Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 29. Sept. 2016 - 7 A 2950/15
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 73.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die mit dem Hauptantrag verfolgte Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung sei unbegründet. Das Vorhaben erfülle nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauO NRW; das Vorhaben stelle eine wesentliche Änderung der Benutzung dar; die erforderlichen vier Stellplätze seien für das Vorhaben aber nicht nachgewiesen. Zudem fehle dem Vorhaben entgegen § 55 Abs. 4 Satz 10 1. Halbsatz BauO NRW ein Toilettenraum für Menschen mit Behinderung. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf Erteilung eines Vorbescheids sei unbegründet, weil das Vorhaben aus den dargelegten Gründen nicht die Vorgaben von § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauO NRW sowie § 55 Abs. 4 Satz 10 Halbsatz 1 BauO NRW erfülle.
4Die dagegen gerichteten Ausführungen der Klägerin führen nicht zur Zulassung der Berufung.
5Die Ausführungen der Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags wecken in Bezug auf den Hauptantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
6Die Klägerin macht geltend, die Stellplatzfrage werde nicht erneut aufgeworfen; es handele sich bei Betrachtung des Gesamtvorhabens um eine geringfügige Änderung; in qualitativer Hinsicht handele es sich weiterhin um ein Gebäude, das zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werde, die Prägung der Gesamtnutzung werde bei einer Nutzungsänderung auf 13 % der Fläche nicht verändert. Damit wird die erstinstanzliche Begründung nicht erschüttert.
7Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Rahmen des § 51 Abs. 2 BauO NRW eine Änderung der Benutzung auch dann wesentlich ist, wenn sie qualitativ so bedeutsam ist, dass es auch unter den Gesichtspunkten eines etwaigen Bestandsschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, das Vorhaben in Bezug auf die Lösung des Stellplatzbedarfs einer Errichtung gleichzustellen und deshalb einen Fehlbedarf an Stellplätzen nicht weiter fortzuschreiben.
8Vgl. zum inhaltsgleichen § 47 Abs. 2 BauO NRW alter Fassung OVG NRW, Urteil vom 7.11.1991
9- 11 A 487/89 -, BRS 52 Nr. 113 m. w. N.
10Dass eine solche qualitative Änderung der Benutzung hier vorliegt, hat das Verwaltungsgericht schon unter Hinweis auf die ursprüngliche Nutzung des Erdgeschosses als Einzelhandelsgeschäft und die geplante Nutzung als Wettannahmestelle näher begründet. Dass sich dies unter Einbeziehung des Gesamtgebäudes anders darstellt und eine wesentliche Änderung zu verneinen wäre, hat die Klägerin zwar pauschal behauptet, aber nicht in der erforderlichen Weise hinreichend dargelegt. Dazu hätte es insbesondere - über die quantifizierende Betrachtung des Verhältnisses der Nutzfläche des zu ändernden Teils des Gebäudes einerseits und des Gesamtgebäudes andererseits hinaus - einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, welche Bedeutung der Lage der in Rede stehenden Nutzung im Erdgeschoss zukommt. Danach bedarf es auch keiner abschließenden Beurteilung, wie sich der Einwand der Klägerin, bei der Betrachtung sei das Gesamtgebäude in Bezug zu nehmen, zu dem Umstand verhält, dass eine solche Betrachtung im Rahmen des gestellten Bauantrags von der Klägerin selbst nicht vorgenommen worden ist. Dort wird das Vorhaben als Umnutzung eines ehemaligen Ladengeschäfts in eine Annahmestelle für Sportwetten eines konzessionierten Wettanbieters bezeichnet und auch im Rahmen der Stellplatzberechnung lediglich die Verkaufsstätte als Anlage im Bestand betrachtet und nicht etwa das Gesamtgebäude E. Freiheit Nr. 109.
11Des Weiteren rügt die Klägerin, § 55 Abs. 4 Satz 10 BauO NRW stehe der Genehmigung nicht entgegen, die für erforderlich gehaltene Herstellung eines rollstuhlgerechten Toilettenraums sei ohne großen Aufwand zu erreichen, bei geringen Verstößen sei die Bauaufsichtsbehörde verpflichtet, die Baugenehmigung unter Nebenbestimmungen zu erteilen, statt sie zu versagen. Auch diese Rüge greift nicht durch. Die von der Klägerin als Beleg für ihre Auffassung zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts enthält lediglich die allgemeine Aussage, die Bauaufsichtsbehörde könne ein Genehmigungshindernis in geeigneten Fällen durch Nebenbestimmung (Auflage oder Bedingung) von sich aus beheben.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.2.1983
13- 11 A 2515/80 -, BRS 40 Nr. 148.
14Dass es sich hier um einen solchen geeigneten Fall handelt, lässt sich dem Zulassungsvorbringen indes nicht entnehmen. Die erforderliche Herstellung eines rollstuhlgerechten Toilettenraums bedarf in dem bestehenden Gebäude mit Blick auf die in den Bauvorlagen dargestellten Toilettenräume mit 2 Herren-WCs und 3 Damen-WCs vielmehr der Darstellung in einem geänderten Bauantrag.
15Die Ausführungen führen danach hinsichtlich des Hauptantrags auch nicht zu besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
16Die Begründung des Zulassungsantrags führt hinsichtlich des Hauptantrags schließlich nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Auf die aufgeworfene Frage kommt es aus den vorstehenden Gründen nicht in entscheidungserheblicher Weise an.
17Die Ausführungen der Klägerin führen des Weiteren hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags,
18die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30.7.2014 zu verpflichten, ihr einen Vorbescheid zu erteilen, der die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sowie die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf § 51 und § 55 BauO NRW zum Inhalt hat,
19nicht zur Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf den begehrten Vorbescheid, weil das Vorhaben aus den dargelegten Gründen nicht die Vorgaben des § 51 BauO NRW und des § 55 BauO NRW erfülle.
20Auch insoweit führt das Zulassungsvorbringen nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
21Die Klägerin wendet ein, die Voranfrage sei offensichtlich lediglich für den Fall gestellt, dass einer der genannten Gesichtspunkte der Erteilung der Baugenehmigung entgegen stehe, es sollte zumindest die Klärung der übrigen Gesichtspunkte im laufenden Verfahren erfolgen, die Fragen des Planungsrechts, des § 51 BauO NRW und des § 55 BauO NRW sollten separat Gegenstand der Voranfrage sein; das Verwaltungsgericht habe die Voranfrage dagegen kumulativ verstanden, was überhaupt keinen Sinn ergebe. Dieser Einwand greift nicht durch.
22Gegen das Verständnis, das die Klägerin ihrem in der mündlichen Verhandlung durch ihren Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag beimessen will, spricht bereits dessen Wortlaut, der durch die Verknüpfung der genannten Aspekte durch ein „sowie“ bzw. ein „und“ auf eine kumulative Betrachtung hindeutet.
23Dass der Antrag aus der Perspektive des Verwaltungsgerichts so zu verstehen war, dass er auch einen allein auf die planungsrechtliche Beurteilung gerichteten Vorbescheid erfasste, lässt sich ferner nicht dem Zusammenhang der mündlichen Verhandlung entnehmen, in der nach dem Vortrag der Klägerin von der Kammer auf die planungsrechtliche Unbedenklichkeit des Vorhabens hingewiesen wurde. Eine isolierte planungsrechtliche Beurteilung für ein ähnliches Vorhaben in den gleichen Räumlichkeiten verfolgte die Klägerin nämlich bereits in einem parallelen Verfahren, über das in der mündlichen Verhandlung zugleich verhandelt wurde; der Hilfsantrag im Verfahren - 23 K 7899/13 - betraf einen planungsrechtlichen Vorbescheid für ein Wettbüro im gleichen Gebäude (auch insoweit war der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mandatiert), insoweit wurde in diesem Verfahren sodann zugunsten der Klägerin entschieden.
24Da im Vorfeld der mündlichen Verhandlung von der Beklagten Bedenken hinsichtlich der Sicherung des 2. Rettungswegs angemeldet worden waren, war es im Übrigen aus der Perspektive des Verwaltungsgerichts auch nicht etwa fernliegend, dass ein Vorbescheid zu den übrigen streitigen Fragen (Planungsrecht, Stellplatzerfordernis und behindertengerechte Toilettengestaltung) beantragt werden sollte.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
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(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.