Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 26. Jan. 2017 - 11 U 46/16
Gericht
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 01.04.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Abhängigkeit der vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils von einer Sicherheitsleistung entfällt.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 50.870,02 €.
Gründe
I.
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Die Parteien streiten um Ansprüche auf Zahlung eines Landschaftspflegebonus für Stromerzeugung aus Biogas.
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Die Klägerin betreibt seit dem 29.09.2009 eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk. Die Beklagte ist eine Stromnetzbetreibern, die der Klägerin den produzierten Strom abnimmt. Im Jahr 2014 verwendete die Klägerin überwiegend Mais zur Gaserzeugung, wobei streitig ist, ob dieser als Landschaftspflegematerial im Sinne des § 27 Ab.4 Nr. 2 i.V.m. Anlage 2 II Nr 1 EEG 2009 einzustufen ist.
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Die Beklagte rechnete in 2014 für einzelne Monate über die Einspeisung in das Stromnetz gegenüber der Klägerin ab. Die Abrechnungen für die Monate Januar bis Juli enthielten unter anderem jeweils als „Landschaftspflege-Bonus“ bezeichnete Positionen, insgesamt 50.870,02 €. Die Beklagte leistete Zahlungen in dieser Höhe an die Klägerin. Weiter zahlte sie für den Zeitraum 01.08. bis 10.08.2014 einen Landschaftspflegebonus in Höhe von 4.821,48 € aus. Nachdem die Beklagte die Klägerin mit einem Schreiben vom 04.08.2014 auf eine Änderung des EEG hinsichtlich des Landschaftspflegebonus bei Verwendung von Mais als Substrat hingewiesen hatte, teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie den Landschaftspflegebonus mit Wirkung zum 31.07.2014 abmelde.
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Die Beklagte forderte vorgerichtlich Bonuszahlungen in Höhe von 55.691,50 € von der Klägerin zurück. Nach Zustellung der zunächst als Feststellungsklage erhobenen Klage am 13.07.2015 zahlte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt an die Beklagte 55.691,50 €. Einen Betrag in gleicher Höhe zahlte am 08.03.2016 die Beklagte an die Klägerin.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.870,02 € nebst Zinsen zu zahlen. Widerklagend hat die Beklagte beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie 55.691,50 € zu zahlen.
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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage der Klägerin sei jedenfalls unbegründet, da sie keinen Anspruch auf Zahlung des Landschaftspflegebonus für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.07.2014 habe. Die Widerklage sei begründet, da der Beklagten gegen die Klägerin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehe. Die Voraussetzung für die Zahlung des Landschaftspflegebonus hätten nicht vorgelegen. Dies sei für den Zeitraum ab August 2014 zwischen den Parteien unstreitig. Für den Zeitraum davor bestehe der Anspruch aber ebenfalls nicht, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie überwiegend Landschaftspflegematerial im Sinne der Definition der Anlage 3 Nr. 5 der Biomasseverordnung für die Stromerzeugung genutzt habe. Der zur Gaserzeugung genutzte Mais sei kein Landschaftspflegematerial.
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Gegen die Abweisung des eigenen Klageantrags wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
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Die Beschränkung des Umfangs der Anfechtung begründet die Klägerin damit, dass sich die Widerklage ausweislich des Protokolls der Sitzung beim Landgericht auf eine irrtümliche Überweisung beziehe und nicht auf den Landschaftspflegebonus. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte die Klägerin durch die Zahlung zwinge, die Klage für erledigt zu erklären.
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Ihre eigene Klage sei zu Unrecht abgewiesen worden. Vor dem 01.08.2014 habe Mais als Landschaftspflegematerial in ihrer Anlage verwendet werden können. Das Landgericht habe § 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 fehlerhaft ausgelegt. Der gesetzliche Verweis auf die Biomasseverordnung habe ex nunc ab dem 01.08.2014 gelten sollen. Entscheidend für die Einstufung von Mais als Landschaftspflegmaterial sei, unter welcher Fassung des EEG eine Biogasanlage in Betrieb genommen worden sei. Für Anlagen, die unter Geltung des EEG 2009 in Betrieb genommen worden seien, gelte allein das Vergütungsregime des EEG 2009. Das EEG 2012 mit der Biomasseverordnung habe gemäß § 66 Abs. 1 EEG 2012 für Anlagen, die vor dem 01.01.2012 in Betrieb genommen worden seien, keine Anwendung finden sollen. Deshalb hätten vor dem 01.08.2014 das EEG 2009 und das EEG 2012 parallel nebeneinander gegolten. Auch die Clearingstelle EEG habe in ihrer Empfehlung 2008/84 den Landschaftspflegebonus weit ausgelegt. Es sei der Landschaftspflege dienlich, wenn bei dem Aufwuchs von Pflanzen konkrete landwirtschaftliche Kulturprogramme und bestimmte Bewirtschaftungsauflagen eingehalten würden. Deswegen hätten Anlagenbetreiber, die den Landschaftspflegebonus erhalten hätten, eine Vielzahl von Naturschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen umgesetzt. Diese wären ohne den Bonus nicht realisiert worden. Die Klägerin habe durch Gülleausbringung mit Schleppschläuchen und pfluglose Bodenbearbeitung Landschaftspflegemaßnahmen durchgeführt. Hierdurch verringere sich die Bodenerosion. Die Zwischenfrucht bleibe intakt, so dass auch der Boden in seiner biologischen Funktion intakt bleibe.
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Bei dem Einsatz von Landschaftspflegematerial auf den Kalenderjahreszeitraum abzustellen, sei fehlerhaft. Das EEG regele nicht, dass ein bestimmter Bonus nur jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres beansprucht werden könne. Boni könnten bis zu dem Zeitpunkt beansprucht werden, zu dem die hierfür geltenden Voraussetzungen eingehalten würden. Würde man der Auslegung des Landgerichts des § 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 folgen, käme dies einer verfassungswidrigen Rückwirkung des Gesetzes gleich.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des am 01.04.2016 verkündeten Urteil des Landgerichts Itzehoe, Aktenzeichen 3 O 194/15, die Beklagte, soweit die Klage abgewiesen wurde, zur Zahlung von 50.870,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da die Entscheidung über die Widerklage rechtskräftig sei. Es stehe rechtskräftig fest, dass die Zahlung der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt sei, weil der Klägerin kein Anspruch auf den Landschaftspflegebonus zustehe.
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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet, da Mais kein Landschaftspflegematerial im Sinne des EEG 2009 sei. Der klägerische Anspruch sei zudem durch die Zahlung der Beklagten durch Erfüllung erloschen.
II.
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Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Die Klage ist zulässig. Sie ist nicht durch die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage hin wegen entgegenstehender Rechtskraft der Entscheidung über die Widerklage unzulässig geworden. Zwar ist die Verurteilung auf die Widerklage hin rechtskräftig geworden. Klage und Widerklage haben aber nicht denselben Streitgegenstand.
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Die Entscheidung über die Widerklage ist spätestens mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtskräftig. Die Klägerin hat ihre Berufung, die sie zunächst unbeschränkt eingelegt hat, in der Berufungsbegründung ausdrücklich auf die Klageabweisung beschränkt. Ob sie damit auf Rechtsmittel gegen die Verurteilung auf die Widerklage verzichtet hat, so dass sie ihren Berufungsantrag nicht mehr erweitern konnte (vgl. BGH NJW 1985, 3079-3080, Juris Rn. 9), kann offenbleiben. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, in der die Klägerin auf das Problem der entgegenstehenden Rechtskraft hingewiesen worden ist, hat sie die Berufung jedenfalls nicht um eine Anfechtung auch der Verurteilung auf die Widerklage erweitert.
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Beide Leistungsklagen - Forderung und Rückforderung - betreffen indessen nicht denselben Streitgegenstand. Denn der Widerklage liegt die Zahlung von 55.691,50 € am 08.03.2016 zugrunde, mithin ein anderer Sachverhalt als der Klage. Identität der Streitgegenstände besteht lediglich insoweit, als es sowohl für die Begründetheit der Klage als auch für die Begründetheit der Widerklage auf die gemeinsame Vorfrage ankommt, ob die Klägerin einen Anspruch auf einen Landschaftspflegebonus für das Jahr 2014 hat.
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2. Die Klage ist unbegründet.
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2.1. Aufgrund der Präjudizwirkung der rechtskräftigen Verurteilung auf die Widerklage steht fest, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf den Landschaftspflegebonus nicht zusteht. Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Prozesses erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen (vgl. Zöller/Vollkommer, 31. Aufl., vor § 322 ZPO Rn. 24). Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin von der Beklagten Zahlung in der geltend gemachten Höhe verlangen kann, hängt von der Vorfrage ab, ob die Klägerin einen Anspruch auf den Landschaftspflegebonus für das Jahr 2014 hat. Diese Vorfrage hat das landgerichtliche Urteil bereits rechtskräftig entschieden. Indem es der Widerklage stattgegeben hat, hat es festgestellt, dass die bejahte Rechtsfolge mit allen in Betracht kommenden Gegennormen vereinbar ist, dass ihr gegenüber also keine solche Gegennorm durchgreift (vgl. Zöller/Vollkommer am angegebenen Ort Rn. 40). Das Landgericht hat im Urteil ausdrücklich ausgeführt, dass die Widerklage begründet ist, weil die Klägerin keinen Anspruch auf den Landschaftspflegebonus für 2014 habe, dieser stelle also keinen Rechtsgrund für die Zahlung dar. Deshalb habe die Beklagte am 08.03.2016 ohne Rechtsgrund gezahlt, so dass ihr gegen die Klägerin ein Bereicherungsanspruch zustehe.
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Der Senat ist an diese Feststellung des Landgerichts gebunden.
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2.2. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Festhalten der Beklagten an der Widerklage rechtsmissbräuchlich sei, weil sie sie durch die Zahlung kurz vor der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zur Erledigterklärung der Klage zwinge. Zum einen beseitigt möglicher Rechtsmissbrauch der Beklagten nicht die Rechtskraftwirkung der Verurteilung auf die Widerklage. Zum anderen ist ein Rechtsmissbrauch nicht erkennbar. Vielmehr hatte die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, einen Zahlungstitel zu erlangen. Denn die Klägerin hat weder den Betrag ihrerseits an die Beklagte zurückgezahlt noch die Rückzahlungspflicht ausdrücklich anerkannt.
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2.3. Die Klage ist darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil der klägerische Anspruch durch Erfüllung erloschen ist. Denn die Klägerin hat von der Beklagten einen die Klagforderung überschreitenden Betrag in Höhe von 55.691,51 € am 08.03.2016 erhalten. Erfüllung nach 362 Abs.1 BGB tritt ein mit Bewirken der geschuldeten Leistung. Die Beklagte hat den mit der Klage geforderten Betrag gezahlt. Die Zahlung erfolgte - wenn auch irrtümlich - auf die Abrechnung für 2014, so dass nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont eine Tilgungsbestimmung vorliegt. Die von der Klägerin geforderte Leistung ist mithin bewirkt.
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2.4. Die Frage, ob der Klägerin ein Landschaftspflegebonus nach dem EEG 2009 zusteht, die ursprüngliche Klage also begründet und die Widerklage unbegründet ist, musste der Senat wegen des Präjudizes der landgerichtlichen Entscheidung, die der Senat im Übrigen für richtig hält, nicht abschließend entscheiden.
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4. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.