Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 18. März 2016 - 4 A 2379/15.A


Gericht
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2.9.2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
3Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.
4Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.6.2012 – 16 A 1350/12.A –, juris, Rn. 6, m. w. N.
6Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
7ob die Khatam-e-Nabuwat in andere Landesteile geflüchtete Personen, die von ihr verfolgt werden, aufspüren kann,
8rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.
9Das Verwaltungsgericht hat auf der Basis einer aus verschiedenen Erkenntnissen gewonnenen Tatsachengrundlage angenommen, es sei nicht zu befürchten, dass die vom Kläger benannten privaten Akteure, wie die Khatam-e-Nabuwat, ihn in anderen Landesteilten Pakistans aufspüren könnten, zumal in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiere (vgl. Urteilsabdruck, Seite 7 Absätze 2 und 3). Der Kläger ist dieser Schlussfolgerung mit der Begründung entgegen getreten, die Khatam-e-Nabuwat könne ihn auch ohne ein funktionierendes Meldewesen durch ihr weit gespanntes Netz in anderen Teilen Pakistans aufspüren und ihm nach dem Leben trachten.
10Aus diesem Vorbringen ergibt sich bereits nicht, weshalb der aufgeworfenen Tatsachenfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll. Der Kläger benennt zudem zum Beleg seiner Tatsachenbehauptung keine Erkenntnisquellen, aus denen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sein Vorbringen ergibt. Vielmehr beanstandet er die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung der in den herangezogenen Auskünften mitgeteilten Tatsachen. Die damit allenfalls sinngemäß geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts sind indes kein Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG.
11Soweit der Kläger geltend macht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts niemand auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden könne, wenn ihm dort ein Leben oberhalb der Verelendungsgrenze nicht möglich sei, hat er auch eine (allenfalls in Betracht kommende) Divergenzrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt. Der Kläger benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz, mit dem die Vorinstanz einem in der übergeordneten Rechtsprechung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2.9.2015 – 4 A 1909/15.A – und 8.6.2015 – 4 A 361/15.A –; BVerwG, Beschluss vom 14.8.2013 – 8 B 36.13 –, juris, Rn. 7.
13Das Verwaltungsgericht hat gerade nicht angenommen, dass dem Kläger in anderen Landesteilen ein Leben oberhalb der Verelendungsgrenze nicht möglich sei. Im Gegenteil liegt seiner Entscheidung die im Einklang mit der vom Kläger angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung stehende Würdigung zu Grunde, der bis zu seiner Ausreise erwerbstätige und gesunde Kläger sei durch die Aufnahme einer Arbeit in der Lage, sich auch in einem anderen Landesteil Pakistans eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen und seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Indem der Kläger hiergegen einwendet, er sei 40 Jahre alt und habe als selbständiger Geschäftspartner ein Geschäft aufgebaut, was ihm in anderen Landesteilen nicht möglich sei, macht er wiederum allenfalls – im Asylprozess nicht zu den Zulassungsgründen zählende – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der (einzelfallbezogenen) Annahme des Verwaltungsgerichts geltend.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
15Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


Annotations
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
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in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.