Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 21. Okt. 2013 - 2 Ss 238/13

21.10.2013

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 15. November 2012 mit den Feststellungen

aufgehoben.

Die Sache wir zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Böblingen

zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Böblingen ordnete mit Urteil vom 15. November 2012 gegen die Betroffene den Verfall eines Geldbetrages von 1.224,26 Euro an. Dem liegt zugrunde, dass am 20. Februar 2012 mit einem Sattelzug vier Fahrten durchgeführt wurden, bei denen die Fahrzeugkombination mit Erdaushub überladen war.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das zulässig eingelegte und begründete Rechtsmittel hat - vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§§ 79 Abs.3 OWiG, 349 Abs. 4 StPO).
Nach § 29a Abs. 2 OWiG kann gegen eine Person, die nicht Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung ist, der Verfall eines Geldbetrages angeordnet werden, wenn der Täter für diese Person gehandelt und diese dadurch etwas erlangt hat. Das setzt die Feststellung der mit Geldbuße bedrohten Handlung voraus, wobei die Entscheidungsgründe hinreichend erkennen lassen müssen, wen der Tatrichter als Täter der mit Geldbuße bedrohten Handlung, die der Verfallsanordnung zugrunde liegt, angesehen hat (OLG Karlsruhe, ZfSch 2013, 172 mwN). Außerdem bedarf es der Feststellung der Tatsachen, die das Handeln für den Verfallsbetroffenen begründen und die belegen, dass dieser etwas erlangt hat.
Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hierzu sind lückenhaft und tragen die Verfallsanordnung nicht. Ihnen ist zwar zu entnehmen, dass am 20. Februar 2012 auf der L bei L. der Sattelzug mit dem amtlichen Kennzeichen … überladen war, und zwar bei vier zeitlich näher bestimmten Fahrten. Nicht festgestellt ist aber, wer Fahrer des Zuges und damit Täter war, in welcher Weise der Täter für die Betroffene gehandelt hat und warum diese dadurch etwas erlangt hat. Zwar kann nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe vermutet werden, dass die Betroffene Arbeitgeber des Fahrers, Halterin des Sattelzugs und Auftragnehmerin der Transportaufträge gewesen sein könnte. Die entsprechenden Tatsachen sind aber weder in dem erforderlichen Mindestumfang festgestellt noch sind sie auf Grund der übrigen Feststellungen evident.
Das Urteil muss ausreichend erkennen lassen, dass sich das Gericht der Notwendigkeit bewusst war, bei der Entscheidung nach § 29a Abs. 2 OWiG hinsichtlich des Ob der Verfallsanordnung gegen die Drittbegünstigte und hinsichtlich der Höhe des für verfallen erklärten Betrages eigenes Ermessen auszuüben und nicht nur die Ermessensentscheidung der Verwaltung zu überprüfen (dazu OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151). Hier lässt die Fassung der Urteilgründe befürchten, das Gericht habe die Ermittlung der Verfallsbeträge der Polizei überlassen und nur deren Schätzung auf Rechtsfehler überprüft. So wird ausgeführt, die jeweiligen Verfallsbeträge seien „durch den Zeugen PK R. ... ermittelt“ worden und „diese Ermittlung der Kostenansätze (begegne) keinerlei rechtlichen Bedenken“ (UA Seite 5 Absatz 3 und 5).
Jedenfalls hat das Urteil auch deswegen keinen Bestand, weil die Grundlagen einer eigenen Schätzung gem. § 29a Abs. 3 OWiG nicht ausreichend festgestellt sind. Solche Feststellungen sind unverzichtbar (OLG Karlsruhe, NZV 2013, 98).
Allerdings geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass das Entgelt, das einer Betroffenen für einen Transport zufließt, im Sinne von § 29a Abs. 2 OWiG „erlangt“ ist (OLG Celle aaO). Auch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn der Schätzung die Kostenansätze Gütertransport Straße (KGS) zugrunde gelegt werden, sofern keine anderen, konkret fallbezogenen Grundlagen für die Schätzung vorliegen. Die Feststellungen erlauben hier aber nicht, die Schätzung ausreichend nachzuvollziehen.
Der Inhalt der KGS im Einzelnen ist nicht allgemeinkundig. Deshalb hätte festgestellt werden müssen, auf welche Umstände es für die Entgeltberechnung nach den KGS ankommt, etwa die Art des Transportguts, das Gewicht und die Strecke sowie welche Beträge den hier für die einzelnen Fahrten festgestellten Umständen zuzuordnen sind. Tatsachengrundlagen für die Anwendung der KGS gibt das Urteil insoweit, als das Transportgut (Erdaushub) und die jeweiligen Transportgewichte festgestellt sind. Auch wird ausgeführt, dass Transportstrecken von jeweils 33,4 km als im Internet ermittelte Entfernung zwischen S. und M. zugrundegelegt werden. Warum das Gericht von Transporten von S. nach M. ausgeht, ist aber nicht festgestellt. Damit kann der Senat insgesamt die Schätzung nicht nachvollziehen.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 21. Okt. 2013 - 2 Ss 238/13 zitiert 4 §§.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 29a Einziehung des Wertes von Taterträgen


(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die d

Referenzen

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Hat der Täter durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und wird gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt, so kann gegen ihn die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht.

(2) Die Anordnung der Einziehung eines Geldbetrages bis zu der in Absatz 1 genannten Höhe kann sich gegen einen anderen, der nicht Täter ist, richten, wenn

1.
er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat und der Täter für ihn gehandelt hat,
2.
ihm das Erlangte
a)
unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b)
übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, oder
3.
das Erlangte auf ihn
a)
als Erbe übergegangen ist oder
b)
als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.
Satz 1 Nummer 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.

(3) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist.

(4) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden. § 18 gilt entsprechend.

(5) Wird gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt, so kann die Einziehung selbständig angeordnet werden.