Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 04. Sept. 2007 - 11 WF 166/07

04.09.2007

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Greifswald vom 24.07.2007 sowie die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts aus der Staatskasse vom 18.10.2006 in Verbindung mit der Nachfestsetzung vom 18.06.2007 durch die Rechtspflegerin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bzw. durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, Az.: 61 F 324/04, aufgehoben, soweit der Anspruch des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf Vergütung abgelehnt wurde.

Das Familiengericht wird angewiesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats ergänzend zu entschädigen.

Gründe

I.

1

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 18.10.2006 dessen Vergütungsanspruch aus der Staatskasse in dem Verfahren wegen Ehescheidung und Versorgungsausgleich auf 738,34 EUR festgesetzt. Hinsichtlich der weiter in Ansatz gebrachten Gebühren bezüglich der Folgesache elterliche Sorge sowie für eine Scheidungsfolgenvereinbarung hat sie die Festsetzung abgelehnt.

2

Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die Urkundsbeamtin eine Nachfestsetzung betreffend die Folgesache elterliche Sorge in Höhe von 195,97 EUR vorgenommen, der darüber hinausgehenden Erinnerung auf Erstattung weiterer 678,60 EUR jedoch nicht abgeholfen und diese dem Familienrichter zur Entscheidung vorgelegt. Der Familienrichter hat mit Beschluss vom 24.07.2007 die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, soweit die Kostenbeamtin dieser nicht durch Nachfestsetzung abgeholfen hat, zurückgewiesen. Er geht mit der Urkundsbeamtin und der Bezirksrevisorin davon aus, dass die außergerichtliche Scheidungsfolgenvereinbarung nicht von der Prozesskostenhilfe umfasst sei.

3

Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde hat das Familiengericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

4

Die nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG i. V. mit § 61 Abs. 1 S. 2 RVG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin (früher § 128 Abs. 4 BRAGO) ist begründet. Der Beschwerdeführer hat gegen die Staatskasse einen Anspruch auf Vergütung auch hinsichtlich eines außergerichtlich geschlossenen Vergleichs.

5

Der Antragstellerin ist mit Beschluss des Familiengerichts vom 16.12.2004 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten - zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts - bewilligt worden.

6

Am 25.03.2005 haben die Parteien eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, die der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 05.04.2005 zur Akte gereicht hat.

7

Grundsätzlich richtet sich der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts nach dem Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe und seiner Beiordnung, § 122 Abs. 1 BRAGO (nunmehr § 48 Abs. 1 RVG).

8

Gemäß § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO (nunmehr § 48 Abs. 3 RVG) erstreckt sich in einer Ehesache die für den ersten Rechtszug bewilligte Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung unabhängig von einer ausdrücklichen Einbeziehung in den Bewilligungsbeschluss auch auf den Abschluss eines Vergleichs über die in der genannten Vorschrift bezeichneten Gegenstände. Die Erstreckung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift unabhängig davon, ob über die aufgeführten Gegenstände, die Folgesachen in dem Scheidungsverfahren sein könnten, ein Verfahren vor dem Familiengericht anhängig gemacht worden ist.

9

Abweichend von der Auffassung des Familiengerichts und der Bezirksrevisorin kann ein Vergleich über die in § 122 Abs. 3 Satz 1 BRAGO aufgeführten Gegenstände auch außergerichtlich geschlossen werden. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist also nicht auf Vergleiche beschränkt, die vor Gericht protokolliert werden. (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2005, 1264; OLG München FamRZ 2004, 966; OLG Köln AGS 2006, 138; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rdn. 47 und § 119, Rdn. 25).

10

Nach der Entscheidung des BGH vom 21.10.1987 (NJW 1988, 494) hat der beigeordnete Rechtsanwalt für seine Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich eine Vergütung aus der Staatskasse zu beanspruchen. Hierzu wird ausgeführt: Zu der gesetzlichen Vergütung des Anwalts nach § 121 BRAGO gehöre nach § 23 Abs. 1 BRAGO auch die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs. Dass für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt etwas anderes gelten sollte, sei im 13. Abschnitt der BRAGO nicht angeordnet. Mit diesem Verständnis des § 121 BRAGO werde dem Gebot einer möglichst weitgehenden Waffengleichheit Rechnung getragen. Der armen Partei die Möglichkeit des Abschlusses einer außergerichtlichen Vereinbarung durch Versagung einer Vergütung aus der Staatskasse zu erschweren, entspreche nicht der Zielsetzung der Prozesskostenhilfe.

11

In dem vorliegenden Fall ist eine Vergleichsgebühr zugunsten des beschwerdeführenden Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch seine Mitwirkung an der Vereinbarung der Parteien vom 25.03.2005 entstanden. Der angefochtene Festsetzungsbeschluss des Familiengerichts war, soweit dem Festsetzungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht entsprochen worden ist, aufzuheben.

12

Es erfolgt eine Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht, so dass eine ergänzende Festsetzung der Vergütung unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen vorgenommen wird.

13

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 04. Sept. 2007 - 11 WF 166/07

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 04. Sept. 2007 - 11 WF 166/07

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 04. Sept. 2007 - 11 WF 166/07 zitiert 5 §§.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 56 Erinnerung und Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landge

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 48 Umfang des Anspruchs und der Beiordnung


(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts a

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 61 Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens dieses Gesetzes


(1) Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verwei

Referenzen

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 6 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Ist der Rechtsanwalt am 1. Juli 2004 in derselben Angelegenheit und, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in demselben Rechtszug bereits tätig, gilt für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, dieses Gesetz. § 60 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Auf die Vereinbarung der Vergütung sind die Vorschriften dieses Gesetzes auch dann anzuwenden, wenn nach Absatz 1 die Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte weiterhin anzuwenden und die Willenserklärungen beider Parteien nach dem 1. Juli 2004 abgegeben worden sind.

(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen und die Beiordnung eine Berufung, eine Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands betrifft, wird eine Vergütung aus der Staatskasse auch für die Rechtsverteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel und, wenn der Rechtsanwalt für die Erwirkung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung beigeordnet ist, auch für deren Vollziehung oder Vollstreckung gewährt. Dies gilt nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich etwas anderes bestimmt.

(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag

1.
den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
2.
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
3.
die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
4.
die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
5.
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen,
6.
die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder
7.
den Versorgungsausgleich
betrifft. Satz 1 gilt im Fall der Beiordnung in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(4) Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.

(5) In anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Dies gilt insbesondere für

1.
die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung und den Verwaltungszwang;
2.
das Verfahren über den Arrest, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, die einstweilige Verfügung und die einstweilige Anordnung;
3.
das selbstständige Beweisverfahren;
4.
das Verfahren über die Widerklage oder den Widerantrag, ausgenommen die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(6) Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.