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I. Das am 1992 in Stuttgart geborene Kind wurde im Geburtenbuch der Stadt Stuttgart als Tochter der Eheleute H. (Beteiligte Ziff. 1) und Z. Y. (Beteiligter Ziff. 3) eingetragen. Deren am 1990 in B. in der Türkei geschlossene Ehe wurde 1993 auch dort geschieden.
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Am 1994 heiratete die Beteiligte Ziff. 1 beim türkischen Generalkonsulat in Stuttgart den Beteiligten Ziff. 2. Dieser anerkannte am 1997 die Vaterschaft zu der Betroffenen. Unter demselben Datum beantragte die Beteiligte Ziff. 1 unter Bezugnahme auf die Anerkennung der Vaterschaft die Berichtigung des Geburtseintrags des Kindes dahingehend, dass als dessen Vater ihr jetziger Ehemann, der Beteiligte Ziff. 2, eingetragen werde.
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Sie nahm dabei Bezug auf ein Urteil des Amtsgerichts B./Türkei vom 30.12.1996, wonach einer Klage des Beteiligten Ziff. 2 auf Entscheidung über die Vaterschaft stattgegeben und die standesamtliche Eintragung des am 22.10.1992 geborenen Kindes G. auf Register ... in B.-O. für nicht gültig erklärt wurde. Zugleich wurde angeordnet, dass das Kind mit dem Vor- und Zunamen G. E. als Tochter des M. und der H. in das Standesregister: ... des M. E. in C. im Kreis M.-E. C. standesamtlich einzutragen sei.
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Das Standesamt, das Zweifel hat, ob in dem Urteil des Amtsgerichts B. eine „Ehelichkeitsanfechtung“ zu sehen ist, hat die Sache gemäß § 45 Abs. 2 PStG über das Rechtsamt der Stadt Stuttgart dem Amtsgericht Stuttgart vorgelegt zur Entscheidung, ob dem Geburtseintrag des Kindes ein Randvermerk über Anfechtung der Ehelichkeit beigeschrieben werden könne oder ob der Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen sei, dass die Personalien des Beteiligten Ziff. 3 unbeachtlich seien.
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Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 11.02.1998 festgestellt, dass der Standesbeamte nicht anzuweisen sei, einen Randvermerk über den Inhalt des Urteils des Amtsgerichts B./Türkei vom 30.12.1996 zum Geburtseintrag des Kindes G. Y. des Standesamts Stuttgart Nr. ... beizuschreiben.
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Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 31.10.2002 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 03.12.2003 zurückgewiesen hat. Wie das Amtsgericht ist es der Ansicht, dass das Urteil des türkischen Amtsgerichts vom 30.12.1996 keinen (ausreichenden) anerkennungsfähigen Inhalt i. S. d. § 16 a FGG in Bezug auf die materiell-rechtliche Frage der Vaterschaft enthalte. Vielmehr seien damit lediglich eine Entscheidung über die Berichtigung der türkischen standesamtlichen Eintragungen getroffen und Anweisungen für den türkischen Standesbeamten ausgesprochen worden.
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Hiergegen wendet sich die Beteiligte Ziff. 1 mit der weiteren Beschwerde. Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts entspreche die Entscheidung des Amtsgerichts B. den materiell-rechtlichen Anforderungen für die Anfechtung einer Vaterschaft und sei deshalb anerkennungsfähig. Ein weiteres Verfahren zur Klärung der Abstammung der Betroffenen werde in der Türkei nicht mehr durchgeführt, da der Personenstand des Kindes dort durch das Urteil vom 30.12.1996 als geklärt gelte.
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Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei hatte dem Standesamt Stuttgart mit Schreiben vom 30.07.1997 mitgeteilt, dass eine telefonische Nachfrage beim zuständigen Personenstandsamt ergeben habe, dass das Kind G. inzwischen als Tochter des M. und der H. E. im dortigen Register eingetragen sei. Mit dieser Berichtigung der Register sei für die türkischen Behörden die Abstammung der G. als eheliches Kind der o. g. Eheleute festgestellt. Weiterer Verfahren bedürfe es nicht.
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Die übrigen Beteiligten haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert. Der Versuch, dem Beteiligten Ziff. 3 die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zum vorliegenden Verfahren zu geben, blieb ohne Erfolg, da sein derzeitiger Aufenthalt nicht festgestellt werden konnte.
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II. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 48 PStG i. V. m. §§ 27, 29 FGG) und in der Sache erfolgreich. Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Urteil des türkischen Amtsgerichts in B. vom 30.12.1996 nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Einträgen in Personenstandsbüchern vom 10.09.1964 (i. V. m. dem Zustimmungsgesetz v. 3.2.1969, BGBl II, 445) fällt. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil Entscheidungen, die - wie hier - den Personenstand betreffen, von dem Abkommen ausdrücklich ausgenommen sind.
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2. Zutreffend ist auch, dass eine Berichtigung nach § 47 PStG nicht in Betracht kommt, da die Eintragung zunächst den rechtlichen Verhältnissen sowohl nach deutschem wie nach türkischem Recht entsprach, die beide die Ehelichkeitsvermutung für das während der Ehe geborene Kind kennen (zum Zeitpunkt der Geburt der Betroffenen galten Art. 241 türk. ZGB a. F.; § 1591 BGB a. F.); an der Ehelichkeitsvermutung hat sich auch in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung des ZGB und nach den Änderungen des BGB durch das Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.1997 grundsätzlich nichts geändert.
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3. Zu beanstanden ist jedoch, dass das Landgericht die Beischreibung des türkischen Urteils vom 30.12.1996 im Geburtenregister zum Geburtseintrag der Betroffenen mit der Begründung abgelehnt hat, dass dieses Urteil „keinen (ausreichenden) anerkennungsfähigen Inhalt i. S. d. § 16 a FGG in Bezug auf die materiell-rechtliche Frage der Vaterschaft“ enthalte.
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a) Richtig ist vielmehr, dass das Urteil nicht lediglich einen spezifisch registerrechtlichen Gehalt hat, sondern in seinen Wirkungen über das hinausgeht, was im Tenor des Urteils formal ausgesprochen wird: die „Nichtgültig“-Erklärung der bisherigen standesamtlichen Eintragung des Kindes (im Standesregister des vermuteten Vaters Z. Y.) und die (nach Auskunft der deutschen Botschaft zwischenzeitlich vollzogene) Anordnung, dass die Betroffene „mit ihrem Vor- und Zunamen“ G. E. als Tochter des M. und der H. in das Standesregister: .. des M. E. in C. im Kreis M.-E. C. standesamtlich eingetragen“ wird. Das Urteil enthält darüber hinaus - wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen - die Feststellung, dass die Betroffene ein eheliches Kind des M. und der H. E. ist, womit implizit zugleich die Feststellung getroffen ist, dass die Betroffene nicht das Kind des ersten Ehemannes, also des Beteiligten Ziff. 3 ist (s. hierzu auch Henrich, StAZ 1994, 173, 175 ff.).
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Die türkische Entscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach Art. 292 des türkischen ZGB a. F. ein Ehebruchskind der Mutter nicht anerkannt und die Ehelichkeit nach Art. 242 ZGB a. F. nur durch den Ehemann - binnen einer Frist von einem Monat von dem Tag an, an dem er die Geburt erfahren hat - angefochten werden konnte (durch Art. 286 ZGB n. F. wurde nunmehr neben dem Klagerecht des vermuteten Vaters auch ein solches des Kindes eingeführt). Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden in der Türkei immer wieder Amnestiegesetze erlassen, die vorrangig zum Ziel hatten, die zahlreichen irregulären Verbindungen von Mann und Frau durch die sog. Imam-Ehen zu legalisieren. Ein solches Gesetz über die Registrierung von außerehelichen Verbindungen als Ehen und von nichtehelich geborenen Kinder als eheliche Kinder trat am 16.05.1991 in Kraft und hatte Geltung bis 16.05.1996. In Art. 4 dieses Gesetzes heißt es u. a.
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aufgrund dieses Gesetzes werden/wird ...
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die Abstammung der Kinder, die aus der Verbindung einer verheirateten Frau und eines Mannes, die wie Eheleute zusammenleben, hervorgegangen sind, wie die von den Kindern, deren Abstammung vom Vater angefochten wurde, im Verhältnis zum leiblichen Vater richtiggestellt. Für die Eintragung ist jedoch erforderlich, dass die Ehe der Mutter durch Scheidung beendet und im Scheidungsurteil offenkundig festgestellt wurde, dass das Kind nicht vom Ehemann abstammt oder dass aus der Ehe keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen sind oder ein Kind darf nicht unter den im Scheidungsurteil genannten gemeinsamen Kindern aufgeführt sein.
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Zwar wird der vorliegende Fall nicht unmittelbar von dem Amnestiegesetz erfasst, da die Betroffene nicht „bis zu 300 Tagen seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes“ (Art. 2 des Amnestiegesetzes), also bis zum 13.03.1992 geboren wurde, sondern erst am 22.10.1992. Das Urteil vom 30.12.1996 führt aber alle Kriterien auf, die nach Art. 4 des Amnestiegesetzes zu erfüllen wären, um ein außereheliches Kind dem Mann zuzuordnen, mit dem die Mutter jetzt zusammenlebt. Das Gericht wollte also erkennbar auf der Grundlage dieses Gesetzes entscheiden. Ob es dabei das türkische Recht richtig angewendet hat, ist durch ein deutsches Gericht nicht zu überprüfen.
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b) Es verstößt dabei nicht gegen den deutschen ordre public, dass die implizit getroffene Feststellung - kein Kind des ersten Ehemannes - nach dem bis 1997 geltenden deutschen Recht ein Ehelichkeitsanfechtungsverfahren vorausgesetzt hätte. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Anerkennung einer Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die ausländische Entscheidung getroffen worden ist, sondern es ist darauf abzustellen, wann über die Anerkennung zu befinden ist (BGH FamRZ 1989,378 = MDR 1989,526 = NJW 1989,2197 = StAZ 1989,342). Auch nach den zwischenzeitlich durch das Kindschaftsreformgesetz erfolgten Änderungen ist eine Ehelichkeitsanfechtung nicht mehr zwingend erforderlich (§ 1599 Abs. 2 BGB).
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c) Die Feststellungen zur Vaterschaft des zweiten Ehemannes der Mutter hat das türkische Gericht nicht - wie üblicherweise in einem deutschen Vaterschaftsanfechtungs- oder Feststellungsverfahren - durch Einholung eines serologischen Gutachtens, sondern durch die Vernehmung von Zeugen gewonnen. Auch hierin ist jedoch kein der Anerkennung dieses Urteils entgegenstehender Verstoß gegen den deutschen ordre public zu sehen. Es ist Sache des entscheidenden Gerichts, durch welche Beweismittel es sich die Überzeugung von der Richtigkeit entscheidungserheblicher Tatsachen verschafft, wenn dies nicht durch unlautere Mittel geschieht.
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Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.02.1984 (BGHZ 90, 129 = NJW 1984, 1299 = FamRZ 1984, 576 = Rpfleger 1984, 269 = MDR 1984, 563 = StAZ 1984, 194 zum italienischen Recht) entschieden hat, wird der deutsche ordre public nicht verletzt, wenn in einer fremden Rechtsordnung die Widerlegung der Ehelichkeitsvermutung auf andere Weise als durch Anfechtung der Ehelichkeit zugelassen wird. Wie Henrich (a.a.O.) zu Recht ausgeführt hat, gehört es zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, dem Kind die Feststellung seiner Abstammung von seinem Vater zu erleichtern, weswegen auf der einen Seite der ordre public-Einwand nahe liegt, wenn ausländisches Recht diese Feststellung aus Gründen, die uns nicht mehr überzeugen, erschwert, man aber auf der anderen Seite nicht kleinlich sein sollte, wenn das ausländische Recht bei der Feststellung der Abstammung großzügiger verfährt, als das deutsche Recht. Dem hat im Übrigen auch das Kindschaftsreformgesetz mit zahlreichen - erleichternden - Änderungen zur Feststellung der tatsächlichen Vaterschaft Rechnung getragen.
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Die - implizite - Feststellung, dass die für die Vaterschaft des ersten Ehemannes sprechende Vermutung widerlegt ist, wirkt gegenüber jedermann und ist darum auch eintragungsfähig. Das Standesamt war deshalb unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Vornahme der Beischreibung wie im Tenor ausgeführt, anzuweisen.
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4. Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu der vom Landgericht zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (FamRZ 1997, 1480). Es handelt sich nicht um einen vergleichbaren Fall. Dort ging es im Rahmen eines Berichtigungsverfahrens gem. § 47 PStG um die Frage, ob eine türkische Berichtigungsentscheidung zum Geburtsdatum zur Widerlegung der Vermutung des § 60 PStG für die Richtigkeit der deutschen Eintragung ausreichend war, was vom Oberlandesgericht Düsseldorf verneint wurde.
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5. Dass der Beteiligte Ziff. 3 im vorliegenden Verfahren nicht angehört werden konnte, da sein derzeitiger Aufenthalt nicht bekannt ist, steht der Entscheidung nicht entgegen. Es handelt sich hier nur um die formale Umsetzung der in der Türkei unter seiner Beteiligung getroffenen materiellrechtliche Entscheidung.
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III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerdegegnerin in zwei Instanzen und die Problematik des vorliegenden Falles entspricht es nicht der Billigkeit, eine Kostenerstattung anzuordnen (§ 13 a Abs. 1 S. 1 FGG).
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