Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 29. Juli 2011 - 1 LA 23/11

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2011:0729.1LA23.11.0A
bei uns veröffentlicht am29.07.2011

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 28. Februar 2011 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass ihr bis zum 21.02.2005 bzw. bis zum 06.04.2005 eine Baugenehmigung hätte erteilt werden müssen.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Beklagten die Zeit zwischen Eingang des Bauantrags am 13.01.2005 und dem Aufstellungsbeschluss zur 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 22.02.03 vom 21.02.2005 als "Überlegungsfrist" und als Bearbeitungszeit zur Verfügung gestanden habe, u. a. um das Stadtplanungsamt zu beteiligen. Da zugleich mit dem Bauantrag Befreiungsanträge gestellt worden seien, sei der Beklagten eine zweimonatige Mindestfrist für die Bearbeitung einzuräumen. Somit sei der Bauantrag zur Zeit des Beschlusses über die Aufstellung des Änderungsbebauungsplans noch nicht entscheidungsreif gewesen. Entscheidungsreife habe auch danach - bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre - nicht bestanden, da mit dem Aufstellungsbeschluss die Voraussetzungen einer Zurückstellung gem. § 15 BauGB bestanden hätten.

3

Die Klägerin meint, die Berufung sei wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils zuzulassen.

II.

4

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der - allein geltend gemachte - Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht erfüllt. Das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist - im Ergebnis - keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln ausgesetzt.

5

1. Die Klägerin hat die Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils - im Kern - mit ihrer Ansicht begründet, das Verwaltungsgericht hätte es als pflichtwidrig beurteilen müssen, dass die Beklagte ihren Bauantrag vom 13. Januar 2005 (Eingang) nicht bis zum Beschluss über die Aufstellung des Änderungsbebauungsplans am 21.02.2005, spätestens aber bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre am 06.04.2005 positiv beschieden habe. Der Senat hat demgegenüber mit Schreiben vom 10.06.2011 auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.11.2010 - 15 B 10.1453 - hingewiesen, dessen veröffentlichte Fassung (NVwZ-RR 2011, 310) zur Zeit der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und der (nachfolgenden) Absetzung des Urteils noch nicht erschienen war. Im veröffentlichten Leitsatz dieser Entscheidung heißt es:

6

 "Beantragt der Bauherr nach Ablehnung des Bauantrags wegen des Inkrafttretens einer Rechtsänderung die Feststellung, er habe bis zu dem Inkrafttreten einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gehabt, so ist lediglich zu prüfen, ob der Anspruch bestanden hat, nicht aber, ob der Bauantrag schon vor dem Inkrafttreten verbescheidungsreif gewesen wäre."

7

Ob die im Schriftsatz vom 24.06.2011 (zu 1.) vorgetragene Ansicht der Beklagten zutrifft, die Entscheidung divergiere von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 02.10.1998, 4 B 72.98, NVwZ 1999, 523), bedarf keiner Klärung, nachdem die Klägerin sich in ihrem Schriftsatz vom 21.06.2011 der Rechtsauffassung Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen hat.

8

Im Verwaltungsrechtsweg ist danach - allein - zu klären, ob die Klägerin "im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses oder in einem bestimmten Zeitraum" einen Genehmigungsanspruch hatte, nicht aber, ob die Beklagte die insoweit gegebene "angemessene" Bearbeitungszeit eingehalten bzw. pflichtwidrig überschritten hat. Dies "kann nur Gegenstand eines vor den Zivilgerichten zu führenden" Prozesses sein (BayVGH, a.a.O. [bei Juris Tn. 20]; vgl. im gleichen Sinne auch: OVG Hamburg, Beschl. vom 30.11.2010, 2 Bf 93/09.Z, NordÖR 2011, 296/297, zu c).

9

2. Der Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für das Vorhaben der Klägerin ist für die Zeit vor dem Aufstellungsbeschluss vom 21.02.2005 bzw. vor Inkrafttreten der Veränderungssperre dem "Grunde" nach unstreitig. Das Vorhaben entsprach nach Aktenlage dem bereits am 18.10.2001 genehmigten SB-Markt mit Backshop; die planungsrechtliche Grundlage war Anfang 2005 dieselbe wie 2001. Die Beklagte hat die in der Baugenehmigung vom 18.10.2001 erteilten Befreiungen - zur Errichtung von 19 Stellplätzen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen und der Überschreitung der GRZ von 0,21 auf 0,226 - nicht in Frage gestellt, so dass insoweit für die begehrte neue Baugenehmigung von gleichen Voraussetzungen wie 2001 auszugehen gewesen wäre. Das - jetzt, im Schriftsatz der Beklagten vom 24.06.2011 (S. 5), angesprochene - Problem der Größe eines an einem (genehmigten) Werbepylon anzubringenden Werbeschildes stellt den Genehmigungsanspruch für das gesamte Vorhaben der Klägerin nicht in Frage.

10

3. Ob die Klägerin im Berufungsverfahren allein die Feststellung der materiell-rechtlichen Genehmigungsfähigkeit in dem genannten Zeitraum erstreben möchte, ist ihrem Schriftsatz vom 21.06.2011 nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen. Einem auf die materiell-rechtliche Genehmigungsfähigkeit "reduzierten" Antrag würde i. ü. im Hinblick auf die Ausführungen zu 2. das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Eine Berufungszulassung wäre auf dieser Grundlage nicht zu erreichen.

11

Wenn die bisherigen (Klag-)Anträge zugrundegelegt werden, in denen es (weiterhin) um die Frage geht, ob es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen hat, über den Bauantrag der Klägerin bis zum 21.02.2005 bzw. bis zum 06.04.2005 zu entscheiden, erstrebt die Klägerin - unzulässig - eine Klärung im Verwaltungsrechtsweg, die nach der o. a. Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.11.2010 den Zivilgerichten vorbehalten ist.

12

4. Das Verwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin - somit - zu Recht abgewiesen. Der Klägerin bleibt es überlassen, die Frage einer möglicherweise pflichtwidrigen bzw. unangemessen langen Bearbeitung ihres Bauantrags und eines diesbezüglichen Verschuldens der zuständigen Amtsträger der Beklagten im Zivilrechtsweg zu klären.

13

Der Zulassungsantrag ist nach alledem abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

15

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Baugesetzbuch - BBauG | § 15 Zurückstellung von Baugesuchen


(1) Wird eine Veränderungssperre nach § 14 nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung

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(1) Wird eine Veränderungssperre nach § 14 nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Wird kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt, wird auf Antrag der Gemeinde anstelle der Aussetzung der Entscheidung über die Zulässigkeit eine vorläufige Untersagung innerhalb einer durch Landesrecht festgesetzten Frist ausgesprochen. Die vorläufige Untersagung steht der Zurückstellung nach Satz 1 gleich.

(2) Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Absatz 1 besteht, sind die Vorschriften über die Zurückstellung von Baugesuchen nicht anzuwenden; mit der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets oder des städtebaulichen Entwicklungsbereichs wird ein Bescheid über die Zurückstellung des Baugesuchs nach Absatz 1 unwirksam.

(3) Auf Antrag der Gemeinde hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Absatz 1 Nummer 2 bis 6 für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Auf diesen Zeitraum ist die Zeit zwischen dem Eingang des Baugesuchs bei der zuständigen Behörde bis zur Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs nicht anzurechnen, soweit der Zeitraum für die Bearbeitung des Baugesuchs erforderlich ist. Der Antrag der Gemeinde nach Satz 1 ist nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde in einem Verwaltungsverfahren von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat, zulässig. Wenn besondere Umstände es erfordern, kann die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung nach Satz 1 um höchstens ein weiteres Jahr aussetzen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.