Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 7 U 4228/14

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 28.10.2015

12 HK O 3734/14 LG München I

... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

Streithelferin: …

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

Nebenintervenientin: …

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …

wegen Schadensersatz

erlässt das Oberlandesgericht München - 7. Zivilsenat - durch die Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 folgendes

Endurteil

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 9.10.2014 (Az.: 12 HK O 3734/14) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Transportschaden geltend.

Zwischen den Parteien besteht der Rahmenvertrag vom 30.3.2004 über den Transport von EDV-Anlagen, Geräten, Software und Zubehör durch die Beklagte für die Klägerin. Bestandteil des Vertrages ist die Anlage ... - ... [im Folgenden: Sicherheitsrichtlinie] (Anlage K 15 zur Klage). Dort ist auszugsweise folgendes geregelt (in von den Parteien vorgelegter deutscher Übersetzung des englischen Originals):

2. Anhänger und Wechselanhänger mit Ware von ... (Auftraggeber) dürfen niemals an unbeaufsichtigten Orten abgehängt oder abgestellt werden. Dies gilt jederzeit und überall während des Abholens, Transports und der Anlieferung der Ware, beispielsweise an LKW-Abstellplätzen an Autobahnen oder in Gewerbegebieten am Lieferort. Dies gilt auch für den Fall, dass der Fahrer im Anhänger bleibt. Ausnahmen sind nur bei Begegnungsverkehr oder unvermeidlichen technischen, zeitlichen oder gesetzlichen Zwängen zulässig, wenn beaufsichtigte Plätze nur begrenzt verfügbar sind und die Nutzung derartiger Plätze aus anderen angemessenen Gründen nicht möglich ist. Die ... [= Beklagte, Anm. des Senats] wird alle Fahrer und Auftragnehmer anweisen, lediglich beaufsichtigte Plätze zu nutzen und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Bestimmung einzuhalten. Die Definition von „beaufsichtigter Platz“ wird durch ... und ... separat vereinbart.

3. An Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen dürfen beladene Anhänger nicht für längere Zeit abgestellt werden, außer in einer Einrichtung des ... oder in einer Einrichtung eines Netzpartners des .... Die betreffenden Einrichtungen müssen eingezäunt und regelmäßig durch Sicherheitspersonal kontrolliert werden. ...

Bei dem - dem Rahmenvertrag unterliegenden - streitgegenständlichen Transport, der von Frankfurt nach Finnland führen sollte, setzte die Beklagte die Nebenintervernientin zu 1 als Subunternehmerin ein, welche wiederum die Nebenintervenientin zu 2 beauftragte. Der LKW der Nebenintervenientin zu 2 verließ mit der Ladung Frankfurt am Main am 26.2.2013 gegen 16.05 Uhr. Der Fahrer übernachtete von 20.21 Uhr bis 5.23 Uhr des Folgetages auf dem Parkplatz des Autohofs N. ; zu den dortigen örtlichen Gegebenheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die vorgelegten Lichtbilder (Anlagen K 17 und K 22) Bezug genommen. Als der LKW - nach einer weiteren Pause auf dem Betriebsgelände der Nebenintervenientin zu 2 - am 27.2.2013 gegen 10.20 Uhr am Fährhafen in Travemünde ankam, waren durch ein in die Deckenplane des LKW geschnittenes Loch diverse Frachtgüter der Klägerin entwendet worden, deren Wert die Klägerin auf 48.406,57 € beziffert.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 48.406,57 € nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 25.3.2013 zu bezahlen. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 2.600,- € (das entspricht 8,33 Rechnungseinheiten je Kilogramm vom Rohgewicht der fehlenden Ladung) nebst anteiligen Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit ihm nicht entsprochen wurde.

B. Die Berufung erweist sich als unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger nur pauschalierten Schadensersatz gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR zuerkannt und weitere Ansprüche nach Art. 29 Abs. 1 CMR verneint.

Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass der Beklagten bzw. ihren Gehilfen kein vorsatzgleiches Verschulden im Sinne von Art. 29 CMR zur Last liegt, so dass die Beklagte nur in den Grenzen des Art. 23 Nr. 3 CMR haftet. Vorsatzgleiches Verschulden nach deutschem Recht ist leichtfertiges Handeln in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Unter Leichtfertigkeit versteht man einen besonders schweren Pflichtverstoß, mit dem sich der Transporteur oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Ein Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (zu Vorstehendem vgl. z. B. BGH, Urteil vom 30.9.2010 - I ZR 39/09, Rz. 20, 24 m.w.Nachw.). Dergleichen hat das Landgericht vorliegend zu Recht nicht festgestellt. Ein solcherart qualifiziertes Verschulden der Beklagtenseite ergibt sich weder aus der Sicherheitsrichtlinie zum Rahmenvertrag zwischen den Parteien (dazu unten I.) noch aus sonstigen Umständen (dazu unten II.).

I. Die Klägerin kann vorsatzgleiches Verschulden nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen die Sicherheitsrichtlinie zum Vertrag zwischen den Parteien mit der Begründung herleiten, dass der den Transport durchführende LKW der Streithelferin zu 2 nachts auf dem nicht bewachten Rastplatz (Autohof) N. abgestellt wurde. Zwar ist anerkannt, dass ein vorsätzlicher Verstoß gegen vereinbarte Sicherheitsanforderungen je nach den Umständen vorsatzgleiches Verschulden begründen kann (vgl. BGH, a. a. O., Rz. 25 ff.). Zu Recht hat das Landgericht aber einen Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinie nicht festgestellt.

1. Maßgeblich ist dabei, ob der Autohof N. ein „unbeaufsichtigter Ort“ im Sinne von Nr. 2 der Sicherheitsrichtlinie war. Zur Auslegung dieses Begriffes sind Nrn. 2 und 3 der Sicherheitsanweisungen zusammen in den Blick zu nehmen. Nr. 2 stellt für den Normalfall (also - wie beim gegenständlichen Transport - an Wochentagen) auf einen „unbeaufsichtigten Ort“ ab und nennt beispielsweise LKW-Parkplätze an Autobahnen oder in Gewerbegebieten. Verschärfte Anforderungen gelten nach Nr. 3 an Wochenenden und Feiertagen; hier ist ein Abstellen nur in eingezäunten und durch Sicherheitspersonal kontrollierten Einrichtungen zulässig. Unter der Woche - wie vorliegend - war daher das Abstellen an einem Ort zulässig, der mehr ist als ein reiner Abstellplatz, aber weniger an Sicherheit bietet als eine eingezäunte und kontrollierte Einrichtung. Von daher erscheint die Auslegung des Landgerichts vertretbar, dass das Abstellen auf einem Rastplatz mit Tankstelle und Publikumsverkehr nicht an einem „unbeaufsichtigten Ort“ erfolgte.

Diese Auslegung des Landgerichts mag aus sich heraus nicht zwingend im Sinne der einzig denkbaren Auslegungsmöglichkeit erscheinen; es handelt sich aber um eine mögliche und für die Beklagte günstige Auslegung. Dabei ist zu bedenken, dass es sich bei der Sicherheitsrichtlinie - schon ausweislich der aus Anlage K 15 ersichtlichen Fußleiste - um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, so dass nach § 305 c Abs. 2 BGB (der auch im Verhältnis zwischen Unternehmern gilt, vgl. § 310 BGB) Auslegungszweifel zulasten der Klägerin gehen. Dies gilt umso mehr, als nach dem letzten Absatz von Ziffer 2 der Sicherheitsrichtlinie die Definition von „beaufsichtigter Platz“ noch separat zwischen den Parteien vereinbart werden sollte, was offensichtlich nicht erfolgte. Den Parteien war also bei Vertragsschluss bewusst, dass insoweit zwischen ihnen keine Einigkeit darüber bestand, welche Standards diesbezüglich gelten sollten. Ob dieser offene Dissens zur Unwirksamkeit der Richtlinie insgesamt führt (vgl. § 154 Abs. 1 BGB), bedarf keiner Entscheidung; jedenfalls aber kommt auch hierwegen eine nur der Klägerin günstige Auslegung nicht in Betracht.

Hinzu kommt, dass jede Auslegung vertraglich vereinbarter Pflichten davon auszugehen hat, das im Zweifel gewollt ist, dass die Einhaltung der Pflicht möglich ist. Die - für den Wegfall der Haftungserleichterung darlegungspflichtige (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2012 - I ZR 236/11, Rz. 14) - Klägerin zeigt nicht auf, wo an Werktagen ein „beaufsichtigter Ort“ liegen könnte, wenn man von der unbestreitbaren Prämisse ausgeht, dass an Werktagen ein Abstellen an einem umzäunten und kontrollierten Ort nicht erforderlich ist; den Mitgliedern des erkennenden Senats sind solche Orte an deutschen Autobahnen nicht bekannt. Soweit die Berufung auf den Sicherheitsparkplatz U. verweist, ist zum einen nicht ersichtlich, dass dieser von der Beklagten bzw. der Streithelferin zu 2 in zumutbarer Weise angefahren werden konnte, und zum anderen wurde das Abstellen an einer umzäunten und kontrollierten Einrichtung gerade nicht geschuldet.

Ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankäme, weist die Sicherheitsrichtlinie weitere zu Auslegungszweifeln Anlass gebende Unklarheiten auf. Zum einen ist in Ziffer 2 von „Anhängern und Wechselanhängern“ („trailers und swap trailers“ im englischen Original) die Rede, ferner davon, dass es nicht genüge, wenn der Fahrer im „Anhänger“ verbleibe; über das Abstellen des gesamten Sattelzuges einschließlich Zugmaschine trifft die Sicherheitsrichtlinie zumindest nach ihrem Wortlaut keine Regelung. Auch sind die in Ziffer 2 geregelten Ausnahmen unklar, insbesondere die „zeitlichen und gesetzlichen Zwänge“, was jedenfalls die Auslegung, dass die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten ein solcher Zwang ist, nicht von vorneherein ausschließt.

2. Den vorstehenden Überlegungen kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Sicherheitsrichtlinie zwischen den Parteien - unabhängig von der Definition eines „unbeaufsichtigten Ortes“ und der dazu geregelten Ausnahmen - zumindest entnommen werden müsse, dass an die von der Beklagten zu gewährleistende Transportsicherheit jedenfalls deutlich höhere Anforderungen als ohne eine solche Vereinbarung zu stellen seien. Denn wegen der Unklarheit der Regelung lassen sich solche Anforderungen nicht konkretisieren. Es verbleibt daher bei dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab.

3. Nach vorstehenden Ausführungen kann somit ein Verstoß der Gehilfen /Subunternehmer der Beklagten, also der Streithelfer gegen die Sicherheitsrichtlinie nicht festgestellt werden. Daher spielt es auch keine Rolle, wenn die Beklagte ihre Subunternehmer nicht über die Sicherheitsrichtlinie informiert haben sollte.

4. Soweit der Senat zur gegenständlichen Sicherheitsrichtlinie im Beschluss vom 23.11.2006 (7 U 4392/06) eine andere Auffassung vertreten hat, wird hieran aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht festgehalten.

II. Auch aus den sonstigen Umständen des Falles lässt sich leichtfertiges Verhalten auf Beklagtenseite im Bewusstsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts nicht herleiten.

1. Das schlichte nächtliche Parken auf einem Autohof an einer deutschen Autobahn genügt nicht für die Annahme eines derartigen vorsatzgleichen Verschuldens, auch dann nicht, wenn zum Transport leicht absetzbare Güter wie Tabakwaren oder vorliegend EDV-Geräte gehören (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2012 - I ZR 236/11). Die von der Berufung geforderten nächtlichen Kontrollgänge des Fahrers um das Fahrzeug überspannen die Sorgfaltsanforderungen schon deshalb, weil damit der Sinn der gesetzlich vorgesehenen Ruhezeiten konterkariert würde. Ebenso kann nach Auffassung des Senats der Einsatz eines zweiten Fahrers oder einer elektronischen Diebstahlssicherung nur dann gefordert werden, wenn dies zwischen den Parteien speziell vertraglich vereinbart wurde. Dasselbe gilt allgemein für eine Disposition, die Ruhepausen des Fahrers nicht erforderlich macht. Abgesehen davon würde ein Verstoß gegen derartige - unterstellte - Pflichten bei fehlender entsprechender Vereinbarung nicht zwingend zu einem vorsatzgleichen Verschulden im Sinne von Art. 29 CMR führen.

2. Soweit die Berufung zu bedenken gibt, dass der Diebstahl nicht auf dem Autohof N. erfolgt sein müsse, sondern auch bereits auf dem Ladehof der Beklagten in Frankfurt oder auf dem Betriebsgelände der Nebenintervenientin zu 2 erfolgt sein könnte, handelt es sich um reine Spekulation, für die es keine Anhaltspunkte gibt. In erster Instanz hatte die Klägerin diese Alternativen noch ausgeschlossen (vgl. Schriftsatz vom 7.7.2014, dort insbesondere Bl. 39 und 42 der Akten), so dass es sich insoweit um zurückzuweisenden neuen Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO handelt. Im Übrigen würde auch hieraus nicht ohne weiteres ein Verschulden vom Gewicht des Art. 29 CMR folgen, zumal derart pauschale Behauptungen der Beklagten keine Möglichkeit zum substantiierten Bestreiten bieten.

Vorstehendes gilt auch und erst Recht für die ohne greifbare Tatsachengrundlage aufgestellte Mutmaßung der Klagepartei, ein Mitarbeiter der Beklagten stehe möglicherweise mit den Dieben im Bunde. Für eine solche Annahme reichen mehrere Diebstähle bei Transporten der Klägerin im Obhutsbereich der Beklagten (dem Senat ist nur der dem Parallelverfahren 7 U 1206/15 zugrunde liegende Vorfall bekannt) nicht aus, zumal - wie der Rahmenvertrag aus dem Jahr 2004 nahelegt - die Beklagte eine Vielzahl von Transporten für die Klägerin durchführt.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 1 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere nötigen die von der Berufung herangezogenen Entscheidungen des OLG München (Urteil vom 22.1.2015 - 23 U 1589/14), des OLG Celle (Urteil vom 11.12.2014 - 11 U 160/14) und des OLG Hamm (Urteil vom 30.3.1998 - 18 U 179/97) nicht zur Zulassung der Revision. Soweit dort strengere Sorgfaltsanforderungen gestellt werden, als der erkennende Senat annimmt, sind die damit zusammenhängenden Rechtsfragen durch das Urteil des BGH vom 13.12.2012 (I ZR 236/11) geklärt.

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 39/09 Verkündet am:
30. September 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
CMR Art. 23 Abs. 1 und 3, Art. 29 Abs. 1
Trifft den Frachtführer nach Art. 29 Abs. 1 CMR ein qualifiziertes Verschulden,
kann der Geschädigte ungeachtet der Beschränkungen des Art. 23 CMR Schadensersatz
nach den anwendbaren nationalen Bestimmungen verlangen. Auch
in diesem Fall bleibt es dem Geschädigten unbenommen, seinen Schaden auf
der Grundlage der Art. 17 bis 28 CMR zu berechnen. Wählt er diesen Weg,
bleibt das Haftungssystem der CMR vollständig, also insbesondere einschließlich
der Haftungsbeschränkung nach Art. 23 Abs. 3 CMR, anwendbar.
BGH, Urteil vom 30. September 2010 - I ZR 39/09 - OLG Nürnberg
LG Regensburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg, 12. Zivilsenat, vom 4. Februar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über einen Betrag von 77.563,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2007 hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, Transportversicherer der T. Europe GmbH (im Weiteren : Versenderin), macht gegen das beklagte Transportunternehmen wegen des Verlusts von Transportgut aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin Schadensersatz geltend.
2
Die Versenderin beauftragte die Beklagte im November 2006 zu festen Kosten mit dem Transport von 3.384 Notebooks, die ein Gewicht von 7.979 kg hatten, von ihrer Niederlassung in Regensburg zu einer in Cambiago bei Mailand /Italien ansässigen Empfängerin. Gegenstand des Beförderungsvertrags waren die von der Versenderin aufgestellten "Sicherheitsrichtlinien für den Straßentransport", die unter anderem folgende Regelungen enthielten: 2. Fahrtroute 2.1 Pausen dürfen nur auf gesicherten, beleuchteten und bewachten Parkplätzen durchgeführt werden. Es ist nicht erlaubt, auf "einfachen" Autobahnparkplätzen anzuhalten. 2.3 Das Fahrzeug darf zu keiner Zeit unbeaufsichtigt bleiben. 2.6 Im Falle eines Unfalls oder eines Diebstahls während des Transports ist unverzüglich die nächste Polizeidienststelle zu unterrichten. Der Spediteur informiert in diesen Fällen umgehend T. .
3
Darüber hinaus sagte die Beklagte der Versenderin folgende Sicherheitsmaßnahme zu: Um Ihren Sicherheitsanforderungen … zu entsprechen, fährt der Lkw-Fahrer von Ihrem Werk direkt bis zu uns nach Bozen, wo er auf einem bewachten Parkplatz die vorgeschriebenen Ruhepausen einhält und sodann ohne Unterbrechungen die Abladestelle anfährt.
4
Ein Fahrer der Beklagten übernahm das Gut am 17. November 2006 bei der Versenderin und fuhr zunächst bis zur Zentrale der Beklagten in Bozen. Der Weitertransport erfolgte am 20. November 2006 gegen 4.00 Uhr. Gegen 7.30 Uhr erreichte der Fahrer bei dichtem und daher erheblich verlangsamtem Verkehr die noch etwa zwölf Kilometer vom Zielort entfernte unbewachte Autobahnraststätte "Brembo-Nord", auf der er den beladenen Lkw abstellte. Nach dem Versperren des Führerhauses suchte der Fahrer zunächst die Toilette und anschließend die Bar auf, um dort Kaffee zu trinken. Als er gegen 8.30 Uhr die Fahrt fortsetzen wollte, bemerkte er, dass der Lkw samt Ladung entwendet worden war. Der Diebstahl wurde anschließend - der genaue Zeitpunkt ist streitig - bei der Polizei angezeigt.
5
Nach Ansicht der Klägerin schuldet die Beklagte ihr vollen Schadensersatz , da während der Beförderung des Gutes in mehrfacher Weise gegen die vereinbarten Sicherheitsrichtlinien verstoßen worden sei und der Beklagten zudem im Zusammenhang mit der Durchführung des Transports von ihrer Zentrale in Bozen zur Empfängerin schwerwiegende Organisationsmängel anzulasten seien.
6
Sie hat die Beklagte daher auf Zahlung von 990.929,56 € in Anspruch genommen.
7
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, der Fahrer habe wegen plötzlich aufgetretener Magen- und Darmprobleme anhalten und eine Toilette aufsuchen müssen. Anschließend habe er noch kurz einen Kaffee zu sich genommen. Der beladene Lkw sei ordnungsgemäß versperrt und mit einer elektronischen Wegfahrsperre gesichert gewesen. Ein qualifiziertes Verschulden könne ihr nicht vorgeworfen werden.
8
Das Landgericht hat der Klage im beantragten Umfang stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist nach Rücknahme der Klage in Höhe von 8.550 € erfolglos geblieben (OLG Nürnberg TranspR 2009, 256).
9
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit über die Höchstbetragshaftung nach Art. 23 Abs. 3 CMR hinaus zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Entscheidungsgründe:


10
I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen , dass die Beklagte für den Verlust des Transportgutes gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 i.V. mit Art. 3 CMR vollen Schadensersatz schulde. Dazu hat es ausgeführt:
11
Nach Art. 17 Abs. 1 CMR hafte der Frachtführer für den Verlust des Gutes zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme und der Ablieferung. Auf die Haftungsbeschränkung gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR könne er sich nach Art. 29 Abs. 1 CMR nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein Verschulden verursacht habe, das nach deutschem Recht dem Vorsatz gleichstehe. Die Voraussetzungen für einen Wegfall der Haftungsbegrenzung seien im Streitfall erfüllt.
12
Der Fahrer der Beklagten, dessen Handeln sich die Beklagte gemäß Art. 3 i.V. mit Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR zurechnen lassen müsse, habe mehrfach gegen die vereinbarten Sicherheitsrichtlinien der Versenderin verstoßen.
Die Unterbrechung der Fahrt habe nicht auf einem "gesicherten und bewachten" Parkplatz stattgefunden. Zudem sei das Fahrzeug für etwa eine Stunde unbeaufsichtigt geblieben. Schließlich sei der Diebstahl entgegen der Verpflichtung gemäß Nummer 2.6 der Sicherheitsrichtlinien nicht unverzüglich nach der Entdeckung, sondern erst um 11.57 Uhr - mithin mehr als drei Stunden nach seiner Wahrnehmung - bei der nächsten Polizeidienststelle angezeigt worden. Der Vortrag der Beklagten, die Unterbrechung der Fahrt und das Aufsuchen einer Toilette seien wegen der Magen- und Darmbeschwerden des Fahrers notwendig gewesen, könne die Verstöße gegen die Sicherheitsrichtlinien nicht rechtfertigen. Der Beklagten sei zudem vorzuwerfen, dass sie es versäumt habe , durch geeignete organisatorische Gestaltung des Transports (sei es durch die Einteilung von mehreren Fahrern oder das Mitführen einer Campingtoilette im Lkw) für die Einhaltung ihrer Vertragspflichten zu sorgen. Die bewusst begangenen Verstöße gegen die Vertragspflichten der Beklagten seien besonders schwerwiegend. Insbesondere habe sich der Fahrer der Beklagten mit seinem Verhalten in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Versenderin hinweggesetzt. Dies rechtfertige - auch wenn die Wegfahrsperre aktiviert gewesen sei - die Annahme einer bewussten Leichtfertigkeit.
13
Da der Beklagten ein vorsatzgleiches Verschulden anzulasten sei, könne sie sich gemäß Art. 29 Abs. 1 CMR nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens bestimme sich dann grundsätzlich nach den Vorschriften des anzuwendenden nationalen Rechts. Allerdings verliere nur der Frachtführer bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR das Recht, sich auf Haftungsbeschränkungen berufen zu können. Dem Geschädigten stehe bei einem qualifizierten Verschulden des Schädigers die Schadensberechnung nach Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR offen. Die Haftungsbeschränkungen nach Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR fänden dann keine Anwendung, da der in Art. 29 Abs. 1 CMR angeordnete Wegfall von Haftungsbegrenzungen und -befreiungen gerade eine Verbesserung der Position des Geschädigten bezwecke.
14
Auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR habe der Klägerin ursprünglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 990.929,56 € zugestanden. Allerdings seien 78 der entwendeten Notebooks wieder aufgefunden und an die Versenderin auf deren Verlangen abgeliefert worden. Dadurch habe sich der Schaden um 8.550 € verringert. Dem habe die Klägerin durch Rücknahme der Klage in Höhe des genannten Betrags Rechnung getragen mit der Folge, dass ihr noch ein Ersatzanspruch in Höhe von 982.379,56 € zustehe.
15
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit über einen Betrag von 77.563,40 € nebst Zinsen hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
16
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde für den Verlust des Gutes vollen Schadensersatz, weil ihr ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden (Art. 29 Abs. 1 CMR) anzulasten sei, wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung des der Versenderin entstandenen Schadens sind dagegen begründet.
17
1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, ohne im Tenor des angegriffenen Urteils eine Einschränkung hinsichtlich des Umfangs der Zulassung vorzunehmen. In den Gründen hat es dazu ausgeführt, die Frage, ob bei qualifiziertem Verschulden des Frachtführers der Umfang des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten auch allein nach den Regelungen in Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR - ohne die Haftungsbeschränkung nach Art. 23 Abs. 3 CMR und ohne Rückgriff auf die Regelungen des im Einzelfall ergänzend anzuwendenden nationalen Rechts - bestimmt werden könne, sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar bereits erörtert, höchstrichterlich jedoch nicht explizit geklärt.
18
Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Entscheidungssatz eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGHZ 153, 358, 360 f.; BGH, Beschl. v. 14.5.2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Tz. 15). Eine Zulassungsbeschränkung kann in solchen Fällen jedoch nur dann angenommen werden, wenn aus den Gründen mit hinreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH NJW 2008, 2351 Tz. 16; BGH, Urt. v. 26.3.2009 - I ZR 44/06, NJW-RR 2009, 1053 Tz. 21 - Resellervertrag, m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat in den Gründen seines Urteils lediglich das Motiv für seine Zulassungsentscheidung bezeichnet (vgl. BGHZ 90, 318, 320).
19
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte , die zu festen Kosten mit einem grenzüberschreitenden Straßengütertransport beauftragt war, als Frachtführerin der Haftung nach der CMR unterliegt. Danach hat sie für den Verlust von Transportgut während ihrer Obhutszeit gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR grundsätzlich Schadensersatz zu leisten. Vollen Schadensersatz - über die Beschränkungen des Art. 23 CMR hinaus - schuldet die Beklagte aber nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht. Entspre- chendes gilt, wenn der Schaden durch seine Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen verursacht worden ist und diesen ein qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR).
20
Ist der Gütertransportschaden - wie hier - nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 eingetreten, so ist bei Anwendbarkeit deutschen Rechts als ein Verschulden, das zur Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen der CMR führt, neben dem Vorsatz nicht mehr die grobe Fahrlässigkeit anzusehen, sondern ein leichtfertiges Verhalten erforderlich, zu dem das Bewusstsein hinzukommen muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 313 = VersR 2006, 814; Urt. v. 6.6.2007 - I ZR 121/04, TranspR 2007, 423 Tz. 15 = VersR 2008, 1134). Hiervon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
21
3. Die Beklagte wendet sich nicht mehr gegen ihre grundsätzliche Schadensersatzverpflichtung nach Art. 17 Abs. 1 CMR in Höhe der Haftungsgrenze des Art. 23 Abs. 3 CMR. Danach schuldet die Beklagte für den streitgegenständlichen Verlust Schadensersatz in Höhe von 77.563,40 €.
22
Das abhanden gekommene Transportgut hatte unstreitig ein Rohgewicht von 7.979 kg. Nach Art. 23 Abs. 3 CMR darf die Entschädigung für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts 8,33 Rechnungseinheiten nicht übersteigen. Gemäß Art. 23 Abs. 7 Satz 1 CMR ist die Rechnungseinheit das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der geschuldete Schadensersatzbetrag ist nach Art. 23 Abs. 7 Satz 2 CMR in die Landeswährung des Staates des angerufenen Gerichts umzurechnen, wobei der Umrechnung der Wert der betreffenden Währung am Tag des Urteils - hier des Berufungsurteils - zugrunde zu legen ist. Dieses wurde am 4. Februar 2009 verkündet. An diesem Tag betrug der Wert eines Sonderziehungsrechts 1,16698 €. Somit beläuft sich die Höchsthaftung der Beklagten gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR auf einen Betrag von 77.563,40 €.
23
4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht im Streitfall die Voraussetzungen für das Vorliegen einer bewussten Leichtfertigkeit und damit für eine unbeschränkte Haftung der Beklagten bejaht hat. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht jedenfalls mit Recht dem Fahrer, dessen Verhalten sich die Beklagte gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit Art. 3 CMR zurechnen lassen muss, ein bewusst leichtfertiges Handeln angelastet. Auf die zwischen den Parteien umstrittene - und vom Berufungsgericht bejahte - Frage, ob auch der Beklagten selbst ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen ist, kommt es danach nicht an.
24
a) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist dann anzunehmen , wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen , unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGHZ 158, 322, 328 f.; BGH TranspR 2007, 423 Tz. 17 m.w.N.).
25
b) Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewusste Leichtfertigkeit vorliegt, kann das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfen. Die Prüfung muss sich darauf beschränken, ob der Tatrichter den Rechtsgriff der bewussten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (BGHZ 158, 322, 327; BGH TranspR 2007, 423 Tz. 18). Solche Rechtsfehler sind hier nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts rechtsfehlerfrei einen besonders schweren Pflichtenverstoß des Fahrers der Beklagten angenommen, der den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB zulässt.
26
aa) Die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen , dass das Gut auf dem stark frequentierten und durch Kameras überwachten Gelände tagsüber allenfalls durch Entwendung des gesamten Lkws habe gestohlen werden können. Ein Fahrer, der eine sichere und ohne den Schlüsselcode nicht zu entriegelnde Wegfahrsperre aktiviere, handele zudem nicht in dem Bewusstsein, dass der Schaden wahrscheinlich eintreten werde, wenn er eine Pause von einer Stunde mache und hierbei die Toilette aufsuche und anschließend einen Kaffee trinke. Gerade die große Sicherheit, die das Sicherheitssystem des eingesetzten Lkw biete, spreche gegen ein bewusst leichtfertiges Verhalten des Fahrers. Ein bewusster Verstoß gegen eine der Sicherung des Transportgutes dienende vertragliche Verpflichtung rechtfertige für sich allein nicht die Annahme eines qualifizierten Verschuldens i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB. Nur dann, wenn die Gefahr eines Diebstahls derart groß gewesen sein sollte, dass selbst angesichts der Erkrankung des Fahrers eine Unterbrechung der Fahrt von einer Stunde völlig unvernünftig erschienen wäre, hätte das Berufungsgericht ein bewusst leichtfertiges Handeln des Fahrers annehmen dürfen.
27
bb) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht den Begriff der bewussten Leichtfertigkeit nicht verkannt und auch nicht zu geringe Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens gestellt.

28
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Fahrer der Beklagten in mehrfacher Weise gegen die vertraglich vereinbarten und der Sicherung des Transportgutes dienenden Sicherheitsrichtlinien der Versenderin verstoßen. Unstreitig wurde die Fahrt nicht auf einem "gesicherten und bewachten" Parkplatz unterbrochen (Verstoß gegen Nummer 2.1 der Sicherheitsrichtlinien). Das Fahrzeug wurde zudem für etwa eine Stunde unbeaufsichtigt gelassen, was einen Verstoß gegen Nummer 2.3 der Sicherheitsrichtlinien darstellt. Schließlich hat der Fahrer den Diebstahl entgegen der Verpflichtung gemäß Nummer 2.6 der Richtlinien nicht unverzüglich nach dessen Wahrnehmung, sondern erst mehr als drei Stunden nach der Entdeckung bei der nächsten Polizeidienststelle angezeigt.
29
Dieses der Beklagten zuzurechnende Verhalten des Fahrers hat das Berufungsgericht mit Recht für die Annahme eines qualifizierten Verschuldens ausreichen lassen. Es hat dabei entgegen der Ansicht der Revision den Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt, dass der Fahrer die Fahrt wegen plötzlich aufgetretener Magen- und Darmbeschwerden habe unterbrechen müssen, dass er das Führerhaus ordnungsgemäß verschlossen und die elektronische Wegfahrsperre aktiviert habe.
30
cc) Die vertragliche Vereinbarung der von der Versenderin aufgestellten "Sicherheitsrichtlinien für den Straßentransport" diente ersichtlich der Sicherung des besonders diebstahlgefährdeten Transportgutes (Notebooks), das zudem einen hohen Wert hatte. Dies war auch für die Beklagte und den von ihr eingesetzten Fahrer ohne weiteres erkennbar.
31
Unter diesen Umständen rechtfertigt bereits der vorsätzliche Verstoß des Fahrers gegen die Nummern 2.1 und 2.3 der Sicherheitsrichtlinien für sich allein die Haftung aus Art. 29 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR (vgl. BGH TranspR 2005, 311, 314). Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn der Fahrer nach dem Besuch der Toilette unverzüglich zu dem beladenen Lkw zurückgekehrt wäre und die Fahrt fortgesetzt hätte. Das Transportfahrzeug wäre dann wesentlich kürzer als eine Stunde unbeaufsichtigt geblieben. Die für das Aufsuchen der Toilette benötigte Zeit hätte kaum genügt, ein ordnungsgemäß verschlossenes und mit einer elektronischen Wegfahrsperre gesichertes Transportfahrzeug zu entwenden. Jedenfalls, hat sich die Gefahr eines Diebstahls dadurch, dass der Fahrer den beladenen Lkw entgegen der Nummer 2.3 der Sicherheitsrichtlinien ohne rechtfertigenden Grund etwa eine Stunde unbeaufsichtigt gelassen hat, wesentlich erhöht.
32
dd) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Art. 29 Abs. 1 CMR ein qualifiziertes Verschulden nur hinsichtlich des die Haftung begründenden Tatbestands voraussetzt (BGH TranspR 2005, 311, 314). Ist danach von einem qualifizierten Verschulden i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR auszugehen , das seiner Art nach als Schadensursache ernsthaft in Betracht kommt, so obliegt es dem beklagten Frachtführer, im Prozess solche Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die gegen die Kausalität des festgestellten Sorgfaltsverstoßes sprechen (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 22 f.; BGH TranspR 2005, 311, 314; Thume in Fremuth/Thume, Frachtrecht, Art. 29 CMR Rdn. 29; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 7 a.E.). Durch diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast wird der Frachtführer aufgrund seiner besonderen Sachnähe zum eingetretenen Schaden nicht in unzumutbarer Weise belastet (BGH TranspR 1999, 19, 23; TranspR 2005, 311, 314).
33
Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei angewandt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die aus- drückliche Vereinbarung der von der Versenderin aufgestellten "Sicherheitsrichtlinien für den Straßentransport" den auch für die Beklagte erkennbaren Sinn, den gerade im Italiengeschäft häufiger vorkommenden Ladungsverlusten infolge eines Diebstahls entgegenzuwirken. Mit Recht hat das Berufungsgericht in der etwa einstündigen Abwesenheit des Fahrers, die sich mit der Notwendigkeit , die Toilette aufzusuchen, nicht rechtfertigen lässt, einen Umstand gesehen , der als Ursache für den Diebstahl des Lkw und damit für den Transportgutverlust ernsthaft in Betracht kommt. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen die ausdrückliche Vereinbarung, das Transportfahrzeug zu keiner Zeit unbeaufsichtigt zu lassen, spricht eine Vermutung dafür, dass diese Vertragsverletzung gefahrerhöhend und damit kausal für den eingetretenen Verlust gewesen ist und dass dem Frachtführer und dem eingesetzten Fahrer dies auch bewusst war. In einem solchen Fall obliegt es dem Frachtführer, Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die gegen die Kausalität des festgestellten Fehlverhaltens sprechen (BGH TranspR 1999, 19, 22 f.; TranspR 2005, 311, 314). Nach den ebenfalls unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte derartige Umstände nicht vorgetragen.
34
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil es die von der Beklagten benannten Zeugen V. (Fahrer des entwendeten Lkws) und R. (Mitarbeiter der Beklagten) nicht vernommen habe.
35
Nach dem Vorbringen der Revision hätte der Zeuge V. bestätigt, dass die Fahrtunterbrechung wegen einer plötzlich aufgetretenen Magen- und Darmerkrankung notwendig gewesen sei, dass er das Fahrzeug verschlossen, die Schlüssel abgezogen und die elektronische Wegfahrsperre eingeschaltet habe. Zu diesem Vortrag der Beklagten brauchte der Zeuge nicht vernommen zu werden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht die unter Be- weis gestellten Behauptungen der Beklagten seiner Entscheidung als wahr zugrunde gelegt. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe unter B I 3 im angefochtenen Urteil.
36
Der Vernehmung des Zeugen R. bedurfte es ebenfalls nicht, weil die in sein Wissen gestellten Tatsachen - der Fahrer V. sei seit dem 1. September 2003 bei der Beklagten beschäftigt gewesen, während der gesamten Tätigkeit habe es keinerlei Anzeichen für seine Unzuverlässigkeit gegeben - aus der Sicht des Berufungsgerichts für die Entscheidung nicht erheblich waren. Der von der Revision gerügte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt danach nicht vor.
37
5. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Klägerin könne den der Versenderin entstandenen Schaden auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR berechnen, ohne dabei auf die Haftungshöchstsumme gemäß Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR begrenzt zu sein.
38
a) Der Umfang des zu ersetzenden Schadens bestimmt sich im Fall des Art. 29 Abs. 1 CMR grundsätzlich nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht (BGH, Urt. v. 15.10.1998 - I ZR 111/96, TranspR 1999, 102, 105 = VersR 1999, 646; BGH TranspR 2005, 311, 314). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, welchem nationalen Recht der streitgegenständliche Beförderungsvertrag unterliegt. Nach Ansicht der Revision kommt auf das Vertragsverhältnis zwischen der Versenderin und der Beklagten italienisches Recht zur Anwendung. Hierfür könnte - sofern die Versenderin und die Beklagte keine Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a.F. getroffen haben - die Vorschrift des Art. 28 Abs. 4 EGBGB a.F. sprechen, wonach bei Güterbeförderungsverträgen vermutet wird, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Entladeort befindet. Die Hauptniederlassung der Beklagten befindet sich in Bozen /Italien. Das Gut sollte auch in Italien (Cambiago) entladen werden. Die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 4 EGBGB a.F. sind danach grundsätzlich erfüllt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Vertragsverhältnis zu einem anderen Staat eine engere Verbindung aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB a.F.).
39
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR ist es dem Geschädigten allerdings unbenommen, seinen Schaden auch auf der Grundlage der Art. 17 bis 28 CMR zu berechnen, da in einem solchen Fall allein der Frachtführer das Recht verliert, sich auf Bestimmungen zu berufen, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast zu seinen Gunsten umkehren. Die Ansprüche des Geschädigten bleiben von der Regelung des Art. 29 Abs. 1 CMR unberührt. Er kann Schadensersatz immer auch in der Höhe verlangen, in der er ihn ohne ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers beanspruchen könnte (BGH, Urt. v. 3.3.2005 - I ZR 134/02, TranspR 2005, 253, 254 = VersR 2005, 1577).
40
b) Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch angenommen, der Geschädigte könne unter den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR auch auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR Ersatz verlangen. Eine Beschränkung des Ersatzanspruchs durch Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR hat das Berufungsgericht verneint, weil dies dem mit Art. 29 Abs. 1 CMR verfolgten Zweck, die Position des Geschädigten zu verbessern, widerspräche. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
41
c) Die Frage, ob der Geschädigte seinen Ersatzanspruch wegen Verlustes von Transportgut bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR berechnen kann, ohne dabei der Haftungsbegrenzung gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR zu unterliegen, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt.
42
aa) Die Ansicht, die eine Beschränkung des Wertersatzanspruchs gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR durch Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR verneint, führt zur Begründung im Wesentlichen an, dass der in Art. 29 Abs. 1 CMR angeordnete Wegfall von Haftungsbeschränkungen und -befreiungen gerade eine Verbesserung der Position des Geschädigten bezwecke. Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn der Geschädigte gezwungen wäre, seinen Schaden auch dann nach den §§ 249 ff. BGB zu berechnen, wenn die Berechnung gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führte (OLG Stuttgart TranspR 2002, 23, zu der dem Art. 23 Abs. 1 CMR nachgebildeten Vorschrift des § 429 Abs. 1 HGB; OLG Düsseldorf TranspR 2003, 343, 347; Koller aaO Art. 29 CMR Rdn. 10 a.E.; Harms in Thume, Kommentar zur CMR, 2. Aufl., Art. 29 Rdn. 71; wohl auch Bahnsen in Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 51 i.V. mit Fn. 147; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 2. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 35 i.V. mit Fn. 240).
43
bb) Die eine Beschränkung des Wertersatzanspruchs durch Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR befürwortende Auffassung verweist demgegenüber hauptsächlich darauf, dass die CMR ein einheitliches, in sich geschlossenes Haftungsgefüge enthalte, das zwischen einer Haftung wegen qualifizierten Verschuldens und einer reinen Obhutshaftung unterscheide. Der Anspruchsberechtigte müsse, wenn er seinen Ersatzanspruch auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR berechne, auch die Haftungsbegrenzung des Art. 23 Abs. 3 CMR akzeptieren, die nicht durch Art. 29 Abs. 1 CMR überwunden werden könne (vgl. Thume, TranspR 2008, 78 ff.; P. Schmidt, TranspR 2009, 1, 2; MünchKomm.HGB/Herber aaO § 435 Rdn. 27, zu den Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR nachgebildeten Vorschriften § 429 Abs. 1, § 431 Abs. 1 HGB; Oetker/ Paschke, HGB, § 435 Rdn. 12, ebenfalls zu § 429 Abs. 1 und § 431 Abs. 1 HGB; siehe auch MünchKomm.HGB/Freise aaO Art. 36 CIM Rdn. 6).
44
cc) Der Senat schließt sich der letzten Auffassung an.
45
(1) Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer auf die Bestimmungen des Kapitels IV der CMR, "die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren", nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ihm ein zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht. Damit sind alle Bestimmungen der Art. 17 bis 28 CMR, die einen Haftungsausschluss, eine Haftungsbegrenzung oder eine Umkehr der Beweislast anordnen, insbesondere Art. 17 Abs. 2 bis 5, Art. 18, 23 und 25 CMR, gemeint (Koller aaO Art. 29 CMR Rdn. 8; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 29 CMR Rdn. 32,

34).


46
(2) Die Bestimmung des Art. 23 CMR enthält nicht nur in ihrem Absatz 3, sondern - mittelbar - auch in Absatz 1 und 2 eine Haftungsbegrenzung. Nach Art. 23 Abs. 1 CMR wird die zu leistende Entschädigung nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung berechnet. Gemäß Art. 23 Abs. 2 CMR bestimmt sich der Wert des Gutes nach dem Börsenpreis, mangels eines solchen nach dem Marktpreis oder mangels beider nach dem gemeinen Wert von Gütern gleicher Art und Beschaffenheit. Der nach Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR geschuldete Wertersatz hat eine abstrakte und pauschalierte Entschädigung für den eingetretenen Sachschaden zum Gegenstand. Er dient der vereinfachten Schadensabwicklung (Boesche in Ebenroth/Boujong/Jost/ Strohn aaO Art. 23 CMR Rdn. 3; Thume, TranspR 2008, 78, 80). Zwar kann der Anspruchsberechtigte den Schaden auf der einen Seite nach dem Börsen- oder Marktpreis oder nach dem gemeinen Wert des Gutes berechnen, der in der Regel über dem Preis liegen wird, den er für die Wiederbeschaffung der Ware aufwenden müsste. Auf der anderen Seite gewährt Art. 23 Abs. 1 CMR keinen Ersatz weiterer Vermögensschäden, insbesondere wegen entgangenen Gewinns oder weiterer Güterfolgeschäden. Die in Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR enthaltenen Regelungen sind daher als - jedenfalls mittelbare - Haftungsbeschränkungen anzusehen (Koller aaO Art. 29 CMR Rdn. 8; MünchKomm.HGB/JesseHuß aaO Art. 29 CMR Rdn. 35).
47
Eine direkte Haftungsbegrenzung ist darüber hinaus in Art. 23 Abs. 3 CMR vorgesehen. Nach dieser Vorschrift darf die Entschädigung 8,33 Sonderziehungsrechte für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht überschreiten. Diese Haftungshöchstgrenze dient im Rahmen der Regelhaftung dem Schutz des Frachtführers vor wirtschaftlich unzumutbarer Inanspruchnahme (BGHZ 79, 302, 304).
48
(3) Macht der Anspruchsberechtigte von seinem Wahlrecht in der Weise Gebrauch, dass er nicht Schadensersatz wegen qualifizierten Verschuldens des Frachtführers nach Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit den §§ 249 ff. BGB verlangt, sondern Wertersatz gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR beansprucht, so muss er alle in Art. 23 CMR vorgesehenen Haftungsbegrenzungen gegen sich gelten lassen. Er kann sich nicht allein die Wertbestimmung zunutze machen und die zweite Haftungsbegrenzung wegfallen lassen. Denn der Wertersatz gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR und die Haftungshöchstsumme nach Art. 23 Abs. 3 CMR bilden ein einheitliches Haftungsbegrenzungssystem (Thume, TranspR 2008, 78, 81; P. Schmidt, TranspR 2009, 1, 2).
49
6. Das Berufungsgericht kann danach keinen Bestand haben, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines über 77.563,40 € zuzüglich Zinsen hinausgehenden Betrages bestätigt worden ist.
50
III. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Klägerin nach dem im Fall des Art. 29 Abs. 1 CMR ergänzend anwendbaren nationalen Recht wegen des streitgegenständlichen Verlusts von Transportgut ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 30.06.2008 - 1 HKO 2449/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 04.02.2009 - 12 U 1445/08 -

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.

(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 236/11 Verkündet am:
13. Dezember 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Abstellen eines mit Sammelgut beladenen Transportfahrzeugs (Zugmaschine
nebst Kastenauflieger) am Wochenende in einem unbewachten Gewerbegebiet
einer deutschen Großstadt rechtfertigt nicht ohne weiteres den Vorwurf
eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB. Dies gilt auch
dann, wenn dem Frachtführer bekannt ist, dass sich unter dem Sammelgut eine
Palette mit leicht absetzbaren Gütern (hier: Tabakwaren) befindet.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 236/11 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und
Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers zu 2 der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der S. N. GmbH in Bremen, die Tabakwaren vertreibt (im Weiteren: Versicherungsnehmerin ). Sie nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Anfang April 2008 zu festen Kosten mit der Versendung von auf einer Palette verpackten Tabakwaren von Bremen nach Hartmannsdorf/Sachsen. Die Beklagte gab den Auftrag an ihre Streithelferin zu 1 weiter, die ihrerseits ihren Streithelfer zu 2 mit der Durchführung des Transports beauftragte. Ein Fahrer des Streithelfers zu 2 übernahm das Gut am 5. April 2008 (einem Freitag) in Bremen und beförderte es im Wege eines Sammelladungstransports zunächst bis Chemnitz. Dort stellte er das Fahrzeug nebst beladenem Kastenauflieger gegen 23.45 Uhr in einem unbewachten Gewerbegebiet ab. Die Fortsetzung der Fahrt zu einem Umschlagslager der Beklagten in Großschirma/Sachsen erfolgte am 8. April 2008 gegen 2.00 Uhr. Nach der Ankunft im Umschlagslager wurde festgestellt, dass der Kastenauflieger während der Standzeit in Chemnitz geöffnet und ein Teil des Gutes der Versicherungsnehmerin entwendet worden war.
3
Die Klägerin hat den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden auf 25.344,22 € beziffert. Sie ist der Ansicht, die Beklagte müsse als Frachtführerin für den aufgrund des Diebstahls entstandenen Schaden unbegrenzt haften , weil das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs für zwei Tage in einem unbewachten Gewerbebetrieb besonders leichtfertig gewesen sei.
4
Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung von 25.344,22 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
5
Die Beklagte und ihre Streithelfer sind dem entgegengetreten. Sie haben insbesondere geltend gemacht, das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs in einem Gewerbebetrieb von Chemnitz sei nicht grob pflichtwidrig gewesen , zumal den Streithelfern nicht bekannt gewesen sei, dass die Sammelgutsendung auch eine Palette mit Tabakwaren umfasst habe. Der Streithelfer zu 2 habe daher nicht von einer besonderen Gefahrenlage für das Transportgut ausgehen müssen. Die Fahrzeuge des Streithelfers zu 2 würden seit 2006 in der betreffenden Gegend abgestellt. Bis zu dem Diebstahl im April 2008 sei es zu keinen besonderen Vorkommnissen gekommen. Darüber hinaus haben die Beklagte und ihre Streithelfer die Höhe des behaupteten Schadens bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Streithelfer der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Streithelfer zu 2 seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Tabakwaren gemäß §§ 459, 425 Abs. 1, §§ 435, 428 HGB bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
8
Die Beklagte schulde vollen Schadensersatz, da im Streitfall die Voraussetzungen des § 435 HGB erfüllt seien. Diese Beurteilung rechtfertige sich schon aus dem Umstand, dass das beladene Transportfahrzeug über das Wochenende an einem unbewachten Ort in einem Gewerbegebiet abgestellt worden sei.
9
Der durch den Diebstahl der Tabakwaren entstandene Schaden belaufe sich auf 25.344,22 €. Die Schadenshöhe habe das Landgericht aufgrund einer nicht zu beanstandenden Würdigung der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen R. zutreffend festgestellt.
10
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Streithelfers zu 2 der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 Abs. 1 HGB für den aufgrund des Diebstahls der Tabakwaren entstandenen Schaden bejaht. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin im Sinne von § 459 HGB beauftragt worden ist und sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) richtet. Der Diebstahl des Gutes hat sich während der Obhutszeit des mit der Durchführung des Transports von Bremen nach Großschirma beauftragten Streithelfers zu 2 der Beklagten ereignet. Hierfür hat die Beklagte nach § 428 HGB einzustehen.
12
2. Der Umfang des von der Beklagten gemäß § 425 Abs. 1, § 428 HGB zu leistenden Schadensersatzes bestimmt sich nach § 429 Abs. 1 HGB. Danach hat der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust Schadensersatz zu leisten, der sich nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung bemisst. Der gemäß § 429 Abs. 1 HGB zu berechnende Schadensersatz wird allerdings - wenn kein qualifiziertes Verschulden nach § 435 HGB vorliegt (dazu nachfolgend unter II 3) - durch die Regelungen in § 431 Abs. 1 und 2 HGB begrenzt. Gemäß § 431 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer wegen Verlustes der gesamten Sendung höchstens bis zu einem Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung. Sind nur einzelne Frachtstücke der Sendung abhandengekommen , so ist die Haftung des Frachtführers nach § 431 Abs. 2 HGB auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der gesamten Sendung begrenzt, wenn die gesamte Sendung entwertet ist (Fall 1). Ist - wie im vorliegenden Fall - nur ein Teil der Sendung abhandengekommen, haftet der Frachtführer höchstens auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des in Verlust geratenen Teils der Sendung (Fall 2).
13
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , der Beklagten sei es im Streitfall nach § 435 HGB verwehrt, sich auf die Haftungsbegrenzungen gemäß § 431 Abs. 1 und 2 HGB zu berufen, weil der durch den Verlust des Transportguts eingetretene Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers zurückzuführen sei, das sich die Beklagte gemäß § 428 HGB zurechnen lassen müsse.
14
a) Gemäß § 435 HGB gelten die gesetzlichen und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Nach der Rechtsprechung des Senats hat grundsätzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 25; Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 188/08, TranspR 2011, 218 Rn. 15 = VersR 2011, 1161; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 16). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch - wovon auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - dadurch gemildert werden , dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners setzt allerdings voraus, dass der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden des Anspruchsgegners mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich An- haltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben (BGH, TranspR 2011, 218 Rn. 15; TranspR 2012, 463 Rn. 17).
15
b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vortrag der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers schließen lässt. Es hat angenommen, das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs über ein Wochenende an einem unbewachten Ort in einem Gewerbegebiet sei besonders leichtfertig gewesen, weil die Beklagte, auf deren Kenntnis es ankomme, den Gegenstand der Fracht gekannt und daher gewusst habe, dass das Gut leicht verwertbar und deshalb besonders diebstahlsgefährdet gewesen sei. Unter den gegebenen Umständen sei nicht nur das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit zu bejahen, sondern auch das Bewusstsein einer Schadenswahrscheinlichkeit anzunehmen. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass es dem Fahrer des Streithelfers zu 2 möglich gewesen wäre, das beladene Transportfahrzeug an einem anderen, nicht derart menschenleeren Ort abzustellen.
16
c) Die Revision rügt mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen für die Annahme eines bewusst leichtfertigen Handelns (§ 435 HGB) der Beklagten oder ihres Unterfrachtführers nicht ausreichen.
17
aa) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute im Sinne von § 428 HGB in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestands- merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH, Urteil vom 30. September 2010 - I ZR 39/09, BGHZ 187, 141 Rn. 24; BGH, TranspR 2011, 218 Rn. 19 mwN).
18
bb) Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewusste Leichtfertigkeit vorliegt, kann das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfen. Die Prüfung muss sich darauf beschränken, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der bewussten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob ihm Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 327; BGHZ 187, 141 Rn. 25). Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht zu geringe Anforderungen an das Vorliegen einer bewussten Leichtfertigkeit gestellt hat.
19
cc) Die Klägerin hat den von ihr erhobenen Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB allein darauf gestützt, dass der Fahrer des Streithelfers zu 2 das mit Sammelgut beladene Transportfahrzeug über ein Wochenende in einem unbewachten Gewerbegebiet von Chemnitz abgestellt hat und der Beklagten bekannt war, dass sich unter dem Sammelgut auch eine Palette mit Tabakwaren befand. Die Revision macht mit Recht geltend, dass dieser Sachverhalt den Schluss auf ein bewusst leichtfertiges Verhalten der Beklagten oder des von der Streithelferin zu 1 beauftragten Unterfrachtführers nicht zulässt.
20
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es dem Fahrer des Streithelfers zu 2 hätte bewusst sein müssen, es könnte zu einem Diebstahl des Transportgutes kommen, wenn er das beladene Transportfahrzeug in dem nicht bewachten Gewerbegebiet abstellt, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es in diesem Gebiet zuvor bereits zu Diebstählen von Transportgut gekommen ist. Die Versicherungsnehmerin hatte der Beklagten - unstreitig - keine konkreten Weisungen für die Durchführung des Transports erteilt. Ebenso wenig hatte die Beklagte der Versicherungsnehmerin besondere Sicherungsvorkehrungen bei der Durchführung des Transports zugesagt. Das Gut befand sich in einem verschlossenen Kastenauflieger, der im Vergleich zu einem Planenwagen im Allgemeinen eine wesentlich größere Sicherheit gegen eine Entwendung der transportierten Güter bietet. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass das äußere Erscheinungsbild des Transportfahrzeugs Anlass zu der Annahme gab, es könnten sich darin besonders wertvolle Güter befinden. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass es dem Streithelfer zu 2 möglich und zumutbar war, das beladene Transportfahrzeug über das Wochenende auf einem bewachten Parkplatz oder einem zumindest sichereren Platz - beispielsweise auf einem umzäunten und abgeschlossenen Gelände - abzustellen. Unter den gegebenen Umständen brauchte der Streithelfer zu 2 der Beklagten nicht das Bewusstsein zu haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit zu einem Diebstahl des im Kastenauflieger befindlichen Transportguts kommen, wenn das Transportfahrzeug in einem unbewachten Gewerbegebiet von Chemnitz abgestellt wird.
21
Da die Feststellungen des Berufungsgerichts schon nicht den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - wie die Revision rügt - den Vortrag des Streithelfers zu 2 in seinem Schriftsatz vom 1. März 2011, den das Berufungsgericht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast der Beklagten für ausreichend erachtet hat, hätte berücksichtigen müssen.
22
4. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Zwar lässt sich aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers verneinen; die Revisionserwiderung hat auch nicht gerügt, dass das Berufungsgericht insofern erheblichen Vortrag der Klägerin übergangen hätte. Das Berufungsgericht hat aber noch keine Feststellungen zur Regelhaftung der Beklagten nach § 429 Abs. 1, § 431 Abs. 1 und 2 HGB getroffen. Hier stellt sich zunächst die Frage der Verjährung; gegebenenfalls müssen auch noch Feststellungen zur Höhe des Wertersatzes getroffen werden.
23
Die Beklagte und der Streithelfer zu 2 haben die Einrede der Verjährung erhoben. Da die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten nicht erfüllt sind, beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB lediglich ein Jahr. Sofern der Lauf der Verjährungsfrist nicht gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 HGB oder § 203 BGB gehemmt wurde, wäre der aus § 429 Abs. 1, § 431 Abs. 1 und 2 HGB abzuleitende Anspruch auf Wertersatz bei Einreichung der Klage am 2. September 2010 bereits verjährt gewesen. Den bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Lauf der Verjährung gehemmt worden ist. Das Telefaxschreiben der Versicherungsnehmerin an die Beklagte vom 10. April 2008 (Anlage K 5), mit dem der Beklagten mitgeteilt wurde, dass sie für haftbar gehalten werde, konnte eine Hemmung nach § 439 Abs. 3 Satz 1 HGB jedenfalls nicht bewirken, weil es insofern an der erforderlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012 - I ZR 75/11, TranspR 2013, 156 Rn. 13 ff.).
24
Ist keine Verjährung eingetreten, stellt sich die weitere Frage nach der Höhe des Ersatzanspruchs. In Ermangelung eines besonders schweren Pflichtenverstoßes der Beklagten ist die geschuldete Entschädigung auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts begrenzt (§ 431 Abs. 1 und 2 HGB). Hierzu hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen.
25
III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben (§ 562 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 08.03.2011 - 14 O 441/10 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 01.12.2011 - 8 U 60/11 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 28.03.2014, 1 HK O 695/13, wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Streithelferin trägt die durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

III.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Warenverlustes bei einem grenzüberschreitenden Gütertransport.

Zwischen den Parteien besteht ein Rahmenvertrag vom 01.05.1996 über die Durchführung von Sammelgutverkehr und Transport von Bekleidung zwischen Portugal und Deutschland (vgl. Anlage zu Blatt 25/29 und Blatt 31/32 d. A.).

Die Klägerin wurde von der Firma M. im Januar 2012 mit dem Transport von 151 Kartons Textilwaren mit einem Bruttogesamtgewicht von 1.646 kg von B. (Portugal) nach Sch. bei N. beauftragt. Der Transport wurde durch die Streithelferin der Beklagten durchgeführt. Sie übernahm die Sendung am 20.01.2012 ohne Reklamation vollständig bei der Firma C. in B. Am 23.01.2012 nahm der eingesetzte Lkw seine Fahrt über Spanien und Frankreich Richtung Deutschland auf. In Frankreich suchte der Fahrer am 25.01.2012 gegen 17.30 Uhr einen Parkplatz auf, um seine vorgeschriebene Ruhepause einzulegen. Am Morgen des folgenden Tages stellte er fest, dass am Auflieger des Lkw die Plane aufgeschnitten und 102 Kartons (Gesamtgewicht 1.122 kg) entwendet worden waren. Die Ablieferung der restlichen Ware erfolgte am 27.01.2012. Mit Schreiben vom 30.01.2012 übersandte die Klägerin der Beklagten eine „Claim Confirmation“, in der sie die Beklagte für den aus dem Vorfall entstandenen Schaden haftbar machte (Anlage K 7).

Die Firma M. machte gegenüber der Klägerin Schadensersatzansprüche in Höhe von 99.528,45 € geltend (vgl. Schreiben vom 29.03.2012, Anlage K 24). Die Klägerin einigte sich mit der Versicherung ihrer Auftraggeberin in der Folge auf eine Zahlung von 30.000,- € zur Abgeltung der Schadensersatzansprüche der Firma M. aus dem streitgegenständlichen Vorfall.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung dieses Betrages einschließlich der im Rahmen der Verhandlungen über den Vergleich angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 4.217,40 € sowie angefallener vorgerichtlicher Kosten aufgrund der Verfolgung der Regressansprüche gegenüber der Beklagten (2.186,40 €).

Die Klägerin hat zur Begründung vorgetragen, sie habe die Beklagte mit der Durchführung des Transportes beauftragt. Die Beklagte hafte daher nach Art. 17 Abs. 1, 3 CMR für den teilweisen Verlust der Ladung. Auf die Haftungsbeschränkungen nach Art. 23 Abs. 3 CMR könne sich die Beklagte nicht berufen, da ihr ein qualifiziertes Verschulden im Sinne des Art. 29 CMR zur Last falle. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Ablaufs des Transports nicht nachgekommen. Sie habe insbesondere nicht dargetan, dass der vom Fahrer aufgesuchte Parkplatz hinreichend gesichert gewesen sei. Die Klägerin hat daher in I. Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 30.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.01.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 6.403,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz über den Betrag von 2.186,40 € seit 26.09.2012, über den Restbetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Sie hat vorgetragen, sie sei nicht passivlegitimiert. Die Klägerin habe die Nebenintervenientin beauftragt, nicht jedoch die Beklagte. Jedenfalls treffe den von der Nebenintervenientin eingesetzten Fahrer kein Verschulden. Sie hat insoweit auf die Erklärung des Fahrers, des Zeugen F., verwiesen, wonach dieser den Lkw an der Servicestelle L’Alliee Doyet an der Autobahn A ... abgestellt habe, wobei es sich um einen 24 Stunden am Tag beleuchteten und bearbeiteten Bereich gehandelt habe, um dort seine pflichtgemäße Ruhepause einzulegen. Die Nachtruhe habe er in der Fahrerkabine des Lkw verbracht.

Schließlich seien etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt.

Das Landgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage nach Beweisaufnahme vollumfänglich stattgegeben.

Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin die Beklagte mit der Durchführung des streitgegenständlichen Warentransportes entsprechend der vertraglichen Vereinbarung vom 01.05.1996 beauftragt habe. Die Beklagte habe auch der Klägerin die Durchführung des Transports in Rechnung gestellt. Die Beklagte hafte gegenüber der Klägerin nach Art. 17, 3 CMR, wobei sie sich auf Haftungsbeschränkungen nach Art. 29 CMR nicht berufen könne. Die Beklagte habe die ihr obliegende Darlegungslast nicht erfüllt und nicht dargetan, wie es im Einzelnen zu dem Warenverlust kam und welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um einen Warenverlust zu vermeiden. So sei beispielsweise nicht dargelegt worden, ob das eingesetzte Transportfahrzeug über eine Alarmsicherung verfügte.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, wobei sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage weiter verfolgt.

Die Beklagte wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Landgerichts, sie sei der ihr obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Das Landgericht hätte den von der Beklagten als Zeugen angebotenen Fahrer des Lkw vernehmen müssen. Dieser habe keine zumutbaren Sicherungsmaßnahmen unterlassen. Der Diebstahl sei unvermeidbar gewesen. Der Frachtführer könne sich auf Art. 17 Abs. 2 CMR berufen. Im Übrigen seien der Klägerin die Umstände der von der Beklagten durchgeführten Transporte seit langem bekannt gewesen, sie habe nie eine Verschärfung der getroffenen Sicherungsmaßnahmen gefordert.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angegriffene Urteil. Die Klägerin habe es trotz der ihr bekannten hohen Diebstahlsgefahr in krasser Weise unterlassen, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen.

Hinsichtlich des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich der vom Senat erteilten Hinweise wird auf die Verfügung vom 25.07.2014, Blatt 103 d. A., und auf die Sitzungsniederschrift vom 16.10.2014, Blatt 130 d. A., Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte für den geltend gemachten Verlustschaden unbeschränkt gemäß Art. 17 Abs. 1, 29, 3 CMR haftet.

1. Soweit das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat, dass die Klägerin die Beklagte mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt hat und die Beklagte damit als Frachtführerin passiv legitimiert ist, hat der Senat diese Feststellung nach § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Die Berufung bringt gegen diese landgerichtliche Feststellung nichts vor. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellung sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren ihre Rüge der fehlenden Aktivlegitimation auch nicht weiter verfolgt.

2. Die Beklagte haftet für den - unstreitigen - teilweisen Verlust des Transportguts nach Art. 17 Abs. 1, 3 CMR. Die Beklagte wurde von der Klägerin mit einem grenzüberschreitenden Straßengütertransport beauftragt und unterlag damit als Frachtführerin der Haftung nach der CMR. Auf die Haftungsbegrenzungen des Art. 23 Abs. 3 und 7 CMR kann sich die Beklagte nicht berufen, da die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nach Art. 29 CMR vorliegen. Damit kommt auch eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR nicht in Betracht.

2.1. Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat. Das Gleiche gilt, wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen, hier also der Nebenintervenientin, ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR).

Ist der Gütertransportschaden, wie hier, nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes vom 01.07.1998 eingetreten, so reicht bei Anwendbarkeit deutschen Rechts für ein Verschulden, dass zur Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen der CMR führt, die grobe Fahrlässigkeit nicht mehr aus. Liegt kein Vorsatz vor, ist vielmehr ein leichtfertiges Verhalten erforderlich, zu dem das Bewusstsein hinzukommen muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (BGH Transportrecht 2005, 311, 313; BGH Transportrecht 2010, 437, 439).

Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine „Leute“ in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus einem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH, Transportrecht 2004, 399, 401).

Welche Sicherheitsvorkehrungen der Transportunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, das ihm anvertraute Transportgut während der Beförderung vor Diebstahl zu bewahren, ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt entscheidend darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen den für den durchzuführenden Transport erforderlichen Sorgfaltsanforderungen genügen. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob das transportierte Gut leicht verwertbar und damit besonders diebstahlgefährdet ist, welchen Wert es hat, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage bekannt sein musste und welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung es gab, um vorgeschriebene Ruhezeiten einzuhalten (BGH, Urteil vom 01.07.2010, I ZR 176, 08, zitiert nach Juris, Tz. 17 ff.).

2.2. Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist der Beklagten bzw. der von ihr beauftragten Nebenintervenientin vorzuwerfen, dass sie bei der Organisation und Durchführung des streitgegenständlichen Transports leichtfertigt und im Bewusststein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts notwendige Sicherheitsmaßnahmen außer Acht gelassen hat.

2.2.1. Bei dem Transportgut handelte es sich um hochwertige Markentextilien. Ausweislich der von der Klägerin bereits in I. Instanz vorgelegten Handelsrechnungen K 16, K 18 und K 20, deren Richtigkeit die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, betrug der Warenwert der Gesamtsendung von 1.646 kg jedenfalls 65.363,95 € und damit etwa 40 € je kg. Nach einer für die EU-Kommission erstellten Studie aus dem Jahr 2007 (“Study on the feasibility of organising a network of secured parking areas for road transport operators on the Trans European Road Network“) wird bereits ab einem Wert von mehr als 10 €/kg davon ausgegangen, dass das Gut in die gefährdetste Kategorie hinsichtlich zu befürchtender Transportdiebstähle fällt (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 26.06.2014, 6 U 172/12, Transportrecht 2014, 429, 431). Dass Bekleidungsstücke, vor allem Modeartikel, einen besonderen Entwendungsanreiz bieten, entspricht im Übrigen schon der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.1998, I ZR 44/96, zitiert nach Juris, Tz. 26, Transportrecht 1999, 19).

Im vorliegenden Fall wurde die Diebstahlsgefahr noch dadurch erhöht, dass ausweislich der Anlagen K 16, K 18 und K 20 die zu transportierenden Kartons gut sichtbar mit der Bezeichnung „M.“ beschriftet waren, so dass potentielle Diebe auch bei flüchtiger Begutachtung des Transportgutes auf den leicht absetzbaren Inhalt aufmerksam werden konnten. Insgesamt bestand daher eine stark erhöhte objektive Gefahrenlage, die der Beklagten bzw. der von ihr beauftragten Nebenintervenientin auch bewusst war, die sich ihr zumindest aber hätte aufdrängen müssen. Denn selbst wenn die Handelsrechnungen K 16, K 18 und K 20 der Beklagten nicht - wie von der Klägerin zuletzt im Schriftsatz vom 11.12.2014 vorgetragen - vor Transportbeginn vorgelegen hatten, war der Beklagten bei der Durchführung des Transportauftrags jedenfalls unstreitig bekannt, dass es sich bei dem Transportgut um hochwertige Markentextilien der Firma M. handelte.

2.2.2. Hinsichtlich der Art und Weise der Organisation und Durchführung des Transports kann der Beklagten allerdings nicht für sich genommen vorgeworfen werden, sie habe trotz der bestehenden Gefahrenlage keinen gesicherten Kasten- oder Kofferauflieger und keinen zweiten Fahrer eingesetzt, wie es die Klägerin meint. Dass entsprechende Sicherungsmaßnahmen zwischen den Parteien vereinbart worden wären, behauptet die Klägerin nicht.

Dieser Umstand enthebt die Beklagte jedoch nicht von der Verpflichtung, bei Durchführung des Transports mit nur einem Fahrer und mit Planenzug mögliche und zumutbare Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um einen Verlust des besonders gefährdeten Transportguts zu vermeiden. Hierzu gehört insbesondere, dass im Falle der Notwendigkeit einer Unterbrechung der Fahrt über Nacht zur Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Ruhezeiten dafür Sorge zu tragen ist, dass das Transportgut während des Stillstands im Rahmen des Zumutbaren bestmöglich vor Entwendung geschützt wird. Insoweit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten auf die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt verzichtet hätte. Allein dass sie - wie die Beklagte behauptet - wusste, wie die Beklagte üblicherweise ihre Transporte durchführte, lässt einen entsprechenden Schluss nicht zu.

Hinsichtlich der von ihr bzw. der Nebenintervenientin getroffenen Sicherungsmaßnahmen für den streitgegenständlichen Transport hat die Beklagte sich auf die Aussage des Zeugen F. berufen, wonach er den Lkw an der Servicestelle L’Alliee Doyet an der Autobahn A ... abgestellt habe, die durchgehend beleuchtet und „bearbeitet“ gewesen sei. Er sei während der Ruhezeit im Fahrzeug verblieben. Damit hat die Beklagte zwar substantiiert dazu vorgetragen, welche Sorgfalt sie zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret aufgewendet hat, so dass sie insoweit auch die ihr obliegende sekundäre Vortragslast (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2009, I ZR 154/07, zitiert nach Juris, Tz. 16, Transportrecht 2010, 78) erfüllt hat. Soweit die Klägerin die Richtigkeit dieses Vortrags in Abrede stellt, müsste sie den entsprechenden Nachweis führen (vgl. BGH, a. a. O., Tz. 20).

Die von der Beklagten dargelegten „Sicherungsmaßnahmen“ sind aber angesichts der hier inmitten stehenden stark erhöhten Diebstahlsgefahr derart ungenügend, dass die berechtigten Sicherheitsinteressen der Klägerin in leichtfertiger Weise missachtet wurden.

Unstreitig war der zum Transport eingesetzte Planauflieger weder durch eine Alarmanlage noch in sonstiger Weise vor einem Zugriff von Dieben auf das Transportgut gesichert. Die Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, dass der Fahrer das Entdeckungsrisiko für potentielle Diebe durch regelmäßige Kontrollgänge um das Fahrzeug erhöht hätte. Das Transportgut war daher während der Ruhezeit des Fahrers in besonders hohem Maße dem Risiko eines Zugriffs von Außen ausgesetzt. Allein der Umstand, dass - wovon nach dem Vortrag der Beklagten auszugehen ist - der gewählte Parkplatz beleuchtet war, führt nicht zu einer signifikanten Verminderung des Diebstahlrisikos. Dass der aufgesuchte Parkplatz bewacht gewesen wäre, behauptet die Beklagte nicht. Der üblicherweise auf einem Lkw-Parkplatz von der Beschaffenheit, wie er sich aus den von der Beklagten vorgelegten Abbildungen ergibt (vgl. Anlage zu Blatt 118/122 d. A.) zu erwartende nächtliche „Betrieb“ durch andere an- bzw. abfahrende Lkw genügt nach Ansicht des Senats ebenfalls nicht, um das Diebstahlsrisiko in einem für die Vermeidung qualifizierten Verschuldens hinreichenden Maße herabzumindern. Der Aufenthalt des Fahrers in der Fahrerkabine während seiner Ruhezeit ist ebenfalls keine taugliche Maßnahme, um eine Entwendung von Transportgut aus dem ungesicherten Planenauflieger zu vermeiden, zumal weder vorgetragen noch anzunehmen ist, dass der Fahrer während seiner Ruhezeit auf etwaige Vorgänge im hinteren Bereich des Fahrzeugs achtete.

Demgegenüber hat die Klägerin vorgetragen, dass es in zumutbarer Entfernung hinreichend gesicherte Parkplätze, die in der sog. „IRU-Liste“ aufgeführt sind, gegeben habe. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie selbst oder die Nebenintervenientin den Fahrern Anweisungen dazu gegeben hätte, welche Parkplätze für die Ruhezeit in Betracht kommen. Ohne solche Anweisungen konnten die Beklagte bzw. die Nebenintervenientin aber nicht davon ausgehen, dass der eingesetzte Fahrer einen hinreichend gesicherten Parkplatz für die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten aussuchen würden. In diesem Falle musste sich die Erkenntnis aufdrängen, dass es ohne weitere Sicherungsmaßnahmen, wie etwa Einsatz eines zweiten Fahrers, Verwendung eines Kasten- bzw. Koffertransporters, Sicherung des Planenaufliegers mit einer Alarmanlage, bei Benutzung eines unbewachten Parkplatzes angesichts des höchst diebstahlsgefährdeten Transportguts mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Transportgutverlust kommen konnte. Bereits eine dieser Maßnahmen hätte das Diebstahlsrisiko erheblich vermindern können. Damit sind im vorliegenden Fall sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 29 CMR erfüllt.

3. Hinsichtlich der Höhe des zu ersetzenden Schadens ist im Rahmen der unbeschränkten Haftung nach Art. 29 CMR der Schadensbegriff des einschlägigen nationalen Rechts zugrunde zu legen (Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 29 Rz. 10). Aufgrund des im Rahmenvertrag vom 01.05.1996 enthaltenen Hinweises auf die Geltung der ADSP haben die Parteien vorliegend eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen, so dass insoweit die §§ 249 ff. BGB heranzuziehen sind.

Der Wert der entwendeten Ware betrug vorliegend entsprechend den vorgelegten Handelsrechnungen K 16, K 18 und K 20 jedenfalls rund 65.000,- €. Die Abgeltung des Schadens durch die Vergleichszahlung in Höhe von 30.000,- € zuzüglich des Aufwandes der damit verbundenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.217,40 € stellt daher eine nachvollziehbare und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme der Schadensminderung dar, so dass dieser Betrag von der Beklagten zu ersetzen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., vor § 249 Rz. 44). Da vorliegend die Verletzung vertraglicher Pflichten inmitten steht, kann die Klägerin auch die ihr aufgrund ihrer Rechtsverfolgung gegenüber der Beklagten entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten im Rahmen des § 249 BGB erstattet verlangen (vgl. Palandt, a. a. O., § 249 Rz. 57).

4. Die Schadensersatzansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Nach Art. 32 Abs. 1 CMR beträgt die Verjährungsfrist im Falle eines Verschuldens im Sinne des Art. 29 CMR 3 Jahre, beginnend mit dem Tag der Ablieferung des (restlichen) Transportgutes. Die am 14.03.2013 eingereichte Klage wurde damit vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben. Im Übrigen wurde der Lauf der Verjährungsfrist durch die Haftbarmachung der Beklagten vom 30.01.2012 (Anlage K 7) gemäß Art. 32 Abs. 2 CMR gehemmt. Zum Zeitpunkt einer etwaigen (vorgerichtlichen) Zurückweisung der Reklamation im Sinne des Art. 32 Abs. 2 Satz 1 CMR hat die Beklagte nichts vorgetragen.

5. Der Klägerin stehen die vom Landgericht zugesprochenen Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB zu. Mit Anwaltschreiben vom 14.09.2012 wurde die Beklagte zur Leistung des Schadensersatzes bis spätestens 25.09.2012 aufgefordert (Anlage K 9), so dass sie sich mit Ablauf dieser Frist gemäß § 286 Abs. 1 BGB in Verzug befand. Die Einschränkungen nach Art. 27 Abs. 1CMR finden bei einer Haftung nach Art. 29 CMR keine Anwendung (vgl. Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 27 Rz. 34; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 27 CMR, Rz. 6).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1. ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es handelt sich um die Anwendung bereits höchstrichterlich entwickelter Rechtsgrundsätze im Einzelfall.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 236/11 Verkündet am:
13. Dezember 2012
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Abstellen eines mit Sammelgut beladenen Transportfahrzeugs (Zugmaschine
nebst Kastenauflieger) am Wochenende in einem unbewachten Gewerbegebiet
einer deutschen Großstadt rechtfertigt nicht ohne weiteres den Vorwurf
eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB. Dies gilt auch
dann, wenn dem Frachtführer bekannt ist, dass sich unter dem Sammelgut eine
Palette mit leicht absetzbaren Gütern (hier: Tabakwaren) befindet.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 236/11 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und
Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers zu 2 der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherungsassekuradeur der S. N. GmbH in Bremen, die Tabakwaren vertreibt (im Weiteren: Versicherungsnehmerin ). Sie nimmt das beklagte Speditionsunternehmen aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte Anfang April 2008 zu festen Kosten mit der Versendung von auf einer Palette verpackten Tabakwaren von Bremen nach Hartmannsdorf/Sachsen. Die Beklagte gab den Auftrag an ihre Streithelferin zu 1 weiter, die ihrerseits ihren Streithelfer zu 2 mit der Durchführung des Transports beauftragte. Ein Fahrer des Streithelfers zu 2 übernahm das Gut am 5. April 2008 (einem Freitag) in Bremen und beförderte es im Wege eines Sammelladungstransports zunächst bis Chemnitz. Dort stellte er das Fahrzeug nebst beladenem Kastenauflieger gegen 23.45 Uhr in einem unbewachten Gewerbegebiet ab. Die Fortsetzung der Fahrt zu einem Umschlagslager der Beklagten in Großschirma/Sachsen erfolgte am 8. April 2008 gegen 2.00 Uhr. Nach der Ankunft im Umschlagslager wurde festgestellt, dass der Kastenauflieger während der Standzeit in Chemnitz geöffnet und ein Teil des Gutes der Versicherungsnehmerin entwendet worden war.
3
Die Klägerin hat den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden auf 25.344,22 € beziffert. Sie ist der Ansicht, die Beklagte müsse als Frachtführerin für den aufgrund des Diebstahls entstandenen Schaden unbegrenzt haften , weil das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs für zwei Tage in einem unbewachten Gewerbebetrieb besonders leichtfertig gewesen sei.
4
Die Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung von 25.344,22 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
5
Die Beklagte und ihre Streithelfer sind dem entgegengetreten. Sie haben insbesondere geltend gemacht, das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs in einem Gewerbebetrieb von Chemnitz sei nicht grob pflichtwidrig gewesen , zumal den Streithelfern nicht bekannt gewesen sei, dass die Sammelgutsendung auch eine Palette mit Tabakwaren umfasst habe. Der Streithelfer zu 2 habe daher nicht von einer besonderen Gefahrenlage für das Transportgut ausgehen müssen. Die Fahrzeuge des Streithelfers zu 2 würden seit 2006 in der betreffenden Gegend abgestellt. Bis zu dem Diebstahl im April 2008 sei es zu keinen besonderen Vorkommnissen gekommen. Darüber hinaus haben die Beklagte und ihre Streithelfer die Höhe des behaupteten Schadens bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Streithelfer der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Streithelfer zu 2 seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Tabakwaren gemäß §§ 459, 425 Abs. 1, §§ 435, 428 HGB bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
8
Die Beklagte schulde vollen Schadensersatz, da im Streitfall die Voraussetzungen des § 435 HGB erfüllt seien. Diese Beurteilung rechtfertige sich schon aus dem Umstand, dass das beladene Transportfahrzeug über das Wochenende an einem unbewachten Ort in einem Gewerbegebiet abgestellt worden sei.
9
Der durch den Diebstahl der Tabakwaren entstandene Schaden belaufe sich auf 25.344,22 €. Die Schadenshöhe habe das Landgericht aufgrund einer nicht zu beanstandenden Würdigung der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen R. zutreffend festgestellt.
10
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Streithelfers zu 2 der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 425 Abs. 1 HGB für den aufgrund des Diebstahls der Tabakwaren entstandenen Schaden bejaht. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin im Sinne von § 459 HGB beauftragt worden ist und sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) richtet. Der Diebstahl des Gutes hat sich während der Obhutszeit des mit der Durchführung des Transports von Bremen nach Großschirma beauftragten Streithelfers zu 2 der Beklagten ereignet. Hierfür hat die Beklagte nach § 428 HGB einzustehen.
12
2. Der Umfang des von der Beklagten gemäß § 425 Abs. 1, § 428 HGB zu leistenden Schadensersatzes bestimmt sich nach § 429 Abs. 1 HGB. Danach hat der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust Schadensersatz zu leisten, der sich nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung bemisst. Der gemäß § 429 Abs. 1 HGB zu berechnende Schadensersatz wird allerdings - wenn kein qualifiziertes Verschulden nach § 435 HGB vorliegt (dazu nachfolgend unter II 3) - durch die Regelungen in § 431 Abs. 1 und 2 HGB begrenzt. Gemäß § 431 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer wegen Verlustes der gesamten Sendung höchstens bis zu einem Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung. Sind nur einzelne Frachtstücke der Sendung abhandengekommen , so ist die Haftung des Frachtführers nach § 431 Abs. 2 HGB auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der gesamten Sendung begrenzt, wenn die gesamte Sendung entwertet ist (Fall 1). Ist - wie im vorliegenden Fall - nur ein Teil der Sendung abhandengekommen, haftet der Frachtführer höchstens auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des in Verlust geratenen Teils der Sendung (Fall 2).
13
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , der Beklagten sei es im Streitfall nach § 435 HGB verwehrt, sich auf die Haftungsbegrenzungen gemäß § 431 Abs. 1 und 2 HGB zu berufen, weil der durch den Verlust des Transportguts eingetretene Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers zurückzuführen sei, das sich die Beklagte gemäß § 428 HGB zurechnen lassen müsse.
14
a) Gemäß § 435 HGB gelten die gesetzlichen und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten Personen leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Nach der Rechtsprechung des Senats hat grundsätzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 25; Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 188/08, TranspR 2011, 218 Rn. 15 = VersR 2011, 1161; Urteil vom 13. Juni 2012 - I ZR 87/11, TranspR 2012, 463 Rn. 16). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch - wovon auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - dadurch gemildert werden , dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners setzt allerdings voraus, dass der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden des Anspruchsgegners mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich An- haltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben (BGH, TranspR 2011, 218 Rn. 15; TranspR 2012, 463 Rn. 17).
15
b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vortrag der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers schließen lässt. Es hat angenommen, das Abstellen des beladenen Transportfahrzeugs über ein Wochenende an einem unbewachten Ort in einem Gewerbegebiet sei besonders leichtfertig gewesen, weil die Beklagte, auf deren Kenntnis es ankomme, den Gegenstand der Fracht gekannt und daher gewusst habe, dass das Gut leicht verwertbar und deshalb besonders diebstahlsgefährdet gewesen sei. Unter den gegebenen Umständen sei nicht nur das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit zu bejahen, sondern auch das Bewusstsein einer Schadenswahrscheinlichkeit anzunehmen. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass es dem Fahrer des Streithelfers zu 2 möglich gewesen wäre, das beladene Transportfahrzeug an einem anderen, nicht derart menschenleeren Ort abzustellen.
16
c) Die Revision rügt mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen für die Annahme eines bewusst leichtfertigen Handelns (§ 435 HGB) der Beklagten oder ihres Unterfrachtführers nicht ausreichen.
17
aa) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute im Sinne von § 428 HGB in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestands- merkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (BGH, Urteil vom 30. September 2010 - I ZR 39/09, BGHZ 187, 141 Rn. 24; BGH, TranspR 2011, 218 Rn. 19 mwN).
18
bb) Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine bewusste Leichtfertigkeit vorliegt, kann das Revisionsgericht nur in eingeschränktem Maße nachprüfen. Die Prüfung muss sich darauf beschränken, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der bewussten Leichtfertigkeit verkannt hat oder ob ihm Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 25. März 2004 - I ZR 205/01, BGHZ 158, 322, 327; BGHZ 187, 141 Rn. 25). Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht zu geringe Anforderungen an das Vorliegen einer bewussten Leichtfertigkeit gestellt hat.
19
cc) Die Klägerin hat den von ihr erhobenen Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB allein darauf gestützt, dass der Fahrer des Streithelfers zu 2 das mit Sammelgut beladene Transportfahrzeug über ein Wochenende in einem unbewachten Gewerbegebiet von Chemnitz abgestellt hat und der Beklagten bekannt war, dass sich unter dem Sammelgut auch eine Palette mit Tabakwaren befand. Die Revision macht mit Recht geltend, dass dieser Sachverhalt den Schluss auf ein bewusst leichtfertiges Verhalten der Beklagten oder des von der Streithelferin zu 1 beauftragten Unterfrachtführers nicht zulässt.
20
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es dem Fahrer des Streithelfers zu 2 hätte bewusst sein müssen, es könnte zu einem Diebstahl des Transportgutes kommen, wenn er das beladene Transportfahrzeug in dem nicht bewachten Gewerbegebiet abstellt, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es in diesem Gebiet zuvor bereits zu Diebstählen von Transportgut gekommen ist. Die Versicherungsnehmerin hatte der Beklagten - unstreitig - keine konkreten Weisungen für die Durchführung des Transports erteilt. Ebenso wenig hatte die Beklagte der Versicherungsnehmerin besondere Sicherungsvorkehrungen bei der Durchführung des Transports zugesagt. Das Gut befand sich in einem verschlossenen Kastenauflieger, der im Vergleich zu einem Planenwagen im Allgemeinen eine wesentlich größere Sicherheit gegen eine Entwendung der transportierten Güter bietet. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass das äußere Erscheinungsbild des Transportfahrzeugs Anlass zu der Annahme gab, es könnten sich darin besonders wertvolle Güter befinden. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass es dem Streithelfer zu 2 möglich und zumutbar war, das beladene Transportfahrzeug über das Wochenende auf einem bewachten Parkplatz oder einem zumindest sichereren Platz - beispielsweise auf einem umzäunten und abgeschlossenen Gelände - abzustellen. Unter den gegebenen Umständen brauchte der Streithelfer zu 2 der Beklagten nicht das Bewusstsein zu haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit zu einem Diebstahl des im Kastenauflieger befindlichen Transportguts kommen, wenn das Transportfahrzeug in einem unbewachten Gewerbegebiet von Chemnitz abgestellt wird.
21
Da die Feststellungen des Berufungsgerichts schon nicht den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers rechtfertigen, kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - wie die Revision rügt - den Vortrag des Streithelfers zu 2 in seinem Schriftsatz vom 1. März 2011, den das Berufungsgericht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast der Beklagten für ausreichend erachtet hat, hätte berücksichtigen müssen.
22
4. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Zwar lässt sich aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder des mit der Durchführung des Transports beauftragten Unterfrachtführers verneinen; die Revisionserwiderung hat auch nicht gerügt, dass das Berufungsgericht insofern erheblichen Vortrag der Klägerin übergangen hätte. Das Berufungsgericht hat aber noch keine Feststellungen zur Regelhaftung der Beklagten nach § 429 Abs. 1, § 431 Abs. 1 und 2 HGB getroffen. Hier stellt sich zunächst die Frage der Verjährung; gegebenenfalls müssen auch noch Feststellungen zur Höhe des Wertersatzes getroffen werden.
23
Die Beklagte und der Streithelfer zu 2 haben die Einrede der Verjährung erhoben. Da die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten nicht erfüllt sind, beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB lediglich ein Jahr. Sofern der Lauf der Verjährungsfrist nicht gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 HGB oder § 203 BGB gehemmt wurde, wäre der aus § 429 Abs. 1, § 431 Abs. 1 und 2 HGB abzuleitende Anspruch auf Wertersatz bei Einreichung der Klage am 2. September 2010 bereits verjährt gewesen. Den bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Lauf der Verjährung gehemmt worden ist. Das Telefaxschreiben der Versicherungsnehmerin an die Beklagte vom 10. April 2008 (Anlage K 5), mit dem der Beklagten mitgeteilt wurde, dass sie für haftbar gehalten werde, konnte eine Hemmung nach § 439 Abs. 3 Satz 1 HGB jedenfalls nicht bewirken, weil es insofern an der erforderlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012 - I ZR 75/11, TranspR 2013, 156 Rn. 13 ff.).
24
Ist keine Verjährung eingetreten, stellt sich die weitere Frage nach der Höhe des Ersatzanspruchs. In Ermangelung eines besonders schweren Pflichtenverstoßes der Beklagten ist die geschuldete Entschädigung auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts begrenzt (§ 431 Abs. 1 und 2 HGB). Hierzu hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen.
25
III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben (§ 562 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 08.03.2011 - 14 O 441/10 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 01.12.2011 - 8 U 60/11 -