Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 13. Aug. 2014 - 12 A 1001/13

Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zwar zulässig, aber nicht begründet, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.
3Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe zum Zeitpunkt der erneuten Beantragung von Pflegewohngeld am 30. Mai 2012 die für ihren Pflegeplatz anfallenden Aufwendungen noch selbst tragen können, weil der Bestattungskostenbetrag in Höhe von 3.858,30 Euro, der in dem am 7. Mai 2012 abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Bestattungsinstitut S. ausgewiesen sei, erst Anfang August 2012 an die E. C. U. AG gezahlt worden sei, so dass diese Summe bis dahin noch für den eigenen Unterhalt zur Verfügung gestanden habe, wird durch die Klägerin nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
4In der Rechtsprechung des Senats, auf die sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, ist geklärt, dass auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PflG NRW die für eine angemessene Bestattung und Grabpflege verbindlich vorgesehenen Mittel in Anwendung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht als zu verwertendes und einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sind. Die insoweit maßgebende vermögensrechtliche Zweckbestimmung (Bestattungsvorsorge oder Grabpflege) kann im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 2 PflG NRW zur Vermeidung von Missbrauchsfällen und um zu gewährleisten, dass eine andere Zweckverwendung des Vermögens ausgeschlossen oder zumindest wesentlich erschwert ist, allerdings in der Regel nur dann anerkannt werden, wenn vor dem Beginn des Leistungszeitraums, für den Pflegewohngeld begehrt wird,
5- die ausschließliche Zweckbestimmung von dem Heimbewohner eindeutig und für ihn verbindlich getroffen,
6- der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen eindeutig ausgegliedert und
7- die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich niedergelegt worden ist.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. November 2009
9- 12 A 1363/09 -, NWVBl 2010, 438, juris, sowie Beschlüsse vom 22. März 2011 - 12 A 2494/10 -, juris, und vom 27. Februar 2013 - 12 A 1255/12 -, juris.
10Ausgehend von diesen Grundsätzen erscheint ohne Weiteres folgerichtig, dass das Verwaltungsgericht das Fehlen dieser Voraussetzungen daran festgemacht hat, der für die Deckung der Bestattungskosten vorgesehene Betrag von 3.858,20 Euro sei erst nach Ablauf des hier streitigen Leistungszeitraums, der mit dem 10. Juli 2012 endete, im vorgenannten Sinne aus dem Vermögen ausgegliedert worden. Die Einwendungen der Klägerin vermögen diese Würdigung nicht in Zweifel zu ziehen.
11Soweit die Klägerin meint, es sei, weil sie eine Verpflichtungsklage erhoben habe, auch für die Frage, wann die Ausgliederung spätestens zu erfolgen habe, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, vernachlässigt sie, dass allein dem materiellen Recht zu entnehmen ist, von welchen tatbestandlichen Voraussetzungen ein Anspruch abhängt und zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
12Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2012
13- 6 B 37.11 -, juris, m. w. N.
14Die Klägerin trägt nichts Stichhaltiges vor, das für die von ihr favorisierte zeitliche Verschiebung sprechen könnte. Ihr Argument der unterschiedlichen Laufzeiten von Banküberweisungen, die zu „zufälligen und damit willkürlichen Ergebnissen“ führen könnten, überzeugt schon deshalb nicht, weil sich die Frage der Vorhersehbarkeit des genauen Zeitpunkts des Zahlungseingangs im bargeldlosen Zahlungsverkehr in gleicher Weise stellen würde, wenn die Ausgliederung des zweckbestimmten Vermögensteils spätestens bis zur mündlichen Verhandlung zu erfolgen hätte.
15Davon abgesehen liegt es im Wesen einer Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, dass sie sich nicht aus Umständen ergeben kann, die erst nach Ablauf des Leistungszeitraums, für den der Vermögenseinsatz zu prüfen war, entstanden sind. Denn wenn der Einsatzpflicht nur das „verwertbare“ Vermögen unterliegt (vgl. § 90 Abs. 1 SGB XII) und die Verwertbarkeit auch davon abhängen kann, ob der Hilfeempfänger in der Lage ist, über bestimmte Mittel rechtzeitig zur Bedarfszeit zu verfügen,
16vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003
17- 5 C 84.02 -, NJW 2004, 2914, juris,
18erschließt sich schon hieraus, dass der Einsatz von Vermögen mit der jeweiligen akuten Bedarfslage korreliert und es daher - auch für die nachgelagerte Ebene der Härteprüfung - nicht auf Gegebenheiten ankommt, die sich erst im Anschluss an eine bestimmte Phase der Bedarfsdeckung entwickelt haben.
19Der Zulassungsantrag zeigt auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie im betreffenden Berufungsverfahren eine klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
20Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 126 ff., § 124 a Rn. 211 ff.
21Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag ersichtlich nicht. Es fehlt schon an der Formulierung einer konkreten klärungsbedürftigen Rechts- oder Tatsachenfrage, die sich allein aus dem pauschalen Hinweis auf die „Frage der Verschonung von Bestattungsvorsorgeverträgen“ nicht ergibt.
22Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
23Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist damit rechtskräftig, vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.

Annotations
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, - 2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden, - 3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, - 4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, - 6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, - 7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, - 8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, - 9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.