Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 29. Sept. 2017 - 2 Ws (Reh) 17/17

bei uns veröffentlicht am29.09.2017

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Halle vom 10. April 2017 aufgehoben.

2. Die Einweisungen und Unterbringungen des Betroffenen in das Spezialkinderheim "R. " in P. durch Beschluss der Stadt H. – Jugendhilfeausschuss - vom 12. Oktober 1983 und in den Jugendwerkhof A. durch Beschluss der Stadt H. – Jugendhilfeausschuss – vom 8. Januar 1986 werden für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.

3. Die zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung dauerte im Spezialkinderheim "R. " in P. vom 24. Januar 1983 bis 6. Juli 1985 und im Jugendwerkhof A. vom 28. Januar 1986 bis 25. August 1987.

4. Sich aus der Entscheidung ergebende Ansprüche können bei dem

Landesverwaltungsamt

Referat Vorsorgerecht

Soziales Entschädigungsrecht

Hauptfürsorgestelle

Maxim-Gorki-Straße 7

06114 Halle (Saale)

geltend gemacht werden.

5. Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt für beide Instanzen die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Das Landgericht Halle hat den Antrag des Betroffenen, ihn wegen der Einweisungen in das Spezialkinderheim "R. " in P. in der Zeit vom 24. Januar 1983 bis 6. Juli 1985 sowie in den Jugendwerkhof in A. in der Zeit vom 28. Januar 1986 bis 25. August 1987 zu rehabilitieren, als unbegründet zurückgewiesen.

2

Das Landgericht hat den Antrag auf Rehabilitierung abgelehnt, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Unterbringungen des Betroffenen in das Spezialkinderheim, "R. " in P. als auch in den Jugendwerkhof A. mit den wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar waren, sie hätten weder der politischen Verfolgung gedient noch seien sie aus sachfremden Gründen erfolgt. Der Betroffene sei wegen mangelhafter Leistungen in der Schule und unentschuldigter Fehlzeiten in der Schule und bei der Berufsausbildung eingewiesen worden.

3

Das Landgericht stützt seine Entscheidung u.a. auf einen Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 30. September 2011. Demnach seien bei der Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit bzw. -widrigkeit der Einweisung die zum damaligen Zeitpunkt herrschenden Verhältnisse maßgeblich. Heutige Maßstäbe, nach denen die in den Jugendwerkhöfen und in den Spezialkinderheimen praktizierten Erziehungsmethoden zu einem Großteil nicht mehr akzeptabel seien, weil sie die Menschenwürde verletzten, dürften nicht zugrunde gelegt werden. Die damaligen Zustände hätten nicht nur den in der DDR vorherrschenden pädagogischen Vorstellungen entsprochen, sondern auch denen in der Bundesrepublik Deutschland der 1950er und 1960er Jahre. Die Auslegung des § 2 Abs. 1 StrRehaG durch den Senat in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2015 (2 Ws (Reh) 45/15, juris), wonach die Einweisung in ein Spezialkinderheim oder in einen Jugendwerkhof in der Regel unverhältnismäßig sei, wenn der Betroffene sich nicht gemeingefährlich verhalten oder erhebliche Straftaten begangen habe, sei weder mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen, noch entspreche dies dem Willen des Gesetzgebers.

4

Auch aus der konkreten Unterbringungssituation des Betroffenen lasse sich hier kein grobes Missverhältnis zwischen dem Anlass der Unterbringung und den angeordneten Rechtsfolgen herleiten. Gegenstand der Überprüfung im strafrechtlichen Rehabilitationsverfahren sei bei Betroffenen, die in Heimen für Kinder und Jugendliche untergebracht waren, nur die Einweisungsentscheidung als solche, nicht aber deren Folgen.

5

Hiergegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, diese als unbegründet zu verwerfen.

II.

6

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

7

Der Betroffene ist für die Einweisungen und Unterbringungen in dem Spezialkinderheim "R. " in P. sowie im Jugendwerkhof in A. zu rehabilitieren, da die Einweisungen aus sonst sachfremden Zwecken erfolgten und in einem groben Missverhältnis zu dem zugrundeliegenden Anlass standen.

8

Nach der gesetzlichen Regelung von § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StrRehaG kann die Anordnung der Unterbringung in Heimen für Kinder und Jugendliche der ehemaligen DDR eine rehabilitierungsfähige Maßnahme darstellen, wenn diese der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Eine Rehabilitierung hat auch zu erfolgen, wenn die Einweisungsentscheidung aus sonstigen Gründen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil die angeordnete Unterbringung in grobem Missverhältnis zu ihrem Anlass stand.

9

1. Die Einweisungen in das Spezialkinderheim "R. " in P. sowie in den Jugendwerkhof in A. dienten sonst sachfremden Zwecken.

10

a) Der in § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG verwendete Begriff der sachfremden Zwecke ist lediglich eine Konkretisierung des Begriffs der Rechtsstaatswidrigkeit in § 1 Abs. 1 StrRehaG (Bruns/Schröder/Tappert, StrRehaG, § 2 Rdn. 17). Sachfremd ist der Zweck, der deutlich von den Zwecken abweicht, die von einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung zur Rechtfertigung einer Unterbringung anerkannt sind (Pfister in Pfister/Mütze, Rehabilitierungsrecht, § 2 StrRehaG Rdn. 30; KG ZOV 2017, 29).

11

In einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung erfolgt die Unterbringung in einem Kinderheim zum Schutz und zur Sicherstellung der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes oder des Jugendlichen, weil diese infolge entweder ungünstiger Familienverhältnisse oder nach dem Versterben der Eltern und mangels zur Aufnahme bereiter Verwandter auf die Hilfe der staatlichen Gemeinschaft angewiesen sind. Auch nach dem Recht der DDR sollte die Anordnung der Heimerziehung allein erzieherischen Zwecken und dem Kindeswohl dienen (Wapler in: Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, Expertisen Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, S. 97). Ein sachfremder Zweck ist im Umkehrschluss dann anzunehmen, wenn mit der Einweisung Menschenrechte verletzt und das Kindeswohl gefährdet wurden.

12

Bei der Bestimmung des Maßstabes, ob ein sachfremder Zweck vorliegt, sind nicht allein die rechtlichen Gründe, d.h. die gesetzlichen Vorschriften, die der Einweisung zugrunde liegen maßgeblich, sondern auch der damit verfolgte Zweck. Dabei sind auch die tatsächlichen Zustände zu berücksichtigen (Wasmuth in ZOV 2017, 1). Dies steht auch im Einklang mit den Regelungen des StrRehaG. So knüpft § 2 Abs. 2 StrRehaG, wonach Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen der Freiheitsentziehung gleichgestellt werden, an einen reinen faktischen Zustand an und nicht an die Beweggründe für die behördliche Entscheidung (Mützel in ZOV 2017, 64, 66).

13

Auch der Gesetzgeber intendierte die Rehabilitierung bestimmter Formen rechtsstaatswidriger Freiheitsbeschränkungen (Gesetzesbegr. BT-Drs. 12/4994, S. 53).

14

b) Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen waren die in den Spezialheimen und Jugendwerkhöfen herrschenden Zustände und Verfahren generell nicht geeignet, dem Kindeswohl zu dienen, sondern maßgeblich darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit der Betroffenen zu brechen, um aus ihnen Persönlichkeiten nach den ideologischen Vorstellungen des SED-Regimes zu formen. Zu diesem Zwecke wurden schwere Menschenrechtsverletzungen planmäßig eingesetzt.

15

aa.) Laut dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Bundesministerium des Innern sowie den zuständigen Landesministerien der neuen Bundesländer und Berlins in Auftrag gegebenen Bericht "Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR" vom 26. März 2012 war der Alltag in den Spezialheimen von Freiheitsbeschränkung, Menschenrechtsverletzungen, Fremdbestimmung, entwürdigenden Strafen, Verweigerung von Bildungs- und Entwicklungschancen sowie erzwungener Arbeit geprägt. Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen wurden zum Teil massiv beeinträchtigt und die Entwicklung ihrer Potenziale verhindert (vgl. Präambel zum Bericht vom 26. März 2012).

16

Zwar war gemäß § 21 Abs. 4 der Heimordnung der DDR vom 1. Dezember 1969 die körperliche Züchtigung verboten. Demgegenüber beschreiben Laudien und Sachse in ihrer Expertise, dass Übergriffe wie Tritte, Schläge, Kürzung der Essensrationen, Isolation und andere Maßnahmen, von Zeitzeugen als "normal" bewertet wurden (Laudien und Sachse in Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, Expertisen "Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR", S. 254). Zu diesen körperlichen Übergriffen kamen sog. wehrsportliche Aufgaben wie Gewaltmärsche über 45 km. Durch die Heimerzieher wurden gewalttätige Übergriffen unter den Heimbewohnern toleriert und gefördert. Erzieher bestraften oft nicht den Einzelnen, sondern die ganze Gruppe stellvertretend. Dies führte zu Bestrafungsaktionen der Gruppe gegen den Verursacher. Die gegenseitigen Misshandlungen der Insassen nutzten die Erzieher zur Einschüchterung, um damit weiteren vermeintlichen Verfehlungen entgegenzuwirken (Sachse in "Der letzte Schliff" S. 108).

17

In den Jugendwerkhöfen stand neben diesen körperlichen Übergriffen schwere körperliche Arbeit auf der Tagesordnung. Sachse und Laudien kommen zu dem Ergebnis, dass die Insassen wegen mangelnder finanzieller Ausstattung der Jugendwerkhöfe in Anlernberufen/Hilfsarbeiter in der Produktion zu schweren körperlichen Arbeiten eingesetzt wurden, um den Bedarf der Industrie an Arbeitskräften zu decken. Einen Teil ihrer geringen Vergütung mussten sie als Unkostenbeitrag an das Heim abgeben (Laudien und Sachse a.a.O. S. 192 f.). Die Ausbildung der Jugendlichen trat damit zugunsten der Refinanzierung der Jugendwerkhöfe in den Hintergrund. Viele Jugendwerkhöfe, die meist in ländlichen Gegenden angesiedelt waren, mussten sich selbst zu versorgen (Sachse in "Der letzte Schliff" S. 97). Die Arbeit war die Grundlage für die Umerziehung der Jugendlichen. Das schulische Angebot wurde in den Jugendwerkhöfen vernachlässigt. Die Insassen erhielten ein absolutes Mindestmaß an Ausbildung (Sachse a.a.O. S. 99), wodurch die Zukunftschancen erheblich eingeschränkt wurden.

18

Christian Sachse, der die Verhältnisse in den Spezialheimen am eingehendsten untersucht hat (so Wasmuth in ZOV 2017, 1, 4), beschreibt die Erziehungsmethoden mit den folgenden Stichworten: Isolation, Disziplinierung, Kollektivierung, Arbeitserziehung und Deprivation, d.h. die Qualität der Bildung und Ausbildung war abhängig von der Loyalität gegenüber dem System (Sachse, Erziehungsmethoden in den Spezialheimen der DDR, Zusammenfassung vom 21. April 2012, abrufbar unter www.christian-sachse.de/20120421-Methoden.pdf). Die Spezialheime waren als Ort der Umerziehung schwererziehbarer Kinder und Jugendlicher konzipiert. Sie sollten notfalls mit Zwang dazu gebracht werden, die Überordnung von kollektiven und gesellschaftlichen Interessen anzuerkennen, welche jeweils von der SED Führung definiert wurden (Sachse a.a.O. S. 88 f). Ziel war nicht deren Entwicklung, sondern der vollständige Umbau der Persönlichkeit der eingewiesenen Kinder und Jugendlichen im Sinne der politischen Ideologie der DDR mit einschneidenden negativen Folgen, die bewusst und gezielt in Kauf genommen wurden. Dazu zählten die psychische und physische Überforderung, die zu langfristigen Persönlichkeitsschäden führten, die Ausbildung tiefsitzender Aversionen gegenüber normalen Arbeitsanforderungen und die deutliche Reduktion von Zukunftschancen.

19

bb.) Diese Zustände in den Heimen waren den DDR-Behörden und den Einweisungsgremien auch bekannt. Schließlich wurden die Spezialheime und Jugendwerkhöfe regelmäßig kontrolliert. Bis 1963 fanden diese Kontrollen durch die zentrale Kommission für staatliche Kontrollen, später dann durch Arbeiter- und Bauerninspektionen statt. In den Archiven finden sich etliche dieser Prüfberichte, in denen über gravierende Missstände berichtet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass nicht nur den Verantwortlichen der Regierung und Parteiführung bekannt war, dass es in der Heimerziehung zu massiven Rechtsverstößen kam (Kittel/Wapler, Zeitschrift "Trauma und Gewalt" 2013 S. 144, 148), sondern auch den einweisenden Behörden der Jugendämter. Sie haben die Einweisungsentscheidung bewusst mit der Intention der Umerziehung bzw. mit dem Ziel, die Persönlichkeit zu brechen, damit sie sich in das sozialistische Gesellschaftsbild einfügen, getroffen. Primäres Ziel war demnach nicht, den Schutz und/oder die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen und bei ihrer Entwicklung zu einer eigenen Persönlichkeit in der Gesellschaft zu unterstützen, sondern sie nach den ideologischen Vorstellungen des Staates umzugestalten.

20

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die DDR mit den Spezialheimen und den Jugendwerkhöfen ein System errichtet hat, das der Zerstörung der Persönlichkeit der Betroffenen und nicht dem Kindeswohl gedient hat (vgl. Wasmuth, Anmerkung zu der Entscheidung des Landgerichts Halle vom 9. März 2017 in ZOV 2017, 38 - 39). Die Intention des Staates war die Schaffung von funktionierenden, sich unterordnenden Werktätigen nach den ideologischen Vorstellungen des Regimes. Die entsprechenden Unterbringungsanordnungen dienten damit sonst sachfremden Gründen, selbst wenn auch Gesichtspunkte der Fürsorge und des Kindeswohls mitursächlich für die Einweisungen waren.

21

c) Das Landgericht Halle stützt seine Entscheidung auch auf Erwägungen im Beschluss des Kammergerichts vom 30. September 2011 (ZOV 2012, 82), welches der Ansicht war, dass sich eine rechtsstaatswidrige Zielsetzung der Anordnung über die Spezialheime der Jugendhilfe vom 22. April 1965, die für die Spezialheime ergangen war und Aufgaben und System dieser Heime beschrieben hat, nicht entnehmen lasse. Für die Beurteilung des sachfremden Zweckes kann aber nicht allein die gesetzgeberische Zielsetzung zugrunde gelegt werden, zumal in der DDR des Öfteren die tatsächlichen Gegebenheiten von den staatlichen Zielvorgaben abwichen. Für die rehabilitierungsrechtliche Bewertung ist auf die Rechtswirklichkeit abzustellen, konkret auf die Motive, die den Einweisungsentscheidungen zugrunde lagen, nicht auf die lediglich vorgeschobenen Gründe des Wohles der Betroffenen.

22

Ferner übersieht das Landgericht, dass das Kammergericht im Jahre 2011 die oben dargestellten Studien nicht berücksichtigen konnte. Es hat die Rehabilitierung des Betroffenen für die Unterbringung im Sonderheim B. und im Spezialkinderheim U. mit der Begründung abgelehnt, dass es keine Hinweise darauf gebe, "dass die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Spezialheimen mit Ausnahme des Jugendwerkhofs Torgau und des "Objektes Rüdersdorf" regelmäßig nicht (aus damaliger Sicht) dem Kindeswohl (bzw. der Erziehung), sondern allein der systematischen Zerstörung der Individualität der Untergebrachten gedient hätte" (KG Beschluss vom 30. September 2011). Genau dies haben jedoch die von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u.a. in Auftrag gegebenen Studien erwiesen. Sie belegen, dass die Jugendbehörden Kinder und Jugendliche, die dem sozialistischen Persönlichkeitsbild und den politisch-ideologischen sowie gesellschaftlichen Wunschvorstellungen nicht entsprachen, unter Missachtung ihrer Individualität und ihrer Würde reglementierten und drangsalierten und sie auf diese Weise zu Objekten staatlicher Interessendurchsetzung erniedrigten, weshalb Einweisungen in solche Heime von der Generalklausel des § 1 Abs. 1 Halbsatz 1 StrRehaG erfasst werden (so auch KG Berlin a.a.O m.w.N.).

23

d) Das Landgericht begründet seine Entscheidung auch damit, dass die Einweisung im Licht der zum Zeitpunkt der Einweisungsentscheidung herrschenden Verhältnisse betrachtet werden müsse und auch in den Kinderheimen der Bundesrepublik Deutschland teilweise nach heutigen Maßstäben rechtsstaatswidrige Zustände herrschten.

24

Bewertungsmaßstab des StrRehaG sind nicht die tatsächlichen Verhältnisse der Bundesrepublik zur damaligen Zeit, sondern nach § 1 Abs. 1 StrRehaG die wesentlichen Grundsätze einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung. Rechtsstaatswidrige Zustände in der Bundesrepublik können nicht rechtsstaatswidrige Zustände in der DDR rechtfertigen (so auch Wapler, in Beauftragter der Bundesregierung in den neuen Bundesländern, "Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR", S. 100). Das deutsche Recht sieht eine Gleichheit im Unrecht nicht vor (BVerfG in NJW 2004, 2297). Mangelnde gesetzliche Regelungen für rechtsstaatswidrig erlittenes Unrecht von in Kinderheimen der Bundesrepublik Deutschland Untergebrachten können nicht als Begründung für die Ablehnung der Rehabilitierung nach der StrRehaG dienen.

25

2. Darüber hinaus standen die Einweisungen in das Spezialkinderheim und in den Jugendwerkhof in einem groben Missverhältnis zu dem zugrundeliegenden Anlass gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG.

26

Das Landgericht rechtfertigt die Einweisung in das Spezialheim damit, dass massive Erziehungsprobleme maßgeblich waren. Der Betroffene litt an einer Lese-Rechtschreibschwäche und war offenbar dadurch in der Regelschule überfordert, weshalb es zu nicht unerheblichen unentschuldigten Fehlzeiten kam. Anderweitige besondere Vorkommnisse, wie Gewalttätigkeiten oder sonstige Verhaltensweisen, welche auf schädliche Neigungen hindeuten, lassen sich den vorliegenden Unterlagen der damaligen Jugendbehörden nicht entnehmen. Vielmehr heißt es in einem Bericht der Schule vom 11. April 1983, dass der Betroffene keine Disziplinauffälligkeiten gezeigt habe. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts hat zuerst die Schule um Erziehungshilfe gebeten. Die Mutter hat zunächst versucht, eine Heimunterbringung ihres Sohnes abzuwenden. Der Jugendhilfeausschuss sah die Erziehung des Betroffenen als gefährdet an und ordnete wegen "Schulbummelei und ungewollten Erziehungsfehlern" der Mutter, welche ihren Sohn zu sehr verwöhnt habe, die Heimerziehung an. Nach einer kurzzeitigen Unterbringung im Durchgangsheim G. wurde der Betroffene in das Spezialkinderheim "R. " in P. eingewiesen. Andere Maßnahmen, wie die Unterbringung in einem Normalkinderheim oder die Beschulung in einer Sonderschule, wurden zuvor nicht versucht. Durch die Einweisung in das Spezialkinderheim aufgrund der Überforderung des Betroffenen in der Schule und der daraus resultierten "Schulbummelei" hat sich die Degradierung des Betroffenen zum Objekt staatlicher Interessen deutlich manifestiert.

27

Ausweislich der Unterlagen der Jugendhilfebehörde der Stadt H. war Anlass für die Einweisung in den Jugendwerkhof, dass der Betroffene für wenige Tage unentschuldigt von der Ausbildung fernblieb. Auch hier wurden zuvor keine weniger einschneidende Maßnahmen versucht.

III.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 1 StrRehaG, die Auslagenentscheidung aus § 14 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StrRehaG i. V. m. § 473 StPO.


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(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

(2) Der Freiheitsentziehung werden Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen gleichgestellt.

(1) Die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ist auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben (Rehabilitierung), soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil

1.
die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat; dies gilt in der Regel für Verurteilungen nach folgenden Vorschriften:
a)
Landesverräterische Nachrichtenübermittlung (§ 99 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
b)
Staatsfeindlicher Menschenhandel (§ 105 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
c)
Staatsfeindliche Hetze (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
d)
Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (§ 219 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
e)
Ungesetzlicher Grenzübertritt (§ 213 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 Nr. 3 bis 6, oder Abs. 4 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
f)
Boykotthetze gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. I Nr. 1 S. 5);
g)
Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung (§ 256 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder § 43 des Gesetzes über den Wehrdienst in der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12 S. 221);
h)
nach Vorschriften, die den unter den Buchstaben a bis g genannten Vorschriften inhaltlich entsprechen, sowie
i)
Hochverrat, Spionage, Anwerbenlassen zum Zwecke der Spionage, Landesverräterische Agententätigkeit, Staatsverbrechen, die gegen einen verbündeten Staat gerichtet sind, Unterlassung der Anzeige einer dieser Straftaten, Geheimnisverrat (§§ 96, 97, 98, 100, 108, 225 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit diesen Vorschriften, §§ 245 oder 246 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder nach inhaltlich entsprechenden Vorschriften, wenn die Tat für die Bundesrepublik Deutschland, einen mit ihr verbündeten Staat oder für eine Organisation begangen worden sein soll, die den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet ist, oder
2.
die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.

(2) Mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind die Entscheidungen des Landgerichts Chemnitz, Außenstelle Waldheim, aus dem Jahr 1950 ("Waldheimer Prozesse").

(3) Ist eine Entscheidung auf die Verletzung mehrerer Strafvorschriften gestützt und liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nur hinsichtlich eines Teiles der Strafvorschriften vor, kann die Entscheidung insgesamt aufgehoben werden, wenn die übrigen Gesetzesverletzungen für die Anordnung der Rechtsfolgen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.

(4) Kommt eine vollständige Aufhebung der Entscheidung nicht in Betracht, hebt das Gericht den Teil der Entscheidung auf, für den die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

(5) Für strafrechtliche Maßnahmen, die keine gerichtlichen Entscheidungen sind, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend.

(6) Ein Antrag nach Absatz 1 ist unzulässig, soweit nach dem 2. Oktober 1990 über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung oder Kassation rechtskräftig entschieden worden ist. Dies gilt nicht, soweit dargelegt wird, dass der frühere Antrag nach den Vorschriften dieses Gesetzes Erfolg gehabt hätte.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

(2) Der Freiheitsentziehung werden Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen gleichgestellt.

(1) Die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ist auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben (Rehabilitierung), soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil

1.
die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat; dies gilt in der Regel für Verurteilungen nach folgenden Vorschriften:
a)
Landesverräterische Nachrichtenübermittlung (§ 99 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
b)
Staatsfeindlicher Menschenhandel (§ 105 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
c)
Staatsfeindliche Hetze (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
d)
Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (§ 219 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
e)
Ungesetzlicher Grenzübertritt (§ 213 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 Nr. 3 bis 6, oder Abs. 4 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
f)
Boykotthetze gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. I Nr. 1 S. 5);
g)
Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung (§ 256 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder § 43 des Gesetzes über den Wehrdienst in der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12 S. 221);
h)
nach Vorschriften, die den unter den Buchstaben a bis g genannten Vorschriften inhaltlich entsprechen, sowie
i)
Hochverrat, Spionage, Anwerbenlassen zum Zwecke der Spionage, Landesverräterische Agententätigkeit, Staatsverbrechen, die gegen einen verbündeten Staat gerichtet sind, Unterlassung der Anzeige einer dieser Straftaten, Geheimnisverrat (§§ 96, 97, 98, 100, 108, 225 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit diesen Vorschriften, §§ 245 oder 246 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder nach inhaltlich entsprechenden Vorschriften, wenn die Tat für die Bundesrepublik Deutschland, einen mit ihr verbündeten Staat oder für eine Organisation begangen worden sein soll, die den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet ist, oder
2.
die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.

(2) Mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind die Entscheidungen des Landgerichts Chemnitz, Außenstelle Waldheim, aus dem Jahr 1950 ("Waldheimer Prozesse").

(3) Ist eine Entscheidung auf die Verletzung mehrerer Strafvorschriften gestützt und liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nur hinsichtlich eines Teiles der Strafvorschriften vor, kann die Entscheidung insgesamt aufgehoben werden, wenn die übrigen Gesetzesverletzungen für die Anordnung der Rechtsfolgen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.

(4) Kommt eine vollständige Aufhebung der Entscheidung nicht in Betracht, hebt das Gericht den Teil der Entscheidung auf, für den die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

(5) Für strafrechtliche Maßnahmen, die keine gerichtlichen Entscheidungen sind, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend.

(6) Ein Antrag nach Absatz 1 ist unzulässig, soweit nach dem 2. Oktober 1990 über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung oder Kassation rechtskräftig entschieden worden ist. Dies gilt nicht, soweit dargelegt wird, dass der frühere Antrag nach den Vorschriften dieses Gesetzes Erfolg gehabt hätte.

(1) Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben.

(2) Wird dem Antrag ganz oder teilweise stattgegeben, fallen die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse zur Last. Im Übrigen kann das Gericht die notwendigen Auslagen des Antragstellers ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn es unbillig wäre, den Antragsteller damit zu belasten.

(3) Die Entscheidung nach Absatz 2 Satz 2 ist unanfechtbar.

(4) Für die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gilt § 473 Abs. 1 bis 4 der Strafprozessordnung entsprechend.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.