Oberlandesgericht München Endurteil, 18. Okt. 2017 - 7 U 530/17

bei uns veröffentlicht am18.10.2017

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.1.2017 (Az.: 22 O 770/16) aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage in Anspruch. Hinsichtlich der ursprünglichen Klaganträge wird auf die Klageschrift (Bl. 4 ff. der Akten) Bezug genommen.

In der Klageschrift ist die Anschrift des Beklagten mit G.-Str. 46 c, … R. angegeben. Zeitgleich beantragte die Klägerin die öffentliche Zustellung der Klage, weil der Aufenthaltsort des Beklagten nicht bekannt sei (Bl. 1 ff. der Akten). Mit Verfügung vom 10.2.2016 ordnete das Landgericht die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens sowie die Zustellung der Klage an. Die Klage wurde laut Postzustellungsurkunde unter der genannten Anschrift in R. vom Postzusteller am 16.2.2016 in den Hausbriefkasten eingelegt. Eine Reaktion des Beklagten erfolgte (naturgemäß) nicht. Am 9.3.2016 erging Versäumnisurteil gegen den Beklagten gemäß § 331 Abs. 3 ZPO nach Klagantrag. Dieses wurde dem Klägervertreter gegen Empfangsbekenntnis am 22.3.2016 zugestellt und laut Postzustellungsurkunde wiederum unter der genannten Anschrift in R. vom Postzusteller am 22.3.2016 in den Hausbriefkasten eingelegt. Am 22.12.2016 ging ein Einspruch des Beklagten gegen das genannte Versäumnisurteil und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beim Landgericht ein.

Durch das angegriffene Urteil hat das Landgericht sowohl den Einspruch als auch den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen. Auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt der Beklagte die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

B. Die Berufung hat Erfolg. Der Einspruch des Beklagten hätte nicht als unzulässig verworfen werden dürfen. Insbesondere ist die Einspruchsfrist gewahrt. Auf die beantragte Wiedereinsetzung in eine Versäumung der Einspruchsfrist kam es daher nicht an.

Der Beklagte hat die Einspruchsfrist nicht versäumt, weil ihm das Versäumnisurteil vom 9.3.2016 nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die „Zustellung“ vom 22.3.2016 durch Einlegung in den Hausbriefkasten ist nämlich unwirksam und konnte die Einspruchsfrist nicht auslösen, weil nach dem Prozessstoff davon auszugehen ist, dass der Beklagte zur fraglichen Zeit nicht mehr dort wohnte. Dieser Zustellungsmangel wurde nach § 189 ZPO frühestens dadurch geheilt, dass der Beklagtenvertreter am 19.12.2016 Kenntnis von dem Versäumnisurteil erlangte. Damit ist der am 22.12.2016 eingegangene Einspruch binnen der zweiwöchigen Einspruchsfrist eingegangen.

Eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (und damit auch die Möglichkeit der Zustellung durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten, § 180 ZPO) ist nur möglich, wenn die Wohnung tatsächlich vom Zustellungsadressaten bewohnt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.6.2011 - III ZR 342/09, zitiert nach juris, dort Rz. 13). Nach dem Prozessstoff ist aber davon auszugehen, dass der Beklagte am 22.3.2016 nicht mehr unter der angegebenen Anschrift in R. wohnte.

1. Der Kläger hat schon zeitgleich mit der Klage im Antrag auf öffentliche Zustellung der Klage vorgetragen, dass der Aufenthalt des Beklagten unbekannt sei und sich nicht habe ermitteln lassen (was impliziert, dass er nicht mehr unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift wohnte). Dem ist der Beklagte zu keiner Zeit entgegen getreten. Daher ist unstreitig, dass der Beklagte schon bei Klageerhebung und auch später nicht mehr in R. wohnte. Da die Zulässigkeit des Einspruchs zwar von Amts wegen, aber nach dem Beibringungsgrundsatz auf der Basis des unstreitigen oder bewiesenen Prozessstoffs zu beurteilen ist, ist dieser unstreitige Befund zugrunde zu legen.

2. Nichts anderes ergibt sich aus den sonstigen den Akten zu entnehmenden Befunden.

a) Die Postzustellungsurkunde vom 22.3.2016 erbringt nur Beweis dafür, dass das Versäumnisurteil in den Hausbriefkasten unter der genannten Anschrift eingelegt wurde, nicht aber dafür, dass der Beklagte tatsächlich dort wohnte.

b) Der Kläger hat als Anlagen zur Klage Meldeamtsauskünfte (wonach der Beklagte „verzogen“ ist) und eine Auskunft der gegen den Beklagten ermittelnden Staatsanwaltschaft (wonach der Aufenthalt des Beklagten dort unbekannt war) vorgelegt. Dies zwingt zu der Überzeugungsbildung, dass der Beklagte im Zustellungszeitpunkt keine Wohnung mehr unter der genannten Anschrift in R. hatte.

Zwar hat die melderechtliche An- und Abmeldung für die Frage einer zustellungsrechtlichen Wohnung regelmäßig keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, Urteile vom 24.4.1977 - II ZR 1/76, zitiert nach juris, dort Rz. 11; vom 24.11.1977 - III ZR 1/76, zitiert nach juris, dort Rz. 11, 12). Der Tatsache einer Abmeldung beim Einwohnermeldeamt kann aber eine gewisse indizielle Bedeutung für die Frage des tatsächlichen Wohnsitzes nicht abgesprochen werden. Maßgeblich für die Aufgabe der zustellungsrechtlichen Wohnung ist ein (für den objektiven Beobachter) nach außen erkennbarer Akt (BGH, Beschluss vom 22.10.2009 - IX ZB 248/08, zitiert nach juris, dort Rz. 21). Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere Dauer der Abwesenheit, Kontakt zu den in der Wohnung Verbliebenen und Möglichkeit der Rückkehr (BGH, III ZR 1/76, a.a.O. Rz. 12). Vorliegend lässt sich die Abmeldung als nach außen erkennbarer Akt der Wohnungsaufgabe deuten. Ferner hat der Beklagte vorgetragen, dass er sich nach Österreich abgesetzt habe, weil er sich bedroht gefühlt habe; zuvor habe er seine Familie in Sicherheit gebracht. Das spricht für eine gewisse Dauer der geplanten Abwesenheit und dafür, dass niemand in der Wohnung verblieb bzw. kein Kontakt mehr zu den in der Wohnung Verbliebenen bestand. Auch war (aus Sicht des Beklagten wegen des Bedrohungsgefühls, aus objektiver Sicht wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens) seine Absicht und Möglichkeit der Rückkehr höchst eingeschränkt. Auch die Umstände des Einzelfalles sprechen daher für eine Aufgabe der Wohnung in R.

c) Dem Beklagten ist es auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Zustellung zu berufen. Ein dem Beklagten zurechenbarer Rechtsschein, etwa durch Nichtentfernung des Briefkastens oder dessen Beschriftung bei Auszug, genügt für die Annahme einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht (BGH. Urteil vom 16.6.2011 - III ZR 342/09, zitiert nach juris, Rz. 13). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Zustellungsempfänger einen Zustellungsmangel geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat, etwa durch wiederholte wahrheitswidrige Bezeichnung der Zustellanschrift als seinen Lebensmittelpunkt (BGH, a.a.O. Rz. 15 m.w.Nachw.). Letzteres ist vorliegend schon deshalb nicht anzunehmen, weil sich der Kläger bei Verfahrensbeginn nicht in einem solchen Irrtum befand, wie sein Antrag auf öffentliche Zustellung zeigt.

3. Der Beklagte wurde erst am 4.7.2016 in Österreich festgenommen und befindet sich seit 7.10.2016 in Untersuchungshaft in der JVA Stadelheim. Die Problematik des Wohnsitzes eines Inhaftierten stellte sich daher am 22.3.2016 nicht.

4. Die breiten Ausführungen der Parteien zur öffentlichen Zustellung sind offensichtlich den erschwerten Bedingungen der Prozessvertretung in Massenverfahren geschuldet; im vorliegenden Verfahren stellt sich diese Problematik aber nicht. Der Kardinalfehler des Landgerichts und damit das Grundübel des vorliegenden Verfahrens liegt vielmehr gerade daran, dass das Landgericht keine öffentliche Zustellung veranlasst, sondern die Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils unter der in der Klageschrift genannten Anschrift angeordnet hat, obwohl der Kläger von Anfang an vorgetragen hat, dass der Beklagte dort nicht erreichbar ist.

Hiernach dürfte schon die Klage nicht wirksam zugestellt und damit das Verfahren nicht rechtshängig geworden sein. Dies ändert aber nichts an der Statthaftigkeit des Einspruchs; das Versäumnisurteil ist nun einmal in der Welt und kann nur auf Einspruch beseitigt werden.

5. Vor diesem Hintergrund bleibt dem Senat nur die Zurückverweisung an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein entsprechender Antrag der Beklagtenpartei liegt vor. Das Landgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob die Sache überhaupt rechtshängig wurde (eine ordnungsmäßige Klagezustellung kann nach den vorstehenden Überlegungen ausgeschlossen werden; eine Heilung dieses Zustellungsmangels nach § 189 ZPO ergibt sich aus den Akten nicht); gegebenenfalls ist dann zunächst die Zustellung der Klage zu veranlassen.

C. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die Kosten dieses Berufungsverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.

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(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständ

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - IX ZB 248/08

bei uns veröffentlicht am 22.10.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 248/08 vom 22. Oktober 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 180 Bei bereits aufgegebenen Geschäftsräumen kann eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten

Landgericht München I Urteil, 18. Jan. 2017 - 22 O 770/16

bei uns veröffentlicht am 18.01.2017

Tenor 1. Der gegen das Versäumnisurteil vom 09.03.2016 eingelegte Einspruch wird als unzulässig verworfen. 2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

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Tenor

1. Der gegen das Versäumnisurteil vom 09.03.2016 eingelegte Einspruch wird als unzulässig verworfen.

2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Das Versäumnisurteil ist dem Beklagten am 22.03.2016 zugestellt worden. Am 21.12.2016 hat der Beklagte Einspruch eingelegt.

Gründe

1. Der Einspruch ist unzulässig und daher gemäß § 341 ZPO zu verwerfen. Der Einspruch wurde nicht innerhalb der am 06.04.2016 abgelaufenen zweiwöchigen Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) eingelegt.

2. Der gleichzeitig mit dem Einspruch gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag entspricht seinem Inhalt nach nämlich nicht den Erfordernissen des § 236 Abs. 2 S. 1, S. 2 2.HS. ZPO. Danach muss der Antrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Dies ist vorliegend nicht der Fall:

Der Beklagte beschränkt sich auf den Vortrag, er befinde sich „seit August 2016 in Haft“. Allein dieser Umstand begründet jedoch nicht, warum der Beklagte die Einspruchsfrist gegen das ihm öffentlich zugestellte Versäumnisurteil ohne sein Verschulden nicht einhalten konnte.

Es fehlt zudem jeglicher Sachvortrag dazu, wann und aus welchen Gründen das Hindernis weggefallen ist. Soweit der Beklagte hierzu vorträgt, er habe von dem Rechtsstreit „durch die Übergabe der Klageschrift durch die Kriminalpolizei am 19.12.2016“ erfahren, erschließt sich dies nicht. Die streitgegenständliche Klageschrift wurde nicht an die Kriminalpolizei zugestellt oder sonst übermittelt.

Der Antrag ist daher bereits unzulässig (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 233, Rdnr. 8).

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist darüber hinaus auch unbegründet.

3.1. Allein die Inhaftierung stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Grundsätzlich muss die Partei auch bei unfreiwilliger Abwesenheit von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort (z.B. Haft) dafür sorgen, dass sie Fristen wahren kann (vgl. bspw. BGH II ZR 174/94; BGH VII ZB 6/92). Auch die in Strafhaft einsitzende Partei muss sich ohne Verzögerungen um ihre Angelegenheiten kümmern (BGH IX ZB 28/84; BGH IV b ZR 17/85). Dabei kann die Erreichbarkeit auch durch einen mangelfrei ausgeführten Nachsendeauftrag oder die Anweisung an verlässliche Angehörige, z.B. die Ehefrau, die Post zu lesen und den Ehepartner zu verständigen (BGH VIII ZB 8/01) sichergestellt werden.

3.2. Abgesehen davon konnte das Versäumnisurteil vorliegend laut Postzustellungsurkunde an die letzte Meldeadresse des Beklagten in ... in der ... in ... durch Einlegen in den Briefkasten bereits im März 2016 – und damit lange vor dem mitgeteilten Haftantritt des Beklagten im August 2016 – zugestellt werden.

Auf die Mitteilung des Beklagten, er habe sich im vergangenen Jahr in seiner Ferienwohnung im ... in ... aufgehalten, wo er seit Anfang 2010 gewohnt habe und ordnungsgemäß angemeldet sei, kommt es somit vorliegend nicht an.

Damit war der Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 3 ZPO.

(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.

(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1.
in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,
2.
in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,
3.
in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.

(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 248/08
vom
22. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei bereits aufgegebenen Geschäftsräumen kann eine Ersatzzustellung durch Einlegung
in den Briefkasten nicht erfolgen.
BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 248/08 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 22. Oktober 2009

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten werden der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. August 2008 und der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 24. Juni 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren - an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der Beklagte begehrt die Fortsetzung eines gegen ihn gerichteten Schadensersatzprozesses wegen behaupteter Verletzung seiner Pflichten aus einem Steuerberatervertrag. Gegen ihn erging Vollstreckungsbescheid. Er macht geltend , dieser sei nicht wirksam zugestellt worden, hilfsweise beantragt er Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist.
2
Der Beklagte betrieb sein Büro in einem mit der Hausnummer 5 gekennzeichneten Anbau des Wohnhauses mit der Hausnummer 3, in dem er mit seiner Ehefrau lebt. Die Büroräume hatte er bis zur Aufgabe seiner Tätigkeit am 31. Oktober 2007 von seiner Ehefrau gemietet. Nach Einstellung der Berufstätigkeit entfernte der Beklagte sein Kanzleischild sowie die Namensschilder von Klingel und Briefkasten (Briefschlitz in der Eingangstür). Dem für das Gebiet zuständigen Briefträger teilte er mit, dass er sein Büro geschlossen habe und dass für ihn bestimmte Post in den Briefkasten der Hausnummer 3 eingeworfen werden möge. Die ehemaligen Büroräume blieben in der Folge unbenutzt.
3
Der Kläger erwirkte zunächst den Erlass eines Mahnbescheides gegen den Beklagten, der am 9. Januar 2008 in den Briefkasten des Anbaus mit der Hausnummer 5 eingelegt wurde. Am 5. Februar 2008 erging ein Vollstreckungsbescheid , der laut Aktenausdruck am 7. Februar 2008 in Hausnummer 5 zugestellt wurde. Auf der Zustellungsurkunde ist vermerkt: "Weil die Übergabe des Schriftstückes in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war, habe ich das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt."
4
Am 9. Juni 2008 ging der mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Einspruch des Beklagten beim Amtsgericht - Mahnabteilung - ein. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 24. Juni 2008 zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde, mit der der Beklagte in erster Linie geltend machte, eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheides sei nicht erfolgt, hatte keinen Erfolg.
5
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Anliegen weiter.

II.


6
Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.
7
Die 1. Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil sie das Beschwerdegericht zugelassen hat.
8
Nach der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung des § 341 Abs. 2 ZPO hätte das Landgericht über den Einspruch und die beantragte Wiedereinsetzung in die womöglich versäumte Einspruchsfrist allerdings durch Urteil entscheiden müssen, auch wenn es über die beantragte Wiedereinsetzung isoliert vorab und nicht zusammen mit der Entscheidung über den Einspruch entschieden hat (BGH, Versäumnisurteil v. 19. Juli 2007 - I ZR 136/05, NJW-RR 2008, 218 f Rn. 14 ff). Hätte das Landgericht über das Wiedereinsetzungsgesuch richtigerweise durch Urteil erkannt, hätte der Beklagte das die Wiedereinsetzung versagende Urteil mit der Berufung und das die Berufung zurückweisende Urteil gegebenenfalls mit der Revision anfechten können (BGH, aaO Rn. 18).
9
Umstand, Der dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft durch Beschluss entschieden hat, kann sich allerdings nicht zum Nachteil des Beklagten auswirken (BGH, aaO). Hat das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt, steht den Parteien nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (BGH, aaO Rn. 12). Demgemäß konnte der Beklagte auch gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO sofortige Beschwerde einlegen und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 ZPO zulassen , wie es andernfalls aus diesem Grund auch die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hätte zulassen können.
10
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO).
11
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
12
Der a) Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist konnte von Anfang an bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass darüber erst und nur dann zu entscheiden ist, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte die Einspruchsfrist gewahrt hat (BGH, Beschl. v. 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460; v. 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06, NJW 2007, 1457, 1458 Rn. 12; v. 11. Oktober 2007 - VII ZB 31/07, WuM 2007, 712 Rn. 9). Dies hatten das Landgericht und das Beschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 aaO Rn. 8).
13
b) Der Beklagte hat die Einspruchsfrist gewahrt. Da eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheides nicht erfolgt ist, hätte die Einspruchsfrist gemäß §§ 339, 700 ZPO frühestens mit einer möglichen Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO zu laufen beginnen können. Eine solche kommt erst mit der Kenntnisnahme des Beklagten von dem Vollstreckungsbescheid am 1. Juni 2008 in Betracht, an dem er nach seinem Vorbringen die Postsendung tatsächlich auffand. Deshalb war der am 9. Juni 2008 eingelegte Einspruch jedenfalls rechtzeitig.

14
Eine wirksame Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO liegt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht vor. Diese setzt bei Geschäftsräumen voraus, dass eine Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar war. Dann kann ein Schriftstück in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück dann als zugestellt, § 180 Sätze 1 und 2 ZPO. Ein Geschäftsraum in diesem Sinne lag jedoch bei der Zustellung nicht vor.
15
aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Ersatzzustellung nach § 180 Satz 1 ZPO voraussetzt, dass die Räume von dem Adressaten tatsächlich als Geschäftsraum genutzt werden (BGH, Urt. v. 19. März 1998 - VII ZR 172/97, ZIP 1998, 862, 863; v. 2. Juli 2008 - IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747, 1748; für die vergleichbare Rechtslage bei der Wohnung vgl. etwa BGH, Urt. v. 14. September 2004 - XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415).
16
Ein Geschäftslokal ist vorhanden, wenn ein dafür bestimmter Raum - und sei er auch nur zeitweilig besetzt - geschäftlicher Tätigkeit dient und der Empfänger dort erreichbar ist (BGH, Urt. v. 19. März 1998, aaO; Beschl. v. 2. Juli 2008 - IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747, 1748 Rn.7; für die vergleichbare Rechtslage bei der Wohnung vgl. z.B. BGH, Urt. v. 14. September 2004 aaO).
17
bb) Ebenfalls noch zutreffend hat das Beschwerdegericht gesehen, dass ein solcher Geschäftsraum nicht mehr vorliegt, wenn der vormalige Inhaber die Räumlichkeiten nicht mehr für seine Geschäftszwecke nutzt und Aufgabewille und Aufgabeakt erkennbar sind. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist bislang allerdings bei Geschäftsräumen höchstrichterlich nicht geklärt.
18
cc) Bei der Frage, ob eine Wohnung mit der Folge aufgegeben worden ist, dass dort eine Zustellung nicht mehr vorgenommen werden kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht allein auf die bloße Absicht des bisherigen Inhabers der Wohnung abzustellen, dort künftig nicht mehr wohnen zu wollen. Dieser Wille muss vielmehr, ähnlich wie bei der Aufhebung des Wohnsitzes nach § 7 Abs. 3 BGB, in seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck kommen. Der Wille des Wohnungsinhabers zur Aufgabe der Wohnung muss also nach außen erkennbar und in seinem Verhalten Ausdruck gefunden haben. Zwar setzt die Aufgabe einer Wohnung nicht voraus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er wohne dort auch weiterhin. Der Aufgabewille muss aber, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstückes oder die mit der Zustellung betraute Person, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein. Hierauf kann nicht verzichtet werden, weil sonst Möglichkeiten zur Manipulation eröffnet würden (BGH, Urt. v. 27. Oktober 1987 - VI ZR 268/86, NJW 1988, 713; v. 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564, 565; Beschl. v. 19. Juni 1996 - XII ZB 89/96, NJW 1996, 2581; v. 14. September 2004 aaO).
19
dd) Das Beschwerdegericht meint, an die Erkennbarkeit von Aufgabewillen und Aufgabeakt seien bei einem Geschäftslokal strengere Anforderungen zu stellen, jedenfalls wenn die Räume anschließend leer stehen. Der bisherige Inhaber der Geschäftsräume müsse jedenfalls in diesem Fall sicherstellen, dass an ihn gerichteter Schriftverkehr nicht in den Briefkasten der leer stehenden Räume eingelegt werde. Deshalb müsse er nach den Umständen den Briefschlitz zukleben, ein Hinweisschild anbringen oder einen Nachsendeauftrag stellen. Unterblieben derartige Maßnahmen, spreche einiges dafür, dass der ehemalige Inhaber der Geschäftsräume es geradezu darauf anlege, an ihn ge- richtete Post nicht zu erhalten. Das bloße Entfernen des Namensschildes genüge nicht, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der jeweils tätige Zusteller mit den bisherigen örtlichen Gegebenheiten vertraut sei.
20
ee) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
21
Nach der Regelung der §§ 178 ff ZPO wird für die Ersatzzustellung vorausgesetzt , dass eine Wohnung oder ein Geschäftsraum tatsächlich vorhanden ist. In beiden Fällen kann es deshalb bei einer Aufgabe der Wohnung oder des Geschäftsraums nur darum gehen, möglichen Manipulationen vorzubeugen. Es muss der Wille, die Geschäftsräume aufzugeben, nach außen erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Insoweit gilt nichts anderes als bei Wohnräumen. Aus §§ 178 ff ZPO ergibt sich auch bei Geschäftsräumen keine Verpflichtung des Inhabers, bei einer tatsächlichen, nach außen erkennbaren Aufgabe des Geschäftsraums zusätzliche Vorsorge dafür zu treffen, dass Sendungen nicht gleichwohl in den Briefkasten oder Briefschlitz eingeworfen werden. Ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, ein Schild anzubringen, auf dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Geschäftsräume aufgegeben sind. Damit würde dem Empfänger das Risiko der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen auferlegt. Dies sieht § 180 ZPO nicht vor. Dem Zustellungsempfänger kann eine ungenaue oder sorglose Arbeit des Zustellers ebenso wenig zugerechnet werden wie dessen Irrtum über das Vorliegen eines Geschäfts- oder Wohnraums.
22
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte unstreitig alle Kanzlei- und Namensschilder unmittelbar nach dem 31. Oktober 2007 entfernt und den Geschäftsraum geräumt. Mehr konnte von ihm nicht verlangt werden. Er hat damit für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter zweifelsfrei zum Aus- druck gebracht, dass er die Geschäftsräume aufgab. Für einen Zusteller, der mit den Gegebenheiten vor Ort nicht vertraut war, gab es danach auch keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass die Räume die Geschäftsräume des Beklagten sein könnten. Der üblicherweise zuständige Briefträger war über die Aufgabe der Geschäftsräume ohnehin ausdrücklich unterrichtet.
23
Dem Beschwerdegericht ist zwar darin zuzustimmen, dass es dem Beklagten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles wohl möglich gewesen wäre, sich gleichwohl Kenntnis von der Post zu verschaffen, die bei seinen ehemaligen Kanzleiräumen eingeworfen wurde. Das ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nicht vorlagen. Auf die Möglichkeit des Zustellungsempfängers, sich Kenntnis von dem Inhalt von Sendungen zu verschaffen, die ohne das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersatzzustellung eingeworfen wurden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
24
ff) Da die Einspruchsfrist somit nicht versäumt war, kam es auf den nur hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung nicht an. Das Landgericht wird nunmehr dem Rechtsstreit Fortgang zu geben haben.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 24.06.2008 - 12 O 1532/08 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 27.08.2008 - 6 W 77/08 -

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.