Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 599/11

bei uns veröffentlicht am26.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 599/11
vom
26. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Vom Vorwurf, einen weiteren Raubüberfall begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensbeschwerden gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch. Der Angeklagte wendet sich mit seinem die Verletzung materiellen Rechts geltend machenden Rechtsmittel gegen die Verurteilung.
2
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht bedarf. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.

I.


3
Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen schloss sich der Angeklagte in Weißrussland einer um H. bestehenden Bande an, die sich mit der Planung, Organisation und Durchführung von Banküberfällen in Deutschland befasste. Zur Begehung der Überfälle auf die von H. ausgewählten Banken reisten die Täter aus Weißrussland nach Deutschland und hielten sich nur für kurze Zeit im Inland auf. Der Angeklagte unterwarf sich den Regeln der Bande und ließ sich Ende September 2010 nach Deutschland schleusen. Am 1. und 12. Oktober 2010 beging er in K. und M. gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten R. jeweils unter Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole zwei Banküberfälle, bei welchen 13.445 Euro und 24.950 Euro erbeutet wurden. Im Anschluss an die Tat am 12. Oktober 2010 in M. wurden der Angeklagte und sein Tatgenosse in der Nähe des Tatorts mit dem erbeuteten Bargeld festgenommen.
4
Hinsichtlich des Vorwurfs, am 15. Mai 2009 in L. zusammen mit einem Anderen eine Filiale der Sparkasse überfallen zu haben, ist das Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
5
Von dem weiteren in der Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 14. Januar 2011 erhobenen Vorwurf, am 22. Mai 2009 mit einem Tatgenossen einen Überfall auf eine Sparkasse in W. - verübt zu haben, hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach Auffassung der Strafkammer ist dem Angeklagten eine Beteiligung an dieser Tat nicht nachzuweisen, obwohl die bei dem Überfall am 22. Mai 2009 von der Überwachungskamera gefertigten Lichtbilder nach dem Ergebnis eines morphologischen Vergleichsgutachtens als einen der Täter mit Wahrscheinlichkeit den Angeklagten zeigen und an einem weißen Kapuzenpullover, den einer der Täter bei dem in L. am 15. Mai 2009 – sieben Tage vor der angeklagten Tat – verübten Überfall getragen hatte, u.a. eine DNA-Spur gesichert werden konnte, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 10 Milliarden dem Angeklagten als Spurenverursacher zugeordnet werden kann.

II.


6
Revision der Staatsanwaltschaft
7
Der Teilfreispruch hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Ausführungen der Strafkammer zur Begründung des Freispruchs entsprechen nicht den formellen Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind. Zudem begegnen der Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifende rechtliche Bedenken.
8
1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter grundsätzlich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung bezeichnen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung dartut, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch notwendigen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechts- fehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, NStZ-RR 2011, 275, 276; vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793; vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207). Diesen Anforderungen wird das an- gefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe lassen jegliche Darstellung des festgestellten Tatgeschehens vermissen. Es bleibt daher offen, welche Erkenntnisse zur Identität der Täter des am 22. Mai 2009 verübten Überfalls die Strafkammer hat gewinnen können. Die Ausführungen zur Beweiswürdigung lassen lediglich erkennen, dass der Angeklagte auf den während des Überfalls aufgenommenen Lichtbildern der Überwachungskamera seinen Nachbarn in Weißrussland L. als einen der Täter identifiziert hat und der Zeuge B. in einem gesondert geführten Verfahren vom Vorwurf der Beteiligung an diesem Überfall rechtskräftig freigesprochen worden ist. Auf dieser Grundlage ist es dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob die Annahme der Strafkammer, eine Täterschaft des Angeklagten sei nicht nachzuweisen, auf einer den entscheidungserheblichen Sachverhalt ausschöpfenden Beweiswürdigung beruht.
9
2. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08 aaO). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
Dem wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Bewertung der Einlassung des Angeklagten beruht auf einer unvollständigen Würdigung. Das Landgericht hat der Einlassung des Angeklagten weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den weiteren Beweisergebnissen eine für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Beweisbedeutung beigemessen, weil sie widersprüchlich und im Ergebnis unverständlich geblieben sei. Dabei hat es die Strafkammer versäumt, sich mit dem Inhalt der Angaben des Angeklagten im Einzelnen näher auseinanderzusetzen, die sich daraus ergebenden Widersprüche zu bewerten und auf dieser Grundlage zu prüfen, ob nicht Teile der Angaben gegebenenfalls in Verbindung mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme geeignet erscheinen, den Angeklagten im Sinne des Anklagevorwurfes zu belasten. So wäre zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte die Tat am 22. Mai 2009 in W. – neben dem Überfall am 15. Mai 2009 und einem weiteren Banküberfall in H. – nicht nur pauschal eingeräumt, sondern sich selbst auf den während des Überfalls gefertigten Lichtbildern der Überwachungskamera als einen der Täter wiedererkannt hat, was mit der gleichzeitigen Behauptung, aber nicht „da gewesen“ zu sein, offenkundig nicht zu vereinbaren ist. Auch weist das Urteil auf einen Banküberfall in H. hin; dessen Tatzeit (28. Mai 2009) wäre mit der Einlassung, im Jahr 2009 nicht in Deutschland gewesen zu sein, unvereinbar. Die Angaben des Angeklagten zum eigenen Wiedererkennen hätten schließlich in die Würdigung des morphologischen Vergleichsgutachtens mit einbezogen werden und Anlass für die Erwägung geben müssen, ob das Ergebnis des Gutachtens und die Angaben des Angeklagten in einer Gesamtschau eine hinreichend sichere Identifizierung des Angeklagten ermöglichen.
12
b) Die Überlegungen der Strafkammer, mit welchen sie der dem Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit zuzuordnenden DNA-Spur auf dem nach der Tat in L. am 15. Mai 2009 sichergestellten Kapuzenpullover jeglichen Indizwert für eine Täterschaft des Angeklagten abgesprochen hat, sind ebenfalls lückenhaft. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe zum damaligen Zeitpunkt in einer Grenzstadt gelebt, viele Freunde gehabt , die nach Deutschland gefahren seien, und mit diesen eigentlich regelmäßig Kleidungsstücke – darunter auch einen solchen Kapuzenpullover – getauscht , als unwiderlegt angesehen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung hat es nicht festgestellt. Die Einlassung wird entgegen der Ansicht der Strafkammer auch nicht durch die im Urteil wiedergegebene Aussage des Zeugen S. bestätigt. Denn die Bekundungendes Zeugen, wonach die bei den Überfällen von den Tätern getrageneBekleidung jeweils von H. besorgt worden sei, lässt sich mit den Angaben des Angeklagten, mit nach Deutschland reisenden Freunden regelmäßig Kleidungsstücke ausgetauscht zu haben, in tatsächlicher Hinsicht ohne ergänzende , von der Strafkammer nicht vorgenommenen Erläuterungen nicht in Einklang bringen. Die Aussagen des Zeugen S. lässt zudem gerade die Möglichkeit offen, dass der Kapuzenpullover dem Angeklagten durch H. vor dem Überfall zur Verfügung gestellt und vom Angeklagten bei Begehung der Tat getragen wurde. Auch dies hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.

III.


13
Revision des Angeklagten
14
Die Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 487/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. Mai 2010, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Vom Vorwurf einer weiteren versuchten Vergewaltigung hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision, die, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, vom Generalbundesanwalt vertreten wird, greift die Staatsanwaltschaft den Freispruch an und rügt zum Schuldspruch, dass die Strafkammer die Voraussetzungen der Qualifikationstatbestände des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB und § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verneint und den Angeklagten nicht auch wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ver- urteilt hat. Der Angeklagte wendet sich mit seinem die Verletzung materiellen Rechts geltend machenden Rechtsmittel gegen die Verurteilung.
2
Während die Revision des Angeklagten in vollem Umfang Erfolg hat, ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nur insoweit begründet, als es sich gegen die der Verurteilung zu Grunde liegende rechtliche Würdigung des Landgerichts richtet.

I.


3
1. Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen suchte die Geschädigte, die als Sozialarbeiterin für die praktische Betreuung des - unter epileptischen Krampfanfällen leidenden und eine leichte Intelligenzminderung aufweisenden - Angeklagten bei der Organisation seines Alltags zuständig war, am 23. April 2009 gegen 14.00 Uhr den Angeklagten in seiner Wohnung auf. Anders als bei früheren Besuchen, bei denen sie zumeist von einem anderen Betreuten begleitet worden war, kam die Geschädigte allein in die Wohnung, wo sie vom Angeklagten erwartet und freundlich begrüßt wurde. Im Verlaufe des sich anschließenden Gesprächs stand der Angeklagte von seinem Platz auf der Eckcouch, auf der er der Geschädigten gegenüber gesessen hatte, auf, griff nach einer Flasche Selters, die hinter dem Sitzplatz der Geschädigten stand, und trank einen Schluck aus der Flasche, während die Geschädigte sich nach vorne beugte, um etwas in ihrer Tasche zu suchen.
4
Spätestens zu diesem Zeitpunkt fasste der Angeklagte den Plan, die Anwesenheit der Geschädigten für ein sexuelles Erlebnis zu nutzen, wobei er ihren möglichen Widerstand von vornherein unterbinden und sie zwingen wollte, sich seinen noch nicht näher definierten sexuellen Wünschen zu fügen. Hierzu langte er zu einer ebenfalls hinter dem Sitzplatz der Geschädigten stehenden Flasche eines Haushaltsreinigers, der bei Haut- oder Augenkontakt zu Reizungen oder Entzündungen führen kann, im Übrigen aber nicht als umwelt- oder gesundheitsschädlich eingestuft ist. Seitlich hinter der Geschädigten stehend gab der Angeklagte ohne Vorwarnung einen Sprühstoß des Reinigungsmittels aus der Sprühflasche in Richtung der Gesichts- und Augenpartie der Geschädigten ab, um sie auf diese Weise vorübergehend zu blenden und ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich wirksam gegen seinen beabsichtigten Zugriff zur Wehr zu setzen. Tatsächlich traf der Sprühstoß die rechte Gesichtshälfte und das rechte Auge der Geschädigten, die einer weiteren Beeinträchtigung dadurch entgehen konnte, dass sie ihr Gesicht reflexartig zur Seite drehte. Die völlig überraschte Geschädigte verspürte ein Brennen im rechten Auge und erschrak heftig. Der Angeklagte ließ die Flasche fallen und griff von hinten um die Geschädigte herum, um ihr Mund und Nase zuzuhalten. Mit beiden Armen drückte er zudem ihren nach vorne gebeugten Oberkörper zurück in den Sitz und forderte sie wiederholt auf, ruhig zu bleiben. Als die Geschädigte den Anschein erweckte, sich nicht wehren zu wollen, hielt der Angeklagte die Zeit für gekommen , sie in Richtung des an der anderen Wand befindlichen Bettes zu ziehen. Er forderte sie auf, aufzustehen und mitzukommen. Als die Geschädigte bemerkte , dass der Angeklagte sie nicht aus der Wohnung werfen wollte, sondern sie in Richtung seines Bettes zerrte, begann sie sich zu wehren und den Angeklagten von sich zu drücken. Der Angeklagte forderte sie auf, still zu sein, drückte sie zurück gegen die Rückenlehne der Couchgarnitur und versuchte, um ihren Widerstand zu unterbinden und sie insbesondere am Schreien zu hindern , ihren Mund mit einem Stück Stoff zu verstopfen, was an der Gegenwehr der Geschädigten scheiterte. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung gelang es der Geschädigten schließlich trotz der Bemühungen des Angeklagten, sich ihrer zu bemächtigen, die Wohnungstür zu öffnen und mehrmals laut um Hilfe zu rufen. Der Angeklagte, der erwartete, dass die Hilferufe gehört und beachtet würden, sah seinen Plan, doch noch die Oberhand über die Geschädigte zu gewinnen und sie zu sexuellen Handlungen nötigen zu können, als gescheitert an. Er ließ nunmehr von der Geschädigten ab, die daraufhin die Wohnung verließ.
5
Die Geschädigte erlitt Hämatome an den Oberarmen, eine Prellung am Lendenwirbel und eine vorübergehende Reizung des rechten Auges ohne Beeinträchtigung der Sehkraft. Nach der Tat rief der Angeklagte spontan die Notrufnummer der Polizei an und teilte dem diensthabenden Polizeibeamten mit, dass er soeben "eine Frau überfallen" habe.
6
2. In der Anklage der Staatsanwaltschaft Magdeburg vom 28. Januar 2010 ist dem Angeklagten des Weiteren zur Last gelegt worden, am 27. März 2008 versucht zu haben, eine Bekannte, in deren Wohnung er sich zum Kaffeetrinken aufgehalten habe, gewaltsam zum Geschlechtsverkehr zu zwingen , indem er sich in Ausführung seines Tatplans hinter die Geschädigte begeben und sie festgehalten habe. Der Geschädigten sei es jedoch gelungen, sich zu wehren und den Angeklagten aus der Wohnung zu werfen. Von diesem Anklagevorwurf hat sich die Strafkammer nicht zu überzeugen vermocht, weil die Geschädigte als Zeugin in der Hauptverhandlung und in ihrer polizeilichen Vernehmung voneinander abweichende Angaben zum Geschehensablauf gemacht hat.

II.


7
Revision des Angeklagten
8
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung. Der Schuldspruch wegen versuchter sexueller Nötigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht tragfähig begründet sind.
9
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NStZ 1982, 478; vom 6. April 1990 - 2 StR 627/89, BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; vom 8. November 1996 - 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26; vgl. auch BVerfG, NJW 2008, 3346, 3347 f.).
10
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur subjektiven Tatseite nicht gerecht. Ihre Feststellungen zu einem auf die Erzwingung sexueller Handlungen gerichteten Nötigungsvorsatzes des Angeklagten stützt die Strafkammer zum einen darauf, dass die Geschädigte nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung auf Grund der Bemühungen des Angeklagten, sie in Richtung des Bettes zu zerren, ein sexuelles Motiv ange- nommen und dieses als einzig möglichen Beweggrund des Angeklagten erachtet habe. Zum anderen verweist das Landgericht auf die in dem Telefonat mit der Polizei gemachte Äußerung des Angeklagten, "eine Frau überfallen" zu haben , mit welcher der Angeklagte eine sexuelle Absicht eingeräumt habe. Beide Gesichtspunkte sind nicht tragfähig. Die subjektiven Eindrücke, die ein Tatopfer auf Grund der Vorgehensweise des Täters von dessen Beweggründen gewonnen hat, können für die Beantwortung der Frage nach den tatsächlichen handlungsleitenden Motiven des Täters allenfalls als ergänzendes, für sich genommen kaum aussagekräftiges Beweisanzeichen herangezogen werden. Sie vermögen aber eine eigenständige Würdigung des objektiven Geschehensablaufs durch den Tatrichter nicht zu ersetzen. Eine solche Bewertung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Der Äußerung des Angeklagten in dem nach der Tat mit der Polizei geführten Telefonat ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte eine Frau überraschend in nicht näher konkretisierter Weise angegriffen hat. Ein darüber hinausgehender Aussagegehalt kommt dieser Bemerkung nicht zu. Insbesondere bleibt gerade offen, welche subjektive Zielrichtung dem Angriff zu Grunde lag. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann daher aus der Äußerung des Angeklagten, eine Frau überfallen zu haben, nicht auf eine bestimmte Tatmotivation des Angeklagten geschlossen werden.
11
In der neuerlichen Hauptverhandlung wird zu prüfen sein, ob auf der Grundlage des neu festzustellenden objektiven Geschehensablaufs tragfähige Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche einen auf die Erzwingung sexueller Handlungen gerichteten Nötigungsvorsatz des Angeklagten belegen.

III.


12
Revision der Staatsanwaltschaft
13
1. Mit ihrer sich gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtenden Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Strafkammer die Anwendung der Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB mit rechtlich unzutreffender Begründung verneint und die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB sowie einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erschöpfend geprüft hat.
14
a) Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter das Werkzeug oder Mittel schon von vornherein bei sich führt, um es bei der Tat zur Verhinderung oder Überwindung des Widerstands des Opfers einzusetzen. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Täter das Tatmittel zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbegehung einsatzbereit bei sich hat, wofür es auch genügt, wenn er es erst am Tatort ergreift (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 - 1 StR 654/98, NStZ 1999, 242; Beschluss vom 26. Oktober 2000 - 3 StR 433/00, NStZ 2001, 246; Urteil vom 10. April 2003 - 3 StR 420/02, NStZRR 2003, 202; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 177 Rn. 81 m.w.N.). Danach hat der Angeklagte sowohl die Sprühflasche mit dem Haushaltsreiniger als auch das bei dem Versuch der Knebelung des Tatopfers verwendete Stück Stoff im Sinne des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB bei sich geführt. Dass diese Gegenstände vor gefasster Verwendungsabsicht bereits in der Wohnung vorhanden waren, ist dabei entgegen der Ansicht der Strafkammer ohne Belang.
15
b) Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann benutzt, wenn der Täter ein generell gefährliches Tatmittel einsetzt, sondern auch, wenn sich die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Gegenstandes erst aus der konkreten Art seiner Verwendung ergibt, die geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 228; Urteil vom 4. April 2007 - 2 StR 34/07, BGHSt 51, 276, 278; vom 10. April 2003 - 3 StR 420/02 aaO; Beschluss vom 17. September 2003 - 2 StR 254/03, NStZ 2004, 261; vom 8. Februar 2006 - 2 StR 575/05, StV 2006, 416). Die Gefährlichkeit des Tatmittels kann sich gerade daraus ergeben , dass ein Gegenstand bestimmungswidrig gebraucht wird. Auch für die Beurteilung der Frage, ob eine Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen worden ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob der gebrauchte Gegenstand nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95; Fischer, aaO, § 224 Rn. 9 m.w.N.).
16
Werkzeug im Sinne der Vorschriften der § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist jeder bewegliche Gegenstand, mit dem gleich auf welche Weise auf den Körper des Opfers eingewirkt werden kann. Die vom Angeklagten verwendete, einen Haushaltsreiniger beinhaltende Sprühflasche stellt ebenso wie ein Reizgassprühgerät (BGH, Beschluss vom 10. August 1995 – 4 StR 452/95; Urteil vom 12. Oktober 1999 – 1 StR 417/99, NStZ 2000, 87, 88) oder ein Pfeffersprayer (BGH, Beschluss vom 1. März 2001 – 4 StR 31/01, NZV 2001, 352, 353) ein solches Werkzeug dar, ohne dass es darauf ankommt, ob die Reinigerflüssigkeit als solche dem Werkzeugbegriff unterfällt (vgl.
Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 224 Rn. 6; MünchKommStGB/Hardtung § 224 Rn. 14, 20; a.A. OLG Dresden NStZ-RR 2009, 337). Bei der Prüfung, ob der Angeklagte die Sprühflasche bei der Tatbegehung als gefährliches Werkzeug eingesetzt hat, hätte sich die Strafkammer mit der jedenfalls nicht fern liegenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der vom Angeklagten versprühte Haushaltsreiniger seiner stofflichen Zusammensetzung nach bei einem Sprühstoß gegen die Gesichts- und Augenpartie des Opfers geeignet war, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Hierzu wären nähere – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu treffende – Feststellungen zu den möglichen Wirkungen des Reinigers auf Haut und Augen eines Menschen erforderlich gewesen.
17
2. Hinsichtlich des Teilfreispruchs erweist sich die Revision der Staatsanwaltschaft dagegen als unbegründet. Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung zum Nachteil einer weiteren Geschädigten hält rechtlicher Prüfung stand.
18
Allerdings hat es das Landgericht versäumt, die von ihm zum Anklagevorwurf getroffenen tatsächlichen Feststellungen in den Urteilsgründen näher darzustellen. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen müssen grundsätzlich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Feststellungen in einer geschlossenen Darstellung bezeichnet werden, die der Tatrichter für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung dartut, aus welchen Gründen er die für einen Schuldspruch notwendigen zusätzlichen Feststellungen nicht treffen konnte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315; vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14 m.w.N.). Diese Anforderungen sind kein Selbstzweck, sondern sollen dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 267 Rn. 33). Im vorliegenden Fall wird die revisionsgerichtliche Überprüfung der den Freispruch tragenden Erwägungen durch die Urteilsausführungen hinlänglich ermöglicht.
19
Die Urteilsgründe geben die sich widersprechenden Angaben, welche die Geschädigte als Zeugin in der Hauptverhandlung sowie in ihrer polizeilichen Vernehmung am 18. Mai 2009 zu dem Tatvorwurf gemacht hat, in ihrem wesentlichen Inhalt wieder. Darüber hinaus teilen sie mit, dass die Geschädigte in der Hauptverhandlung auf Vorhalt ihrer widersprüchlichen Aussagen bekundet hat, dass sich das Tatgeschehen auch so wie bei der Polizei geschildert zugetragen haben könne, sie sich aber nicht mehr genau erinnere. Dass sich die Strafkammer auf Grund der Widersprüchlichkeit der Bekundungen der Geschädigten und des Fehlens sonstiger von den Angaben der Geschädigten unabhängiger Beweisanzeichen außer Stande gesehen hat, sich von einem Geschehensablauf zu überzeugen, der ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Angeklagten belegt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 600/10
vom
18. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 29. Juli 2010, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
B. und S. waren des mittäterschaftlichen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Mit Urteil vom 29. Juli 2010 hat das Landgericht den Angeklagten S. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; den Angeklagten B. hat das Landgericht freigesprochen und ihm Haftentschädigung zugesprochen. Die Revision des Angeklagten S. gegen seine Verurteilung hat der Senat mit Beschluss vom 18. November 2010 verworfen. Gegen den Freispruch des Angeklagten B. wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Formalrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt:
3
S. nahm aus Geldnot das Angebot an, innerhalb Deutschlands Betäubungsmittel zu transportieren. Er sollte mit 1.500 € entlohnt werden. Am 3. Dezember 2009 traf er sich deshalb am Bahnhof in M. (Niederlande) mit einem Asiaten. Dieser erklärte ihm, es gehe um den Transport von einem Kilogramm Marihuana. Dazu übergab der Asiate S. Geld zum Erwerb eines Navigationsgeräts sowie für Benzin. Außerdem erhielt er einen Zettel, auf dem zwei Orte in Deutschland vermerkt waren, nämlich der Abholpunkt in H. in Sachsen sowie das Ziel der Fahrt, Sp. .
4
S. wollte es vermeiden, in Deutschland selbst mit dem Auto zu fahren. Er fragte deshalb den Angeklagten B. , ob er bereit sei, ihn nach Deutschland zu begleiten. Gemeinsam kauften sie ein Navigationsgerät. S. gab die Abholadresse ein.
5
Gegen Mittag des 3. Dezember 2009 machten sie sich mit einem zweitürigen VW Golf auf den Weg. Der Angeklagte B. steuerte das Fahrzeug in Deutschland bis nach H. . 400 bis 500 Meter vor dem eingegebenen Ziel ließ S. den Angeklagten B. aussteigen; er solle auf seine - des S. - Rückkehr warten. S. fuhr dann alleine weiter bis zur Zieladresse, nahe einer Marihuana-Indoorfarm. Am vereinbarten Treffpunkt wurde S. von einem Asiaten erwartet, der zustieg und den Weg zu einem nahe gelegenen Parkplatz wies. Dort trafen sie auf einen BMW mit einem weiteren Asiaten. Die beiden Asiaten, vermutlich die Vietnamesen T. und P. , luden vier große dunkle Müllsäcke in den PKW des S. , drei auf den Rücksitz der Beifahrerseite, einen hinter den Beifahrersitz. In diesen Säcken befanden sich insgesamt ca. zehn Kilogramm Marihuana. S. bemerkte, dass erheblich mehr Rauschgift eingeladen worden war, als das vereinbarte eine Kilogramm. Aus Angst widersprach er jedoch nicht. Er gab den Zielort Sp. ins Navigationsgerät ein, fuhr zurück zum Angeklagten B. und nahm ihn auf. Vor Erreichen der Autobahn übernahm dieser wieder das Steuer. Auf der Bundesautobahn A9 wurden sie im Bereich Mü. kontrolliert. Das Rauschgift wurde entdeckt und sichergestellt , insgesamt 9.420,80 Gramm Marihuana mit mindestens 1.110,90 Gramm Tetrahydrocannabinol. Bei der Kontrolle erklärte der Angeklagte B. auf die Frage, ob er etwas dabei habe: „ja Hundefutter“.
6
Dem Angeklagten B. war der Zweck der Fahrt, nämlich der Transport von Betäubungsmitteln, bis zum Zugriff der Polizei unbekannt.
7
2. Die Beweiswürdigung zum Freispruch des Angeklagten B. :
8
a) Die Feststellungen der Strafkammer beruhen insbesondere auf den Angaben des Verurteilten S. . Der Angeklagte B. habe, so die Strafkammer, die Einlassung des damaligen Mitangeklagten bestätigt. „Er hat die Geschehensabläufe detailliert geschildert.“
9
b) Die Strafkammer hat sich allerdings nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte B. Kenntnis vom Transport der Betäubungsmittel hatte.
10
aa) Der Angeklagte hat bestritten, den Grund der Fahrt nach Deutschland gekannt zu haben. Er habe nur S. helfen wollen, da dieser seinen Führerschein nicht habe finden können. Über das Angebot, mit nach Deutschland zu fahren, habe er sich sehr gefreut, da er auf diese Weise wieder einmal kostenlos habe dorthin reisen und dort Auto fahren können.
11
bb) Als Umstände, die gegen eine Kenntnis des Angeklagten B. vom Zweck der Reise sprechen, hat die Strafkammer angeführt: - Seine Abwesenheit bei der Übergabe der Betäubungsmittel, - Keine Entlohnung für die Fahrt, - Keine Kommunikation über die Betäubungsmittel während der Fahrt nach deren Übernahme, - Keine Wahrnehmung des Geruchs von Marihuana im Fahrzeug, - Die Müllsäcke habe der Angeklagte B. zwar irgendwann zur Kenntnis genommen, sich darüber aber keine Gedanken gemacht.
12
cc) Der Angeklagte B. ist allerdings durch den seinerzeit Mitangeklagten S. belastet worden. Er gab an, er habe dem Angeklagten B. - vor Antritt der Fahrt - gesagt, worum es gehe, nämlich um den Transport von einem Kilogramm Marihuana.
13
Dies stehe jedoch, so die sachverständig beratene Strafkammer, der Unkenntnis des Angeklagten B. vom wahren Zweck der Fahrt nicht ent- gegen. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass er aufgrund seiner Erkrankung diese Information nicht realisiert und verarbeitet habe. Der Angeklagte leide an einer hyperkinetischen Störung im Sinne der ICD 10 F 90.0 (Aufmerksamkeitsstörung [-defizit] mit Hyperaktivitätsstörung - ADHS). Dies führe bei ihm zu Konzentrationsstörungen mit „Gedankengedränge“. Der Angeklagte verfolge dann unter Umständen 10 bis 20 Gedanken gleichzeitig. Er nehme dann ihm gegenüber geäußerte Informationen zwar akustisch wahr. Diese würden jedoch wegen vieler anderer Gedanken verdrängt. Eine Abspeicherung der Informationen sei aufgrund dieser Denkstörung ausgeschlossen mit der Folge, dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder verloren gingen.

II.


14
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils deckt durchgreifende Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung auf.
15
1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen , ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechen- den Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 18; vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, Rn. 18 mwN).
16
Auch darf der Tatrichter entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden. Dies gilt umso mehr dann, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6 mwN).
17
2. Die Schilderung des Angeklagten B. über seine Motivation, S. auf der Fahrt nach Deutschland zu begleiten, nämlich nur touristisches Interesse und Freude am Autofahren, erscheint angesichts der näheren Umstände des „Ausflugs“ nicht nahe liegend. Dies kann für sich betrachtet den Bestand des Urteils allerdings noch nicht gefährden. Die Beweiswürdigung weist jedoch darüber hinaus Lücken auf und sie ist widersprüchlich.
18
a) Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte S. den Angeklagten B. zur Mitfahrt auf, da er - S. - habe vermeiden wollen, in Deutschland Auto zu fahren, nach der Einlassung des Angeklagten B. , da S. seinen Führerschein nicht ge- funden habe. Tatsächlich setzte sich S. jedoch im Bereich von H. selbst ans Steuer. Mit diesem Widerspruch hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt, insbesondere nicht damit, wie B. auf diesen Fahrerwechsel reagierte.
19
b) Bei diesem Fahrerwechsel ließ sich der Angeklagte B. abends im Dezember in einem ihm unbekannten Ort an einem Parkplatz absetzen , um auf die Rückkehr von S. zu warten. Ob und gegebenenfalls wie dieses Ansinnen dem Angeklagten erläutert wurde, bleibt unerwähnt. Damit hätte sich die Strafkammer aber auseinandersetzen müssen. Denn nahm der Angeklagte B. dies kommentarlos hin, könnte es nahe liegen, dass er von vorneherein darin eingeweiht und es ihm bewusst war, was während der Wartezeit geschehen sollte.
20
c) Das Landgericht hat einerseits festgestellt, das ADHS-bedingte „Gedankengedränge“ habe dazu führen können, dass der Angeklagte die entscheidende Mitteilung, wonach die Fahrt dem Transport von Betäubungsmitteln dienen sollte, nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat. Andererseits habe er jedoch die Geschehensabläufe - im Übrigen - glaubhaft detailliert geschildert. Dies ist widersprüchlich. Jedenfalls hätte es näherer Erörterung bedurft, auch mit dem Sachverständigen, weshalb die Konzentrationsschwäche des Angeklagten zwar die Information über den Zweck der Fahrt habe in Vergessenheit geraten lassen können, die Zuverlässigkeit der Erinnerung an Details der Reise der Strafkammer aber gleichwohl nicht fraglich erschienen ist.
21
d) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer sollen die durch das ADHS-Syndrom verursachten Konzentrationsstörungen bei der gleichzeitigen Verarbeitung mehrerer Informationen zu Verdrängungen und Erinnerungsverlust führen. Da dies nicht substantiiert tatsachenfundiert belegt ist, bleibt auch unerörtert, inwieweit bei der Informationsverarbeitung dem Gewicht einer Mitteilung Bedeutung zukommt. Die Aufforderung, sich an einer Drogenkurierfahrt als Fahrer zu beteiligen, ist brisant. Eine Person, die mit dem Drogenmilieu bislang nichts zu tun hatte - davon ist beim Angeklagten B. nach den Urteilsgründen auszugehen -, muss dies geradezu „elektrisieren“. Es wäre einleuchtend, wenn dann alle anderen Gedanken in den Hintergrund träten. Dass aber die Euphorie des Angeklagten über die Gelegenheit eines kurzen, weitgehend nächtlichen Ausflugs nach Deutschland sowie die Erwartung des Autofahrens dort das „Gedankengedränge“ so sehr beherrschen und verstärken konnten, dass deshalb die Aufforderung zur Beihilfe zu einer Betäubungsmittelstraftat - die eigentlich dominante Information - vom Angeklagten zwar akustisch wahrgenommen, aber nicht ins Bewusstsein aufgenommen wurde, hätte näherer Erörterung bedurft.
22
e) Die Strafkammer folgt den Angaben des Angeklagten B. , wonach er die auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs befindlichen Säcke während der Fahrt zwar irgendwann bemerkt habe, er jedoch nicht mit Sicherheit sagen könne, ob sich die Säcke bereits bei der Abfahrt in Holland im Fahrzeug befunden hätten. Er habe sich über die Säcke keine Gedanken gemacht, da bei S. auf der Rückbank des Fahrzeugs öfters Säcke und Beutel gelegen hätten. Der damalige Mitangeklagte S. habe dazu angegeben, so die Strafkammer, er habe zu jener Zeit mit seinem gesamten Hab und Gut in seinem Fahrzeug gelebt. Die Behauptung des Angeklagten B. , er habe die in H. eingeladenen vier Müllsäcke nicht bemerkt, als er wieder abgeholt wurde, klingt wenig plausibel. Die Strafkammer hätte diese Einlassung daher nicht ohne weiteres hinnehmen und so ungeprüft ihren Feststellungen zugrunde legen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, Rn. 6). Die Strafkammer hätte sich - nach entsprechenden Feststellungen - mit dem tatsächlichen Beladungszustand des Fahrzeugs auf der Rückbank am Tattag auseinandersetzen müssen, wie auch mit der Größe der gefüllten Säcke und deren Positionierung in Beziehung zum Sichtfeld des Fahrers bei einem Blick nach hinten, sei es mittels des Innenrückspiegels oder durch Drehen des Kopfes. Oder das Landgericht hätte darlegen müssen, weshalb es Feststellungen hierzu nicht mehr hat treffen können.
23
3. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Vermeidung der aufgezeigten Rechtsfehler zu teilweise anderen oder zusätzlichen Feststellungen gekommen wäre und dann in der gebotenen Gesamtbetrachtung die Einlassung des Angeklagten über seine Unkenntnis des Zwecks der Fahrt nach Deutschland anders bewertet, in der Folge dann auch anders entschieden und den Angeklagten B. einer Betäubungsmittelstraftat für schuldig befunden hätte.

III.


24
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Sander

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verdachts des schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Am 16. November 2007 wurde der damals 70 Jahre alte K. in seiner Wohnung in Holzkirchen von zwei Tätern überfallen und gefesselt. Die Täter entwendeten Uhren und Schmuck im Wert von über 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit. Anklage und Eröffnungsbeschluss gingen davon aus, dass der Angeklagte einer der Täter war, bei dem anderen Täter soll es sich um den gegenwärtig in Jordanien aufhältlichen gesondert verfolgten S. handeln. Die Strafkammer konnte sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und hat ihn freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
3
1. Dem Tatverdacht gegen den Angeklagten liegen, ohne dass an dieser Stelle die Urteilsgründe vollständig nachzuzeichnen wären, nicht zuletzt folgende Beweisanzeichen zu Grunde:
4
a) Der Angeklagte wird von den beiden Mitangeklagten A. und B. (hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat) als Täter bezeichnet. Die Mitangeklagten waren an der Planung und Vorbereitung der Tat als Einbruch beteiligt. Die Gewalttätigkeiten waren nach der Beweiswürdigung der Strafkammer ein den Mitangeklagten nicht zurechenbarer Exzess. Sie wurden nach der Tat, wie sie angeben, vom Angeklagten und S. , über den Tatablauf im Detail informiert; die Beute wurde noch am gleichen Tag von A. verkauft.
5
b) Auf der Außenseite eines Teilstücks des Klebebandes, mit dem der Geschädigte gefesselt worden war, wurde eine Mischspur mit DNA-Merkmalen des Angeklagten gefunden.
6
c) In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Schmuckschatullen gefunden , die aus der Tat stammen.
7
d) Zwischen dem Angeklagten und A. fanden am Tattag innerhalb von etwa zwei Stunden vier Telefongespräche statt.
8
e) Eine unbeteiligte, zufällige Zeugin (Frau Br. ) hat am Tattag in der Nähe des Tatorts zwei Männer beobachtet. In der Hauptverhandlung war sie „zu 80%“ sicher, dass es sich bei einem dieser Männer aus näher dargelegten Gründen (z. B. wegen der Nase, der hohen Stirn, der Statur) um den Angeklagten handelt.
9
2. Die Strafkammer hat diesen Erkenntnissen letztlich kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Ohne dass auch insoweit die Urteilsgründe hier vollumfänglich nachzuzeichnen wären, hält sie die genannten Anhaltspunkte im Kern aus folgenden Gründen nicht für hinreichend tragfähig:
10
a) Es sprächen „starke“ Anhaltspunkte für eine Täterschaft von S. . Die entsprechenden Angaben der Mitangeklagten würden durch näher dargelegte objektive Beweismittel gestützt. Daraus folge jedoch nicht „zwangsläufig“, dass auch die Angaben der Mitangeklagten zur Tatbeteiligung des Angeklagten richtig seien.
11
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren hat der Angeklagte angegeben, zwar am Tattag mit seinem Pkw und A. nach Holzkirchen gefahren zu sein, jedoch um ein Regal zu transportieren. Dort sei man zunächst zusammen in ein Cafe gegangen, dann habe ihn A. mit anderen, Unbekannten verlassen. Später sei er wieder gekommen und habe gesagt, mit dem Regal klappe es nicht. Dann sei man gemeinsam nach München zurückgefahren. Das Klebeband habe A. auf der Fahrt nach Holzkirchen auf der Mittelkonsole des Pkws abgelegt. Die Bedienung der Gangschaltung sei dadurch ausgeschlossen gewesen, weshalb er, H. , das Klebeband weggelegt habe. Dadurch müsse die DNA-Spur entstanden sein. Dieses Vorbringen, so die Strafkammer, sei nicht zu widerlegen.
12
c) Die Schmuckkassetten habe ihm A. im Rahmen eines Geschäfts über einen (aus der Tat stammenden) Ring überlassen, welches ihm A. angeboten habe, um den Ärger des Angeklagten über den nicht stattgefunden Transport des Regals zu besänftigen. Für diese Version, so die Strafkammer, spreche, dass ein Freund des Angeklagten sie bestätigt habe. Dieser Freund sei unmittelbar, nachdem der Angeklagte die entsprechende Aussage gemacht habe, in die Hauptverhandlung gerufen worden. Eine Absprache sei daher ausgeschlossen. Dass die Mutter des Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung, bei der die Schatullen gefunden wurden , den Angeklagten mit der Lüge zu entlasten versucht hatte, die Schatullen gehörten ihr, ändere nichts.
13
d) Hinsichtlich der Telefongespräche am Tattag gibt der Angeklagte an, es sei dabei immer nur um Benzingeld für die Fahrt wegen des (letztlich gescheiterten ) Regaltransports gegangen. Dies bewertet die Strafkammer als nicht „vollkommen wirklichkeitsfremd“.
14
e) Die Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei den von Frau Br. gesehenen Männern um die Täter handelt. Gegen ihre Annahme, bei einem dieser Männer habe es sich mit erheblicher - wenn auch nicht letzter - Sicherheit um den Angeklagten gehandelt, spreche, dass sie bei der Polizei gesagt habe, die Männer seien 30 bis 40 Jahre alt gewesen, eher 40 Jahre, während sie den Angeklagten in der Hauptverhandlung für 30 Jahre alt geschätzt habe. Ebenso spreche gegen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung, dass sie angegeben habe, der in Rede stehende Mann habe ausgewaschene blaue Jeans getragen; dies sei unvereinbar mit der Angabe A. s , wonach der Angeklagte bei der Tat dunkelblaue Jeans getragen habe.
15
3. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Das Revisionsgericht prüft nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft , widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn, im Falle eines Freispruchs, an das Maß der zur Verurteilung erforderlichen Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Urt. vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08 m.w.N.).
16
a) Die genannten Erwägungen der Strafkammer werden schon jeweils für sich genommen diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht:
17
(1) Die Strafkammer hält die Angaben der Mitangeklagten hinsichtlich S. für glaubhaft, hinsichtlich des Angeklagten letztlich nicht. Der Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, einer Auskunftsperson teilweise zu glauben und teilweise nicht. Dies verlangt jedoch eine nachvollziehbare Begründung, die sich mit allen wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt (st. Rspr., vgl. d. Nachw. bei Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 83, Fußn. 358, 359). Daran fehlt es hier. Es wäre erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen gewesen, dass die Angaben A. s insoweit vom Angeklagten bestätigt werden, als auch er angibt, am Tattag mit diesem nach Holzkirchen gefahren zu sein. A. wusste nach den Feststellungen, dass an diesem Tag dort die von ihm (mit) geplante und vorbereitete Tat durchgeführt werden sollte. Es wäre zu erörtern gewesen, ob und warum davon auszugehen ist, dass er in Holzkirchen zugleich ein Regal holen wollte und zu diesem Zweck sich der Hilfe eines nicht an der Tat Beteiligten bediente. Ebenso wäre zu erörtern gewesen, ob es ein nachvollziehbares Motiv für A. und den anderen Mitangeklagten gibt, hinsichtlich der nämlichen, von zwei Personen begangenen Tat bezüglich eines Mittäters (S. ) die Wahrheit zu sagen und eine andere Person als Mittäter frei zu erfinden und zudem den ihnen bekannten Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Ohne die Erörterung dieser Gesichtspunkte beruht die - nicht notwendig ausgeschlossene - Erwägung der Strafkammer zur nur teilweisen Glaubhaftigkeit der Angaben über die beiden Täter auf lückenhafter Grundlage.
18
(2) Diese Lücken gelten in gleicher Weise für die Angaben hinsichtlich des Klebebandes und den Zweck der Fahrt, bei der nach Angaben des Angeklagten die in Rede stehende Spur entstanden ist. Hinzu kommt, dass es sich jedenfalls ohne genaue Beschreibung des Klebebandes keinesfalls von selbst versteht, dass das Klebeband auf der Mittelkonsole die Bedienung der Gangschaltung ausgeschlossen (der Angeklagte habe nach seiner - nach Auffassung der Strafkammer nicht zu widerlegenden - Aussage wegen des Klebebandes „nicht schalten gekonnt“) oder jedenfalls nachhaltig erschwert hätte. Im Übrigen führt der Generalbundesanwalt (unter zutreffendem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ-RR 2003, 371) zutreffend aus, dass Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zuGrunde zu legen sind. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeu- gungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen , für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
19
(3) Auch hinsichtlich der Schmuckschatullen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Die Würdigung der Strafkammer stützt sich im Kern darauf, dass eine Absprache mit dem Zeugen nicht möglich gewesen wäre. Dies wäre nur dann ohne weitere Begründung tragfähig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung , in der er die von seinem Freund dann bestätigten Angaben gemacht hat, erstmals erkannt hätte, dass die Frage nach den Schatullen Bedeutung haben kann. Dies wäre zu erörtern gewesen. Die Schatullen waren bei der Hausdurchsuchung gefunden worden, die Brisanz dieses Fundes war, ohne dass auch dies nachvollziehbar gewürdigt wäre, von der Mutter des Angeklagten offenbar sofort erkannt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass dem Angeklagten der Fund der Schatullen unbekannt war oder dass er ihn für irrelevant gehalten hätte. Dann aber ist bei der Frage, ob die Möglichkeit einer Absprache mit seinem Freund bestand, nicht allein auf den Zeitraum zwischen der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Schatullen und der Vernehmung des Freundes hierzu in der Hauptverhandlung abzustellen.
20
(4) Hinsichtlich der Telefongespräche fehlt es an der Erörterung der nahe liegenden Frage, warum über das doch eher einfach strukturierte Thema des Benzingeldes - nach Angaben des Angeklagten soll es um 20,-- € gegangen sein - kurz hintereinander gleich vier Gespräche erforderlich waren und warum dies nicht auf der gemeinsamen Rückfahrt besprochen worden ist.
21
(5) Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Zeugin Br. ist unklar. Die Zeugin beschreibt einen Mann, der am Tatort und nach Bewertung der Strafkammer ein Täter war. Die Aussage von A. , dass der Angeklagte am Tatort war, hält die Strafkammer im Ergebnis für falsch. Unter diesen Umständen wird nicht deutlich, warum gerade die Aussage A. s zum Farbton der Hose, die der Angeklagte „bei Begehung der Tat“ getragen habe, geeignet ist, die Würdigung der Aussage von Frau Br. zu beeinflussen.
22
b) Sind aber schon eine Reihe von Erwägungen der Strafkammer zu einzelnen Beweisanzeichen für sich genommen nicht tragfähig begründet, kann auch das auf einer - hier ohnehin etwas pauschalen - Gesamtwürdigung aller Erkenntnisse beruhende Ergebnis keinen Bestand haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Wie auch die Strafkammer nicht verkennt, deuten „gewichtige Gesichtspunkte“ auf den Angeklagten als Täter. Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis deshalb nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt jedoch nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (BGH NStZ-RR 2009, 248, 249; NStZ 2009, 264). Verwirft er jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die (zwar nicht als denknotwendig ausgeschlossen, aber doch) als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss im Rahmen der Gesamtwürdigung erkennbar werden, dass sich der Tatrichter dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass er überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (BGH NStZ–RR 2009, 248, 249).
23
Die Sache bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch auf Weiteres ankäme.
Nack Wahl Elf Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 292/08
vom
21. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - und
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, welche vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit der Sachrüge.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte bewohnte gemeinsam mit dem Geschädigten S. das Doppelzimmer Nr. 24 des Männerwohnheims der C. in Stutt- gart. Zwischen ihnen bestand ein freundschaftliches Verhältnis. Der Angeklagte unterstützte S. in privaten sowie behördlichen Angelegenheiten und hat ihm auch den Platz im Wohnheim beschafft. Beide sind dem Trinkermilieu zuzurechnen.
5
Am Vormittag des 2. Juni 2007 erhielten sie Besuch von dem Mitbewohner K. , der ebenfalls "russlanddeutscher Aussiedler" war und sich mit S. angefreundet hatte. Das Verhältnis des Angeklagten zu K. war dagegen aufgrund nicht aufgeklärter Vorfälle belastet. Die drei Personen tranken im Zimmer eine 0,7 Liter fassende Flasche Wodka aus.
6
Um die Mittagszeit - nach 11.30 Uhr - verließen S. und K. das Wohnheim, während der Angeklagte allein im Zimmer 24 zurückblieb. Die beiden suchten eine Tankstelle auf, wo sie eine weitere Flasche Wodka und einige Flaschen Bier konsumierten, die S. , der am Tag zuvor sein Arbeitslosengeld II erhalten hatte, bezahlte. Im Laufe des Nachmittags - der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht feststellen - kehrten sie ins Wohnheim zurück. S. war so betrunken, dass er nur von K. gestützt sein Zimmer erreichen konnte. Die dem später Geschädigten um 19.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 4,2 ‰. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte bei der Rückkehr S. s sich in ihrem Zimmer aufhielt. K. ging in sein eigenes Zimmer Nr. 20.
7
Der Angeklagte kaufte sich um 15.37 Uhr in einem Kiosk am Stuttgarter Hauptbahnhof zwei Schachteln der von ihm gerauchten Zigarillos der Marke "Basic Blue". Die Uhrzeit ergibt sich aus den Aufzeichnungen der Registrierkasse. Der Weg vom Wohnheim dorthin beträgt ca. zehn Gehminuten.
8
Am Nachmittag des 2. Juni 2007 vor 17.45 Uhr wurde der Zeuge S. von einer unbekannten Person in seinem Zimmer angegriffen und schwer verletzt. Es bestand akute Lebensgefahr. Er erlitt eine stark blutende, doppelte offene Unterkiefer- sowie Nasenbeinfraktur und verschiedene Schürfwunden. Außerdem wurde er am Hals mit einem kabelartigen Gegenstand, dessen Adern teilweise freilagen, gedrosselt, wodurch im Halsbereich deutlich sichtbare Strangmarken entstanden. Ein Stahldraht - ein Teil des Tatwerkzeugs - wurde am 5. Juni 2007 in der Nähe des Bettes des Angeklagten unter dort abgestellten Badezimmerpantoffeln aufgefunden.
9
Der verletzte S. wurde am Tattag gegen 17.45 Uhr vom Pförtner L. in nicht ansprechbarem, blutverschmiertem Zustand, auf einem Treppenabsatz liegend, vorgefunden. Mit Hilfe eines weiteren Bewohners brachte dieser ihn zurück in sein Zimmer. Herbeigerufene Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Notarzt hielten sich dort von ca. 18.00 Uhr bis 19.05 Uhr auf. In diesem Zeitraum war der Angeklagte nicht im gemeinsam bewohnten Zimmer. Der Geschädigte wurde ins Krankenhaus verbracht und auf der Intensivstation behandelt.
10
Um 20.20 Uhr versuchten Kriminalbeamte, die inzwischen den Fall übernommen hatten, die Tür zum Zimmer 24 mit einem überlassenen Schlüssel zu öffnen. Sie trafen in dem von innen verschlossenen Raum den Angeklagten an und nahmen ihn mit zur Kriminalwache. Die Beamten hatten mehrere blutverdächtige Antragungen an Hemd und Hose des Angeklagten festgestellt. Die sachverständig beratene Kammer gelangt auf der Grundlage eines molekulargenetischen Gutachtens zu der Überzeugung, dass diese Blutspuren vom Geschädigten S. herrühren.
11
2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruht auf folgenden Erkenntnissen:
12
a) Die wechselnden Einlassungen des einschlägig vorbestraften Angeklagten :
13
Gegenüber KOK T. gab er am Tattag um 20.20 Uhr an, er habe gegen 18.00 Uhr das Wohnheim verlassen. Zu dem Zeitpunkt sei es S. noch gut gegangen. Vor dem Haftrichter führte er aus, als er gegen 16.30 Uhr das Wohnheim verlassen habe, seien S. und K. bereits zurück gewesen. In der Hauptverhandlung ließ er sich dahin ein, er habe S. am Tattag nicht mehr gesehen, nachdem dieser mit K. fortgegangen sei. Er selbst habe das Wohnheim gegen 15.00 Uhr verlassen, habe nach dem Zigarillokauf noch zwei Bekannte getroffen und sei um 18.30 Uhr in das Zimmer zurückgekehrt. Zu dem Zeitpunkt sei niemand darin gewesen. Beim Haftrichter sei er falsch verstanden worden.
14
b) Die Blutspuren des Geschädigten auf Hemd und Hose des Angeklagten :
15
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich ferner dahin eingelassen , das Blut des Geschädigten auf seiner Kleidung sei dadurch zu erklären, dass S. am Vormittag des Tattages in einem Krampfanfall mit dem Kopf auf den Tisch geschlagen sei und Nasenbluten bekommen habe. Hierbei müsse er selbst mit dem Blut des Geschädigten in Kontakt gekommen sein. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B. sind die Blutspuren nicht mit einem Nasenbluten zu vereinbaren, weil es sich um Spritzspuren handele.
16
3. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
17
a) Die wechselnden Einlassungen des Angeklagten sieht es zwar hinsichtlich der zeitlichen Einordnung seines Verlassens und seiner Rückkehr zum Wohnheim als widerlegt an, zumal auch die benannten Bekannten sich an ein Treffen mit dem Angeklagten nicht erinnern konnten. Gleichwohl ist das Landgericht der Auffassung, dass nicht ausgeschlossen werden könne, die Tat sei in der Abwesenheit des Angeklagten von mindestens einer halben Stunde, die er zum Zigarillokauf um 15.37 Uhr gebraucht habe, begangen worden.
18
b) Die Blutspuren, bei denen auch das Landgericht von Spritzspuren ausgeht, die nicht von einem Nasenbluten herrühren, seien "nicht geeignet die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen , da das Alter dieser Blutantragungen nicht geklärt werden konnte". In diesem Zusammenhang führt die Kammer u.a. aus, im Trinkermilieu, dem der Angeklagte und S. zuzuordnen seien, stünden Sauberkeit und Hygiene nicht an erster Stelle, sodass nicht damit gerechnet werden könne, dass Kleidungsstücke regelmäßig gewaschen werden. Deshalb sei "es nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar zu einem gewissen Grad wahrscheinlich", dass die auf der Kleidung des Angeklagten gefundenen Blutspuren des Geschädigten schon älter seien.
19
c) Den aufgefundenen Stahldraht hat der Sachverständige B. als Teil des Tatwerkzeugs qualifiziert, weil sich mit diesem zwar nicht alle am Hals des Geschädigten festgestellten Strangmarken erklären ließen, jedoch ein großer Teil. Die molekulargenetische Untersuchung dieses Stahldrahtstückes hat eine Mischspur von zumindest zwei Personen ergeben, die im Hauptspurenanteil dem Geschädigten zuzuordnen ist. Der Angeklagte war aber als Mischspurenverursacher sicher auszuschließen. Nach Meinung der Kammer liege es nicht fern, dass der zweite Verursacher, eine unbekannte Person, der Täter der Körperverletzung sei. Sie könne mit Sicherheit ausschließen, dass nach der Tat jemand mit dem Stahldrahtstück in Berührung gekommen sei, da das Zimmer nach dem Antreffen des Angeklagten um 20.20 Uhr des Tattages von den Kri- minalbeamten verschlossen und danach von niemandem mehr betreten worden sei.
20
d) Ein beim Angeklagten bestehendes Motiv "sei nicht zu erkennen". Es spreche nichts dafür, dass es vor der Tat zu einem Bruch im guten Verhältnis zwischen dem Angeklagten und S. gekommen sei. Bei dieser Sachlage sei "das fehlende Motiv des Angeklagten als ein ihn nicht unerheblich entlastender Gesichtspunkt zu bewerten".

II.

21
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
22
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
23
2. Das Landgericht hat umfänglich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht. Insbesondere hat das Landgericht den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft angewendet.
24
Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichende Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274). Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).
25
a) Das Landgericht hatte u.a. als besonders gewichtiges Belastungsindiz zu prüfen, ob die dem Geschädigten zuzuordnenden Blutspuren auf Hemd und Hose des Angeklagten dessen Täterschaft belegen können. Soweit es eine vor der Tat liegende Entstehung der Blutspuren in Form von Spritzspuren unter Hinweis auf das Trinkermilieu und die in Augenschein genommenen Fotos des Tatortes, die ein vermülltes und unaufgeräumtes Zimmer zeigen, für wahrscheinlich hält, fehlt es an jeglichen Anknüpfungstatsachen, zumal nicht festgestellt werden konnte, wann die betreffenden Kleidungsstücke zuletzt gewaschen oder gereinigt wurden. Das Landgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass sich frühere Übergriffe des Angeklagten auf den Geschädigten nicht feststellen ließen. Der Sachverständige hat Kontakt- oder Tropfspuren ausgeschlossen, das Blut müsse vielmehr auf die Kleidungsstücke gespritzt sein. Das spricht für eine massive Gewalteinwirkung und nicht etwa für eine bloße Verletzung im Alltag. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass im Trinkermilieu Blutanhaftungen in Form von Spritzspuren üblicherweise entstehen. Bei der früheren Entstehung handelt es sich daher um eine rein denktheoretische Möglichkeit ohne verlässliche Tatsachengrundlage. Der Angeklagte selbst hat sich auf eine Entstehung vor dem Tattag nicht berufen. Seine Einlassung, die Ursache sei in einem Nasenbluten des Geschädigten zu sehen, wurde widerlegt. Allein das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten eine frühere Entstehung angenommen, was besorgen lässt, dass der Zweifelssatz auf eine einzelne Indiztatsache angewendet wurde. Dafür spricht auch die Formulierung, die Blutspuren seien nicht geeignet, die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
26
b) Im Rahmen der Motivprüfung stellt die Kammer fest, ein Motiv für einen Angriff auf S. sei beim Angeklagten "nicht zu erkennen". Daraus zieht sie zu Gunsten des Angeklagten den Schluss, ein Motiv "fehle", was sie als einen ihn nicht unerheblich entlastenden Gesichtspunkt bewertet. Bei diesem Schluss wurde der Zweifelssatz - was hier durchgreifend rechtsfehlerhaft ist - auf ein einzelnes Indiz, das Tatmotiv, angewendet. Das Landgericht konnte nämlich ein Tatmotiv lediglich "nicht erkennen", hat daraus aber gleichwohl den Schluss gezogen, dass ein Tatmotiv "fehle". Ein bloß unaufklärbares Motiv ist aber nicht gleichbedeutend mit einem tatsächlich fehlenden Tatmotiv, welches in der Tat ein nicht unerhebliches Entlastungsindiz wäre.
27
3. Im Übrigen wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug genommen.

III.

28
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf