Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 16. Juni 2008 - 7 AR 5/08

bei uns veröffentlicht am16.06.2008

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Tübingen bestimmt.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer im März 2008 bei Gericht eingegangenen und auch zugestellten Klage von der Beklagten die Feststellung ihrer Leistungsberechtigung aus einer Unfallversicherung.
Das Landgericht Ravensburg erklärte sich - nach Anhörung der Parteien - durch Beschluss vom 14.04.2008 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Tübingen, wo die Klägerin ihren Wohnsitz hat. Das Landgericht Tübingen erklärte sich später ebenfalls für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Ravensburg zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des LG Ravensburg sei wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht bindend. Das LG Ravensburg sei gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG i.V.m. § 48 VVG a.F. (Sitz des Vermittlers) zuständig gewesen. Die Vorschrift des § 215 VVG n.F. gebe der Klägerin lediglich einen weiteren Gerichtsstand zur Wahl, wovon die Klägerin hier jedoch - durch ihre Klage in Ravensburg - keinen Gebrauch gemacht habe.
Durch Beschluss vom 08.05.2008 legte das Landgericht Ravensburg die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung über das zuständige Gericht vor.
II.
Das Landgericht Tübingen war als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Beide Landgerichte, von denen eines zuständig ist, haben sich jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt.  
Zuständig ist das LG Tübingen, da der vorausgegangene Verweisungsbeschluss des LG Ravensburg für dieses bindend geworden ist (§ 281 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Der vom LG Tübingen angenommene Ausnahmefall einer greifbaren Gesetzwidrigkeit des Verweisungsbeschlusses liegt noch nicht vor.
Zwar ist die vom LG Ravensburg angenommene Rechtsauffassung unzutreffend. Dem Wortlaut der maßgeblichen Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG zur Weitergeltung des alten VVG ist die vom LG Ravensburg gesehene Differenzierung nicht zu entnehmen. Rechtspolitische Überlegungen zur Zweckmäßigkeit vom Inhalt von Übergangsvorschriften verbieten sich im Hinblick auf die in der Übergangszeit erforderliche Rechtsklarheit.
Die im Vorlagebeschluss eingehend begründete abweichende Rechtsauffassung ist jedoch zumindest im ersten Anwendungsfall noch nicht als objektiv willkürlich zu beurteilen, zumal veröffentlichte Rechtsprechung hierzu bislang nicht ersichtlich ist. Deshalb ist die Bindungswirkung des Beschlusses des LG Ravensburg vom 14.04.2008 gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO noch hinzunehmen.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 16. Juni 2008 - 7 AR 5/08 zitiert 5 §§.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 215 Gerichtsstand


(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnliche

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 48 Versicherung für Rechnung „wen es angeht“


Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist dem Vertrag in sonstiger Weise zu entnehmen, dass unbestimmt bleiben soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, sind die §§ 43 bis 47 anzuwenden, wenn sich aus den Umstä

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Ist die Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ genommen oder ist dem Vertrag in sonstiger Weise zu entnehmen, dass unbestimmt bleiben soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, sind die §§ 43 bis 47 anzuwenden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass fremdes Interesse versichert ist.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.