Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Feb. 2006 - 5 W 2/06

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2006:0228.5W2.06.0A
bei uns veröffentlicht am28.02.2006

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 12. Dezember 2005 - 2 O 339/05 - das Landgericht angewiesen, von seinen bisherigen Bedenken gegenüber der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Abstand zu nehmen und über die Frage der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klagerhebung der Antragstellerin und ihrer Bedürftigkeit in eigener Zuständigkeit erneut zu entscheiden.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als das Landgericht bisher zu Unrecht schon wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Antragstellerin Prozesskostenhilfe verweigert hat (§ 114 ZPO).

2

Zwar ist das Landgericht im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass eine erkennbare Aussichtslosigkeit der Vollstreckung eines Titels die Betreibung des auf dessen Erlangung gerichteten Klagverfahrens als „mutwillig“ im Sinne des § 114 ZPO erscheinen lassen kann. Denn die Staatskasse ist grundsätzlich nicht verpflichtet, erkennbar sinnlose Prozesse zu finanzieren. Allerdings steht nach dem bisherigen Sachvortrag und selbst unter Berücksichtigung der Einlassung der Antragsgegnerin - welche insoweit bereits im Verfahren vor dem Landgericht hinreichendes rechtliches Gehör hatte - schon keinesfalls fest, dass die Vollstreckung eines durch die Antragstellerin im Interesse der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zu erlangenden Titels dauerhaft aussichtslos bleiben müsste. Schon insoweit würde es aber die Aufgaben des Insolvenzverwalters verfehlen, wenn dieser aus bloßen momentanen Zweifeln auf eine auch künftige völlige Unrealisierbarkeit berechtigter Forderungen schließen würde und deshalb zu Lasten der Insolvenzgläubiger auf die Erlangung geeigneter Titel verzichten würde (ebenso im Ergebnis auch OLG Hamm, ZIP 1997, 248).

3

Ungeachtet dessen nimmt der Insolvenzverwalter bei der Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens auch eine öffentliche Aufgabe wahr, so dass jedenfalls für die Durchsetzung der dem Insolvenzverwalter kraft Amtes zugewiesenen Anfechtungsrechte Prozesskostenhilfe nicht allein wegen zweifelhafter Einbringlichkeit verweigert werden darf (BGH ZIP 2003, 2036). Dieser Konstellation hat der erkennende Senat die Realisierung von rückständigen Stammeinlagen selbst ausdrücklich gleichgestellt, „da - wie die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften des Gesellschaftsrechts zeigen - der Rechtsverkehr ein eminentes Interesse an der Vermeidung unterkapitalisierter Kapitalgesellschaften besitzt und anderenfalls die Gesellschafter bei nur begrenztem späteren Prozessrisiko sich der Zahlung der Stammeinlage entziehen könnte“ (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2004 - 5 W 32/04 -). Ob dies auch gelten kann, wenn die Realisierbarkeit der titulierten Forderungen nicht nur fraglich oder sehr fraglich, sondern praktisch ausgeschlossen ist, braucht an dieser Stelle nicht zu entschieden werden, da für ein derart zu qualifizierendes Vollstreckungsrisiko bisher nichts ersichtlich ist.

4

Zulässigerweise hat das Landgericht von seinem Standpunkt sich bisher nicht mit der Bedürftigkeit der Antragstellerin im Übrigen und insbesondere auch nicht mit der sachlichen Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung befasst. Dies wird es allerdings gemäß § 573 Abs. 3 ZPO bei erneuter Befassung nachzuholen haben.

5

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 127 Abs. 4 ZPO, 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1811 KV-GKG.


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Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 28. Feb. 2006 - 5 W 2/06 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 573 Erinnerung


(1) Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen die Entscheidung des Gerichts beantragt werden (Erinnerung). Die Erinnerung ist schriftlich o

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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen die Entscheidung des Gerichts beantragt werden (Erinnerung). Die Erinnerung ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und die §§ 570 und 572 gelten entsprechend.

(2) Gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung findet die sofortige Beschwerde statt.

(3) Die Vorschrift des Absatzes 1 gilt auch für die Oberlandesgerichte und den Bundesgerichtshof.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.