Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 06. Juli 2012 - 12 W 37/12

bei uns veröffentlicht am06.07.2012

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 18. April 2012 und sein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung werden auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf bis 19.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des Amtsgerichts Szczecin/Stettin vom 30. Oktober 2008 (Geschäfts-Nr. XIII GC 336/07) zugelassen und die Erteilung einer Vollstreckungsklausel angeordnet.

2

Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner unter der berichtigten Anschrift B. Straße 13, E. am 24. April 2012 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich seine unter dem 10. Mai 2012 verfasste und beim Oberlandesgericht am 11. Mai 2012 eingegangene Beschwerde, mit der er ausführt, dass er von dem Verfahren vor dem Amtsgericht in Szczecin/Stettin zu keinem Zeitpunkt Kenntnis erlangt oder ein Urteil zugestellt bekommen habe. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs und ist der Ansicht, dass das Landgericht den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung schon deshalb hätte zurückweisen müsse, weil eine Zustellung des bezeichneten Urteils an ihn nicht nachgewiesen sei. Vorsorglich hat er eingewendet, dass den Antragstellern auch keine Ansprüche gegen ihn zustehen würden.

3

Die nach Art 43 EuGVVO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

4

Das Gericht erster Instanz hat nach Art. 41 EuGVVO die Entscheidung auf Antrag unverzüglich für vollstreckbar zu erklären, sobald die in Art. 53 EuGVVO vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, ohne dass eine weitere Prüfung nach Art. 34 und 35 EuGVVO erfolgt (z. B. Zöller/ Geimer Rn. 3 zu Art. 41 EuGVVO m. w. N.). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Dass im vorliegenden Verfahren ausnahmsweise noch das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (Luganer Übereinkommen - LugÜ -) Anwendung finden könnte, das weitergehende Prüfungspflichten vorsah, ist weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

5

Nach Art. 45 Abs. 1 EuGVVO darf auch das Beschwerdegericht die Vollstreckbarkeitserklärung aus Art. 43 EuGVVO nur aus einem der in Art. 34 und 35 EuGVVO aufgeführten Gründen versagen oder aufheben.

6

Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerde - sinngemäß - ein Verstoß gegen Art. 34 Nr. 2 EuGVVO behauptet, ist sein Vorbringen nicht begründet. Danach wäre eine Entscheidung dann als nicht vollstreckbar anzuerkennen, wenn dem Beklagten in dem Ursprungsverfahren (hier Antragsgegner), der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrensrechtlich einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. In der Regel muss aber (wenn der Antragsgegner nicht das Gegenteil beweist) davon ausgegangen werden, dass diesem die Klage und Ladung so rechtzeitig zugestellt worden sind, wie es zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich war (z. B. Zöller/Geimer Rn. 22, 31 zu Art. 34 EuGVVO m. w. N.). Insoweit behauptet der Antragsgegner auch nicht, dass ihm solche Schriftstücke nicht rechtzeitig zugestellt worden ist, sondern er stellt Zustellungen aus diesem Verfahren dem Grunde nach in Abrede.

7

Aus dem nach Art. 53 Abs. 1 EuGVVO vorgelegten Ausfertigung des Urteils vom 30. Oktober 2008 ergibt sich zunächst, dass dieses ordnungsgemäß unterschrieben wurde und seit dem 06. März 2009 rechtskräftig ist. Im Übrigen kann der nach Art. 53 Abs. 2, 54 EuGVVO von den Antragstellern eingereichten Bescheinigung über den europäischen Vollstreckungstitel vom 10. Februar 2012 zweifelsfrei entnommen werden, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner nach Art. 13, 16, 17 EuVTVO zugestellt worden ist. Diese Bescheinigung ist unter Verwendung des hierfür erforderlichen Formblattes erstellt worden. In einem solchen Fall bedarf es im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren nach dem EuGVVO keines weiteren Zustellungsnachweises über das verfahrenseinleitende Schriftstück (z. B. Zöller/Geimer Rn. 1 zu Art. 54 EuGVVO m. w. N.). Denn der (notwendige) Zustellungsnachweis als solcher ergibt sich aus der vorgelegten Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO, die der Antragsgegner nicht angreift.

8

Sonstige Einwendungen gegen die angefochtene Entscheidung werden mit der Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch im Übrigen nicht zu erkennen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 3 ZPO und bemisst sich nach dem Wert der Hauptsache ohne Zinsen und Kosten. Nach dem hier streitgegenständlichen Urteil ist der Antragsgegner in der Hauptsache gemeinschaftlich mit einer anderen Beklagten zur Zahlung von 75.000,00 Zloty verurteilt worden. Dies entspricht bei einem Umrechnungskurs von 0,23745 Euro einem Betrag von ca. 17.808,00 Euro, so dass der Beschwerdewert auf bis 19.000,00 Euro festzusetzen war.

10

Vor diesem Hintergrund war auch der unter dem 02. Juli 2012 zulässig gestellte Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung (Art. 46 Abs. 3 EuGVVO) aus dem für vollstreckbar erklärten Titel des Amtsgerichts Szczecin/Stettin zurückzuweisen.

11

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da ein solche nicht beantragt wurde und zudem die Voraussetzungen der § 15 ff. AVAG nicht vorliegen.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Referenzen

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.