Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 04. Juni 2013 - 2 Ss 77/13

published on 04.06.2013 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 04. Juni 2013 - 2 Ss 77/13
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Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 20. November 2012 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Halle (Saale) zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Merseburg hatte die Angeklagte durch Urteil vom 19. April 2012 wegen schweren sexuellen Missbrauches von Kindern durch Vollziehung des Beischlafs mit einem Kind in kinderpornographischer Absicht in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften, in Tatmehrheit mit Verbreiten kinderpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

2

Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Halle (Saale) das Urteil des Amtsgerichts – unter Verwerfung der weitergehenden Berufung – durch Urteil vom 20. November 2012 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in kinderpornografischer Absicht und durch Vollzug des Beischlafes mit einem Kind in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, Beischlaf zwischen Verwandten und Verschaffen kinderpornografischer Schriften in Tatmehrheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes in kinderpornografischer Absicht in Tateinheit mit Sich-Verschaffen kinderpornografischer Schriften schuldig ist und sie erneut zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat ferner angeordnet, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt gelten.

3

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

5

Die Revision ist zulässig und mit der Sachrüge teilweise erfolgreich, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

6

Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht eine Strafrahmenmilderung nach § 46 b StGB rechtsfehlerhaft abgelehnt hat.

7

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Strafmilderungsgrunds nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 StGB zutreffend als dem Grunde nach erfüllt angesehen. Bei der Ablehnung der Strafrahmenverschiebung hat es – bei beiden Taten mit gleichlautender Begründung – entscheidend darauf abgestellt, dass die Angeklagte sich erst zu einem Zeitpunkt offenbart habe, als sie den Anstiftungshandlungen in mindestens zwei Fällen gefolgt war und die Taten vollendet hatte. In der weiteren Begründung führt das Landgericht aus, dass die „Tatschwere für den gesondert Verfolgten R.“ aufgrund seiner Beteiligungsart geringer sei als die der Angeklagten und diese während des gesamten Tatgeschehens wegen jeder von ihr begangenen Tathandlung uneingeschränkte Tatherrschaft gehabt habe. Dieser Moment stelle den wesentlichen Gesichtspunkt dar, der gegen eine Strafrahmenverschiebung spreche.

8

Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen, unter denen eine Strafmilderung gewährt werden kann, verkannt hat. § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB knüpft die Möglichkeit der Strafmilderung nicht allein an die Tatsache an, dass zukünftige Straftaten verhindert werden, sondern gewährt diese Möglichkeit ausdrücklich auch nach Vollendung der Straftaten für deren Aufdeckung. Dies verkennt das Landgericht, wenn es die Strafmilderung mit dem Argument ablehnt, die Angeklagte habe sich erst zu einem Zeitpunkt offenbart, als sie den Anstiftungshandlungen in mindestens zwei Fällen gefolgt sei. Eine Offenbarung auch zu diesem Zeitpunkt begründet die Möglichkeit einer Strafrahmenmilderung.

9

Auch die weitere Begründung, dass die „Tatschwere für den gesondert Verfolgten R.“ geringer sei als die der Angeklagten, verkennt die rechtlichen Vorgaben. Nach § 26 StGB wird der Anstifter gleich einem Täter bestraft. Dass es sich bei den aufgedeckten Anstiftungshandlungen des R. um erhebliche Straftaten handelt, zeigt auch dessen rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Zwickau am 26. Mai 2011 wegen der durch die Angeklagte aufgedeckten Taten zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Im Übrigen ist die Wertung des Landgerichts, die Tat des R. wiege geringer als die der Angeklagten, fragwürdig. Hierbei ist unberücksichtig geblieben, dass die Angeklagte im Wesentlichen strafrechtlich unbelastet ist, R. hingegen mehrfach einschlägig vorbestraft. Insofern dürfte bei der in einer neuen Verhandlung zu treffenden Entscheidung über die Gewährung der Strafrahmenverschiebung zu Gunsten der Angeklagten besonders ins Gewicht fallen, dass aufgrund ihrer Aufklärungshilfe ein Täter verurteilt werden konnte, der bereits mehrere einschlägige Delikte begangen hat und daher eine ständige Gefahr für Andere darstellte.

10

Schließlich lassen die weiteren Ausführungen, dass die Angeklagte während des gesamten Tatgeschehens die Tatherrschaft gehabt habe und dies der wesentliche Gesichtspunkt gewesen sei, der gegen eine Strafrahmenverschiebung spreche, befürchten, dass sich das Landgericht bei der Würdigung der Aufklärungshilfe rechtsfehlerhaft allein an dem Schuldumfang ihrer Taten und nicht an dem Gewicht des von ihr geleisteten Aufklärungsbeitrages orientiert hat (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 16.06.2012 – 2 Str 66/12 – StraFo 2012, S. 332 m.w.N.).


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.