vorgehend
Landgericht München I, 11 O 28823/13, 24.03.2016
Landgericht München I, 11 O 28823/13, 14.01.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.01.2016, ergänzt durch Urteil vom 24.03.2016, Az. 11 O 28823/13, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

3. Das Urteil ist ebenso wie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte und die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Endurteils des Landgerichts München I vom 14.01.2016 wird Bezug genommen.

II.

Das Landgericht hat zur Begründung des klageabweisenden Urteils ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag der Beklagten mit der damaligen Lebensgefährtin des Klägers in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte bestehe nicht, weil die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, im Bereich der auf dem öffentlichen Gehweg befindlichen Unfallstelle zu räumen und zu streuen. Die Räum- und Streupflicht für den Gehweg habe nach der einschlägigen Straßenreinigungs-und -sicherungsverordnung 230 der Landeshauptstadt München vom 17.12.2010 (i.F. auch nur: Verordnung oder VO) die Streithelferin inne gehabt. Diese müsse aber nicht die gesamte Gehwegbreite, sondern nur einen (mittigen) Streifen in ausreichender Breite räumen und streuen. Die Beklagte habe keine Pflicht gehabt, das „Anschlussstück“ zwischen dem Zugang zu ihrem Grundstück und dem geräumten Bereich des öffentlichen Gehwegs zu räumen. Denn die Verordnung befreie die Beklagte von der Räumung des Gehwegs in seiner ganzen Breite, und ein Ausnahmetatbestand, der zum Wiederaufleben der Sicherungspflichten der Beklagten führen konnte, habe nicht vorgelegen. Im Übrigen hätte die Beklagte, selbst wenn sie die Sicherungspflicht für den Gehweg gehabt hätte oder diese auf sie rückübertragen worden wäre, auch nur einen Passierstreifen räumen müssen. Die Beklagte habe insoweit auch keine weitergehenden Fürsorgepflichten gegenüber ihren Mietern und den in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Personen, weil ansonsten die Befreiung von der Sicherungspflicht aufgrund der Verordnung ausgehöhlt würde. Es sei den Mietern zumutbar, über das nicht geräumte Anschlussstück hinwegzugehen, zumal bei winterlichen Verhältnissen nicht jegliches Risiko für Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden könne. Die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem Mietvertrag auch nicht dadurch verletzt, dass sie an der Tür zu ihrem Anwesen einen Falz angebracht habe, weil dadurch die Vereisungsgefahr auf dem Anschlussstück wohl schon nicht erhöht worden sei, der Kläger jedenfalls aber nicht vorgetragen habe, dass die Gefahrerhöhung für die Beklagte erkennbar gewesen sei.

Aus denselben Gründen scheide auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus.

III.

Der Kläger hat gegen das ihm am 20.01.2016 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.02.2016, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.04.2016 begründet.

Der Kläger trägt - wie in erster Instanz - vor, der Zugang zum streitgegenständlichen Anwesen sei zum Unfallzeitpunkt spiegelglatt, schneebedeckt und weder ausreichend geräumt noch gestreut gewesen. Er habe den winterlichen Verhältnissen angepasstes, festes Schuhwerk getragen und sich der Witterung entsprechend vorsichtig fortbewegt. Die Beklagte habe mietvertragliche Pflichten und ihre deliktische Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie das Anschlussstück nicht geräumt und gestreut habe. Es könne nicht sein, dass es für das Anschlussstück keinen Verkehrssicherungspflichtigen gebe. Die Rechtsprechung zur räumlichen Begrenzung der Räum- und Streupflicht auf einen Passierstreifen beruhe auf wirtschaftlichen Zumutbarkeitserwägungen. Die logische Folge der Rechtsauffassung des Landgerichts wäre, dass die Streithelferin doch wieder die gesamte Gehwegbreite räumen und streuen müsste, womit diese Erwägungen gerade im Innenstadtbereich ins Leere laufen würden. Es sei für die Mieter und die in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Personen unbillig, unzumutbar, nicht nachvollziehbar und von ihnen auch nicht zu erwarten, dass zwischen dem geräumten und gestreuten Passierstreifen auf dem Gehweg und der Türschwelle des Mietgrundstücks ein verkehrsunsicherer Bereich bestehen könnte. Dies gelte insbesondere, wenn es sich bei dem Geschädigten um eine ältere, möglicherweise in der Bewegung eingeschränkte Person handele.

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft auch eine Pflichtverletzung der Beklagten durch das Anbringen des Metallfalzes an der Tür verneint. Es liege nahe, dass am Vortag des Unfalls möglicherweise aufgetretenes Tauwasser bzw. kondensierte Flüssigkeit an den Türblechen abgeleitet und auf den Eingangsbereich geflossen sei, wo es über Nacht vereisen und so den verkehrsunsicheren Zustand verursachen oder verstärken habe können. Das Landgericht habe insoweit den angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen. Die Gefahrerhöhung sei für die Beklagte auch erkennbar gewesen, weil sie nach eigener Aussage den Falz an der Tür angebracht habe, um das Eindringen von Regen und sonstigen Feuchtigkeiten auf ihr Grundstück zu verhindern. Also sei ihr bewusst gewesen, dass das abgeleitete Wasser auf den Bereich unmittelbar vor der Einfahrt gelangen würde.

Der Kläger beantragt,

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I, 11 O 28823/13, vom 14.01.2016 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.291,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und -soweit nicht vorhersehbar - weiteren immateriellen Zukunftsschäden aus Anlass des Unfallereignisses vom 17.01.2010 zu ersetzen, soweit kein öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang stattfindet.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte sei durch die Verordnung insgesamt von der Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg befreit. Ob die Streithelferin ihre Räum- und Streupflicht ordnungsgemäß erfüllt habe, sei für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Im Winter müsse immer mit vereinzelten Eisflächen gerechnet werden, das falle unter das allgemeine Lebensrisiko. Die Anbringung des Metallfalzes durch die Beklagte sei nicht pflichtwidrig gewesen. Dieser sei lediglich zum Schutz der Tür angebracht und „verhindere“, dass Passanten dagegen ihre Notdurft verrichten oder Hunde ihr Bein heben. Ob die Feuchtigkeit an der Tür oder an der Falz herunterrinne, mache keinen Unterschied. Ein Schadensersatzanspruch sei jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen, der die Verhältnisse vor Ort bestens gekannt habe und dem die winterlichen Bedingungen einschließlich der Möglichkeit eines nicht geräumten Streifens zwischen dem Anwesen und dem geräumten Gehwegstreifen bewusst gewesen seien. Es sei dem Kläger bei entsprechender Vorsicht ohne Weiteres möglich gewesen, das Anwesen gefahrlos zu verlassen, wie das zuvor allen anderen Mietern auch ohne Sturz gelungen sei.

Die Streithelferin schließt sich dem Vortrag der Beklagten an. Der Kläger habe im Übrigen schon nicht bewiesen, wo und warum er gestürzt sei.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zurecht abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist weder unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der deliktischen Verkehrssicherungspflicht, noch wegen Pflichtverletzung aus Mietvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte gegeben. Im Einzelnen:

1. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 230 StGB und § 13 Nr. 2 Straßenreinigungs- und - sicherungsVO 230 bestehen nicht. Im Ausgangspunkt obliegt die Verkehrssicherungspflicht für die öffentliche Gehbahn im Stadtgebiet von München, auf der der Kläger gestürzt ist, der wegebaupflichtigen (Art. 47, 48 BayStrWG) Streithelferin. Die Streithelferin hat in § 3 VO die Reinigungs- und Sicherungspflicht für die Gehbahnen innerhalb der geschlossenen Ortslage nach Art. 51 BayStrWG in zulässiger Weise auf die jeweiligen Anlieger abgewälzt, wobei der Inhalt der Sicherungspflicht bei Schnee, Schneeglätte oder Eisbildung in § 5 VO umschrieben wird. Die beklagte Grundstückseigentümerin ist jedoch nach § 12 Abs. 1 VO - unter bestimmten Einschränkungen, die hier unstreitig nicht einschlägig sind -wiederum von Reinigungs- und Sicherungsmaßnahmen befreit. Einer der in § 12 Abs. 2 VO beschriebenen Ausnahmesituationen, die zum Wiederaufleben der Sicherungspflichten führt, lag zum Unfallzeitpunkt unstreitig ebenfalls nicht vor.

2. Soweit der Kläger meint, die Befreiung der Anlieger im Anschlussgebiet der Straßenreinigungssatzung von ihrer Sicherungspflicht erstrecke sich, wenn schon nicht nach dem Wortlaut, so doch nach Sinn und Zweck der Verordnung nicht auf die Anschlussstücke zwischen den jeweiligen Hauseingängen und dem von der Streithelferin zu räumenden Streifen auf der Gehbahn, ist dem nicht zu folgen.

2.1. Auf § 12 Abs. 2 VO kann der Kläger seine Auffassung nicht stützen. Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich keiner Analogie zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 02.11.1988 - VIII ZR 121/88, juris-Tz. 9 m.w.N.). Die in § 12 Abs. 2 VO beschriebenen außerordentlichen Umstände, welche die städtische Straßenreinigung an der Erfüllung ihrer Sicherungspflicht hindern können, sind auch nicht mit der Situation vergleichbar, dass die Streithelferin ihrer Räum- und Streupflicht auf den Gehbahnen im rechtlich gebotenen Umfang nachkommt und dennoch ein nicht geräumter Streifen auf der den Anliegern zugewandten Seite verbleibt.

2.2. Eine Auslegung der Befreiung nach § 12 Abs. 1 VO entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Norm kommt auch aus einem anderen Grund nicht in Betracht. Ein schuldhafter Verstoß gegen die nach der Verordnung den Anliegern übertragenen Sicherungspflichten ist mit Bußgeld bewehrt (§ 13 Ziffer 2 VO i.V.m. Art. 66 Ziffer 5 BayStrWG). Art. 103 Abs. 2 GG, der auch für Bußgeldtatbestände gilt, verpflichtet den Gesetzbzw. Verordnungsgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ahndung so genau zu umschreiben, dass sich Tragweite und Anwendungsbereich der Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände durch Auslegung ermitteln lassen. Die Normadressaten müssen vorhersehen können, welches Verhalten verboten bzw. mit Bußgeld bedroht ist. Der mögliche Wortsinn aus der Sicht des Bürgers markiert deshalb die zulässige Grenze der richterlichen Interpretation (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss v. 19.12.2002 - 2 BvR 666/02, juris-Tz. 23 f; v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03, juris-Tz. 11, jeweils m.w.N.). Vorliegend trifft die Beklagte jedoch bei keinem denkbaren Verständnis des Verordnungswortlauts eine Sicherungspflicht für die Unfallstelle.

3. Selbst wenn die Beklagte nicht nach § 12 Abs. 1 VO von den ihr übertragenen Sicherungsmaßnahmen befreit wäre, könnte eine für den Unfall des Klägers ursächliche Verletzung ihrer Pflicht aus § 5 VO nicht festgestellt werden. Denn nach § 5 Abs. 2 VO müssen die jeweiligen Anlieger die Gehbahnen lediglich „in ausreichender Breite“ von Schnee räumen und bei Winterglätte mit abstumpfenden Mitteln bestreuen bzw. das Eis beseitigen. Damit ist die Räum- und Streupflicht grundsätzlich auf die für den allgemeinen Fußgängerverkehr erforderliche Breite von 1 - 1,20 Meter im mittleren Bereich der Gehbahn beschränkt, wie sich aus der Ermächtigungsnorm des Art. 51 Abs. 5 BayStrWG und der hierzu sowie zu anderen landesrechtlichen Vorschriften in Straßen- und Wegegesetzen ergangenen einhelligen Rechtsprechung ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2003 - III ZR 8/03, juris-Tz. 21; OLG Bamberg, Urt. v. 27.05.1975 - 5 U 46/75, juris-Tz. 23; OLG Nürnberg, Urt. v. 22.12.2000 - 6 U 2402/00, juris-Tz. 11, jeweils m.w.N.). Soweit für besonders gefahrenträchtige und stark frequentierte Bereiche wie etwa vor Bahnhöfen und an Bushaltestellen strengere Anforderungen an die Sicherungspflicht gegenüber Fußgängern gestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.1993 - III ZR 88/92, juris-Tz. 8; OLG Hamm, Urt. v. 15.10.2004 - 9 U 116/04, juris-Tz. 3), ist dies auf den vorliegenden Fall ersichtlich nicht übertragbar. Der Kläger ist unstreitig nicht in dem nach § 5 Abs. 2 VO zu räumenden und zu streuenden Bereich der Gehbahn zu Fall gekommen.

4. Der Kläger kann auch keinen Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung einer mietvertraglichen Nebenpflicht nach §§ 280 Abs. 1, 535 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte verlangen.

4.1 Partner des Mieters in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sind in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 17.08.1988 - 4 U 151/87, juris-Tz. 34; Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl. § 328 Rn. 28). Dies war vorliegend bei dem Kläger als seinerzeitigem Lebensgefährten der Zeugin G. der Fall.

4.2. Der Vermieter muss zum Schutz des Mieters und der in den Schutzbereich des Vertrages einbezogenen Personen bei Schnee- und Eisglätte den unmittelbaren Zugang zum Mietobjekt sichern (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2008 - VI ZR 126/07, juris-Tz. 11; Palandt/Weidenkaff, aaO § 535 Rn. 60). Die Sicherungspflicht des Vermieters ist aber in der Regel auf das Mietgrundstück beschränkt; nur unter außergewöhnlichen Umständen umfasst sie auch eine zum Grundstück führende öffentliche Verkehrsfläche (vgl. RGZ 165, 155, 159; Palandt/Sprau, aaO § 823 Rn. 48). Solche außergewöhnlichen Umstände, die etwa darin bestehen können, dass sich ein Mietshaus außerhalb des ausgebauten Straßennetzes befindet, liegen hier nicht vor. Wie das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat, würde die Bejahung einer weitergehenden vertraglichen Sicherungspflicht auch den Regelungsgehalt der Verordnung in weiten Teilen ad absurdum führen. Denn dann müssten sämtliche Anlieger innerhalb der geschlossenen Ortslage, soweit sie ihre Grundstücke oder Wohnungen vermieten, ungeachtet der Beschränkung der Räum- und Streupflicht für die vor ihren Anwesen befindlichen Gehbahnen auf einen Streifen „ausreichender Breite“ in § 5 VO, und unabhängig vom Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach § 12 VO, bei entsprechender Witterung in jedem Fall (auch) die sog. Anschlussstücke zum geräumten und gestreuten Teil der Gehbahn entweder selbst - ggf. mehrmals täglich - räumen und abstreuen, oder einen Dienstleister hiermit beauftragen. In diesem Zusammenhang darf der auch vom Landgericht aufgeführte Grundsatz in der Rechtsprechung nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein an den Kriterien der Zumutbarkeit und Leistungsfähigkeit ausgerichteter Winterdienst auf Gehwegen nicht das Ziel haben kann, jedwede Gefahr des Ausgleitens für Fußgänger völlig auszuschließen. Die Erwartung, bei winterlichen Verhältnissen ordnungsgemäß geräumte und bestreute Wege vorzufinden, enthebt einen Fußgänger nicht von der Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen (BGH, Urt. v. 09.10.2003 aaO). Unter diesem Aspekt erscheint es auch einem Mieter und dessen Angehörigen - bzw. dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft -grundsätzlich zumutbar, zwischen der Grenze des gesicherten Mietgrundstücks und dem „in ausreichender Breite“ geräumten und gestreuten Streifen auf der öffentlichen Gehbahn einen oder sogar mehrere Schritte auf eigenes Risiko zu unternehmen.

4.3. Das Landgericht hat zutreffend auch keinen Verstoß der Beklagten gegen mietvertragliche Pflichten darin gesehen, dass sie an der unteren Kante der Tür zum Mietanwesen einen Falz hat anbringen lassen. Auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen. Da es für die klägerische Behauptung, der Falz habe die Vereisungsgefahr auf dem sog. Anschlussstück erhöht, keinerlei greifbare Anhaltspunkte gibt, stellt das beantragte Sachverständigengutachten einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Beweisermittlungsantrag dar. Auf die Frage der Erkennbarkeit der behaupteten Risikoerhöhung aus Sicht der Beklagten kommt es danach nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

III.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Der Rechtsstreit wirft die grundsätzliche und klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, ob ein Grundstückseigentümer im Geltungsbereich einer städtischen Straßenreinigungs- und Sicherungsverordnung mietvertraglich verpflichtet ist, den Bereich der öffentlichen Gehbahn zwischen dem Zugang zu seinem Grundstück und dem geräumten und gestreuten Streifen, der es zwei Fußgängern gestattet, vorsichtig aneinander vorbeizugehen, bei Bedarf ebenfalls zu räumen und zu streuen.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2008 - VI ZR 126/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 126/07 Verkündet am: 22. Januar 2008 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2003 - III ZR 8/03

bei uns veröffentlicht am 09.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 8/03 Verkündet am: 9. Oktober 2003 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 839 Ca, Fe Ein

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 8/03
Verkündet am:
9. Oktober 2003
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 Ca, Fe
Einem Radfahrer, der auf einem innerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegenen
gemeinsamen Fuß- und Radweg (Zeichen 240 der StVO) infolge
Glatteises zu Fall kommt, können Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung
der winterlichen Räum- und Streupflicht gegen die sicherungspflichtige Gemeinde
auch dann zustehen, wenn dieser Weg nur deshalb geräumt oder
gestreut werden muß, weil es sich auch und gerade um einen Gehweg handelt.
Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß sich Inhalt und Umfang der
Räum- und Streupflicht, sofern sich - wie hier - der Unfallort nicht an einer
verkehrswichtigen und gefährlichen Stelle befindet, nur nach den Belangen
der Fußgänger auszurichten hat.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR 8/03 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 6. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die bei der klagenden Partnerschaftsgesellschaft beschäftigte M. S. befuhr am Morgen des 17. Dezember 2001 gegen 8.00 Uhr mit ihrem Fahrrad den im Zentrum der beklagten Stadt liegenden Verbindungsweg zwischen der Place d'E. und dem R. -Platz. Beim Einbiegen in diesen im Eigentum der Beklagten stehenden Weg, der durch Zeichen 240 der Straßenverkehrsordnung als gemeinsamer Fuß- und Radweg gekennzeichnet ist,
kam M. S. infolge Glatteises zu Fall und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu.
Die Klägerin, die der Beklagten zum Vorwurf macht, die winterliche Räum- und Streupflicht verletzt zu haben, verlangt aus übergegangenem Recht Ersatz der M. S. geleisteten Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision strebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils an.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Pflicht der öffentlichen Hand, Straßen und Wege bei Schnee und Eis zu räumen und zu bestreuen, kann sich sowohl aus der Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung, die in Niedersachsen in § 52 des Straßengesetzes (NStrG) geregelt ist (vgl. Wendrich, NStrG, 4. Aufl., § 52 Rn. 1), als auch aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben. Zwischen diesen Pflichten braucht vorliegend nicht unterschieden zu werden, da sie, soweit es - wie hier - um die Sorge für die Sicherheit des Straßenverkehrs geht, deckungsgleich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 112, 74, 79 f; 118, 368, 369; vom 21. November 1996 - III ZR 28/96 - VersR 1997, 311, 312; Wendrich aaO § 52 Rn. 2) und in Niedersachsen nicht nur die Aufgabe der polizeimäßigen Reinigung, sondern auch
die der Verkehrssicherungspflicht gemäß § 10 Abs. 1 NStrG als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt ausgestaltet ist.
2. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats sind innerhalb geschlossener Ortschaften die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bei Glätte zu bestreuen (Senatsurteile BGHZ 112, 74, 76 m.w.N.; vom 15. Januar 1998 - III ZR 124/97 - VersR 1998, 1373). Für Fußgänger müssen die Gehwege, soweit auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet, sowie die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden (Senatsbeschluß vom 20. Oktober 1994 - III ZR 60/94 - VersR 1995, 721, 722 m.w.N.).
Zur Frage, ob und inwieweit innerorts auch die als solche besonders gekennzeichneten und von der Fahrbahn getrennt geführten Radwege der Räum- und Streupflicht unterliegen, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht Stellung genommen. Auch § 52 Abs. 1 NStrG, der die winterliche Räum- und Streupflicht in Anlehnung an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze regelt, verhält sich hierzu nicht ausdrücklich.
Der Senat braucht diese Frage nicht abschließend zu beantworten. Jedenfalls sind diesbezüglich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, keine höheren Anforderungen zu stellen als diejenigen, die für das Räumen und Streuen der Fahrbahnen gelten (ebenso OLG Celle, NJW-RR 2001, 596 f; OLG Hamm, NZV 1993, 394; Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 3. Aufl., Rn. 97 ff; vgl. auch OLG Köln, NVwZ-RR 2000, 653).
Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht daher nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt (BGHZ 112, 74, 75 f; Senatsbeschluß vom 20. Oktober 1994 aaO). Insoweit ist zu berücksichtigen, daß Personen, die in den Sommermonaten oder auch sonst bei angenehmen Witterungsbedingungen längere Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen pflegen, bei unwirtlichen Wetterverhältnissen verstärkt auf öffentliche Verkehrsmittel oder das eigene Kraftfahrzeug ausweichen. Personen wiederum, die nur kurze Strecken zu bewältigen haben, werden wegen der bei Schnee- und Eisglätte bestehenden besonderen Sturzgefahr, die sich auch bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung der Räum- und Streupflicht durch den Sicherungspflichtigen nicht völlig ausschließen läßt, vielfach auf die Benutzung des Fahrrads verzichten und zu Fuß gehen. Unabhängig davon, daß das Radfahreraufkommen bei schlechtem Winterwetter ohnehin deutlich geringer ist, ist weiter zu bedenken, daß Radfahrer, sofern zwar nicht der Radweg, wohl aber die daneben oder in der Nähe verlaufende Fahrbahn geräumt oder gestreut ist, die Fahrbahn benutzen dürfen (Senatsbeschluß vom 20. Oktober 1994 aaO). Bei Würdigung dieser gesamten Umstände würde der Sicherungspflichtige über Gebühr in Anspruch genommen, wenn ihm eine umfassende Räum- und Streupflicht bezüglich aller Radwege, selbst wenn diese sich nur auf die in geschlossener Ortslage befindlichen beschränken würde, auferlegt würde (im Ergebnis ebenso Wendrich, aaO, § 52 Rn. 5).
3. Das Berufungsgericht hat im Anschluß an die vom Landgericht getroffenen Feststellungen angenommen, daß bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Räum- und Streupflicht der von der Angestellten der Klägerin benutzte Verbindungsweg zum Unfallzeitpunkt hätte bestreut sein müssen. Diese tatrichterliche Einschätzung, die sich die Revision zu eigen macht, wird von der Revisionserwiderung hingenommen.
Allerdings hat das Berufungsgericht die Räum- und Streupflicht nur deshalb bejaht, weil es sich bei dem Verbindungsweg - auch - um einen Gehweg handelt. Stellte man hingegen allein auf die Radweg-Eigenschaft ab, wäre demgegenüber - so das Berufungsgericht - eine Amtspflichtverletzung zu verneinen , weil der Verbindungsweg keine besonderen Gefahrenpunkte aufweise. Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.
Die Beurteilung, ob der Sicherungspflichtige die Räum- und Streupflicht verletzt hat, ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Dessen auf die Umstände des Einzelfalles abgestellte Würdigung ist auch, soweit es darum geht, ob bestimmte Verkehrsflächen im haftungsrechtlichen Sinne verkehrswichtig und gefährlich sind, vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler nachprüfbar (Senatsurteil vom 15. Januar 1998, aaO, S. 1374). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Soweit die Revision darzutun versucht, daß die Unfallstelle im Sinne der Rechtsprechung als verkehrswichtig und gefährlich einzustufen sei, will sie nur die Wertung des Tatrichters durch ihre eigene ersetzen. Das ist ihr verwehrt.
4. Das Berufungsgericht verneint trotz Verletzung der Räum- und Streupflicht durch die Beklagte einen Schadensersatzanspruch der Klägerin. Es ist
der Auffassung, der Schutzbereich der verletzten Amtspflicht erfasse nur Fuß- gänger, nicht aber (auch) Radfahrer, so daß die Arbeitnehmerin der Klägerin nicht Dritte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB sei. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar handele es sich bei dem von M. S. benutzten Verbindungsweg um einen kombinierten Fuß- und Radweg, so daß der gesamte Bereich des Weges von Fußgängern und Radfahrern genutzt werde. Gleichwohl wäre auch hier, nicht wesentlich anders als bei einem vom Gehweg abgetrennten Radweg, für die Gemeinde ein auch der besonderen Gefahrenlage für Radfahrer gerecht werdender Streudienst nicht zumutbar. Die Gemeinde genüge auch bei einem kombinierten Rad- und Gehweg ihrer Räum- und Streupflicht, wenn sie durch Bestreuen eine für Fußgänger benutzbare Fläche schaffe. Demzufolge könne sich ein Radfahrer nicht darauf verlassen, daß ein derartiger Weg so ausreichend bestreut ist, daß ein Befahren dieser Fläche mit dem Fahrrad jederzeit möglich sei.
Dem ist nicht zu folgen.

a) Radfahrer und Fußgänger müssen die für sie an Stelle der Fahrbahn bestimmten Sonderwege nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um getrennte oder - wie hier - um gemeinsame Fuß- und Radwege handelt. Insbesondere gilt im letzteren Falle das Benutzungsgebot für Radfahrer ungeachtet des Umstands, daß hier nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht nehmen müssen, sie also hinsichtlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht die gleichen günstigen Verkehrsverhältnisse vorfinden wie bei der Benutzung eines vom Gehweg räumlich abgetrennten Radwegs.
Da gemeinsame Fuß- und Radwege auch und gerade für die Benutzung von Fußgängern bestimmt sind, sind sie - nicht anders als getrennte Gehwege - innerhalb geschlossener Ortschaften bei Auftreten von Schnee- oder Eisglätte zu räumen oder zu bestreuen. Genügt der Sicherungspflichtige dieser Pflicht und ist aufgrund dessen die Benutzung dieses Wegs durch Fußgänger und Radfahrer möglich, so dürfen und müssen sie diesen Weg benutzen; ein Ausweichen auf die für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmte Fahrbahn ist nicht gestattet.
Hält man sich dies vor Augen, so ist nicht einsichtig, warum hinsichtlich des schützenswerten Vertrauens, bei Einhaltung der Räum- und Streupflicht den Weg benutzen zu können, Fußgänger und Radfahrer völlig unterschiedlich behandelt werden sollen. Vielmehr legt die bei gemeinsamen Fuß- und Radwegen durch die Straßenverkehrsordnung bewußt vorgenommene Gleichbehandlung hinsichtlich der räumlich zur Verfügung stehenden Verkehrsfläche auch eine im Ansatz rechtliche Gleichbehandlung bei Verletzungen der Räumund Streupflicht nahe (so zutreffend Wichmann aaO Rn. 102; ebenso Wendrich , aaO, § 52 Rn. 5).
Radfahrer und Fußgänger dürfen sich somit gleichermaßen auf die Erfüllung der Räum- und Streupflicht durch den Sicherungspflichtigen verlassen, mag sie auch allein darauf gegründet sein, daß der für die gemeinsame Nutzung vorgesehene Weg auch und gerade ein Gehweg ist.

b) Ist - wie hier - ein gemeinsamer Fuß- und Radweg nur deshalb zu räumen oder zu bestreuen, weil es sich bei ihm (auch) um einen Gehweg handelt , so hat dies allerdings zur Folge, daß hinsichtlich der Bestimmung des In-
halts und Umfangs der Räum- und Streupflicht allein auf die Belange der Fußgänger abzustellen ist. Der Umstand, daß dieser Weg auch Radfahrern zur Benutzung offensteht und für sie, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei Schnee- und Eisglätte eine erhöhte Sturzgefahr besteht, rechtfertigt es für sich genommen nicht, an die Räum- und Streupflicht bei gemeinsamen Fuß- und Radwegen, etwa hinsichtlich der Breite des zu räumenden oder zu streuenden Bereichs oder der Verwendung des Streuguts, höhere Anforderungen zu stellen. Denn andernfalls würde, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung zu Recht ausgeführt haben, doch wieder eine unzumutbare und unverhältnismäßige Beanspruchung des Sicherungspflichtigen drohen , die zu vermeiden der maßgebliche Grund dafür ist, eine umfassende Räum- und Streupflicht bei Radwegen nicht anzuerkennen.
Dies führt weiter dazu, daß einem Radfahrer, der bei Schnee- und Eisglätte einen gemeinsamen Fuß- und Radweg benutzen will, auch dann erhöhte Aufmerksamkeit und besonders vorsichtige Fahrweise abzuverlangen ist, wenn der Sicherungspflichtige seiner Räum- und Streupflicht Genüge getan hat.

c) Der vom Berufungsgericht herausgehobene Aspekt, daß der Vertrauensschutz des Radfahrers nicht so weit geht, bei unwirtlichen winterlichen Straßenverhältnissen einen gemeinsamen Fuß- und Radweg völlig gefahrlos befahren zu können, bietet jedoch keinen hinreichenden Anlaß, dem Radfahrer jeden Vertrauensschutz zu nehmen und ihm auch dann Amtshaftungsansprüche zu versagen, wenn er seine Fahrweise auf die zu erwartenden eingeschränkten Benutzungsmöglichkeiten eingestellt hat und nur deshalb gestürzt ist, weil der gemeinsame Fuß- und Radweg überhaupt nicht oder nur ungenügend geräumt oder bestreut war.

aa) Die Einschränkung, daß der Schutz des Vertrauens auf die Einhaltung der Räum- und Streupflicht nicht bedeutet, daß die Nutzer von Sonderwegen wie gemeinsamen Fuß- und Radwegen auch bei Schnee- und Eisglätte erwarten dürfen, diese Wege genauso sicher und gefahrlos benutzen zu können wie bei idealen Wetterbedingungen, gilt auch für Fußgänger. So ist es anerkanntermaßen nicht erforderlich, daß Gehwege in ihrer ganzen Breite geräumt oder bestreut werden müssen. Es genügt, wenn ein Streifen geräumt oder bestreut wird, der es zwei Fußgängern gestattet, vorsichtig aneinander vorbeizugehen; dabei dürfte eine Breite von 1 bis 1,20 m erforderlich sein (vgl. Wichmann, aaO, Rn. 74; die im Senatsurteil vom 18. Dezember 1970 - III ZR 216/67 - VersR 1971, 416, 417 genannte Breite von 0,80 m ist zu gering bemessen ). Ein an den Kriterien der Zumutbarkeit und der Leistungsfähigkeit ausgerichteter Winterdienst auf Gehwegen kann daher nicht das Ziel haben, jedwede Gefahr des Ausgleitens für Fußgänger völlig auszuschließen. Die Erwartung , bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder bestreute Wege vorzufinden, enthebt also auch den Fußgänger nicht der Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen.
bb) Diese Sichtweise entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats. So hat er durch Urteil vom 12. November 1964 (III ZR 200/63 - NJW 1965, 100 f) entschieden, daß die vor allem an den Belangen des Kraftfahrzeugverkehrs ausgerichtete Räum- und Streupflicht auf Fahrbahnen auch gegenüber Radfahrern gilt.
5. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat ist nicht möglich.

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagte ihre Räum- und Streupflicht verletzt hat und der Sturz der Angestellten der Klägerin auf das zur Unfallzeit am Ort des Geschehens vorhandene Glatteis zurückzuführen ist. Bei dieser Sachlage obliegt es der Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß der Sturz der M. S. auch bei ordnungsgemäßem Streuen erfolgt wäre oder ihr ein Mitverschulden (§ 254 BGB) am Unfallgeschehen anzulasten ist.
Die Beklagte hat in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, M. S. habe bei Aufbringen der gebotenen Sorgfalt rechtzeitig erkennen können und müssen, daß angesichts der Wetterbedingungen und des Zustands des Verbindungswegs ein gefahrloses Befahren nicht möglich sei; sie habe daher entweder vom Rad absteigen und zu Fuß weitergehen oder aber - unter Inkaufnahme eines kleinen Umwegs - die gestreute Fahrbahn benutzen müssen; hätte sie eine dieser Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, wäre der Sturz vermieden worden.
Das Landgericht hat dieses Vorbringen der Beklagten zurückgewiesen und unter Hinweis auf die "überraschend und tückisch" aufgetretene Glätte die volle Haftung der Beklagten bejaht. Das Berufungsgericht hat sich hiermit, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht befaßt. Das ist nachzuholen.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 126/07 Verkündet am:
22. Januar 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Übertragung der Streupflicht durch den Vermieter auf einen Dritten dient
auch der Sicherung des Zugangs zum Mietobjekt. Die dort wohnhaften Mieter
können deshalb in den Schutzbereich des Übertragungsvertrages einbezogen
sein.
Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung
Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen
nicht rechtswirksam zustande gekommen ist.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 - VI ZR 126/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Januar 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. März 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für die Folgen eines durch Eisglätte verursachten Sturzes.
2
Am 5. Februar 2001 gegen 9.30 Uhr stürzte die Klägerin beim Verlassen des von ihr bewohnten Hauses in Berlin, weil trotz Schnee- und Eisglätte der Eingangsbereich nicht hinreichend bestreut war. Sie zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Stadt Berlin hat die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Hauseigentümer übertragen. Der Eigentümer des betreffenden Grundstücks hat seinerseits seit über 10 Jahren die Beklagte mit der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten betraut. Die nach § 6 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin vorgeschriebene Übertragungsanzeige an die Stadt Berlin fehlte für den Winter 2000/2001. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte aufgrund der Übernahme der Räum- und Streupflicht für die Folgen des Sturzes hafte.
3
Mit Beschluss vom 25. April 2003 wurde gegen die Beklagte das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 7. April 2005 wurde vom Amtsgericht die Restschuldbefreiung angekündigt und am 18. Mai 2005 nach Abhaltung des Schlusstermins das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten aufgehoben. Das Landgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Klage zwar für zulässig, aber nicht für begründet. Die Insolvenzordnung sehe eine Präklusion von Ansprüchen, die nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind, nicht vor. Sie ergebe sich auch nicht aus § 87 InsO. Der Klageerhebung stehe auch nicht § 294 InsO entgegen (vgl. LG Arnsberg NZI 2004, 515, 516). Ein Titel könne während der Wohlverhaltensphase nicht vollstreckt werden und im Fall einer Restschuldbefreiung stünde § 301 InsO einer Vollstreckung entgegen.
5
Im Übrigen verneint das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten, weil eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben sei. Es ist der Auffassung, dass der Vertrag, mit dem die Räum- und Streupflicht für die Wintersaison 2000/2001 vom Hauseigentümer auf die Beklagte übertragen worden sei, keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Der Mietvertrag mit dem Eigentümer umfasse nicht die öffentliche Straße, so dass die Klägerin den übrigen Straßenbenutzern gleichgestellt sei. Die deliktische Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheitere daran, dass die Beklagte am 5. Februar 2001 für den Unfallort nicht verkehrssicherungspflichtig gewesen sei. Zwar könne nach § 6 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin ein Dritter in die Verpflichtung des Eigentümers des Anliegergrundstücks zur Durchführung des Winterdienstes eintreten. Hierfür sei aber die Anzeige der Übertragung an die Behörde und deren Zustimmung Voraussetzung. Beides fehle für die Wintersaison 2000/2001.

II.

6
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht die Klage für zulässig erachtet. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sich die Beklagte in der Wohlverhaltensphase befindet und für die Klägerin das Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO gilt, obwohl die streitgegenständliche Forderung nicht zur Tabelle angemeldet wurde und nicht bei der Verteilung der eingegangenen Beträge durch den Treuhänder berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 - WM 2006, 1780 m.w.N.). Mangels Vollstreckungswirkung der Klage kann der Klägerin die Geltendmachung der Forderung aber nicht aufgrund des Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO untersagt werden. Die Parteien befinden sich noch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin auch nicht mit Blick auf die Regelung in § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden.
Danach wirkt die Restschuldbefreiung, wird sie erteilt, gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Ob der Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff. InsO). Würde die Restschuldbefreiung versagt, könnten die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stünde dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 InsO ). Würde die Klägerin darauf verwiesen, sie müsse erst die Versagung bzw. den Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung abwarten, um den Rechtsstreit fortzusetzen, würde sie gegenüber den anderen Gläubigern, die sofort vollstrecken dürfen und könnten, benachteiligt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - IX ZR 73/06 - WM 2007, 1844, 1845; Brandenburgisches Oberlandesgericht - Urteil vom 12. Dezember 2007 - 3 U 82/07 - Rn. 14/17 juris ; LG Arnsberg, NZI 2004, 515, 516; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 87 Rn. 3). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist § 87 InsO nicht analog für das Restschuldbefreiungsverfahren anwendbar (vgl. Uhlenbruck, aaO). Dagegen spricht schon, dass die gesetzliche Regelung in § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO davon ausgeht, dass auch Gläubiger, die nicht Insolvenzgläubiger sind, Forderungen geltend machen können.
8
2. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen jedoch gegen die rechtlichen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht jegliche Anspruchsmöglichkeit für die Klägerin gegen die Beklagte verneint. Die Beklagte könnte aufgrund der Übernahme der Streu- und Räumpflicht deliktisch zum Schadensersatz und damit auch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 1996 - VI ZR 75/95 - VersR 1996, 1151, 1152; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526 f. und vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 79/87 - VersR 1988, 516, 517; OLG Hamm VersR 2000, 862; OLG Nürnberg VersR 1996, 900; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2972; VersR 1995, 535; OLG Celle RuS 1997, 501; Geigel /Wellner, Der Haftpflichtprozess 25. Aufl. Kap. 14 Rn. 204). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hingegen nicht erforderlich, dass die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgt ist. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - aaO; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl., § 823 Rn. 129; MünchKomm -BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rn. 288 f.; Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl., § 823 Anh. II Rn. 53 f.; Staudinger/J. Hager (1999) § 823 BGB E 64; von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 121). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Dieser ist aufgrund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssicherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbständigung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der dafür zu sorgen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Inhalt und Schutzbereich dieser verselbständigten Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich allein danach , was objektiv erforderlich ist, um mit der Gefahrenstelle in Berührung kommende Personen vor Schaden zu bewahren.
10
b) Hat die Beklagte die von ihr übernommene Verpflichtung zur Streuung des Fußweges schuldhaft verletzt, ist die Klägerin infolgedessen gestürzt und sind die geltend gemachten Verletzungen darauf zurückzuführen, ist der Anspruch dem Grunde nach zu bejahen. Ob dies der Fall ist, kann der erkennende Senat aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht entscheiden.
11
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommen - da es sich um einen Altfall handelt nur hinsichtlich des materiellen Schadens (Art. 229 §§ 5, 8 Abs. 1 EGBGB) - auch vertragliche Schadensersatzansprüche aufgrund der Schutzwirkung des Vertrages zwischen dem Eigentümer und der Beklagten zu Gunsten der Klägerin in Betracht. In den Schutzbereich eines Vertrages sind Dritte einbezogen, auf die sich Schutz- und Fürsorgepflichten aus vertraglichen Vereinbarungen nach dem Vertragszweck zwangsläufig erstrecken. Um die Schutzpflichten zugunsten Dritter nicht zu weit auszudehnen, ist allerdings erforderlich , dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat (vgl. BGHZ 133, 168, 171 ff.). Mit Recht weist die Revision darauf hin, dass im Streitfall diese Voraussetzungen zu bejahen sind. Die Sicherung des unmittelbaren Zugangs zum Haus bei Schnee- und Eisglätte ist Aufgabe des Vermieters. Sie dient vor allem dem Schutz der Mieter (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1968 - VI ZR 134/67 - VersR 1968, 1161; Palandt/Weidenkaff BGB 67. Aufl. § 535 Rn. 60). Dass die Übertragung der Streupflicht den sicheren Zugang der Mieter zum Haus und damit u.a. für die Klägerin gewährleisten sollte, liegt auf der Hand. Dies war auch für die Beklagte ohne weiteres erkennbar.
12
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.07.2006 - 18 O 104/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.03.2007 - 10 U 165/06 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.