass vorgelegt habe.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Nach seiner Auffassung ist bei der Frage, ob der Fiktionszeitraum des § 81 Abs. 4 AufenthG bei der Berechnung der Siebenjahresfrist zu berücksichtigen sei, zu differenzieren: Werde dem Antrag des Ausländers auf Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen, sei der Fiktionszeitraum anzurechnen. Werde jedoch die Verlängerung des Aufenthaltstitels letztlich abgelehnt, dürften diese Zeiten nicht berücksichtigt werden. In diesem Sinne sei auch der vom Kläger angeführte Passus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz zu verstehen. Der Grund für die Fiktionswirkung bestehe ausweislich der Gesetzesbegründung darin, die arbeits- und sozialrechtliche Position des Ausländers während des Schwebezustandes zu stärken. Dagegen bezwecke die Regelung nicht, die Rechtsposition des Ausländers dahingehend zu verbessern, dass der rechtsunsichere Zeitraum der Fiktionswirkung bei Ablehnung der Verlängerung gleichwohl als anrechenbare Zeit des Besitzes des Aufenthaltstitels zu betrachten sei, die zur Aufenthaltsverfestigung führen könne.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Landesanwaltschaft Bayern ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG zusteht, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Unrecht die Fiktionszeiten nach § 81 Abs. 4 AufenthG den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 26 Abs. 4 AufenthG gleichgestellt. Da der Kläger mangels Besitzes eines humanitären Aufenthaltstitels seit sieben Jahren im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift nicht erfüllt, hat sein Hauptantrag keinen Erfolg (1.). Auch mit seinem Hilfsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen kann er nicht durchdringen (2.). Folglich ist auch die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden (3.). Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und das die Klage insgesamt abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederherzustellen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

15

1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, hier also im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung am 4. Februar 2009. Es ist deshalb auf die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) abzustellen, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten.

16

Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt (Abschnitt 5: Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) - im Folgenden: humanitäre Aufenthaltserlaubnis - besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG wird auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet. Ferner wird gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens auf die Frist angerechnet.

17

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach dieser Bestimmung müssen grundsätzlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsacheninstanz erfüllt sein (Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 24.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt - im Anschluss an das Urteil vom 22. Januar 2002 - BVerwG 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <355>).

18

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzung des Besitzes einer humanitären Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Denn er hat unter Berücksichtigung der anrechenbaren Zeit seines Asylverfahrens nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG und der Zeit des Besitzes von Aufenthaltsbefugnissen nach § 102 Abs. 2 AufenthG zusammen mit den Besitzzeiten einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG nur eine Zeit von sechs Jahren und dreieinhalb Monaten erreicht. Die Zeiten der anschließenden Fiktionswirkung des Verlängerungsantrags nach § 81 Abs. 4 AufenthG (vom 6. September 2006 bis zur Zustellung des Ablehnungsbescheides am 6. August 2007) können diesen Zeiten nicht hinzugerechnet werden, weil sie den Zeiten des Besitzes einer humanitären Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht gleichzustellen sind.

19

Dabei ist vorab klarzustellen, dass sich die hier aufgeworfene Frage der Anrechenbarkeit nur bei Zeiten der Fiktionswirkung eines Verlängerungsantrags oder eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stellt, die am Ende der Titelbesitzzeit liegen und die nicht in einen positiven Bescheid der Ausländerbehörde münden. Denn die Berücksichtigung von Fiktionszeiten, die zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels geführt haben und damit zwischen zwei Titelbesitzzeiten liegen, ist unproblematisch (vgl. auch Nr. 26.4.8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Innern - AVwV AufenthG -, GMBl 2009, 878).

20

aa) Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 81 Abs. 4 AufenthG können nach Auffassung des Senats keine eindeutigen Schlüsse auf eine Anrechenbarkeit oder Nichtanrechenbarkeit der Zeiten der Fiktionswirkung im Rahmen von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gezogen werden. Nach § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Insofern ist in der Formulierung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 69 Abs. 3 AuslG 1990 eine Änderung zu verzeichnen, da diese Bestimmung in vergleichbaren Fällen anordnete, dass "der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt". Diese Änderung lässt allerdings nicht, wie das Berufungsgericht meint, eindeutig den Schluss auf eine vollständige Gleichstellung der Fiktion mit dem Besitz eines Aufenthaltstitels zu. Eindeutig in diesem Sinne wäre eine Formulierung, die anordnete, dass der bisherige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde fortgilt. Die hier gewählte Formulierung, dass der Aufenthaltstitel bis zu diesem Zeitpunkt "als fortbestehend" gilt, kann auch als Hinweis auf einen Unterschied zwischen dem fiktiven Fortbestehen eines Aufenthaltstitels und dem tatsächlichen Titelbesitz verstanden werden. Auch die Aussage in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 81 Abs. 4 AufenthG (BTDrucks 15/420, S. 96), dass der bisherige Aufenthaltstitel "mit allen sich daran anschließenden Wirkungen" bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gelten soll, mag zwar auf den ersten Blick für eine Gleichstellung mit dem Besitz eines Aufenthaltstitels sprechen. Angesichts der weiteren Ausführung in der Gesetzesbegründung ist aber keineswegs sicher, dass mit diesen Wirkungen nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch materiellrechtliche Folgen in Bezug auf das Bestehen des noch streitigen und ungeklärten Anspruchs auf Verlängerung oder Erteilung des Aufenthaltstitels selbst gemeint waren. Die Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs kann auch dahingehend verstanden werden, dass damit nur alle außerhalb des Aufenthaltstitels selbst liegenden Wirkungen, etwa hinsichtlich der Berechtigung zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit, aber auch die sonstigen Wirkungen im Sozialrecht sowie die durch den Aufenthaltstitel ermöglichten Reisen im Schengen-Raum und die Wiedereinreise nach Deutschland angesprochen werden sollten, die sich aus der mit der Fiktionswirkung bezweckten vorläufigen Besitzstandswahrung ergeben.

21

bb) Entscheidend sprechen allerdings der Sinn und Zweck der Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG einerseits und der des § 26 Abs. 4 AufenthG andererseits sowie die Gesamtsystematik des Aufenthaltsgesetzes gegen eine Gleichstellung der Fiktionszeiten nach § 81 Abs. 4 AufenthG mit den Zeiten des Titelbesitzes. Sinn und Zweck der neugestalteten Fiktionswirkung in § 81 Abs. 4 AufenthG war es, der Neuordnung des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das Zuwanderungsgesetz gerecht zu werden. Da nunmehr nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben dürfen, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt, war es zwingend erforderlich, die bisher über das gesonderte Arbeitsgenehmigungsrecht mögliche Fortsetzung der Erwerbstätigkeit während eines noch ungeklärten Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch eine fiktive Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels sicherzustellen (für die Dauer des Antragsverfahrens bei der Ausländerbehörde in § 81 Abs. 4 AufenthG, für das Widerspruchs- und Klageverfahren in § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; zu dieser grundlegenden Umgestaltung des Arbeitsgenehmigungsverfahrens vgl. auch Urteile vom 8. Dezember 2009 - BVerwG 1 C 14.08 und BVerwG 1 C 16.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt). Dass darüber hinaus durch § 81 Abs. 4 AufenthG auch die aufenthaltsrechtlichen Verfestigungsmöglichkeiten im Vergleich zum bisher geltenden Recht - unabhängig von der materiellen Rechtslage - grundlegend umgestaltet und verbessert werden sollten, ist dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Fortbestandsfiktion ebenso wie früher die Fiktion eines erlaubten Aufenthalts nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 nur vorläufigen Charakter bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde haben und sich auf die Beurteilung des materiellen Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht auswirken sollte (zur früheren Rechtslage ausführlich Urteil vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 359). Denn ein Antragsteller soll durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte. Daher hat auch die Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG besitzstandswahrende, nicht aber rechtsbegründende Wirkung.

22

Nicht zutreffend ist daher auch die im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im vorliegenden Verfahren vertretene Ansicht (Pfersich, ZAR 2009, 147, Anmerkung zu VGH Kassel, Beschluss vom 15.10.2008 - 11 B 2104/08 - ZAR 2009, 146), dass die Neuregelung der Fiktionswirkung in § 81 Abs. 4 AufenthG nicht nur eine verfahrensrechtliche, sondern eine materiellrechtliche Position vermittele. Diese verbessere nicht nur die Möglichkeiten der Aufenthaltsverfestigung in Gestalt einer Niederlassungserlaubnis, sondern wirke sich auch bei der aufenthaltsrechtlichen Stellung von türkischen Arbeitnehmern im Rahmen von Art. 6 ARB 1/80 dahingehend aus, dass die Fiktionszeiten als gesicherte aufenthaltsrechtliche Position für eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne dieser Bestimmungen ausreichten. Für die Annahme einer derart weitgehenden Änderung der bisherigen Rechtslage bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Wie der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend bemerkt, würde eine derartige materiellrechtliche Wirkung der Fiktion die Stellung unbegründeter Verlängerungsanträge und eine Verzögerung des Verfahrens durch den Antragsteller geradezu herausfordern. Sie würde es auch der Ausländerbehörde ermöglichen, durch den Zeitpunkt ihrer Entscheidung Einfluss auf die materielle Rechtslage zu nehmen. Dies war vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt.

23

Auch mit Blick auf den hier einschlägigen § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist eine Gleichstellung von Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels und Zeiten der Fiktionswirkung eines Verlängerungsantrags mit dem Sinn und Zweck der Regelung nur schwer vereinbar. Es mag zwar zutreffen, dass die Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift - anders als die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG - das Fortbestehen der ursprünglich gegebenen humanitären Gründe nicht voraussetzt. Das Gesetz verlangt aber jedenfalls auch im Falle des § 26 Abs. 4 AufenthG, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungserlaubnis noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist. Damit setzt die Vorschrift nicht nur den durchgehenden Titelbesitz seit sieben Jahren, sondern auch einen nahtlosen Übergang zwischen der humanitären Aufenthaltserlaubnis und der Niederlassungserlaubnis voraus. Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gilt als Beleg für das Vorliegen humanitärer Gründe (vgl. auch § 26 Abs. 2 AufenthG). Diese gesetzliche Vermutung gilt bei Zeiten der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG aber gerade nicht. Jedenfalls dann, wenn letztendlich die Verlängerung oder Neuerteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt wird, wäre es nicht nachvollziehbar, wenn derartige Zeiten zur Verfestigung des Aufenthalts führen würden.

24

cc) Schließlich besteht auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und des fairen Verfahrens keine Notwendigkeit der Anrechnung der Fiktionszeiten im Rahmen von § 26 Abs. 4 AufenthG. Eine befriedigende Lösung der vom Verwaltungsgerichtshof angesprochenen Fallgestaltungen ist auf anderem Wege und mit sachgerechterem Ergebnis möglich.

25

Im Fall des Klägers sind diese Verfassungsgrundsätze - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - schon von vornherein nicht berührt. Denn der Kläger hat durch die Dauer des Verfahrens keine Nachteile erlitten. Auch wenn über die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gleich nach Ablauf des vorangegangenen Titels negativ entschieden worden wäre, wäre die Siebenjahresfrist nicht erfüllt gewesen und er hätte - da kein Verlängerungsanspruch aus humanitären Gründen bestand - keine Chance zum Erwerb einer Niederlassungserlaubnis gehabt. Er wäre also bei einer zeitnahen Entscheidung der Behörde nicht besser gestellt und ist deshalb durch die angeblich "verspätete" Entscheidung der Behörde auch nicht benachteiligt. Vielmehr wäre er umgekehrt bei Anrechnung der Fiktionszeiten ohne zugrundeliegenden materiellen Verlängerungsanspruch durch die spätere Entscheidung der Behörde, also allein aufgrund der Verfahrensdauer, besser gestellt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund besteht.

26

Für den - hier nicht gegebenen - Fall eines fortbestehenden Verlängerungsanspruchs, dem die Behörde zu Unrecht nicht nachkommt, kann dieser im Klageweg verfolgt werden und damit nach der Rechtsprechung des Senats letztlich auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Niederlassungserlaubnis durchgesetzt werden. Denn in diesem Fall wären sowohl die Zeiten eines inzident festzustellenden Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis anzurechnen als auch das Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung durch die Feststellung eines solchen Rechtsanspruchs als erfüllt anzusehen. Entsprechendes gilt, wenn der Ausländer während des Verfahrens nicht nur über einen Anspruch auf Verlängerung seiner humanitären Aufenthaltserlaubnis verfügt, sondern auch einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erwirbt. Denn in diesem Fall ist im gerichtlichen Verfahren auch inzident zu prüfen, ob der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer beantragten Niederlassungserlaubnis während des Verfahrens erworben hat, der dann dem Erfordernis des fortbestehenden Besitzes einer humanitären Aufenthaltserlaubnis bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gleichstehen würde.

27

Diese Erwägungen zeigen, dass, ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des Senats, eine angemessene Lösung der verschiedenen Fallgestaltungen über das Instrumentarium der inzidenten Prüfung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts erreicht werden kann, die den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens entspricht. Demgegenüber bestünde bei einer vom materiellrechtlichen Anspruch losgelösten Anrechnung des Fiktionszeitraums die Gefahr einer ungerechtfertigten Privilegierung eines Ausländers, bei dem keine humanitären Gründe mehr vorliegen, der sich aber wegen eines - aus welchen Gründen auch immer - hinziehenden Verwaltungsverfahrens mit Hilfe der Fiktionszeiten in eine Niederlassungserlaubnis "hinüberrettet".

28

Da der Kläger mangels Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift nicht erfüllt, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.

29

b) Auf die übrigen von der Revision geltend gemachten Rügen kommt es daher nicht mehr an.

30

Der Senat bemerkt allerdings, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Ausländerbehörde von dieser Voraussetzung auch im Fall der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach Ermessen absehen kann. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles ist dafür entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich. Während § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in den Fällen der Erteilung im Einzelnen benannter humanitärer Aufenthaltstitel zwingend ein Absehen von der Anwendung der Absätze 1 und 2 vorschreibt, sieht § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor, dass in den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden kann. Darunter fällt grundsätzlich auch die von Satz 1 der Vorschrift nicht erfasste Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 C 34.07 - (Buchholz 402.242 § 26 AufenthG Nr. 3 = NVwZ 2009, 246) eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in Fällen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG verneint hat, bezog sich dies nur auf die Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Der Grund hierfür war, dass § 26 Abs. 4 AufenthG mit seiner Verweisung auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts (in Nr. 3) eine spezielle, abschließende Regelung enthält, die einen Rückgriff auf die allgemeine Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verbietet. Bei der Erteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ist dies nicht der Fall, so dass § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG insoweit auch bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG anwendbar ist. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Möglichkeit, nach Ermessen von der Erfüllung der Passpflicht abzusehen, dient dazu, im Einzelfall der besonderen Situation von Ausländern gerecht zu werden, deren Aufenthalt auf humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen beruht und die deshalb unter Umständen mehr Schwierigkeiten bei der Passbeschaffung haben als sonstige Ausländer. Dieser Grundgedanke trifft auch für die Fälle der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG zu.

31

Soweit sich die Revision gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs wendet, dass das Ermessen der Behörde sowohl beim Absehen von der Passpflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG als auch bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf Null reduziert sei, hätten die Rügen allerdings Erfolg gehabt. Denn in beiden Fällen ist die vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Ermessensreduzierung zumindest nicht nachvollziehbar begründet. So reicht für das Absehen von der Passpflicht allein die feststehende Identität des Klägers nicht aus. Für eine Ermessensreduzierung zugunsten der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis dürfte es u.a. an der Berücksichtigung des Umstandes fehlen, dass bei dem Kläger mit dem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung die humanitären Gründe für seinen Aufenthalt schon seit längerem weggefallen waren.

32

2. Über das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist nicht mehr in der Sache zu entscheiden, da die Berufung des Klägers insoweit bereits unzulässig ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verwaltungsgerichtshof trotz der allein auf das Hauptbegehren bezogenen Begründung in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2008 die Berufung unbeschränkt zugelassen hat, hat der Kläger jedenfalls in Bezug auf das vom Verwaltungsgericht beschiedene und abgewiesene Hilfsbegehren innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinerlei Berufungsgründe geltend gemacht, sondern sich auf die Frage der Anrechnung der Fiktionszeiten für den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beschränkt. Die Berufung hinsichtlich des Hilfsbegehrens war deshalb nach § 124a Abs. 3 Satz 4 und 5 VwGO unzulässig. Der Senat kann über den nach Erfolglosigkeit des Hauptantrags im Revisionsverfahren nunmehr angefallenen Hilfsantrag selbst abschließend entscheiden, da er die Sachurteilsvoraussetzungen eigenständig zu ermitteln und zu beurteilen hat. Ist die Berufung des Klägers danach auch hinsichtlich des Hilfsantrags erfolglos, verbleibt es insoweit ebenfalls bei der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht.

33

3. Auch die Abschiebungsandrohung in dem angefochtenen Bescheid ist demzufolge rechtlich nicht zu beanstanden.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1971 geborener Staatsangehöriger aus Sri Lanka, erstrebt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen.

2

Er reiste 1989 nach Deutschland ein und betrieb hier bis 1997 ein Asylverfahren, das erfolglos blieb. Danach wurde er bis März 1998 förmlich geduldet und erhielt dann eine Aufenthaltsbefugnis, die mehrfach verlängert wurde.

3

2003 heiratete er eine Staatsangehörige aus Sri Lanka. 2004 und 2005 sind aus der Ehe zwei Kinder hervorgegangen. Die Familie hat - mit Unterbrechungen - Wohngeld bezogen. Der Kläger wurde dreimal strafgerichtlich verurteilt, u.a. 1999 wegen Schleusens von Ausländern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

4

Im August 2004 beantragte der Kläger, ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dies führte zur Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis bis November 2006. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Kläger im März 2005 mit, sein Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei durch die Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis abschlägig beschieden worden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis weiter. Im laufenden Verfahren hat der Beklagte dem Kläger im Dezember 2006 aus humanitären Gründen eine bis November 2008 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Oktober 2008 hat der Kläger die Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis beantragt.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Lebensunterhalt des Klägers nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert sei. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne sich, obwohl er den maßgeblichen Antrag bereits im August 2004 gestellt habe, auf die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes, insbesondere auf § 26 Abs. 4 und § 9 Abs. 2, stützen. Unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Anrechnungszeiten sowie der Fiktionszeit des § 81 Abs. 4 AufenthG nach Stellung seines Verlängerungsantrages im Oktober 2008 sei der Kläger seit sieben Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts sei auch der Lebensunterhalt des Klägers gesichert. Dass das Einkommen des derzeit allein berufstätigen Klägers nicht ausreiche, um auch den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder sicherzustellen, sei unschädlich. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verlange für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach seinem Wortlaut nur, dass "sein Lebensunterhalt" - also der Lebensunterhalt des Klägers selbst - gesichert sei. Die deutliche Unterscheidung dieser Formulierung von § 9a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG - wonach einem Ausländer eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu erteilen ist, wenn u.a. "sein Lebensunterhalt und derjenige seiner Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat, durch feste und regelmäßige Einkünfte gesichert ist" -, spreche entscheidend dagegen, dass ebenfalls nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG der Lebensunterhalt auch der Familienangehörigen gesichert sein müsse. Dem stehe nicht entgegen, dass § 9a AufenthG erst im Jahr 2007 in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden sei und § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dem Richtlinientext entspreche. Da bei dieser Gelegenheit nämlich auch § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG an den Text des § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wortgleich angepasst worden und schon vor der Gesetzesänderung streitig und unklar gewesen sei, ob sich die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auf die Bedarfsgemeinschaft erstrecke, dränge sich auf, dass der Gesetzgeber § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bei der Gesetzesänderung zwar überprüft, eine entsprechende Anpassung der Vorschrift jedoch bewusst unterlassen habe, um die Privilegierung des Ausländers bei der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Gegensatz zu den Vorschriften über den Familiennachzug zu erhalten.

6

Der Erteilung der Niederlassungserlaubnis stünden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 26 Abs. 4 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG nicht entgegen. Diese mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz an § 9a AufenthG angepasste Vorschrift enthalte nunmehr eine allgemeine Güterabwägungsklausel. Die Abwägung falle zu Gunsten des Klägers aus. Da das dem Beklagten in § 26 Abs. 4 AufenthG eröffnete Ermessen nicht auf Null reduziert sei, sei dieser im Ergebnis zur Neubescheidung zu verpflichten. Die Anwendung des § 35 AuslG 1990 (vgl. § 104 Abs. 1 AufenthG) würde für den Kläger zu keinem günstigeren Ergebnis führen, da auch § 35 Abs. 1 AuslG 1990 die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen der Behörde stelle.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat er auf den Antrag des Klägers vom 17. Oktober 2008 die Aufenthaltserlaubnis bis Dezember 2011 verlängert.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Lebensunterhalt des Klägers im Bundesgebiet gesichert und damit die Erteilungsvoraussetzung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist, ohne dabei zu berücksichtigen, dass der Kläger für den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder auf Leistungen nach dem Zweiten Teil des Sozialgesetzbuches - SGB II - angewiesen ist. Dies ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil kann der Senat in der Sache abschließend entscheiden und das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederherstellen.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen. Der Kläger hat den entsprechenden Antrag - damals gerichtet auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG 1990 - vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Januar 2005 gestellt. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der Antrag gleichwohl auch nach neuem Recht beurteilt werden kann. Zwar sieht § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor, dass über vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach altem Recht zu entscheiden ist. Da die Vorschrift aber ausschließlich das Vertrauen des Ausländers schützen und Rechtsnachteile für ihn in der Umstellungsphase vermeiden will, schließt sie die Anwendung des neuen Rechts zu seinen Gunsten nicht aus, zumal der Ausländer jederzeit einen neuen Antrag stellen könnte, der nach neuem Recht zu beurteilen wäre. Der Kläger kann jedoch weder nach neuem noch nach altem Recht eine Niederlassungserlaubnis beanspruchen.

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1. Nach neuem Recht ist § 26 Abs. 4 AufenthG maßgeblich. Danach kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.

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a) Die Voraussetzung, seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu besitzen, ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsentscheidung - unstreitig gegeben, nachdem der Beklagte die humanitäre Aufenthaltserlaubnis des Klägers inzwischen verlängert hat. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang aber die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bereits die fiktive Fortgeltung der Aufenthaltserlaubnis, die durch den vom Kläger im Oktober 2008 rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag ausgelöst worden ist (§ 81 Abs. 4 AufenthG), dem Besitz der Aufenthaltserlaubnis gleichsteht. Dies verletzt Bundesrecht, soweit das Berufungsgericht diese Gleichstellung nicht mit der zusätzlichen Voraussetzung verbunden hat, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung ein Anspruch auf (befristete) Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis zustand (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 6.09 - InfAuslR 2010, 343 ff.; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).

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b) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht am Vorliegen eines Ausweisungsgrundes scheitert (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zwar gelten die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich auch für die Niederlassungserlaubnis. Soweit es bei der Niederlassungserlaubnis allerdings um Ausweisungsgründe geht, die sich - wie hier - auf Straftaten des Ausländers beziehen, wird die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch die Sonderregelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG verdrängt.

13

Danach ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen. Diese Regelung macht deutlich, dass die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bei Straftaten des Ausländers nicht (regelmäßig) schon wegen Vorliegens eines Ausweisungsgrundes ausscheiden soll, sondern darüber aufgrund einer umfassenden Abwägung der in der Regelung genannten Rechtsgüter entschieden werden soll. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG ist zeitgleich mit und bewusst parallel zu der Regelung in § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG (Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG) in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Diese Parallelität ginge verloren, wenn man bei der Niederlassungserlaubnis - anders als bei der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG - zusätzlich zu der in § 9 AufenthG vorgesehenen Abwägung regelmäßig das Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fordern würde. Im Falle des Klägers ist die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, dass trotz der vom Kläger begangenen Straftaten, die zum Teil allerdings lange zurückliegen, Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG einer Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht entgegenstehen. All dies bedarf vorliegend keiner Vertiefung, weil eine Niederlassungserlaubnis für den Kläger schon aus einem anderen Grund ausscheidet.

14

c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Lebensunterhalt des Klägers als gesichert angesehen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Es hat rechtsfehlerhaft nur auf den eigenen Bedarf des Klägers abgestellt und nicht berücksichtigt, dass es nach der gesetzlichen Regelung auf die Sicherung des Lebensunterhalts der in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Kernfamilie - hier: bestehend aus dem Kläger, seiner Ehefrau und den beiden minderjährigen Kindern - ankommt. Der Lebensunterhalt der Kernfamilie kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II bestritten werden.

15

Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht. Es bedarf mithin der positiven Prognose, dass der künftige Lebensunterhalt des Ausländers auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richtet sich die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs und des zur Verfügung stehenden Einkommens seit der Änderung des Rechts der Sozial- und Arbeitslosenhilfe vom 1. Januar 2005 bei erwerbstätigen Ausländern im Grundsatz nach den entsprechenden Bestimmungen des SGB II (vgl. Urteile vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 19 und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 29). Erstrebt ein erwerbsfähiger Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zum Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen in einer häuslichen Gemeinschaft oder lebt er - wie der Kläger - bereits mit seiner Familie zusammen, so gelten für die Berechnung seines Anspruchs auf öffentliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich die Regeln über die Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II.

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Da sich im Grundsatz nach den Maßstäben des Sozialrechts bemisst, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesichert ist, scheidet in den vom SGB II erfassten Fällen eine isolierte Betrachtung des Hilfebedarfs für jedes einzelne Mitglied der familiären Gemeinschaft aus. Vielmehr gilt in einer Bedarfsgemeinschaft, wenn deren gesamter Bedarf nicht gedeckt werden kann, jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Diese sogenannte horizontale Berechnungsmethode geht damit generell vom Bedarf der Gemeinschaft insgesamt aus. Durch die Verweisung auf das Sozialrecht ergibt sich daher schon aus der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass im Aufenthaltsrecht die Sicherung des Lebensunterhalts bei erwerbsfähigen Ausländern allgemein - und nicht nur für besondere Fallkonstellationen wie den Familiennachzug - den Lebensunterhalt des mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Ehepartners und der unverheirateten Kinder bis zum 25. Lebensjahr umfasst (zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Familiennachzug vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20.09 -, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Gegen diese einheitliche Auslegung des zentralen Begriffs der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG können weder Wortlaut noch Systematik des Aufenthaltsgesetzes angeführt werden. Es trifft zwar zu, dass das Aufenthaltsgesetz unterschiedliche Formulierungen verwendet. In einigen Vorschriften wird ausdrücklich auf den Ausländer und seine Familienangehörigen Bezug genommen (vgl. etwa § 9a Abs. 2 Nr. 2, § 18a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 21 Abs. 4 Satz 2 und § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG). Andere Vorschriften stellen dagegen nur auf den Ausländer ab (§ 2 Abs. 3 Satz 1, § 9 Abs. 2 Nr. 2, § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Da § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG jedoch den Begriff der Sicherung des Lebensunterhalts für das gesamte Aufenthaltsrecht definiert und in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen sozialrechtlichen Regelungen verweist, ist auch der Unterhaltsbedarf des einzelnen Ausländers nach den sozialrechtlichen Regelungen für die Bedarfsgemeinschaft zu bemessen. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Definitionsnorm des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG andere Vorstellungen verbunden hat. Denn der gesetzlich angeordnete Systemwechsel im Sozialrecht in Form der neuartigen Berechnung des Unterhaltsbedarfs einer Bedarfsgemeinschaft fällt zeitlich zusammen mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes.

17

Diese Auslegung des Gebots der Unterhaltssicherung, die auf den Bedarf der familiären Gemeinschaft insgesamt abstellt, entspricht auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Erteilungsvoraussetzung. Sie dient dazu, (neue) Belastungen für die öffentlichen Haushalte zu vermeiden (vgl. Urteil vom 26. August 2008 a.a.O. Rn. 21). Nach der ausdrücklichen Wertung des Gesetzgebers ist die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Aufenthaltsrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen. Diese bereits im Ausländergesetz 1990 getroffene Wertung wurde durch die Neuregelung des Aufenthaltsrechts im Zuwanderungsgesetz generell noch verstärkt, indem die Sicherung des Lebensunterhalts nunmehr nicht nur bei der Erteilung von Titeln zum Daueraufenthalt, sondern für alle Aufenthaltstitel von einem (Regel-)Versagungsgrund zu einer (Regel-)Erteilungsvoraussetzung heraufgestuft worden ist. Damit sollen die fiskalischen Interessen noch weitergehend geschützt werden. Der Gesetzgeber hat speziell die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG als stärkste Form der Aufenthaltsverfestigung durch Verweis auf § 9 Abs. 2 AufenthG teilweise von besonderen Integrationserfordernissen abhängig gemacht, die über die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG hinausgehen. Anders als die Aufenthaltserlaubnis ist die Niederlassungserlaubnis unbefristet und inhaltlich grundsätzlich unbeschränkt, sofern nicht ausnahmsweise Nebenbestimmungen im Aufenthaltsgesetz zugelassen sind (vgl. etwa § 23 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Sie unterliegt keiner Zweckbindung, berechtigt zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und verschafft dem Berechtigten ferner den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Sie ist daher auf den dauerhaften Verbleib eines Ausländers im Bundesgebiet angelegt (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 C 34.07 - Buchholz 402.242 § 26 AufenthG Nr. 3 Rn. 16 und 20 m.w.N.).

18

Lebt der Ausländer im Bundesgebiet - wie der Kläger - mit Familienangehörigen zusammen, führt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis typischerweise auch zu einer tatsächlichen Verfestigung des Aufenthalts der Angehörigen. Die Option, die eheliche oder familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland zu führen, rückt damit jedenfalls in die Ferne. Ist die Familie - wie hier - auf Sozialleistungen angewiesen, folgt aus der Aufenthaltsverfestigung eine Perpetuierung der Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Zugleich entfällt der aufenthaltsrechtliche Anreiz für die übrigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen und dadurch die öffentlichen Kassen zu entlasten. All dies entspricht schwerlich dem Willen des Gesetzgebers.

19

Nur diese Auslegung wird auch der Lebenswirklichkeit gerecht. Es wäre lebensfremd, wenn man annähme, ein Ausländer, der Alleinverdiener ist, würde von seinem Einkommen zunächst seinen eigenen Bedarf decken und seiner Familie lediglich die verbleibenden Mittel zukommen lassen. Nur diese Auslegung vermeidet auch, was ebenfalls wirklichkeitsfern wäre, dass neben der realen sozialrechtlichen Berechnung, in welcher Höhe der Familie als Bedarfsgemeinschaft Sozialleistungen zustehen, eine fiktive aufenthaltsrechtliche Berechnung vorgenommen wird, ob der einzelne Ausländer - für sich gesehen - seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten könnte.

20

d) Bei der erforderlichen Berechnung des Hilfebedarfs der familiären Bedarfsgemeinschaft sind - im Hinblick auf eine Niederlassungserlaubnis - die Bestimmungen des SGB II weiterhin maßgebend, soweit es den Freibetrag für Erwerbstätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II und die Werbungskostenpauschale von 100 € nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II betrifft. Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07 - (a.a.O. Rn. 19) entschieden, dass bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens diese Beträge zu Lasten des Ausländers zu berücksichtigen sind. Die Notwendigkeit dieser Berücksichtigung ergibt sich, wie ausgeführt, aus der Verweisung des Aufenthaltsgesetzes in § 2 Abs. 3 auf die Bedarfs- und Einkommensermittlung nach den Bestimmungen des Sozialrechts. Diese Entscheidung des nationalen Gesetzgebers bedarf allerdings insoweit der Korrektur, als ihr vorrangiges Unionsrecht entgegensteht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 4. März 2010 in der Rechtssache Chakroun (C-578/08) für den Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie entschieden, dass der Begriff der "Sozialhilfeleistungen des ... Mitgliedstaats" ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, der nicht anhand von Begriffen des nationalen Rechts ausgelegt werden kann (Rn. 45). Daraus folgt, dass der Freibetrag für Erwerbstätigkeit, der in erster Linie aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischen Gründen gewährt wird und eine Anreizfunktion zur Aufnahme bzw. Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit haben soll, im Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nicht zu Lasten des nachzugswilligen Ausländers angerechnet werden darf. Hinsichtlich der Werbungskostenpauschale ergibt sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs, dass der Ausländer ggf. einen geringeren Bedarf als die gesetzlich veranschlagten 100 € geltend machen und nachweisen kann. Insoweit hat der Senat im Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie seine gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20.09 - Rn. 34). Zu einer weitergehenden Korrektur auch bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, bei der keine unionsrechtlichen Vorgaben zu beachten sind, besteht keine Veranlassung.

21

e) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts reicht das Einkommen des Klägers nicht aus, um den Lebensunterhalt der Familie insgesamt zu sichern. Das Berufungsgericht hat es als "unstreitig" bezeichnet, dass das Einkommen des Klägers, der "allein berufstätig" sei, nicht hoch genug sei, um nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern auch den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und der beiden Kinder sicherzustellen (UA S. 16). Das Gericht hat sich dabei auf eine Berechnung des Beklagten gestützt, die vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden ist. Danach hat der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung über ein monatliches Nettoeinkommen von 1 477,74 € verfügt. Zusammen mit dem Kindergeld in Höhe von insgesamt 328 € ergibt sich ein verfügbares Monatseinkommen von 1 805,74 €. Abzüglich des Freibetrages und der Werbungskostenpauschale führt dies zu einem maßgeblichen Einkommensbetrag von 1 495,74 € monatlich. Nach den Maßstäben des SGB II beträgt der Gesamtbedarf der Familie des Klägers 1 660,92 €. Damit verfehlt der Kläger diesen Bedarfsbetrag um etwa 165 € im Monat.

22

Der Senat weist in diesem Zusammenhang auf die Regelung über den - allerdings antragsabhängigen - Kinderzuschlag in § 6a BKGG hin. In Fällen, in denen nur der Lebensunterhalt von Kindern nicht vollständig aus eigenen Mitteln bestritten werden kann, kann der Bezug eines - nach § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG unschädlichen - Kinderzuschlags unter bestimmten Voraussetzungen dazu verhelfen, eine Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu vermeiden. Sollten die gesetzlichen Voraussetzungen des § 6a BKGG bei der Familie des Klägers vorliegen und sollte deshalb der Bezug von Leistungen nach dem SGB II entfallen, wäre der Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG als gesichert anzusehen.

23

f) Von der Erteilungsvoraussetzung der Unterhaltssicherung kann vorliegend nicht durch Rückgriff auf die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat die durch eine Niederlassungserlaubnis gestärkte Rechtsposition in § 26 Abs. 4 AufenthG von dem in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG genannten Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht. Von dieser Voraussetzung kann nach der Gesetzessystematik nur unter den besonderen in § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG normierten - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen abgesehen werden. Ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, wonach ohne Normierung konkreter Voraussetzungen von der Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 5 AufenthG - und damit auch von dem Erfordernis der Unterhaltssicherung - abgesehen werden kann, ist daher nicht möglich. Vielmehr trifft § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG insoweit eine abschließende Regelung und macht die Unterhaltssicherung bei der Niederlassungserlaubnis - anders als im Anwendungsbereich des § 5 AufenthG - mithin nicht zu einer Regelerteilungsvoraussetzung, sondern zu einer zwingenden Erteilungsvoraussetzung (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 20).

24

g) Die Ablehnung der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis verstößt vorliegend weder gegen Art. 6 GG noch gegen Art. 8 ERMK. Der Kläger wird durch die Versagung der begehrten Niederlassungserlaubnis nicht daran gehindert, weiter mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Deutschland zusammenzuleben. Es geht nicht um die Beendigung des Aufenthalts, sondern allein um die Frage, ob der Kläger seinen Aufenthalt im Bundesgebiet - und damit die Fortsetzung seiner familiären Lebensgemeinschaft - auf einen befristeten Aufenthaltstitel oder eine auf Dauer angelegte Niederlassungserlaubnis stützen kann (vgl. hierzu nochmals Urteile vom 28. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 23 ff. sowie vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 3.08 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 5 Rn. 18 ff.). Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 11. Mai 2007 - 2 BvR 2483/06 - (NVwZ 2007, 1302) eine Diskriminierung der Ehe angenommen hat, liegen hier nicht vor. Auch aus dem Verbot der Diskriminierung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehe ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Gegen dieses Verbot würde es verstoßen, wenn einem Ehegatten der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet nur wegen des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft versagt würde, er dagegen bei einer Trennung von seinem Ehepartner ein eigenständiges Aufenthaltsrecht hätte. Im Fall des Klägers ist - von anderem abgesehen - im Übrigen auch offen, ob sein eigener Lebensunterhalt nach einer Trennung von seiner Ehefrau bzw. seiner Familie insgesamt und den dadurch entstehenden Unterhaltszahlungen sowie den Abzügen für den Freibetrag und die Werbungskosten gesichert wäre (zum Diskriminierungsverbot vgl. auch Urteil 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20.09 - Rn. 30 ff.).

25

Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach neuem Recht scheidet demnach aus.

26

2. Auch nach altem Recht kommt eine Niederlassungserlaubnis nicht in Betracht. Gemäß § 35 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG 1990 setzt dies voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Daran scheitert ein Anspruch des Klägers, weil die von ihm vorsätzlich begangenen und insgesamt noch nicht getilgten Straftaten einen Ausweisungsgrund im Sinne von § 46 Nr. 2 AuslG 1990 darstellen.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.