Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 3.3.2006, 14 O 61/06, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller beabsichtigt, die Beklagte auf Leistungen aus einem auf der Grundlage des Antrages vom 27.6.2004 (Bl. 57 ff d.A.) unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Bl. 54 ff d.A.) zu Stande gekommenen Krankheitskostenversicherungsvertrag (Nr. ...) sowie auf Feststellung des Fortbestehens des Vertrages zu verklagen.

Die Beklagte hat  Leistungen abgelehnt und den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil der Kläger bei Antragstellung Fragen nach Krankheiten oder Beschwerden – durch Verschweigen eines Leberschadens – und nach ärztlichen Behandlungen falsch beantwortet haben soll.

Der Antragsteller hat demgegenüber eingewandt, dass er von einem Leberschaden keine Kenntnis gehabt habe und er im Übrigen gegenüber dem den Antrag vermittelnden Mitarbeiter des A., dem Zeugen Z., alles, was er über seinen Gesundheitszustand gewusst habe, offenbart habe. Der Zeuge Z. habe seinen Angaben indessen im Hinblick auf den Zeitablauf keine Relevanz beigemessen und sie nicht in den Antrag aufgenommen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens mit Beschluss vom 3.3.2006 (Bl. 66 ff d.A.) zurückgewiesen, weil der Antragsteller, wie sich dem vorliegenden Arztbericht der E. Klinikum GmbH vom 7.7.2005 entnehmen lasse, seine Alkoholsucht, die bereits am 23.7.2002 zu einem stationären Krankenhausaufenthalt und bereits zu diesem Zeitpunkt zu einem äthyltoxischen Leberschaden mit massiver Axites geführt habe, in Kenntnis seiner Erkrankungen - ausweislich des Arztberichtes ist der Patient nach eigenen Angaben seit 8/04 glaubhaft "trocken" und erfolgte die Erstaufnahme 7/02 auf Grund eines drohenden Delirium tremens - , arglistig verschwiegen habe. Hiervon habe die Antragsgegnerin nach der "Auge und Ohr- Rechtsprechung" auch keine Kenntnis erlangt, weil der Zeuge Z. vom A. nicht Versicherungsagent der Antragsgegnerin sei, sondern als "unabhängiger Finanzoptimierer" im Lager des Versicherungsnehmers stehe.

Gegen den ihm am 14.3.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 13.4.2006 eingegangenem Faxschreiben Beschwerde eingelegt (Bl. 74 ff d.A.) und geltend gemacht, weder von einer Leberzirrhose noch von einer massiven Axites bzw. deswegen stattgehabter Behandlungen gewusst zu haben.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel unter Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl.92 ff d.A.).

Der Senat hat mit prozessleitender Verfügung vom 31.5.2006 auf die Problematik der Zurechnung von Informationen bei Antragsaufnahme im Hinblick auf die ungeklärte Beziehung des A. zur Antragsgegnerin hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Bl. 95 d.A.). Hiervon haben die Parteien Gebrauch gemacht (Bl. 99 ff / 101 ff d.A.).

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 3, 567 ff ZPO statthafte sowie auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des beabsichtigten Klageverfahrens im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen.

Gemäß § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall. nicht erfüllt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers, nämlich die Klage auf Erbringung von Versicherungsleistungen aus dem bei der Antragsgegnerin abgeschlossenen Versicherungsvertrag  sowie auf Feststellung des Fortbestehens des Vertrages, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

a. Zu Recht und mit insoweit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin arglistig über die ihm bei Antragstellung bekannte Schädigung seiner Leber und die sie betreffende Behandlung getäuscht hat.

Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann (BGH, Urt.v. 14.7.2004 – IV ZR 161/03 – VersR 2004, 1297, 1298 a.E.; zuletzt Senat, Urt.v. 12.10.2005 – 5 U 31/05-4). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Allerdings gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung, nach dem eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden.

Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht dann, wenn er schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder aufgetretene, zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschwiegen hat, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten (Senat, Urt.v. 30.6.2004 – 5 U 656/03 – OLGR 2004, 592 m.w.N.). Liegen objektive Falschangaben vor, ist es im Übrigen Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiven falschen Angaben gekommen ist.

Danach ist, wie die angefochtene Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, von einer arglistigen Täuschung durch den Antragsteller auszugehen. Die von ihm – nach dem Antragsformular – verschwiegene Vorerkrankung, ein äthyltoxischer Leberschaden –  war schwer und lebensbedrohlich. Sie wurde – unter dramatischen Umständen, der stationären Aufnahme wegen eines drohenden delirium tremens und inneren Blutungen – innerhalb von 1 und 2 Jahren vor Antragsaufnahme behandelt. Dem Antragsteller kann nicht, wie er behauptet, verborgen geblieben sein, dass er sich schon im Jahr 2002 wegen dieser Erkrankung in ärztlicher Behandlung befand.

b. Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, er habe den Zeugen Z., einen den Versicherungsantrag aufnehmenden Mitarbeiter A., vollständig über seinen gesundheitlichen Zustand unterrichtet. Das gilt unabhängig davon, ob und welche Erkrankungen der Antragsteller dem Zeugen Z. überhaupt geschildert hat; seine Angaben insoweit sind vage. Denn der Zeuge Z. hat nicht als Versicherungsagent der Antragsgegnerin gehandelt; es liegen auch keine anderen Umstände vor, die eine Wissenszurechnung rechtfertigen.

Allerdings steht gemäß § 43 Abs. 1 VVG der empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent bei der Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Worüber er bei Antragsaufnahme – in Bezug auf die von dem Versicherer gestellten Fragen – unterrichtet wird, darüber ist der Versicherer unterrichtet. Diese Wissenszurechnung setzt allerdings voraus, dass die den Versicherungsantrag aufnehmende Person als Agent des Versicherers, also in Ausübung von Stellvertretung für den Versicherer, gehandelt hat. Ob sie hauptberuflich oder nebenberuflich, abhängig oder selbständig gehandelt hat, ist unerheblich. Für die Wissenszurechnung ist allein entscheidend, ob die den Antrag aufnehmende Person „im Lager des Versicherers“ stand, der Versicherer also von ihrem Tätigwerden für ihn  im Allgemeinen wusste oder es hätte kennen müssen, ohne sich nach außen erkennbar von ihm abzugrenzen. Insoweit reicht es zwar nicht aus, dass der Vermittler über Antragsformulare des Versicherers verfügte oder dass auf dem Versicherungsantrag oder der Police auf eine „Betreuung“ durch den Vermittler hingewiesen wurde oder der Vermittler eine Provision durch den Versicherer erhielt (vgl. BGH, Urt.v. 22.9.1999 – IV ZR 15/99 – NVersZ 2000, 124; Urt.v. 19.9.2001 – IV ZR 235/00 – VersR 2001, 1498), wohl aber, wenn der Vermittler darüber hinaus in die Vertriebsorganisation des Versicherers eingebunden war, weil er wirtschaftlich in nicht unerheblichem Maße von dem Versicherer abhängig war oder weil er gar keine Produktauswahl empfehlen konnte oder wollte (VersR-Hdb./Reiff § 5 Rdnr. 30, 33 ff.).

Behauptet ein Versicherungsnehmer, er habe den Vermittler des Vertrages über gefahrerhebliche Umstände auf Frage unterrichtet und vertritt er die Auffassung, dessen Information sei dem Versicherer zuzurechnen, so ist es allerdings Sache des Versicherers, dies zu widerlegen. Das folgt schon daraus, dass der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat, dass der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verletzt, als den Versicherer oder eine für ihn als Vermittler auftretende Person nicht zutreffend unterrichtet hat. Im übrigen ist es dem Versicherer anders als dem Versicherungsnehmer unschwer möglich, seine rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen zu der als Vermittler auftretenden Person zu offenbaren.

Die Antragsgegnerin hat überzeugend und ohne dass der Antragsteller dem entgegengetreten wäre, dargelegt, dass das – mögliche – Wissen des Zeugen Z. ihr nicht zuzurechnen ist. Weder ihm noch dem A., für den der tätig geworden ist, kommt die Stellung eines Versicherungsagenten zu.

Das ergibt schon das Antragsformular, das eine „A.-Antragsnummer“ und das Zeichen des „A.- Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“ – nicht aber eine vorgedruckte Firmenbezeichnung der Antragsgegnerin – enthält sondern die Gesellschaft, bei der der Vertrag abgeschlossen werden soll, offen lässt. Die Bezeichnung als „ihr“ (also des Kunden) „unabhängiger“ Finanzoptimierer weist für den Rechtsverkehr hinreichend deutlich darauf hin, dass der A. sich nicht dem „Lager“ der Versicherers sondern, zu Recht oder zu Unrecht, als eigenständiger Ratgeber und Vermittler des Versicherungsnehmers versteht. Dass die Antragsgegnerin für den Abschluss des Vertrages eine Courtage gezahlt hat, macht den A. nicht zu ihrem Vermittler. Allein der Umstand, dass, worauf der Antragsteller verweist, ihm bestätigt worden sei, dass er durch das Büro des A. betreut werde und er sich nicht mit der Antragsgegnerin auseinander zu setzen brauche, rechtfertigt gleichfalls keine andere Beurteilung. Dieser Information  kommt keine weitergehende Bedeutung als einem Vermerk auf dem Versicherungsschein, der Versicherungsnehmer werde von dem Versicherungsmakler betreut, zu. Sie rechtfertigt nicht die Annahme, der A. habe als Versicherungsagent gehandelt oder wie ein solcher die Interessen des Versicherers vertreten. Daher liegen insgesamt hinreichende Umstände vor, die es rechtfertigen, dass sich die Antragsgegnerin ein mögliches Wissen des A. bzw. des Zeugen Z. nicht zurechnen lassen muss.

Da es somit insgesamt an den Voraussetzungen einer Wissenszurechnung fehlt, kann nicht von einer Kenntnis der Antragsgegnerin, wie vom Antragsteller behauptet, ausgegangen werden. Ob nicht auch dann, wenn der Zeuge Z. Vermittler der Antragstellerin wäre, eine Zurechnung scheitern würde, weil ein kollusives Verhalten nahe läge, kann folglich dahinstehen.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

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Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 19. Juli 2006 - 5 W 138/06 - 46 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 43 Begriffsbestimmung


(1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung). (2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen gesc

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juli 2004 - IV ZR 161/03

bei uns veröffentlicht am 14.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 161/03 Verkündet am: 14. Juli 2004 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ VVG § 18

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2001 - IV ZR 235/00

bei uns veröffentlicht am 19.09.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 235/00 Verkündet am: 19. September 2001 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _________

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 30. Juni 2004 - 5 U 656/03

bei uns veröffentlicht am 30.06.2004

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9.10.2003 - 12 O 11/03 - wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger w

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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 161/03 Verkündet am:
14. Juli 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Die Beweislast für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers im
Sinne von § 18 VVG trägt der Versicherer.
BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - IV ZR 161/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Fulda
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juli 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger fordert von der Beklagten Rentenleistun gen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sowie die Freistellung von der Beitragspflicht. Den Abschluß des Versicherungsvertrages hatte er im Mai 1994 bei der Beklagten beantragt. Im Antragsformular sind sämtliche Fragen nach bestehenden Erkrankungen, Störungen oder Beschwerden verneint, obwohl beim Kläger schon im August 1990 und Oktober 1991 ein myotendogener Schulterschmerz rechts sowie ein Dorso-Lymbalsyndrom bei Blockierung der Wirbelsäule diagnostiziert worden waren, er im

August 1993 eine Thoraxprellung erlitten hatte und seit November 1993 wegen eines Morbus Scheuermann und chronischer Wirbelsäulenbeschwerden behandelt worden war. Er hatte außerdem im Januar 1994 unter einer Gastroenteritis und seit März 1994 unter einer Epikondylitis humeri radialis des rechten Ellenbogens (sog. Tennisellenbogen) gelitten , die bis Juni 1994 behandelt wurde.
Durch einen Sturz bei Eisglätte im November 1999 z og sich der Kläger, der bis dahin als Schreiner gearbeitet hatte, Beschwerden im Bereich des 10. Brustwirbelkörpers zu. Er hatte seither schmerzhafte Bewegungseinschränkungen , was schließlich zur Berufsunfähigkeit führte.
Die Beklagte hat den Rücktritt vom Versicherungsve rtrag erklärt und diesen wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Kläger habe seine Vorerkrankungen, auf denen die Berufsunfähigkeit hier beruhe, bei der Antragstellung verschwiegen. Das Antragsformular sei seinerzeit von dem Zeugen B. in Gegenwart des Klägers vollständig ausgefüllt worden, wobei der Zeuge die in dem Formular enthaltenen Fragen jeweils an den Kläger gerichtet und das Formular sodann entsprechend dessen Antworten ausgefüllt habe.
Der Kläger behauptet, der Versicherungsvertrag sei im Zusammenhang mit einer Baufinanzierung durch den Zeugen H. , der insoweit als Agent der Beklagten gehandelt habe, vermittelt worden. Dieser habe ihn allein nach Gewicht, Größe und behandelndem Arzt gefragt. Weitere Fragen seien ihm weder mündlich noch schriftlich gestellt worden. Er habe den Antrag auf Geheiß des Zeugen H. der an vorge-

sehenen Stelle unterzeichnet. Erst später habe der ZeugeB. das Antragsformular ohne sein Beisein ausgefüllt.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein in den V orinstanzen erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, die Leistungspflich t der Beklagten sei infolge ihres Rücktritts vom Versicherungsvertrag nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG entfallen. Daß es sich bei den Vorerkrankungen des Klägers um gefahrerhebliche Umstände gehandelt habe, sei nicht mehr im Streit. Entgegen der Auffassung des Klägers sei jedenfalls davon auszugehen, daß ihn bei der Antragstellung hinsichtlich dieser erheblichen Vorerkrankungen eine spontane Anzeigepflicht getroffen habe, weil der Versicherungsnehmer nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG auch ohne ausdrückliche Fragen des Versicherers gehalten sei, alle ihm bekannten, gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen. Zwar könne sich ein Versicherer dann nicht auf die unterlassene Anzeige berufen, wenn dem Versicherungsnehmer die im Antragsformular gestellten Fragen durch das Verhalten eines Versicherungsagenten nur zum Teil zur Kenntnis gebracht worden seien. Aus der gesetzlichen Wertung des § 18 VVG ergebe sich jedoch, daß diese Einschränkung nur dann gelte, wenn der Antragsteller nicht arglistig gehandelt habe.

Hier treffe den Kläger der Vorwurf arglistigen Ver haltens. Dabei könne offen bleiben, ob schon die beim Kläger diagnostizierten Vorerkrankungen des Bewegungsapparats und ihre Behandlung den Schluß auf ein arglistiges Verschweigen bei Antragstellung rechtfertigten, weil sich der damalige konkrete Gesundheitszustand des Klägers aus Sicht eines an der erstrebten Versicherung interessierten Durchschnittsbürgers als relevant im Sinne einer Offenbarungspflicht habe darstellen müssen. Darlegungs- und beweisbelastet für die fehlende Arglist sei nämlich der Versicherungsnehmer. Ein arglistiges Verhalten des Klägers schiede allenfalls dann aus, wenn sich der Ablauf der Antragstellung so zugetragen hätte, wie vom Kläger behauptet. Insoweit gehe es zu seinen Lasten, daß ihm der Beweis dafür nach Vernehmung seiner von ihm benannten Ehefrau und des Zeugen H. nicht gelungen sei. Auf die Vernehmung des gegenbeweislich von der Beklagten benannten Zeugen B. komme es daher nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat den objektiven Geschehens ablauf bei der Ausfüllung des Versicherungsantragsformulars nicht geklärt und insbesondere auch nicht danach gefragt, wer die Beweislast hierfür trägt. Es hat sich damit möglicherweise den Blick dafür verstellt, daß die von ihm vorgenommene Beweislastverteilung bei der nachfolgenden Frage der Arglist des Versicherungsnehmers im Sinne von § 18 VVG zu dem widersinnigen Ergebnis führt, daß dieselbe Beweisfrage (nach dem Geschehen bei Antragstellung) im Rahmen der zu treffenden Entscheidung

einmal vom Versicherer, sodann aber vom Versicherungsnehmer bewiesen werden müßte mit der Folge, daß die Nichterweislichkeit im Ergebnis immer zu Lasten des Versicherungsnehmers ginge. Dieses Ergebnis steht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.
1. Legt der Versicherer dem Versicherungsnehmer ei nen Verstoß gegen dessen vorvertragliche Anzeigeobliegenheit aus § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG zur Last, so betrifft die Frage, ob dem Versicherungsnehmer bei Anbahnung des Versicherungsvertrages bestimmte Fragen des Versicherers nach gefahrerheblichen Umständen (hier Gesundheitsfragen) tatsächlich gestellt worden sind, den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1996 - IV ZR 218/95 - VersR 1996, 1529 unter 2 b; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rdn. 27 und 38; Knappmann, r+s 1996, 81, 82 m.w.N.). Ihn zu beweisen ist Sache des Versicherers. Hat - wie hier unstreitig - ein Versicherungsagent es übernommen, das Formular eines Versicherungsantrags für den Antragsteller auszufüllen, so erbringt allein der ausgefüllte Antrag nicht den Beweis für die falsche Beantwortung der im Antragsformular stehenden Fragen, wenn der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich zutreffend informiert zu haben oder von ihm mit den einzelnen Fragen gar nicht konfrontiert worden zu sein (BGHZ 107, 322, 324 f.; BGH, Urteil vom 16. Oktober 1996 aaO). Vielmehr muß in einem solchen Fall der Versicherer beweisen, daß alle im schriftlichen Formular beantworteten Fragen dem Antragsteller tatsächlich gestellt und so wie niedergelegt von ihm beantwortet worden sind (BGHZ aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. November 1989 - IVa ZR 269/88 - VersR 1990, 77 unter 2; Urteil vom 11. Juli 1990 - IV ZR 156/89 - VersR 1990, 1002 unter 2 d).

Das Berufungsgericht ist dieser Frage nicht nachge gangen. Es hat weder den von der Beklagten insoweit angebotenen ZeugenB. gehört noch im übrigen dargelegt, ob die Beklagte anhand der vernommenen Zeugen den ihr obliegenden Beweis für die Behauptung erbracht hat, der Zeuge B. habe alle im Fragebogen niedergelegten Fragen an den Kläger gerichtet und den Fragebogen entsprechend dessen Antworten ausgefüllt.
2. Stattdessen ist das Berufungsgericht anscheinen d davon ausgegangen , es komme auf den wirklichen Geschehensablauf bei Ausfüllung des Antragsformulars letztlich nicht an, weil der Kläger - auch ohne dazu ausdrücklich befragt worden zu sein - jedenfalls infolge seiner spontanen Anzeigepflicht verpflichtet gewesen sei, dem Versicherer bei Antragstellung seine erheblichen Vorerkrankungen anzuzeigen. Es hat also im weiteren offenbar unterstellt, die Beklagte habe die substantiierte Behauptung des Klägers nicht widerlegt, er sei lediglich nach Gewicht, Größe und behandelndem Arzt gefragt worden.

a) Davon ausgehend ist im Ansatz nicht zu beanstan den, daß das Berufungsgericht annimmt, den künftigen Versicherungsnehmer treffe bei der Antragstellung auch in einem solchen Fall nach § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG die Obliegenheit, alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände dem Versicherer anzuzeigen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1996 aaO unter 2 c). Richtig ist auch, daß der Versicherer sich - abgesehen vom Fall der Arglist des Antragstellers - auf die unterlassene Anzeige gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG dann nicht berufen kann, wenn er im Antragsformular zwar ausdrücklich und schriftlich Fragen nach gefahrerhebli-

chen Umständen gestellt hat, diese Fragen dem Antragsteller aufgrund eines Verhalten des Versicherungsagenten aber nur zum Teil zur Kenntnis gebracht werden (BGH aaO). Das folgt aus der gesetzlichen Wertung des § 18 VVG. Sie gebietet es nach der Senatsrechtsprechung auch hier, die Rücktrittsmöglichkeit des Versicherers auf solche Fälle zu beschränken , in denen der Antragsteller einen gefahrerheblichen Umstand arglistig verschweigt (BGH aaO).

b) Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin gefo lgt werden, daß der Versicherungsnehmer im Rahmen des - aus den vorgenannten Gründen entsprechend anwendbaren - § 18 VVG die Beweislast dafür trägt, daß er nicht arglistig gehandelt habe. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als fehlerhaft.
aa) Zwar stützt sich das Berufungsgericht auf eine teilweise in der Literatur vertretene Rechtsauffassung. Ihr zufolge soll sich aus den §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 2 VVG die Grundregel ergeben, daß der Versicherungsnehmer in allen Fällen des Rücktritts des Versicherers wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Vorwurf des Verschuldens widerlegen müsse. § 18 VVG verschärfe insoweit lediglich den Verschuldensmaßstab, ohne aber etwas daran zu ändern, daß der Versicherungsnehmer auch den qualifizierten Schuldvorwurf ausräumen müsse. Auch das in § 22 VVG angelegte Nebeneinander von Rücktritts- und Anfechtungsmöglichkeit spreche dafür, daß der Versicherungsnehmer die Beweislast für fehlende Arglist im Rahmen des § 18 VVG trage. Denn wenn der Versicherer die Voraussetzungen für eine Arglistanfechtung nach den §§ 22 VVG, 123 BGB beweisen könne, sei er auf die rechtlich schwächere Rücktrittsmöglichkeit, bei der er im Falle folgenloser Anzei-

gepflichtverletzung sogar leistungspflichtig bleibe (§ 21 VVG), nicht mehr angewiesen. Sinn mache die Regelung des § 18 VVG für den Versicherer mithin nur, wenn das Rücktrittsrecht - sozusagen als niederschwellige Möglichkeit für den Versicherer, sich vom Vertrage zu lösen - bereits bei ungeklärter Arglistfrage zum Zuge käme (Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 18 Rdn. 3; ders. in Baumgärtel/Prölss, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 5 Versicherungsrecht § 18 VVG Rdn. 3; Bruck/ Möller, VVG 8. Aufl. § 18 Anm. 8; Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 18 Rdn. 5).
bb) Beide Argumente überzeugen nicht.
§ 18 VVG geht tatbestandlich davon aus, daß der Ve rsicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit durch Beantwortung ihm vom Versicherer gestellter Fragen nach Gefahrumständen zu erfüllen hat, dabei aber die Anzeige eines Umstandes unterbleibt, nach dem vom Versicherer nicht ausdrücklich gefragt worden ist. An die bloße Verwirklichung dieses Tatbestandes knüpft die Vorschrift kein Rücktrittsrecht des Versicherers ; ein solches Recht kommt ihm vielmehr erst unter der weiteren Voraussetzung zu, daß der Versicherungsnehmer den Umstand arglistig verschwiegen hat. § 18 VVG bestimmt danach keinen Ausschluß des Rücktrittsrechts wie die §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2 VVG, sondern regelt das Rücktrittsrecht des Versicherers für eine besondere Situation und verlangt als Voraussetzung dafür ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers. Diese Voraussetzung zu beweisen, ist Sache des Versicherers , der sich auf das Rücktrittsrecht beruf (BK/Voit, § 18 VVG Rdn. 14).

§ 18 VVG trägt im übrigen einer vom Regelfall der Verletzung der Anzeigeobliegenheit wesentlich abweichenden Interessenlage Rechnung. Nach der Systematik der §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 2 VVG indiziert dort die objektive Verletzung der Anzeigeobliegenheit ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Das erscheint auch sachgerecht, denn an falsche oder unterbliebene Angaben über gefahrerhebliche Umstände kann regelmäßig die Annahme geknüpft werden, der Versicherungsnehmer habe zumindest fahrlässig gehandelt. Anders stellt sich die Situation unter den Voraussetzungen des § 18 VVG dar. Sein Tatbestand beschreibt eine Situation, in der der Versicherungsnehmer irritiert sein kann, weil schriftlich vorformulierte Fragen des Versicherers den Blick dafür verstellen können, daß von ihm unter Umständen auch Angaben gefordert sind, die über die Beantwortung der schriftlichen Fragenstellungen hinausreichen. Dem steht der Fall gleich, daß schriftlich vorformulierte Fragen infolge eines Verhaltens des Versicherungsagenten dem Versicherungsnehmer nicht zur Kenntnis gelangen. In beiden Fällen erscheint es schon nicht mehr gerechtfertigt, an einen objektiv gegebenen Obliegenheitsverstoß ohne weiteres die Vermutung einfachen Verschuldens zu knüpfen. Erst recht kann daran nicht die Vermutung eines qualifizierten Verschuldens (Arglist) geknüpft werden, zumal eine solche Arglistvermutung der Rechtsordnung auch im übrigen fremd ist (Knappmann, aaO S. 82; Voit, aaO).
3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Das Berufungsgericht hat zwar angedeutet, es ließen sich aus der Vielzahl und Schwere der Vorerkrankungen des Klägers Hinweise darauf entnehmen, daß er diese Erkrankungen, deren Gefahrerheblichkeit auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer er-

kennbar sei, arglistig verschwiegen habe. Insoweit fehlt es bislang aber an ausreichenden Feststellungen. Es ist schon ungeklärt, ob der Agent dem Kläger die vorformulierten Antragsfragen gestellt hat; der insoweit von der Beklagten angebotene Beweis wird zu erheben sein (vgl. oben unter 1). Sollte es erneut darauf ankommen, ob der Kläger Umstände arglistig verschwiegen hat, wird zu berücksichtigen sein, daß allein mit dem Beweis vorsätzlich falscher oder vorsätzlich nicht angezeigter Umstände der Täuschungsvorsatz noch nicht feststeht. Er setzt neben der Kenntnis der Gefahrerheblichkeit des betreffenden Umstandes die billigende Erkenntnis voraus, die Beklagte könne durch sein Vorgehen über seinen Gesundheitszustand getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluß des Versicherungsvertrages beeinflußt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 - II ZR 56/56 - VersR 1957, 331; Senatsurteil vom 11. November 1986 - IVa ZR 186/85 - VersR 1987, 91 unter II; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 1996, 48).

Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Ent scheidung.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9.10.2003 - 12 O 11/03 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.907,08 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger, ein Brunnenbaupolier, nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger beantragte unter dem 15.7.2000 bei der Beklagten den Abschluss einer Risiko-Lebensversicherung sowie einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Für den Fall der Berufsunfähigkeit wurde eine monatliche Rentenzahlung von 1.000 DM vereinbart (Versicherungsschein vom 27.9.2000, Bl. 68 f. d.A.). Das Antragsformular (Bl. 91 d.A.) enthielt Fragen zur Gesundheit des Klägers. Die Frage Nr. 1 -"Litten Sie in den letzten zehn Jahren, oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (z.B. Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Wirbelsäule, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel, Geschwülste oder sonstige Erkrankungen)? Wann, woran, wie lange, Folgen?" - beantwortete der Kläger mit "Schleimbeutelentzündung/Knie". Auf die Frage Nr. 2 - "Sind Sie in den letzten zehn Jahren untersucht, beraten, behandelt oder operiert worden? Wann und weshalb, beanspruchte Ärzte?" - gab der Kläger eine Knieoperation an. Als den über seine Gesundheitsverhältnisse am besten unterrichteten Arzt nannte der Kläger Herrn Dr. T., B.. Die übrigen Fragen verneinte er.

Tatsächlich war der Kläger zwischen dem 8.5.1995 und dem 12.4.1999 wegen Schulterschmerzen links, Ischialgie, Periarthritis humeroscapularis, Hexenschuss, Lumboischialgie, Schultersteife links, Lumbago und akutem Muskelhartspann - wie das angefochtene Urteil festgestellt hat und in dem Berufungsverfahren unstreitig geworden ist (Bl. 140 d.A.) - arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte übersandte dem Kläger zunächst eine Antragskopie zur Klärung der Frage, wann die Schleimbeutelentzündung aufgetreten ist und ob ihre Folgen ausgeheilt seien. Der Kläger erwiderte darauf "1999 Monat 8v". Daraufhin bat die Beklagte Herrn Dr. T. um einen ärztlichen Bericht, den sie unter dem 24.7.2000 erhielt. Auf die Frage, wegen welcher Gesundheitsstörungen oder Krankheiten Herr Dr. T. den Kläger bisher untersucht oder behandelt habe, antwortete Herr Dr. T. mit "Knieproblemen auf der rechten Seite". Auf die Frage nach Arbeitsunfähigkeitszeiten in den letzten drei Jahren gab er an: "Problematik mit der Bursitis am rechten Knie und Infekte". Daraufhin policierte die Beklagte unter dem 27.9. 2000 den Vertrag.

Im Frühjahr 2002 begab sich der Kläger in ärztliche Behandlung wegen eines Lendenwirbelsäulensyndroms, degenerativer Wirbelsäulenveränderungen und einer Hüftgelenksarthrose rechts. Danach erhob er am 12.4.2002 bei der Beklagten Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dabei gab er an, dass er seit drei Jahren in Zusammenhang mit der Erkrankung der Wirbelsäule und der Hüfte arbeitsunfähig sei. Die Auskünfte der zuständigen Krankenkasse, die die Auflistung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der letzten Jahre enthielten, gingen bei der Beklagten am 26.6.2002 ein; Angaben der LVA, die die korrespondierenden Krankheitsbilder und deren Verlauf beschrieben, erhielt die Beklagte am 25.6.2002.

Mit Schreiben vom 9.7.2002, dem Kläger am 13.7.2002 zugegangen, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass sie von dem Versicherungsvertrag zurücktrete, seinen Abschluss gleichzeitig wegen arglistiger Täuschung anfechte.

Der Kläger hat behauptet, seit April 2002 könne er in seinem Beruf als Brunnenbaupolier überhaupt nicht mehr tätig werden; die weitere Berufsausübung berge die Gefahr einer Querschnittslähmung.

Das Landgericht hat die Klage mit der angefochtenen Entscheidung abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger meint, die angefochtene Entscheidung habe ihm zu Unrecht arglistiges Verhalten unterstellt; andere Gründe als Arglist könnten das Verschweigen der Vorerkrankung tragen, weil er der Auffassung gewesen sei nur angeben zu müssen, worunter er zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gelitten habe. Gegen ein arglistiges Verhalten spreche auch der Umstand, dass er die Anschrift seines Hausarztes im Antragsformular angegeben habe. Im übrigen dürfe sich die Beklagte auf Arglist auch nicht berufen, weil sie es in der Hand gehabt habe, durch deutlich lesbare, drucktechnisch hervorgehobene Hinweise einen Versicherungsnehmer auf nachteilige Rechtsfolgen einer sorglosen Beantwortung von Gesundheitsfragen hinzuweisen. Eine Praxis, eine ärztliche Untersuchung eines Versicherungsnehmers erst dann zu fordern, wenn der Versicherungsnehmer Rechte aus dem Versicherungsvertrag herleite, verstoße gegen Treu und Glauben. Ein Versicherer müsse eine solche ärztliche Untersuchung vor Abschluss des Vertrages veranlassen. Gegen Treu und Glauben verstoße es auch, wenn sich die Beklagte nicht vor Abschluss des Versicherungsvertrages durch den von dem Kläger angegebenen Arzt umfassend über Vorerkrankungen unterrichtet.

Der Kläger beantragt,

"unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 9.10.2003 - 12 O 11/03 - nach Maßgabe der erstinstanzlichen Anträge zu entscheiden".

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen es nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen anders zu entscheiden (§§ 513, 529 ZPO). Der von den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag ist auf Grund der von der Beklagten ausgesprochenen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 142 Abs. 1 BGB, § 22 VVG, § 123 Abs. 1 BGB nichtig.

1. Die Beklagte hat den Vertrag mit ihrem Schreiben vom 9.7.2002, dem Kläger am 13.7.2002 zugestellt, rechtzeitig (§ 124 Abs. 1, 2 BGB) angefochten (§ 143 Abs. 1 BGB).

2. Der Kläger hat die Beklagte bei Antragstellung getäuscht, indem er auf die von der Beklagten gestellten Frage nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, an denen er in den letzten zehn Jahren gelitten habe, lediglich eine Schleimbeutelentzündung im Knie angegeben, tatsächlich vorhandene zahlreiche Beschwerden des Skeletts, vor allem im Schulter- und Lumbalbereich, verschwiegen hat.

3. Das ist arglistig geschehen.

Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet, dass er Unzutreffendes behauptet, dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und dass der Getäuschte auf Grund dieses Umstandes eine Erklärung abgibt, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde (vgl. Hk-BGB/Dörner, 3. Aufl., § 123 Rdn. 5 m.w.N.). Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Für ein arglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer bei Antragstellung kann sprechen, wenn er schwere, chronische, schadengeneigte Erkrankungen oder immer wieder auftretende zahlreiche Erkrankungen oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen, die zu erheblichen Einschränkungen des Alltags führen oder solche verschwiegen hat, die offenkundig für das versicherte Risiko erheblich sind. Auch die Angabe einer belanglosen Erkrankung bei Verschweigen einer belangvollen kann ein Indiz für Arglist sein (vgl. u.a. BGH NJW-RR 1991, 412; Senat, VersR 1996, 488). Ist objektiv von einer Täuschung auszugehen, so ist es allerdings Sache des Versicherungsnehmers, plausibel darzulegen, warum und wie es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 22 Rdn. 6 m.w.N.).

Diese rechtlichen Grundsätze hat die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerfrei (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO) angewendet. In dem Zeitraum, auf den sich die Frage nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers in dem Antragsformular der Beklagten bezog, litt der Kläger wiederholt an Beschwerden im Bereich des Schultergelenks und der Lendenwirbelsäule. Diese Erkrankungen waren so erheblich, dass er in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung 499 Tage arbeitsunfähig war. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten erstreckten sich überwiegend nicht über einzelne Tage sondern, vor allem 1995/1996, aber auch 1998/1999 über mehrere Monate. Dem Kläger war also vor Antragstellung bewusst, dass er ganz erhebliche Teile eines überschaubaren Zeitraums vor der Antragstellung an Leiden erkrankt war, die ihm ein weiteres berufliches Tätigwerden versagten. Diese Gebrechen lagen bei Antragstellung keineswegs so lange zurück - soweit ersichtlich war der Kläger noch eineinhalb Jahre vor Antragstellung viele Monate arbeitsunfähig geschrieben -, dass er diese Leiden vergessen haben könnte. Auch zeigt die Angabe einer in den gleichen Zeitraum fallenden und eher weniger belangvollen Schleimbeutelentzündung im Knie, dass dem Kläger bewusst war, vergangene gesundheitliche Beschwerden angeben zu müssen. Daher leuchtet nicht ein, wenn er vorträgt, er sei davon ausgegangen, nur solche Krankheiten, Störungen oder Beschwerden angeben zu müssen, die noch nicht ausgeheilt seien oder die er als Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit habe verstehen müssen. Davon abgesehen schließt die unmittelbare Auswirkung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf seine berufliche Tätigkeit unmittelbar vor Beantragung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung es aus, andere Gründe für das Verschweigen von Vorerkrankungen anzunehmen als Arglist.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Kläger in dem Antragsformular als den am besten über seine gesundheitlichen Verhältnisse unterrichteten Arzt Herrn. Dr. T., B., angegeben hat. Die trotz einer Verneinung der Frage nach Krankheiten, Beschwerden oder Störungen erfolgende Angabe eines Hausarztes schließt die Annahme von Arglist nicht aus (BGH, Urt. v. 7.3.2001 - IV ZR 254/00 -, VersR 2001, 620; Senat, zfs 2003, 186, 187). Sie kann vielmehr die Irreführung eines Versicherers geradezu verstärken. Ein Hausarzt wird auch wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Anspruch genommen, die belanglos oder schnell vergänglich und daher für die Risikoprüfung des Versicherers nicht von Interesse sind. Werden Gesundheitsfragen verneint und wird gleichwohl ein Hausarzt genannt, so kann dadurch der Schein erzeugt und verstärkt werden, der Versicherer könne sich auf die Richtigkeit der Angaben des Versicherungsnehmers verlassen, weil der Versicherungsnehmer ihm sogar eine neutrale Informationsquelle benennt. Das gilt gerade für den Kläger. Aus der von dem Versicherer eingeholten Auskunft des Hausarztes ergeben sich nämlich die Vorerkrankungen gerade nicht. Der Kläger muss also, folgt man den Angaben von Herrn Dr. T., vorvertraglich noch bei anderen Ärzten in - länger dauernden - Behandlungen gewesen sein. Die Benennung des Arztes Dr. T., B., im Versicherungsantrag hat also die Beklagte zusätzlich in die Irre geführt.

4. Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf ihr Anfechtungsrecht zu berufen. Insoweit kann dahinstehen, ob sich ein Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer arglistig getäuscht hat, dem Versicherer gegenüber überhaupt darauf berufen darf, er handele treuwidrig, wenn er den Versicherungsvertrag anficht (zum Streitstand vgl. Berliner Kommentar-Voit, § 22 Rdn. 18; zu Recht zweifelnd Römer, r+s 1998, 45, 48; offen gelassen vom Senat, Urt. v. 20.12.2000 - 5 U 627/00 -; Zfs 2003, 186). Ein treuwidriges Verhalten kann nämlich der Beklagten nicht vorgeworfen werden.

a. Ein treuwidriges Verhalten folgt schon von vornherein nicht daraus, dass die Beklagte einer sie treffenden Nachfrageobliegenheit - ob sie bei Arglist besteht, kann offen bleiben - vor Vertragsschluss nicht nachgekommen wäre. Die Beklagte hat den Hinweis auf eine Schleimbeutelentzündung im Knie nämlich zum Anlass genommen, den Kläger um nähere Angaben zu bitten und den Arzt Dr. T., den der Kläger angegeben hat, mit der Abgabe eines ärztlichen Berichts zu beauftragen. Aus den Auskünften des Herrn Dr. T. ergaben sich keinerlei Umstände, die die Beklagte zu einer Intensivierung der Risikoprüfung veranlasst hätten. Sein ärztlicher Bericht bestätigte die Knieprobleme als einzige ins Gewicht fallende Behandlungsanlässe und teilte mit, dass ihm keine weiteren Gebrechen oder Krankheiten des Klägers bekannt seien.

b. Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, die Beklagte sei in jedem Fall gehalten gewesen, ihn vor Vertragsschluss ärztlich untersuchen zu lassen und dürfe sich, weil sie dies unterlassen habe, nicht auf das Verschweigen der bei einer solchen ärztlichen Untersuchung feststellbaren Vorerkrankungen berufen. Das Gesetz - § 16 Abs. 1 VVG - geht grundsätzlich davon aus, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer von sich aus gefahrerhebliche Umstände zu offenbaren hat. Es geht weder davon aus, dass es in den alleinigen Verantwortungsbereich des Versicherers fällt, sich solche Informationen zu beschaffen, noch verlangt es von ihm, die Redlichkeit seines künftigen Vertragspartners vorab zu prüfen.

c. Die Beklagte handelt auch nicht deshalb treuwidrig, weil sie den Kläger - soweit ersichtlich - nicht über die Rechtsfolgen falscher Antworten auf die Fragen nach seinen gesundheitlichen Verhältnissen hingewiesen hat. Zwar wird im Rahmen der Diskussion um eine Reform des VVG vorgeschlagen, Rechtsfolgen aus einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit davon abhängig zu machen, dass auf sie bei Antragstellung in Textform hingewiesen worden ist ( § 21 Abs. 6 VVG-E in der Fassung des Abschlussberichts der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19.4.2004). Zum einen ist dies noch nicht Gesetz; zum anderen wird davon ausdrücklich eine Ausnahme für die Fälle arglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers gemacht. Davon abgesehen muss es jedermann klar sein, dass eine arglistige Täuschung seines Vertragspartners diesem das Recht verschafft, sich vom Vertrag wieder zu lösen.

d. Die arglistige Täuschung des Klägers ist für die Annahmeentscheidung der Beklagten kausal geworden. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte den Antrag des Klägers bei wahrheitsgemäßer Information entweder überhaupt nicht oder nur unter den Voraussetzungen eines Risikoausschlusses oder eines Beitragszuschlags angenommen hätte. Das hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in einer den Anforderungen des § 529 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO entsprechenden Weise angegriffen; davon ist folglich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auszugehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung).

(2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser benannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.

(3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 235/00 Verkündet am:
19. September 2001
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Die Zurechnung der Kenntnis des Agenten setzt voraus, daß dieser bei der Entgegennahme
des Antrags in Ausübung der Stellvertretung für den Versicherer tätig
geworden ist. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Agent dem Versicherer bei Antragstellung
als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt.
BGH, Urteil vom 19. September 2001 - IV ZR 235/00 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. September 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. August 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Testamentsvollstrecker für den Nachlaß des am 31. Oktober 1996 verstorbenen Dr. L.. Er macht in dieser Eigenschaft Versicherungsleistungen aus einem Gebäudeversicherungsvertrag geltend , hilfsweise Ansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten.

Der Erblasser war Eigentümer eines bei dem früher zuständigen Gebäudemonopolversicherer versicherten Geschäftshauses in P.. Nach Aufhebung des Gebäudeversicherungsmonopols beauftragte und bevollmächtigte er seine Hausverwaltung, die A. GmbH, mit dem Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages. Die A. GmbH war auch Versicherungsagentin der Beklagten.
Die A. GmbH holte zunächst ein Angebot der Gebäudeversicherung B. AG, der Rechtsnachfolgerin des Monopolversicherers, auf Abschluß eines Gebäudeversicherungsvertrages zum Neuwert ein. Das Angebot enthielt ausweislich des Anschreibens des Versicherers vom 31. August 1995 einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung. Die A. GmbH übermittelte das Angebot der Beklagten, nach Behauptung des Klägers einschließlich des Anschreibens vom 31. August 1995, und erklärte, einen Versicherungsvertrag zu gleichlautenden Bedingungen mit der Beklagten abzuschließen, falls diese eine günstigere Prämie anbiete. Die Beklagte, für die ihr Bezirksdirektor F. verhandelte, legte im September 1995 ein Angebot mit einer Versicherungssumme von 3.197.000 DM vor, das den Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung nicht enthielt. Sie überließ der A. GmbH einen von einem Mitarbeiter der Bezirksdirektion K. bereits ausgefüllten Versicherungsantrag, den der Geschäftsführer der A. GmbH für den Erblasser unterzeichnete und an die Beklagte zurückgab. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 erklärte die Beklagte die Übernahme der Deckung ab dem 1. Januar 1996 und stellte am 8. März 1996 einen Versicherungsschein auf Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für die Gebäudeversicherung von Geschäften und Betrieben (VBGB 94) und der Besonderen Bedingungen für

die Versicherung weiterer Elementarschäden bei gewerblichen Risiken (BEG-Klausel 9050) aus. Die A. GmbH erhielt von der Beklagten eine Provision. Am 1. April 1996 entstand an dem versicherten Gebäude ein Brand- oder Explosionsschaden in Höhe von 1.403.728,60 DM. Da der Neuwert des Gebäudes 4.980.000 DM betrug, erhob die Beklagte den Einwand der Unterversicherung und zahlte lediglich 901.053,38 DM.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der restlichen 502.675,22 DM verurteilt. Ihre dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klagabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht führt aus: Der geltend gemachte Anspruch sei nach Grund und Höhe aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages gerechtfertigt. Auf eine Unterversicherung gemäû § 56 VVG könne die Beklagte sich nicht berufen. Der Versicherungsschein enthalte zwar keinen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung. Jedoch weiche er insoweit vom Versicherungsantrag ab. Der Erblasser

habe über die von ihm bevollmächtigte A. GmbH seinen schriftlichen Antrag um den Ausschluû des Unterversicherungseinwandes mündlich ergänzt. Die A. GmbH, der das Anschreiben der Gebäudeversicherung B. AG vom 31. August 1985 vorgelegen habe, sei gleichzeitig Versicherungsagentin der Beklagten und als solche für diese tätig geworden. Was gegenüber dem Versicherungsagenten erklärt werde, wirke auch gegenüber dem Versicherer. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob der Inhalt des Anschreibens auch den Mitarbeitern der Bezirksdirektion der Beklagten bekannt gewesen sei. Die Auffassung der Beklagten, die A. GmbH sei ausschlieûlich als Bevollmächtigte des Erblassers aufgetreten , könne schon deshalb nicht geteilt werden, weil sie der A. GmbH ihre Tätigkeit mit einer Provision vergütet habe. Das bestätige deren Doppelstellung als Bevollmächtigte des Erblassers einerseits und als Versicherungsagentin der Beklagten andererseits. Die Vorschrift des § 181 BGB stehe dem nicht entgegen, da beide Parteien das Handeln der A. GmbH genehmigt hätten. Da die Beklagte im Versicherungsschein weder auf die Abweichung vom Versicherungsantrag noch darauf hingewiesen habe, daû die Abweichung bei fehlendem schriftlichen Widerspruch als genehmigt gelte, sei der Versicherungsvertrag gemäû § 5 Abs. 3 Satz 3 VVG nach dem Inhalt des einen Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung einschlieûenden Versicherungsantrages zustande gekommen.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der gemäû § 43 Abs. 1 VVG empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent steht bei der Entgegennahme eines Antrages auf Abschluû eines Versicherungsvertrages dem Antragsteller als Auge und Ohr des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt. Mit der bloûen Verwendung eines - vorbereiteten - Antragsformulars ist zudem keine erkennbare Beschränkung der Empfangsvollmacht auf schriftliche Erklärungen verbunden (BGHZ 102, 194, 197 ff.), so daû auch mündliche Ergänzungen, die vor dem Versicherungsagenten zum schriftlichen Versicherungsantrag abgegeben werden, gegenüber dem Versicherer erklärt sind. Fertigt der Versicherer einen Versicherungsschein aus, der inhaltlich nicht dem vom Agenten entgegengenommenen - mündlich ergänzten - Versicherungsantrag entspricht, so liegt darin keine unveränderte Annahme des Antrags; es finden die Vorschriften des § 5 VVG Anwendung. Unterläût der Versicherer die in § 5 Abs. 2 VVG vorgeschriebene Rechtsbelehrung, weil er irrigerweise glaubt, der Versicherungsschein entspreche dem vom Versicherungsnehmer gestellten Antrag, dann gilt der Antrag gemäû § 5 Abs. 3 VVG als unverändert angenommen , ohne daû es auf ein Verschulden des Versicherers in diesem Zusammenhang ankäme (Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVa ZR 224/85 - NJW 1988, 60 unter II 1 a).
2. Das Berufungsgericht geht indessen rechtsfehlerhaft davon aus, daû die A. GmbH im Zusammenhang mit der Entgegennahme des Versicherungsantrags als Agentin der Beklagten gehandelt hat. Die Zurechnung der Kenntnis des Agenten setzt voraus, daû dieser bei der An-

tragsentgegennahme in Ausübung der Stellvertretung für den Versicherer tätig geworden ist (Senatsurteil vom 22. September 1999 - IV ZR 15/99 - VersR 1999, 1481 unter 2 b). Daran fehlt es in der Regel, wenn der Agent dem Versicherer als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt, demgemäû im Lager des Antragstellers und nicht des Versicherers steht. So liegt es hier.
Die A. GmbH war vom Erblasser beauftragt und bevollmächtigt, den Versicherungsvertrag nach seinen Weisungen (§ 662 BGB) abzuschlieûen. In Ausführung des Auftrages, ein möglichst günstiges Angebot für eine Gebäudeversicherung einzuholen, ist die A. GmbH an die Beklagte herangetreten. In den sich anschlieûenden Verhandlungen waren die jeweiligen Aufgabenbereiche deutlich getrennt. Die A. GmbH nahm ausschlieûlich die Interessen des Erblassers wahr, während auf seiten der Beklagten die zuständige Bezirksdirektion auftrat. Auch den Versicherungsantrag hat der Geschäftsführer der A. GmbH allein für den Versicherungsinteressenten unterzeichnet. Eine Doppelstellung der A. GmbH, wie vom Berufungsgericht angenommen, war somit nicht gegeben. Auch sonst sind keine Feststellungen getroffen, die es rechtfertigen könnten, die A. GmbH zusätzlich der Sphäre des Versicherers zuzuweisen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, daû die A. GmbH nach Abschluû des Versicherungsvertrages eine Provision von der Beklagten erhielt. Das allein begründet noch nicht die Stellung als Versicherungsagentin (vgl. BGHZ 94, 356, 359; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 43 Rdn. 4, Anhang zu §§ 43-48 Rdn. 22). Vielmehr ist entscheidend, daû hier bei Anbahnung und Abschluû des Versicherungsverhältnisses eine klare Rollenvertei-

lung bestand. Der Beklagten war die Stellung der A. GmbH als Vertreterin des Versicherungsnehmers bekannt. Bei einer solchen Sachlage verbietet es sich, ihr die Kenntnis der A. GmbH von dem Inhalt des Anschreibens vom 31. August 1995 zuzurechnen. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt eine Verurteilung der Beklagten mithin nicht.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht wird zunächst unter Auswertung des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme zu prüfen haben, ob den Mitarbeitern der Bezirksdirektion der Inhalt des Schreibens vom 31. August 1995 im Zuge der Vertragsverhandlungen zur Kenntnis gelangt ist. Für diesen Fall wären bei Vorbereitung des Versicherungsantrages , der der A. GmbH bereits ausgefüllt zur Verfügung gestellt worden ist, die vom Versicherungsinteressenten zuvor geäuûerten Wünsche hinsichtlich der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses nicht vollständig berücksichtigt worden. Das könnte zu Ansprüchen aus culpa in contrahendo führen (Prölss in Prölss/Martin, § 3 VVG Rdn. 15). Dabei wird das Berufungsgericht andererseits zu berücksichtigen haben, daû die Beklagte eine sorgfältige und sachkundige Prüfung des Versicherungsantrages durch die A. GmbH erwarten konnte. Sollte das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung bejahen, wäre daher ein Mitverschulden auf seiten des Versicherungsnehmers zu erwägen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert

Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.