Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12

bei uns veröffentlicht am02.07.2012

Gericht

Oberlandesgericht Stuttgart

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 28. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben,

und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tübingen zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 440,-- EUR sowie einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Betroffene am 01. November 2011 um 07.14 Uhr mit dem Pkw..., amtliches Kennzeichen ..., auf der B ... auf Gemarkung von ... in Fahrtrichtung ... gefahren ist. Dort überschritt er trotz der durch Verkehrszeichen ... angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h am Ende des vierspurigen Ausbaus der B ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 149 km/h. Bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene erkennen können und müssen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 80 km/h beschränkt war, und dass er diese zulässige Geschwindigkeit um 69 km/h überschritten hat.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zulässig eingelegten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Sie rügt mit der Sachrüge, dass das Amtsgericht nicht von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen ist.
II.
Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit das Amtsgericht ausführt, weswegen es lediglich von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen ist und sich keine Überzeugung vorsätzlicher Begehungsweise verschaffen konnte.
Zwar kann die Beweiswürdigung des Tatrichters vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt überprüft werden. Rechtsfehler sind jedoch dann festzustellen, wenn die Urteilsgründe unvollständig, unklar bzw. widersprüchlich sind oder in der Argumentation gegen Erfahrungssätze verstoßen wird oder nicht bestehende Beweisregeln aufgestellt oder behauptet werden. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zugunsten oder zu Ungunsten eines Betroffenen zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (s. zum Ganzen: u.a. BGH - 4. Strafsenat vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11).
Zutreffend geht das Amtsgericht zunächst davon aus, dass die festgestellte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um ungefähr 86 % grundsätzlich als äußerst gewichtiges Indiz für die Abgrenzung der Schuldform angesehen werden kann. Je höher sich nämlich die Abweichung der gefahrenen von der zulässigen Geschwindigkeit darstellt, um so mehr drängt sich eine vorsätzliche Tatbegehung auf.
Das Amtsgerichts meint aber zu Unrecht (UA S.5), die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes auch bei derart hohen prozentualen Geschwindigkeitsüberschreitungen erfordere quasi zwingend noch weitere Umstände. Dies stellt jedoch eine Überspannung der Anforderungen an die Überzeugungsbildung dar und ist somit rechtsfehlerhaft. Es ist vielmehr im Gegenteil bei derart hohen (relativen) Überschreitungen der zulässigen Geschwindigkeit in der Regel von vorsätzlichem Handeln auszugehen, die Annahme fahrlässiger Überschreitung ist dann näher zu begründen (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 3 StVO Rn. 56 m. w. N.) und nicht die vorsätzliche Begehungsweise (KG VRS 107, 213). Der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe (NStZ-RR 2006, 249) liegt insofern schon ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort eine Geschwindigkeitsüberschreitung von (nur) 48,5 % festgestellt wurde.
Die Beweiswürdigung leidet - ausgehend von der in ihrem Gewicht verkannten regelhaften Indizwirkung der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung - weiter darunter, dass die Angaben des Betroffenen, er sei „gedankenverloren und abwesend“ gewesen (UA S.5) - was dann vom Amtsgericht wohl so verstanden wurde, dass er gar nicht gemerkt/ realisiert habe, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt, nicht anhand einer umfassenden Gesamtwürdigung hinterfragt wurden. Gerade die von der Staatsanwaltschaft vermissten Feststellungen zu Bauart, Baujahr, technischer Ausstattung und Motorisierung des Fahrzeugs wären im Hinblick auf daraus möglicherweise abzuleitende Folgerungen für Fahrgeräusche und Fahrverhalten bei der Gesamtwürdigung, ob der Einlassung des Betroffenen gefolgt wird, bedeutsam gewesen. Die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft weisen weiter zu Recht darauf hin, dass das Urteil keine näheren und vor allem eindeutigen Feststellungen zur Beschilderung und zu dem - nach dem Urteil (UA S.5) vorhandenen - Geschwindigkeitstrichter enthalten. In welcher Entfernung die Schilder aufgestellt und welche Geschwindigkeitsbeschränkungen durch den Geschwindigkeitstrichter angeordnet waren, wird nicht mitgeteilt. Gerade die Kombination aus Missachten von mehreren vorangegangenen geschwindigkeitsbeschränkenden Schildern und dem Maß der Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit kann ein derart hohes Indiz für die Frage der Schuldform gewinnen, dass weitere Umstände nicht mehr erforderlich sind (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 215/ 216: „zwingend“ vorsätzliche Ordnungswidrigkeit).
Weiter setzt sich das Amtsgericht nicht damit auseinander, welche Relevanz in der Gesamtabwägung der Tatsache beizumessen ist, dass die Messstelle am Ende des vierspurigen Ausbaus der B ... war. Auch wird nicht dargestellt und in die Beweiswürdigung mit einbezogen, wie sich nach diesem autobahnähnlichen Ausbau die Strecken- und Straßenführung darstellt, und ob nicht auch aus diesem Grund, durchgreifende Bedenken angebracht sind, dass der Betroffene es lediglich aufgrund „unterbliebener Aufmerksamkeit“ übersehen habe, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Schließlich verkennt das Amtsgericht, soweit es sich damit auseinandersetzt, dass zahlreiche Umstände die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise des Betroffenen widerlegen, dass der Betroffene die Fahrtstrecke und die Messstelle kannte (UA S.5, 2. Absatz). Diese Feststellung wird dadurch untermauert, dass der Wohnsitz des Betroffenen in ... ist und er bei der Fahrt am 01. November 2011 auf der Rückfahrt von einem Freund (UA S.3, 2. Abs.) gewesen war. Daher können weder der autobahnähnliche Ausbau der B ... bis zum Bereich der Messstelle und die Tatsache, dass zuvor keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzung vorhanden gewesen und die Geschwindigkeit nicht reglementiert gewesen sein soll - was im Widerspruch zu dem an anderer Stelle erwähnten Geschwindigkeitstrichter steht -, noch dass die angrenzende Bebauung nicht auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung hindeute und Bebauung und Straßenart sowie Straßenverlauf dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht aufdrängen, den aus der Höhe der Überschreitung resultierenden starken Indizwert relativieren. Der Betroffene kannte die Strecke und war deshalb zusätzlich zur Beschilderung auf derartige Hinweise nicht angewiesen.
Schließlich gibt die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht zu erkennen, ob sie sich damit auseinandergesetzt hat, dass der Betroffene nicht zum ersten Mal straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, sondern nur wenige Zeit vor der hier maßgeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits zwei Mal wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen geahndet werden musste
10 
Die Sache bedarf daher neuerlicher tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hält es für sachgerecht, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen (Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 79 Rn.48)

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12 zitiert 2 §§.

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 3 Geschwindigkeit


(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften v

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 599/11

bei uns veröffentlicht am 26.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 599/11 vom 26. April 2012 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2012, an der teilgenommen haben:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juli 2012 - 4a Ss 380/12.

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 26. Aug. 2014 - 4 Ss 225/14

bei uns veröffentlicht am 26.08.2014

Tenor Der 4. Senat für Bußgeldsachen hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen am 26. August 2014 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 13. De

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 599/11
vom
26. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Vom Vorwurf, einen weiteren Raubüberfall begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensbeschwerden gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch. Der Angeklagte wendet sich mit seinem die Verletzung materiellen Rechts geltend machenden Rechtsmittel gegen die Verurteilung.
2
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.

I.


3
Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen schloss sich der Angeklagte in Weißrussland einer um H. bestehenden Bande an, die sich mit der Planung, Organisation und Durchführung von Banküberfällen in Deutschland befasste. Zur Begehung der Überfälle auf die von H. ausgewählten Banken reisten die Täter aus Weißrussland nach Deutschland und hielten sich nur für kurze Zeit im Inland auf. Der Angeklagte unterwarf sich den Regeln der Bande und ließ sich Ende September 2010 nach Deutschland schleusen. Am 1. und 12. Oktober 2010 beging er in K. und M. gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten R. jeweils unter Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole zwei Banküberfälle, bei welchen 13.445 Euro und 24.950 Euro erbeutet wurden. Im Anschluss an die Tat am 12. Oktober 2010 in M. wurden der Angeklagte und sein Tatgenosse in der Nähe des Tatorts mit dem erbeuteten Bargeld festgenommen.
4
Hinsichtlich des Vorwurfs, am 15. Mai 2009 in L. zusammen mit einem Anderen eine Filiale der Sparkasse überfallen zu haben, ist das Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
5
Von dem weiteren in der Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 14. Januar 2011 erhobenen Vorwurf, am 22. Mai 2009 mit einem Tatgenossen einen Überfall auf eine Sparkasse in W. - verübt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach Auffassung der Strafkammer ist dem Angeklagten eine Beteiligung an dieser Tat nicht nachzuweisen, obwohl die bei dem Überfall am 22. Mai 2009 von der Überwachungskamera gefertigten Lichtbilder nach dem Ergebnis eines morphologischen Vergleichsgutachtens als einen der Täter mit Wahrscheinlichkeit den Angeklagten zeigen und an einem weißen Kapuzenpullover, den einer der Täter bei dem in L. am 15. Mai 2009 – sieben Tage vor der angeklagten Tat – verübten Überfall getragen hatte, u.a. eine DNA-Spur gesichert werden konnte, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 10 Milliarden dem Angeklagten als Spurenverursacher zugeordnet werden kann.

II.


6
Revision der Staatsanwaltschaft
7
Der Teilfreispruch hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Ausführungen der Strafkammer zur Begründung des Freispruchs entsprechen nicht den formellen Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind. Zudem begegnen der Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifende rechtliche Bedenken.
8
1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter grundsätzlich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung bezeichnen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung dartut, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch notwendigen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechts- fehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793; vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). Diesen Anforderungen wird das an- gefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen jegliche Darstellung des festgestellten Tatgeschehens vermissen. Es bleibt daher offen, welche Erkenntnisse zur Identität der Täter des am 22. Mai 2009 verübten Überfalls die Strafkammer hat gewinnen können. Die Ausführungen zur Beweiswürdigung lassen lediglich erkennen, dass der Angeklagte auf den während des Überfalls aufgenommenen Lichtbildern der Überwachungskamera seinen Nachbarn in Weißrussland L. als einen der Täter identifiziert hat und der Zeuge B. in einem gesondert geführten Verfahren vom Vorwurf der Beteiligung an diesem Überfall rechtskräftig freigesprochen worden ist. Auf dieser Grundlage ist es dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob die Annahme der Strafkammer, eine Täterschaft des Angeklagten sei nicht nachzuweisen, auf einer den entscheidungserheblichen Sachverhalt ausschöpfenden Beweiswürdigung beruht.
9
2. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08 aaO). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
Dem wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Bewertung der Einlassung des Angeklagten beruht auf einer unvollständigen Würdigung. Das Landgericht hat der Einlassung des Angeklagten weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den weiteren Beweisergebnissen eine für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Beweisbedeutung beigemessen, weil sie widersprüchlich und im Ergebnis unverständlich geblieben sei. Dabei hat es die Strafkammer versäumt, sich mit dem Inhalt der Angaben des Angeklagten im Einzelnen näher auseinanderzusetzen, die sich daraus ergebenden Widersprüche zu bewerten und auf dieser Grundlage zu prüfen, ob nicht Teile der Angaben gegebenenfalls in Verbindung mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme geeignet erscheinen, den Angeklagten im Sinne des Anklagevorwurfes zu belasten. So wäre zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte die Tat am 22. Mai 2009 in W. – neben dem Überfall am 15. Mai 2009 und einem weiteren Banküberfall in H. – nicht nur pauschal eingeräumt, sondern sich selbst auf den während des Überfalls gefertigten Lichtbildern der Überwachungskamera als einen der Täter wiedererkannt hat, was mit der gleichzeitigen Behauptung, aber nicht „da gewesen“ zu sein, offenkundig nicht zu vereinbaren ist. Auch weist das Urteil auf einen Banküberfall in H. hin; dessen Tatzeit (28. Mai 2009) wäre mit der Einlassung, im Jahr 2009 nicht in Deutschland gewesen zu sein, unvereinbar. Die Angaben des Angeklagten zum eigenen Wiedererkennen hätten schließlich in die Würdigung des morphologischen Vergleichsgutachtens mit einbezogen werden und Anlass für die Erwägung geben müssen, ob das Ergebnis des Gutachtens und die Angaben des Angeklagten in einer Gesamtschau eine hinreichend sichere Identifizierung des Angeklagten ermöglichen.
12
b) Die Überlegungen der Strafkammer, mit welchen sie der dem Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzuordnenden DNA-Spur auf dem nach der Tat in L. am 15. Mai 2009 sichergestellten Kapuzenpullover jeglichen Indizwert für eine Täterschaft des Angeklagten abgesprochen hat, sind ebenfalls lückenhaft. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe zum damaligen Zeitpunkt in einer Grenzstadt gelebt, viele Freunde gehabt , die nach Deutschland gefahren seien, und mit diesen eigentlich regelmäßig Kleidungsstücke – darunter auch einen solchen Kapuzenpullover – getauscht , als unwiderlegt angesehen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung hat es nicht festgestellt. Die Einlassung wird entgegen der Ansicht der Strafkammer auch nicht durch die im Urteil wiedergegebene Aussage des Zeugen S. bestätigt. Denn die Bekundungendes Zeugen, wonach die bei den Überfällen von den Tätern getrageneBekleidung jeweils von H. besorgt worden sei, lässt sich mit den Angaben des Angeklagten, mit nach Deutschland reisenden Freunden regelmäßig Kleidungsstücke ausgetauscht zu haben, in tatsächlicher Hinsicht ohne ergänzende , von der Strafkammer nicht vorgenommenen Erläuterungen nicht in Einklang bringen. Die Aussagen des Zeugen S. lässt zudem gerade die Möglichkeit offen, dass der Kapuzenpullover dem Angeklagten durch H. vor dem Überfall zur Verfügung gestellt und vom Angeklagten bei Begehung der Tat getragen wurde. Auch dies hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.

III.


13
Revision des Angeklagten
14
Die Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.