Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 19. Juli 2006 - 5 W 138/06 - 46
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 3.3.2006, 14 O 61/06, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
II.
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Urteil einreichenSaarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 19. Juli 2006 - 5 W 138/06 - 46 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger fordert von der Beklagten Rentenleistun gen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sowie die Freistellung von der Beitragspflicht. Den Abschluß des Versicherungsvertrages hatte er im Mai 1994 bei der Beklagten beantragt. Im Antragsformular sind sämtliche Fragen nach bestehenden Erkrankungen, Störungen oder Beschwerden verneint, obwohl beim Kläger schon im August 1990 und Oktober 1991 ein myotendogener Schulterschmerz rechts sowie ein Dorso-Lymbalsyndrom bei Blockierung der Wirbelsäule diagnostiziert worden waren, er imAugust 1993 eine Thoraxprellung erlitten hatte und seit November 1993 wegen eines Morbus Scheuermann und chronischer Wirbelsäulenbeschwerden behandelt worden war. Er hatte außerdem im Januar 1994 unter einer Gastroenteritis und seit März 1994 unter einer Epikondylitis humeri radialis des rechten Ellenbogens (sog. Tennisellenbogen) gelitten , die bis Juni 1994 behandelt wurde.
Durch einen Sturz bei Eisglätte im November 1999 z og sich der Kläger, der bis dahin als Schreiner gearbeitet hatte, Beschwerden im Bereich des 10. Brustwirbelkörpers zu. Er hatte seither schmerzhafte Bewegungseinschränkungen , was schließlich zur Berufsunfähigkeit führte.
Die Beklagte hat den Rücktritt vom Versicherungsve rtrag erklärt und diesen wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Kläger habe seine Vorerkrankungen, auf denen die Berufsunfähigkeit hier beruhe, bei der Antragstellung verschwiegen. Das Antragsformular sei seinerzeit von dem Zeugen B. in Gegenwart des Klägers vollständig ausgefüllt worden, wobei der Zeuge die in dem Formular enthaltenen Fragen jeweils an den Kläger gerichtet und das Formular sodann entsprechend dessen Antworten ausgefüllt habe.
Der Kläger behauptet, der Versicherungsvertrag sei im Zusammenhang mit einer Baufinanzierung durch den Zeugen H. , der insoweit als Agent der Beklagten gehandelt habe, vermittelt worden. Dieser habe ihn allein nach Gewicht, Größe und behandelndem Arzt gefragt. Weitere Fragen seien ihm weder mündlich noch schriftlich gestellt worden. Er habe den Antrag auf Geheiß des Zeugen H. der an vorge-
sehenen Stelle unterzeichnet. Erst später habe der ZeugeB. das Antragsformular ohne sein Beisein ausgefüllt.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein in den V orinstanzen erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, die Leistungspflich t der Beklagten sei infolge ihres Rücktritts vom Versicherungsvertrag nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG entfallen. Daß es sich bei den Vorerkrankungen des Klägers um gefahrerhebliche Umstände gehandelt habe, sei nicht mehr im Streit. Entgegen der Auffassung des Klägers sei jedenfalls davon auszugehen, daß ihn bei der Antragstellung hinsichtlich dieser erheblichen Vorerkrankungen eine spontane Anzeigepflicht getroffen habe, weil der Versicherungsnehmer nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG auch ohne ausdrückliche Fragen des Versicherers gehalten sei, alle ihm bekannten, gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen. Zwar könne sich ein Versicherer dann nicht auf die unterlassene Anzeige berufen, wenn dem Versicherungsnehmer die im Antragsformular gestellten Fragen durch das Verhalten eines Versicherungsagenten nur zum Teil zur Kenntnis gebracht worden seien. Aus der gesetzlichen Wertung des § 18 VVG ergebe sich jedoch, daß diese Einschränkung nur dann gelte, wenn der Antragsteller nicht arglistig gehandelt habe.
Hier treffe den Kläger der Vorwurf arglistigen Ver haltens. Dabei könne offen bleiben, ob schon die beim Kläger diagnostizierten Vorerkrankungen des Bewegungsapparats und ihre Behandlung den Schluß auf ein arglistiges Verschweigen bei Antragstellung rechtfertigten, weil sich der damalige konkrete Gesundheitszustand des Klägers aus Sicht eines an der erstrebten Versicherung interessierten Durchschnittsbürgers als relevant im Sinne einer Offenbarungspflicht habe darstellen müssen. Darlegungs- und beweisbelastet für die fehlende Arglist sei nämlich der Versicherungsnehmer. Ein arglistiges Verhalten des Klägers schiede allenfalls dann aus, wenn sich der Ablauf der Antragstellung so zugetragen hätte, wie vom Kläger behauptet. Insoweit gehe es zu seinen Lasten, daß ihm der Beweis dafür nach Vernehmung seiner von ihm benannten Ehefrau und des Zeugen H. nicht gelungen sei. Auf die Vernehmung des gegenbeweislich von der Beklagten benannten Zeugen B. komme es daher nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat den objektiven Geschehens ablauf bei der Ausfüllung des Versicherungsantragsformulars nicht geklärt und insbesondere auch nicht danach gefragt, wer die Beweislast hierfür trägt. Es hat sich damit möglicherweise den Blick dafür verstellt, daß die von ihm vorgenommene Beweislastverteilung bei der nachfolgenden Frage der Arglist des Versicherungsnehmers im Sinne von § 18 VVG zu dem widersinnigen Ergebnis führt, daß dieselbe Beweisfrage (nach dem Geschehen bei Antragstellung) im Rahmen der zu treffenden Entscheidung
einmal vom Versicherer, sodann aber vom Versicherungsnehmer bewiesen werden müßte mit der Folge, daß die Nichterweislichkeit im Ergebnis immer zu Lasten des Versicherungsnehmers ginge. Dieses Ergebnis steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.
1. Legt der Versicherer dem Versicherungsnehmer ei nen Verstoß gegen dessen vorvertragliche Anzeigeobliegenheit aus § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG zur Last, so betrifft die Frage, ob dem Versicherungsnehmer bei Anbahnung des Versicherungsvertrages bestimmte Fragen des Versicherers nach gefahrerheblichen Umständen (hier Gesundheitsfragen) tatsächlich gestellt worden sind, den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1996 - IV ZR 218/95 - VersR 1996, 1529 unter 2 b; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rdn. 27 und 38; Knappmann, r+s 1996, 81, 82 m.w.N.). Ihn zu beweisen ist Sache des Versicherers. Hat - wie hier unstreitig - ein Versicherungsagent es übernommen, das Formular eines Versicherungsantrags für den Antragsteller auszufüllen, so erbringt allein der ausgefüllte Antrag nicht den Beweis für die falsche Beantwortung der im Antragsformular stehenden Fragen, wenn der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend informiert zu haben oder von ihm mit den einzelnen Fragen gar nicht konfrontiert worden zu sein (BGHZ 107, 322, 324 f.; BGH, Urteil vom 16. Oktober 1996 aaO). Vielmehr muß in einem solchen Fall der Versicherer beweisen, daß alle im schriftlichen Formular beantworteten Fragen dem Antragsteller tatsächlich gestellt und so wie niedergelegt von ihm beantwortet worden sind (BGHZ aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. November 1989 - IVa ZR 269/88 - VersR 1990, 77 unter 2; Urteil vom 11. Juli 1990 - IV ZR 156/89 - VersR 1990, 1002 unter 2 d).
Das Berufungsgericht ist dieser Frage nicht nachge gangen. Es hat weder den von der Beklagten insoweit angebotenen ZeugenB. gehört noch im übrigen dargelegt, ob die Beklagte anhand der vernommenen Zeugen den ihr obliegenden Beweis für die Behauptung erbracht hat, der Zeuge B. habe alle im Fragebogen niedergelegten Fragen an den Kläger gerichtet und den Fragebogen entsprechend dessen Antworten ausgefüllt.
2. Stattdessen ist das Berufungsgericht anscheinen d davon ausgegangen , es komme auf den wirklichen Geschehensablauf bei Ausfüllung des Antragsformulars letztlich nicht an, weil der Kläger - auch ohne dazu ausdrücklich befragt worden zu sein - jedenfalls infolge seiner spontanen Anzeigepflicht verpflichtet gewesen sei, dem Versicherer bei Antragstellung seine erheblichen Vorerkrankungen anzuzeigen. Es hat also im weiteren offenbar unterstellt, die Beklagte habe die substantiierte Behauptung des Klägers nicht widerlegt, er sei lediglich nach Gewicht, Größe und behandelndem Arzt gefragt worden.
a) Davon ausgehend ist im Ansatz nicht zu beanstan den, daß das Berufungsgericht annimmt, den künftigen Versicherungsnehmer treffe bei der Antragstellung auch in einem solchen Fall nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG die Obliegenheit, alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände dem Versicherer anzuzeigen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1996 aaO unter 2 c). Richtig ist auch, daß der Versicherer sich - abgesehen vom Fall der Arglist des Antragstellers - auf die unterlassene Anzeige gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG dann nicht berufen kann, wenn er im Antragsformular zwar ausdrücklich und schriftlich Fragen nach gefahrerhebli-
chen Umständen gestellt hat, diese Fragen dem Antragsteller aufgrund eines Verhalten des Versicherungsagenten aber nur zum Teil zur Kenntnis gebracht werden (BGH aaO). Das folgt aus der gesetzlichen Wertung des § 18 VVG. Sie gebietet es nach der Senatsrechtsprechung auch hier, die Rücktrittsmöglichkeit des Versicherers auf solche Fälle zu beschränken , in denen der Antragsteller einen gefahrerheblichen Umstand arglistig verschweigt (BGH aaO).
b) Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefo lgt werden, daß der Versicherungsnehmer im Rahmen des - aus den vorgenannten Gründen entsprechend anwendbaren - § 18 VVG die Beweislast dafür trägt, daß er nicht arglistig gehandelt habe. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als fehlerhaft.
aa) Zwar stützt sich das Berufungsgericht auf eine teilweise in der Literatur vertretene Rechtsauffassung. Ihr zufolge soll sich aus den §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 2 VVG die Grundregel ergeben, daß der Versicherungsnehmer in allen Fällen des Rücktritts des Versicherers wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Vorwurf des Verschuldens widerlegen müsse. § 18 VVG verschärfe insoweit lediglich den Verschuldensmaßstab, ohne aber etwas daran zu ändern, daß der Versicherungsnehmer auch den qualifizierten Schuldvorwurf ausräumen müsse. Auch das in § 22 VVG angelegte Nebeneinander von Rücktritts- und Anfechtungsmöglichkeit spreche dafür, daß der Versicherungsnehmer die Beweislast für fehlende Arglist im Rahmen des § 18 VVG trage. Denn wenn der Versicherer die Voraussetzungen für eine Arglistanfechtung nach den §§ 22 VVG, 123 BGB beweisen könne, sei er auf die rechtlich schwächere Rücktrittsmöglichkeit, bei der er im Falle folgenloser Anzei-
gepflichtverletzung sogar leistungspflichtig bleibe (§ 21 VVG), nicht mehr angewiesen. Sinn mache die Regelung des § 18 VVG für den Versicherer mithin nur, wenn das Rücktrittsrecht - sozusagen als niederschwellige Möglichkeit für den Versicherer, sich vom Vertrage zu lösen - bereits bei ungeklärter Arglistfrage zum Zuge käme (Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 18 Rdn. 3; ders. in Baumgärtel/Prölss, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 5 Versicherungsrecht § 18 VVG Rdn. 3; Bruck/ Möller, VVG 8. Aufl. § 18 Anm. 8; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 18 Rdn. 5).
bb) Beide Argumente überzeugen nicht.
§ 18 VVG geht tatbestandlich davon aus, daß der Ve rsicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit durch Beantwortung ihm vom Versicherer gestellter Fragen nach Gefahrumständen zu erfüllen hat, dabei aber die Anzeige eines Umstandes unterbleibt, nach dem vom Versicherer nicht ausdrücklich gefragt worden ist. An die bloße Verwirklichung dieses Tatbestandes knüpft die Vorschrift kein Rücktrittsrecht des Versicherers ; ein solches Recht kommt ihm vielmehr erst unter der weiteren Voraussetzung zu, daß der Versicherungsnehmer den Umstand arglistig verschwiegen hat. § 18 VVG bestimmt danach keinen Ausschluß des Rücktrittsrechts wie die §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2 VVG, sondern regelt das Rücktrittsrecht des Versicherers für eine besondere Situation und verlangt als Voraussetzung dafür ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers. Diese Voraussetzung zu beweisen, ist Sache des Versicherers , der sich auf das Rücktrittsrecht beruf (BK/Voit, § 18 VVG Rdn. 14).
§ 18 VVG trägt im übrigen einer vom Regelfall der Verletzung der Anzeigeobliegenheit wesentlich abweichenden Interessenlage Rechnung. Nach der Systematik der §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 2 VVG indiziert dort die objektive Verletzung der Anzeigeobliegenheit ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Das erscheint auch sachgerecht, denn an falsche oder unterbliebene Angaben über gefahrerhebliche Umstände kann regelmäßig die Annahme geknüpft werden, der Versicherungsnehmer habe zumindest fahrlässig gehandelt. Anders stellt sich die Situation unter den Voraussetzungen des § 18 VVG dar. Sein Tatbestand beschreibt eine Situation, in der der Versicherungsnehmer irritiert sein kann, weil schriftlich vorformulierte Fragen des Versicherers den Blick dafür verstellen können, daß von ihm unter Umständen auch Angaben gefordert sind, die über die Beantwortung der schriftlichen Fragenstellungen hinausreichen. Dem steht der Fall gleich, daß schriftlich vorformulierte Fragen infolge eines Verhaltens des Versicherungsagenten dem Versicherungsnehmer nicht zur Kenntnis gelangen. In beiden Fällen erscheint es schon nicht mehr gerechtfertigt, an einen objektiv gegebenen Obliegenheitsverstoß ohne weiteres die Vermutung einfachen Verschuldens zu knüpfen. Erst recht kann daran nicht die Vermutung eines qualifizierten Verschuldens (Arglist) geknüpft werden, zumal eine solche Arglistvermutung der Rechtsordnung auch im übrigen fremd ist (Knappmann, aaO S. 82; Voit, aaO).
3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Das Berufungsgericht hat zwar angedeutet, es ließen sich aus der Vielzahl und Schwere der Vorerkrankungen des Klägers Hinweise darauf entnehmen, daß er diese Erkrankungen, deren Gefahrerheblichkeit auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer er-
kennbar sei, arglistig verschwiegen habe. Insoweit fehlt es bislang aber an ausreichenden Feststellungen. Es ist schon ungeklärt, ob der Agent dem Kläger die vorformulierten Antragsfragen gestellt hat; der insoweit von der Beklagten angebotene Beweis wird zu erheben sein (vgl. oben unter 1). Sollte es erneut darauf ankommen, ob der Kläger Umstände arglistig verschwiegen hat, wird zu berücksichtigen sein, daß allein mit dem Beweis vorsätzlich falscher oder vorsätzlich nicht angezeigter Umstände der Täuschungsvorsatz noch nicht feststeht. Er setzt neben der Kenntnis der Gefahrerheblichkeit des betreffenden Umstandes die billigende Erkenntnis voraus, die Beklagte könne durch sein Vorgehen über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluß des Versicherungsvertrages beeinflußt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 - II ZR 56/56 - VersR 1957, 331; Senatsurteil vom 11. November 1986 - IVa ZR 186/85 - VersR 1987, 91 unter II; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 1996, 48).
Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Ent scheidung.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9.10.2003 - 12 O 11/03 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.907,08 EUR festgesetzt.
Gründe
(1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung).
(2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser benannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.
(3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Testamentsvollstrecker für den Nachlaß des am 31. Oktober 1996 verstorbenen Dr. L.. Er macht in dieser Eigenschaft Versicherungsleistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag geltend , hilfsweise Ansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten.Der Erblasser war Eigentümer eines bei dem früher zuständigen Gebäudemonopolversicherer versicherten Geschäftshauses in P.. Nach Aufhebung des Gebäudeversicherungsmonopols beauftragte und bevollmächtigte er seine Hausverwaltung, die A. GmbH, mit dem Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages. Die A. GmbH war auch Versicherungsagentin der Beklagten.
Die A. GmbH holte zunächst ein Angebot der Gebäudeversicherung B. AG, der Rechtsnachfolgerin des Monopolversicherers, auf Abschluß eines Gebäudeversicherungsvertrages zum Neuwert ein. Das Angebot enthielt ausweislich des Anschreibens des Versicherers vom 31. August 1995 einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung. Die A. GmbH übermittelte das Angebot der Beklagten, nach Behauptung des Klägers einschließlich des Anschreibens vom 31. August 1995, und erklärte, einen Versicherungsvertrag zu gleichlautenden Bedingungen mit der Beklagten abzuschließen, falls diese eine günstigere Prämie anbiete. Die Beklagte, für die ihr Bezirksdirektor F. verhandelte, legte im September 1995 ein Angebot mit einer Versicherungssumme von 3.197.000 DM vor, das den Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung nicht enthielt. Sie überließ der A. GmbH einen von einem Mitarbeiter der Bezirksdirektion K. bereits ausgefüllten Versicherungsantrag, den der Geschäftsführer der A. GmbH für den Erblasser unterzeichnete und an die Beklagte zurückgab. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 erklärte die Beklagte die Übernahme der Deckung ab dem 1. Januar 1996 und stellte am 8. März 1996 einen Versicherungsschein auf Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Gebäudeversicherung von Geschäften und Betrieben (VBGB 94) und der Besonderen Bedingungen für
die Versicherung weiterer Elementarschäden bei gewerblichen Risiken (BEG-Klausel 9050) aus. Die A. GmbH erhielt von der Beklagten eine Provision. Am 1. April 1996 entstand an dem versicherten Gebäude ein Brand- oder Explosionsschaden in Höhe von 1.403.728,60 DM. Da der Neuwert des Gebäudes 4.980.000 DM betrug, erhob die Beklagte den Einwand der Unterversicherung und zahlte lediglich 901.053,38 DM.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der restlichen 502.675,22 DM verurteilt. Ihre dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht führt aus: Der geltend gemachte Anspruch sei nach Grund und Höhe aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages gerechtfertigt. Auf eine Unterversicherung gemäû § 56 VVG könne die Beklagte sich nicht berufen. Der Versicherungsschein enthalte zwar keinen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung. Jedoch weiche er insoweit vom Versicherungsantrag ab. Der Erblasser
habe über die von ihm bevollmächtigte A. GmbH seinen schriftlichen Antrag um den Ausschluû des Unterversicherungseinwandes mündlich ergänzt. Die A. GmbH, der das Anschreiben der Gebäudeversicherung B. AG vom 31. August 1985 vorgelegen habe, sei gleichzeitig Versicherungsagentin der Beklagten und als solche für diese tätig geworden. Was gegenüber dem Versicherungsagenten erklärt werde, wirke auch gegenüber dem Versicherer. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob der Inhalt des Anschreibens auch den Mitarbeitern der Bezirksdirektion der Beklagten bekannt gewesen sei. Die Auffassung der Beklagten, die A. GmbH sei ausschlieûlich als Bevollmächtigte des Erblassers aufgetreten , könne schon deshalb nicht geteilt werden, weil sie der A. GmbH ihre Tätigkeit mit einer Provision vergütet habe. Das bestätige deren Doppelstellung als Bevollmächtigte des Erblassers einerseits und als Versicherungsagentin der Beklagten andererseits. Die Vorschrift des § 181 BGB stehe dem nicht entgegen, da beide Parteien das Handeln der A. GmbH genehmigt hätten. Da die Beklagte im Versicherungsschein weder auf die Abweichung vom Versicherungsantrag noch darauf hingewiesen habe, daû die Abweichung bei fehlendem schriftlichen Widerspruch als genehmigt gelte, sei der Versicherungsvertrag gemäû § 5 Abs. 3 Satz 3 VVG nach dem Inhalt des einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung einschlieûenden Versicherungsantrages zustande gekommen.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der gemäû § 43 Abs. 1 VVG empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent steht bei der Entgegennahme eines Antrages auf Abschluû eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt. Mit der bloûen Verwendung eines - vorbereiteten - Antragsformulars ist zudem keine erkennbare Beschränkung der Empfangsvollmacht auf schriftliche Erklärungen verbunden (BGHZ 102, 194, 197 ff.), so daû auch mündliche Ergänzungen, die vor dem Versicherungsagenten zum schriftlichen Versicherungsantrag abgegeben werden, gegenüber dem Versicherer erklärt sind. Fertigt der Versicherer einen Versicherungsschein aus, der inhaltlich nicht dem vom Agenten entgegengenommenen - mündlich ergänzten - Versicherungsantrag entspricht, so liegt darin keine unveränderte Annahme des Antrags; es finden die Vorschriften des § 5 VVG Anwendung. Unterläût der Versicherer die in § 5 Abs. 2 VVG vorgeschriebene Rechtsbelehrung, weil er irrigerweise glaubt, der Versicherungsschein entspreche dem vom Versicherungsnehmer gestellten Antrag, dann gilt der Antrag gemäû § 5 Abs. 3 VVG als unverändert angenommen , ohne daû es auf ein Verschulden des Versicherers in diesem Zusammenhang ankäme (Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVa ZR 224/85 - NJW 1988, 60 unter II 1 a).
2. Das Berufungsgericht geht indessen rechtsfehlerhaft davon aus, daû die A. GmbH im Zusammenhang mit der Entgegennahme des Versicherungsantrags als Agentin der Beklagten gehandelt hat. Die Zurechnung der Kenntnis des Agenten setzt voraus, daû dieser bei der An-
tragsentgegennahme in Ausübung der Stellvertretung für den Versicherer tätig geworden ist (Senatsurteil vom 22. September 1999 - IV ZR 15/99 - VersR 1999, 1481 unter 2 b). Daran fehlt es in der Regel, wenn der Agent dem Versicherer als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt, demgemäû im Lager des Antragstellers und nicht des Versicherers steht. So liegt es hier.
Die A. GmbH war vom Erblasser beauftragt und bevollmächtigt, den Versicherungsvertrag nach seinen Weisungen (§ 662 BGB) abzuschlieûen. In Ausführung des Auftrages, ein möglichst günstiges Angebot für eine Gebäudeversicherung einzuholen, ist die A. GmbH an die Beklagte herangetreten. In den sich anschlieûenden Verhandlungen waren die jeweiligen Aufgabenbereiche deutlich getrennt. Die A. GmbH nahm ausschlieûlich die Interessen des Erblassers wahr, während auf seiten der Beklagten die zuständige Bezirksdirektion auftrat. Auch den Versicherungsantrag hat der Geschäftsführer der A. GmbH allein für den Versicherungsinteressenten unterzeichnet. Eine Doppelstellung der A. GmbH, wie vom Berufungsgericht angenommen, war somit nicht gegeben. Auch sonst sind keine Feststellungen getroffen, die es rechtfertigen könnten, die A. GmbH zusätzlich der Sphäre des Versicherers zuzuweisen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, daû die A. GmbH nach Abschluû des Versicherungsvertrages eine Provision von der Beklagten erhielt. Das allein begründet noch nicht die Stellung als Versicherungsagentin (vgl. BGHZ 94, 356, 359; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 43 Rdn. 4, Anhang zu §§ 43-48 Rdn. 22). Vielmehr ist entscheidend, daû hier bei Anbahnung und Abschluû des Versicherungsverhältnisses eine klare Rollenvertei-
lung bestand. Der Beklagten war die Stellung der A. GmbH als Vertreterin des Versicherungsnehmers bekannt. Bei einer solchen Sachlage verbietet es sich, ihr die Kenntnis der A. GmbH von dem Inhalt des Anschreibens vom 31. August 1995 zuzurechnen. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt eine Verurteilung der Beklagten mithin nicht.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht wird zunächst unter Auswertung des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme zu prüfen haben, ob den Mitarbeitern der Bezirksdirektion der Inhalt des Schreibens vom 31. August 1995 im Zuge der Vertragsverhandlungen zur Kenntnis gelangt ist. Für diesen Fall wären bei Vorbereitung des Versicherungsantrages , der der A. GmbH bereits ausgefüllt zur Verfügung gestellt worden ist, die vom Versicherungsinteressenten zuvor geäuûerten Wünsche hinsichtlich der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses nicht vollständig berücksichtigt worden. Das könnte zu Ansprüchen aus culpa in contrahendo führen (Prölss in Prölss/Martin, § 3 VVG Rdn. 15). Dabei wird das Berufungsgericht andererseits zu berücksichtigen haben, daû die Beklagte eine sorgfältige und sachkundige Prüfung des Versicherungsantrages durch die A. GmbH erwarten konnte. Sollte das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung bejahen, wäre daher ein Mitverschulden auf seiten des Versicherungsnehmers zu erwägen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.