Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 31. März 2006 - 8 W 132/06

bei uns veröffentlicht am31.03.2006

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 16.01.2006

a u f g e h o b e n.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Seit 12.09.2001 ruht das Hauptverfahren. Die Akten wurden am 13.3.2002 weggelegt. Nach Wiederaufnahme des Prozesskostenhilfeverfahrens wurde mit Beschlüssen des Landgerichts Stuttgart vom 9.11.2004 und 5.01.2005 der Klägerin für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Mit Schreiben der Rechtspflegerin vom 28.11.2005 wurde die Klägerin um Auskünfte zu ihren aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gebeten und auf die Möglichkeit der Anordnung einer Nachzahlungsverpflichtung u.a. bei Nichtvorlage der geforderten Erklärung hingewiesen.
Nachdem hierauf keine Reaktion der Klägerin erfolgte, wurde die bewilligte Prozesskostenhilfe durch Beschluss der Rechtspflegerin vom 16.01.2006 aufgehoben und dieser Beschluss der Klägerin am 18.01.2006 zugestellt.
Dagegen wendet sich die vom Bevollmächtigten der Klägerin am 30.01.2006 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin. Die Klägerin habe bereits Auskünfte zu ihren aktuellen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse erteilt und werde dies nochmals tun.
Nachdem die angekündigten Auskünfte weiterhin nicht erteilt wurden, hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart am 24.03.2006 erklärt, der Beschwerde nicht abzuhelfen und hat die Akte dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet.
Gemäß § 124 Nr. 2 ZPO kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben wurde. Die vollständige Erklärung und die Vorlage von Belegen kann auch noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Die ist hier nicht geschehen.
Allerdings war die Klägerin zur Erteilung der gewünschten Auskünfte und zur Vorlage von Belegen nicht mehr verpflichtet. Gemäß § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO ist eine Änderung der bewilligten Prozesskostenhilfe zum Nachteil der Partei ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Eine sonstige Beendigung liegt auch vor, wenn das Verfahren nicht mehr weiter betrieben wird oder das Gericht das Ruhen des Verfahrens ausgesprochen hat (OLG Düsseldorf, Rpfleger 2001, 244; Zöller-Philippi, ZPO 25. Aufl. § 120 RN 26; Musielak-Fischer, ZPO 4. Aufl. § 120 RN 20; Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO 64. Aufl., § 120 RN 30; MüKo-Wax, ZPO 2. Aufl. § 120 RN 21). Beim Ruhen des Verfahrens ist die letzte Verfahrenshandlung und nicht die Anordnung des Weglegens der Akten entscheidend (MüKo-Wax, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Einleitung des Abänderungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO durch das Schreiben vom 28.11.2005 war die Frist von vier Jahren nach Beendigung des Hauptverfahrens am 12.09.2001 bereits abgeschlossen. Die Wiederaufnahme des Prozesskostenhilfeverfahrens unterbrach die Frist von vier Jahren nicht, weil § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO allein das Hauptverfahren betrifft, für das Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Solange das Hauptverfahren nicht wieder angerufen wird, ist deshalb eine Abänderung der bewilligten Prozesskostenhilfe zu Lasten der Klägerin ausgeschlossen. Da sie deshalb zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht verpflichtet war, durfte die bewilligte Prozesskostenhilfe nicht nach § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben werden. Der Beschluss des Landgerichts vom 16.01.2006 konnte deshalb keinen Bestand haben. Es verbleibt bei der ursprünglich angeordneten Prozesskostenhilfebewilligung.
10 
Gemäß Nr. 1811 KV/GKG ist das erfolgreiche Beschwerdeverfahren gerichtskostenfrei. Für die außergerichtlichen Kosten gilt § 127 Abs. 4 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 120 Festsetzung von Zahlungen


(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Be

Zivilprozessordnung - ZPO | § 124 Aufhebung der Bewilligung


(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn 1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;2. die Partei ab

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(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn

1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn

1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.