Oberlandesgericht München Beschluss, 11. Aug. 2017 - 5 U 989/17
nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.02.2017 wird durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.02.2017 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 600.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von dem ZAR/CHF-Zinssatz- und Währungs-Swap-Geschäft mit der Referenz-Nr. 296576, dem CHF-Fremdwährungskonto mit der Nr. 878133935 sowie von allen bestehenden oder künftigen Verpflichtungen aus in Verbindung mit diesem Swap-Kontrakt abgeschlossenen Geschäften, Einzelabschlüssen, Darlehensverträgen, Konten, Festgeld und von allen sonstigen im Zusammenhang mit dem genannten Swap-Kontrakt bestehenden oder noch entstehenden Verbindlichkeiten freizustellen, Zug um Zug gegen 1) Zustimmung zu einer Korrekturbuchung auf 0 des Saldos auf dem ZAR-Fremdwährungskonto mit der Nr. 893935800 sowie 2) klägerseitiger Zahlung eines Betrages in Höhe von 65.765,08 €.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die durch Einholung eines finanzmathematischen Sachverständigengutachtens bei der . GmbH entstandenen Kosten in Höhe von 4.165,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch sämtliche weiteren, zukünftigen und wirtschaftlichen Nachteile zu ersetzen, die ihr im Zusammenhang mit dem Zinssatz- und Währungs-Swap-Geschäft mit der Referenz-Nr. 296576 oder den im Zusammenhang mit diesem Swap-Kontrakt abgeschlossenen Geschäften noch entstehen, insbesondere etwaige Steuerschäden, die bisher noch nicht beziffert werden können.
4. Die Beklagte wird verurteilt, sämtliche ihr von der Klägerin gestellten Sicherheiten freizugeben.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 10.474,98 € (2,5 Geschäftsgebühr aus 600.000,- € nebst Auslagenpauschale und zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
II.
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(1) Die Bestellung ist zu versagen,
- 1.
wenn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt wurde; - 2.
wenn infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht gegeben ist; - 3.
solange kein Nachweis über den Abschluss einer nach § 54 Absatz 1 notwendigen Versicherung vorliegt; - 4.
wenn sich der Bewerber oder die Bewerberin eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das die Ausschließung aus dem Beruf rechtfertigen würde; - 5.
wenn der Bewerber oder die Bewerberin aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht nur vorübergehend nicht in der Lage ist, den Beruf ordnungsgemäß auszuüben; - 6.
solange eine Tätigkeit ausgeübt wird, die mit dem Beruf nach § 43 Absatz 2 Satz 1, § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 unvereinbar und nicht nach § 43a Absatz 3 Satz 2 oder 3 oder § 44a Satz 2 genehmigungsfähig ist; - 7.
wenn sich der Bewerber oder die Bewerberin in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere in Vermögensverfall befindet; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eröffnet oder eine Eintragung in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 882b der Zivilprozessordnung) vorliegt.
(2) Die Bestellung kann versagt werden, wenn der Bewerber sich so verhalten hat, dass die Besorgnis begründet ist, er werde den Berufspflichten als Wirtschaftsprüfer nicht genügen.
(3) Über die Versagung der Bestellung entscheidet die Wirtschaftsprüferkammer.
(1) Die Bestellung ist mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen bekanntwerden, bei deren Kenntnis die Bestellung hätte versagt werden müssen.
(2) Die Bestellung ist zu widerrufen, wenn Berufsangehörige
- 1.
nicht eigenverantwortlich tätig sind oder eine Tätigkeit ausüben, die mit dem Beruf nach § 43 Absatz 2 Satz 1, § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 unvereinbar ist und nicht nach § 43a Absatz 3 Satz 2 oder 3 oder § 44a Satz 2 genehmigt ist; - 2.
infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben; - 3.
aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht nur vorübergehend nicht in der Lage sind, den Beruf ordnungsgemäß auszuüben; - 4.
nicht den nach § 54 Absatz 1 notwendigen Versicherungsschutz unterhalten oder diesen innerhalb der letzten fünf Jahre wiederholt mit nennenswerter Dauer nicht aufrechterhalten haben und diese Unterlassung auch zukünftig zu befürchten ist; - 5.
sich in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere in Vermögensverfall (§ 16 Abs. 1 Nr. 7) befinden; - 6.
keine berufliche Niederlassung nach § 3 Absatz 1 Satz 1 unterhalten; - 7.
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt haben.
(3) Berufsangehörige, die eine unvereinbare Tätigkeit nach § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 ausüben, haben dies der Wirtschaftsprüferkammer unverzüglich anzuzeigen. Der Wirtschaftsprüferkammer sind auf Verlangen die Unterlagen über ein Anstellungsverhältnis vorzulegen.
(4) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 und 4 ist von einem Widerruf abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Berufsangehörigen künftig eigenverantwortlich tätig sein, die nach § 43 Absatz 2 Satz 1, § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 unvereinbare Tätigkeit dauernd aufgeben oder die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung künftig laufend unterhalten werden. Den Berufsangehörigen kann hierfür eine angemessene Frist gesetzt werden. Kommen sie ihrer Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so ist der Widerruf der Bestellung auszusprechen. Von einem Widerruf in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 5 kann abgesehen werden, wenn der Wirtschaftsprüferkammer nachgewiesen wird, dass durch die nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse die Interessen Dritter nicht gefährdet sind.
(5) (weggefallen)
(6) Sind Berufsangehörige wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung zur Wahrnehmung ihrer Rechte in dem Verfahren nicht in der Lage, bestellt das Betreuungsgericht auf Antrag der Wirtschaftsprüferkammer einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter in dem Verfahren; die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei der Anordnung einer Betreuung nach den §§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden. Zum Betreuer soll ein Berufsangehöriger oder eine Berufsangehörige bestellt werden.
(7) Entfällt die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, sind § 116Abs. 2 bis 4, § 117 Abs. 2 und § 121 entsprechend anzuwenden. Die Anfechtungsklage gegen einen Widerruf aus den Gründen des Absatzes 2 Nr. 4 hat keine aufschiebende Wirkung.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
- 2
- 1. Entgegen der Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Verschuldensfrage eine Zulassung der Revision nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlerfrei angenommen, dass die beklagte Sparkasse den Kläger anlässlich der Beratungsgespräche im Dezember 1997 und 1998 über eine Zeichnung des Renditefonds schuldhaft nicht über ihr zufließende Rückvergütungen aufgeklärt hat.
- 3
- a) Nach § 282 BGB aF (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nF) muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542, Tz. 18 und vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274, Tz. 17). Zum Vertretenmüssen gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB), so dass die Beklagte bereits für leichte Fahrlässigkeit einzustehen hat. Soweit sich - wie hier - der Aufklärungspflichtige auf einen Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer konkreten Aufklärungspflicht beruft, ist zu unterscheiden. Während die vorsätzliche Haftung bereits bei einem bloßen Rechtsirrtum entfällt (vgl. BGHZ 170, 226, Tz. 25 m.w.N.), ist die Haftung wegen Fahrlässigkeit nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGHZ 118, 201, 208). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGHZ 89, 296, 303; Urteile vom 14. Juni 1994 - XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614 und vom 4. Juli 2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014). Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (vgl. BGHZ 131, 346, 353 f. m.w.N.).
- 4
- b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten wegen Fahrlässigkeit rechtsfehlerfrei bejaht.
- 5
- aa) Zwar lagen im Zeitpunkt des ersten Beratungsgesprächs im Dezember 1997 die Entscheidungen des Senats zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen vom 19. Dezember 2006 (BGHZ 170, 226 ff.) und vom 20. Januar 2009 (XI ZR 510/07, WM 2009, 405 f.) noch nicht vor. Der Senat hat aber bereits in den Jahren 1989 und 1990 in zwei Entscheidungen (Urteile vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1051 und vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 464) bei vermittelten Warentermingeschäften heimliche Kick-back-Vereinbarungen zwischen Anlagenvermittler und Broker missbilligt, den Vermittler zur Herausgabe der Rückvergütungen nach §§ 675, 667 BGB für verpflichtet gehalten und dem Berufungsgericht aufgegeben , Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zu prüfen. In der Literatur sind diese Entscheidungen zu Recht dahin verstanden worden, dass die Verheimlichung der Rückvergütung nicht nur in Bezug auf die bloße Herausgabepflicht eine Täuschung des Kunden darstellt, sondern auch deswegen, weil die Rückvergütungen die Tätigkeit des Vermittlers zuungunsten des Anlegers beeinflussen (vgl. Nassall, WuB IV A § 826 BGB 8.89 unter 3.; Wach, EWiR 1989, 765, 766). Aufgrund dessen war für eine Bank bereits ab diesem Zeitpunkt erkennbar, dass auch im Verhältnis zu ihren Kunden bei der - allein in deren Interesse erfolgenden - Beratung über eine Kapitalanlage eine Aufklärungspflicht über solche Umstände besteht, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden.
- 6
- Eine Aufklärungspflicht des Anlageberaters über Rückvergütungen - als Konkretisierung der allgemeinen Aufklärungspflicht über Interessenkollisionen - wurde auch im einschlägigen Schrifttum angenommen (vgl. Roth in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1990, § 12 Rn. 49 f.; Schäfer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 1. Aufl. 1993, S. 23 f.; zu § 384 HGB bereits Koller, BB 1978, 1733, 1738 f.; ebenso in der Folgezeit: Koller in Assmann/Schneider, WpHG, 1. Aufl. 1995 und 2. Aufl. 1999, jeweils § 31 Rn. 74; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 8.194 f. und 16.440; Schäfer, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 2. Aufl. 1995, S. 28; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 1. Aufl. 1997, § 11 Rn. 84 ff.; Schäfer in Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999, S. 62; Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz , Börsengesetz, Verkaufsprospektgesetz, 1999, § 31 WpHG Rn. 82; offengelassen von Hopt in Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute - der moderne Schuldturm?, Bankrechtstag 1992, S. 1, 19; allgemein auf die Vermeidung von Interessenkonflikten bzw. deren Offenbarung hinweisend: Claussen, Bank- und Börsenrecht, 1. Aufl. 1996 und 2. Aufl. 2000, jeweils § 6 Rn. 39 ff.). Lediglich in der älteren Literatur wurde eine Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bzw. Bonifikationen im Grundsatz verneint (vgl. Canaris in Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl., Bd. III/3, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1891; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 441 ff., 447 m.w.N.) und nur ausnahmsweise für den Fall bejaht, dass die Höhe der Rückvergütung ein Indiz für eine fehlende Solidität der empfohlenen Kapitalanlage darstelle (vgl. Canaris, aaO). Die Problematik der Interessenkollision wurde dagegen zu Unrecht ausgeblendet, weshalb diese Literaturmeinung jedenfalls nach 1989 nicht mehr maßgeblich sein konnte.
- 7
- bb) An seiner Rechtsprechung aus den Jahren 1989 und 1990 über die Aufklärungspflicht bei Rückvergütungen hat der Senat seitdem konsequent festgehalten. Mit Senatsurteil vom 19. Dezember 2000 (BGHZ 146, 235 ff.) wurde entschieden, dass eine Bank, die mit dem Vermögensverwalter eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Provisionen und Depotgebühren geschlossen hat, verpflichtet ist, dies gegenüber dem Kunden offen zu legen. Zur Begründung hat der Senat entscheidend darauf abgestellt, dass dadurch für den Vermögensverwalter ein Anreiz geschaffen wurde, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der für seine Kunden über die Bank abzuwickelnden Geschäfte nicht allein das Interesse der Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen der Bank zu berücksichtigen; über diese von ihr geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen hat die Bank den Kunden, den ihr der Vermögensverwalter zuführt, noch vor Vertragsabschluß aufzuklären (BGHZ 146, 235, 239). Diese Ausführungen galten nicht nur für die besondere Konstellation der Vermögensverwaltung, sondern bezogen sich erkennbar allgemein auf die Aufklärungspflicht der Bank bei einer von ihr geschaffenen Gefährdung der Kundeninteressen. Darauf wurde auch in mehreren - teils zustimmenden, teils kritischen - Besprechungen der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen (vgl. Balzer, ZIP 2001, 232, 233; Meder, WuB I G 9.-1.01 unter 3.; Tilp, EWiR 2001, 255, 256) und hervorgehoben, dass der Senat seine Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten bei der Schaffung von Gefährdungstatbeständen durch eine Bank, speziell zu Rückvergütungen und Kick-back-Vereinbarungen bei Termingeschäften, fortführe (vgl. Tilp, aaO: "Offenbar lässt der XI. Zivilsenat bei kickback … nicht mit sich spaßen.").
- 8
- Vor diesem Hintergrund ist auch die Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute vom 26. Mai 1997 (BAnz. Nr. 98 vom 3. Juni 1997, S. 6586) zu sehen, in deren Ziff. 2.2 Abs. 2 eine zivilrechtliche Aufklärungspflicht über die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe von Rückvergütungen vorausgesetzt wird (Senatsurteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274, Tz. 15), die ihre Grundlage unter anderem in den Senatsurteilen aus den Jahren 1989 und 1990 findet.
- 9
- cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Senatsurteilen vom 2. Dezember 2003 (XI ZR 53/02, WM 2004, 417, 419) und 20. Januar 2004 (XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 523 f.). Dort wurde entschieden, dass die Bank ihren Kunden nicht darüber aufklären muss, wenn sie ohne dessen Wissen an einen Finanzierungsvermittler, der den Kontakt zwischen Kunde und Bank hergestellt hat, eine Vermittlungsprovision zahlt. Eine mit der Zahlung von Rückvergütungen vergleichbare Gefährdung der Interessen des Bankkunden ist hiermit offensichtlich nicht verbunden.
- 10
- dd) Die Beklagte musste daher bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt damit rechnen, dass eine generelle Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bestand. Ihr Rechtsirrtum war damit nicht entschuldbar (ebenso OLG Celle, WM 2009, 1794, 1796; OLG Frankfurt am Main, NZG 2010, 510; OLG Karlsruhe, NZG 2009, 1155, 1157; OLG München, WM 2010, 836, 837 f.; OLG Naumburg, BKR 2010, 215, 217 f.; OLG Stuttgart, WM 2009, 2312, 2316 ff. und WM 2010, 844, 846; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 276 Rn. 22; Nobbe, WuB I G 1.-5.10 m.w.N.; Theewen, EWiR 2009, 701, 702; a.A. OLG Dresden, WM 2009, 1689, 1691 f., aufgehoben durch Anerkenntnisurteil des Senats vom 16. März 2010 - XI ZR 258/09; OLG Oldenburg, BB 2009, 2390, 2391 f., aufgehoben durch Anerkenntnisurteil des Senats vom 23. Februar 2010 - XI ZR 286/09; Edelmann, BB 2010, 1163, 1170; Grys/Geist, BKR 2009, 127, 128 f.; Harnos, BKR 2009, 316, 319 f.; Herresthal, ZBB 2009, 348, 354 ff., die allerdings alle fälschlich auf die Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht über Innenprovisionen abstellen; Casper, ZIP 2009, 2409, 2413; Veil, WM 2009, 2193, 2195 ff.; Mülbert/Wilhelm, WM 2009, 2241, 2249; Mülbert, WuB I G 1.-10.09 unter 2.; die von Casper, ZIP 2009, 2409, 2414 Fn. 50 zur Stütze seiner Ansicht zitierten Aufsätze von Wagner, WM 1998, 694, 697 f. und Loritz, WM 2000, 1831, 1835 sind nicht einschlägig, weil sie nur die Aufklärungspflicht über Innenprovisionen behandeln).
- 11
- c) Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde und Stimmen im Schrifttum (Herdegen, WM 2009, 2202 ff.; Pieroth/Hartmann, ZIP 2010, 753 ff.) meinen , führt die Annahme eines Verschuldens auch nicht zu einer rückwirkenden Anwendung einer neuen Rechtsprechung, die unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bedenklich sein könnte. Eine rückwirkende Rechtsprechungsänderung liegt nicht vor. Wie oben unter 1 b dargelegt worden ist, stellt das Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen (BGHZ 170, 226 ff.) keine grundlegende Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung oder gar eine richterliche Rechtsfortbildung dar, sondern beinhaltet lediglich eine bloße Fortführung und weitere Ausformung der Senatsrechtsprechung zur Offenlegung von Interessenkollisionen der Bank gegenüber ihren Kunden im Allgemeinen und von Rückvergütungen im Besonderen, die für die beteiligten Verkehrskreise bei der gebotenen Sorgfalt bereits ab den Jahren 1989/90 absehbar war.
- 12
- 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann sich im Hinblick auf die Verschuldensfrage auch nicht auf einen anderen Zulassungsgrund berufen. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) ist nicht hinreichend dargelegt; insbesondere fehlen jegliche spezifische Ausführungen dazu, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die hier entscheidungserhebliche Frage zum Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums über das Bestehen einer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten umstritten ist (vgl. BGHZ 159, 135, 138; BVerfG NJW-RR 2008, 26, 29). Einer Rechtsfortbildung im Hinblick auf die Voraussetzungen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums bedarf es ebenfalls nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO); der Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (BGHZ 151, 221, 225; BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1945). Schließlich liegt auch die von der Nichtzulassungsbeschwerde nur unter Hinweis auf das Urteil des OLG Dresden (WM 2009, 1689, 1691 f.) dargelegte Divergenz nicht (mehr) vor, nachdem dieses Urteil durch Anerkenntnisurteil des Senats vom 16. März 2010 (XI ZR 258/09) aufgehoben worden ist.
- 13
- 3. Auch im Übrigen sind zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht ersichtlich. Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 05.02.2009 - 1 O 295/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 23.09.2009 - I-31 U 31/09 -
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Unterrichtung nach Artikel 4a Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a oder nach Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a sowie der Nachweise nach Artikel 4a Absatz 2 Unterabsatz 1 oder nach Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.
(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.
(1) Die Bestellung ist mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen bekanntwerden, bei deren Kenntnis die Bestellung hätte versagt werden müssen.
(2) Die Bestellung ist zu widerrufen, wenn Berufsangehörige
- 1.
nicht eigenverantwortlich tätig sind oder eine Tätigkeit ausüben, die mit dem Beruf nach § 43 Absatz 2 Satz 1, § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 unvereinbar ist und nicht nach § 43a Absatz 3 Satz 2 oder 3 oder § 44a Satz 2 genehmigt ist; - 2.
infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben; - 3.
aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht nur vorübergehend nicht in der Lage sind, den Beruf ordnungsgemäß auszuüben; - 4.
nicht den nach § 54 Absatz 1 notwendigen Versicherungsschutz unterhalten oder diesen innerhalb der letzten fünf Jahre wiederholt mit nennenswerter Dauer nicht aufrechterhalten haben und diese Unterlassung auch zukünftig zu befürchten ist; - 5.
sich in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere in Vermögensverfall (§ 16 Abs. 1 Nr. 7) befinden; - 6.
keine berufliche Niederlassung nach § 3 Absatz 1 Satz 1 unterhalten; - 7.
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt haben.
(3) Berufsangehörige, die eine unvereinbare Tätigkeit nach § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 ausüben, haben dies der Wirtschaftsprüferkammer unverzüglich anzuzeigen. Der Wirtschaftsprüferkammer sind auf Verlangen die Unterlagen über ein Anstellungsverhältnis vorzulegen.
(4) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 und 4 ist von einem Widerruf abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Berufsangehörigen künftig eigenverantwortlich tätig sein, die nach § 43 Absatz 2 Satz 1, § 43a Absatz 3 Satz 1 oder § 44a Satz 1 unvereinbare Tätigkeit dauernd aufgeben oder die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung künftig laufend unterhalten werden. Den Berufsangehörigen kann hierfür eine angemessene Frist gesetzt werden. Kommen sie ihrer Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so ist der Widerruf der Bestellung auszusprechen. Von einem Widerruf in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 5 kann abgesehen werden, wenn der Wirtschaftsprüferkammer nachgewiesen wird, dass durch die nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse die Interessen Dritter nicht gefährdet sind.
(5) (weggefallen)
(6) Sind Berufsangehörige wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung zur Wahrnehmung ihrer Rechte in dem Verfahren nicht in der Lage, bestellt das Betreuungsgericht auf Antrag der Wirtschaftsprüferkammer einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter in dem Verfahren; die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei der Anordnung einer Betreuung nach den §§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden. Zum Betreuer soll ein Berufsangehöriger oder eine Berufsangehörige bestellt werden.
(7) Entfällt die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage, sind § 116Abs. 2 bis 4, § 117 Abs. 2 und § 121 entsprechend anzuwenden. Die Anfechtungsklage gegen einen Widerruf aus den Gründen des Absatzes 2 Nr. 4 hat keine aufschiebende Wirkung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Kläger Der verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau von der beklagten Bausparkasse Schadensersatz wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen und aus Delikt im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung einer Eigentumswohnung. Seine Klage hat er zusätzlich gegen die Verkäuferin der Wohnung gerichtet.
- 2
- Der Kläger, ein damals 27 Jahre alter Maschinenschlosser, wurde gemeinsam mit seiner Ehefrau, einer damals ebenfalls 27 Jahre alten Verkäuferin, Ende 1992 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in We. zu erwerben. Der Vermittler war für die H. GmbH tätig, die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagte zu 1) finanzierte.
- 3
- Im Rahmen der Gespräche unterschrieben der Kläger und seine Ehefrau am 12. Dezember 1992 einen Besuchsbericht, in welchem eine monatliche „Mieteinnahme“ von 469 DM ausgewiesen war. Außerdem unterzeichneten sie an diesem Tag unter anderem eine Vereinbarung über Mietenverwaltung. Darin traten sie der für die zu erwerbende Wohnung bestehenden Mietpoolgemeinschaft bei, die von der zur H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe) gehörenden M. GmbH (im Folgenden: M. ) verwaltet wurde. Nachdem am 23. Dezember 1992 der notarielle Kaufvertrag über die Wohnung abgeschlossen worden war, unterschrieben der Kläger und seine Ehefrau am 26. Dezember 1992 zur Finanzierung des Kaufpreises von 129.812 DM zuzüglich Nebenkosten einen Darlehensvertrag mit der Beklagten zu 1). Danach wurde der Kauf mit Hilfe eines tilgungsfreien Vorausdarlehens der Beklagten zu 1) in Höhe von 149.000 DM sowie zweier Bausparverträge über 74.000 DM und 75.000 DM finanziert. Bedingung für die Auszahlung sowohl des Voraus- als auch der Bauspardarlehen war nach § 3 des Vertrages u.a. der Beitritt zu einer Mietein- nahmegemeinschaft (Mietpool). Zur Sicherung des valutierten Vorausdarlehens und der nach Zuteilung der jeweiligen Bausparverträge auszureichenden Bauspardarlehen wurde zugunsten der Beklagten zu 1) eine Grundschuld in Höhe des Vorausdarlehensbetrags nebst Zinsen bestellt.
- 4
- Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1) als der Darlehensgeberin sowie von der Beklagten zu 2) als der Verkäuferin der Wohnung Schadensersatz. Er begehrt von beiden Beklagten als Gesamtschuldnerinnen Zahlung von 48.286,38 € nebst Zinsen als Ersatz der Aufwendungen, die er zur Vollziehung der im Dezember 1992 abgeschlossenen Verträge erbracht hat, sowie von der Beklagten zu 2) zusätzlich als Schadensersatz in Höhe des noch valutierten Darlehens Zahlung von 76.182,49 € zuzüglich Zinsen, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Eigentumswohnung. Ferner verlangt er Feststellung, dass der Beklagten zu 1) aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen und dass ihm beide Beklagte als Gesamtschuldnerinnen zum Ersatz sämtlicher nach dem 31. Dezember 2001 anfallender Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der Wohnung entstehen, verpflichtet sind.
- 5
- Seine Ansprüche stützt er in erster Linie darauf, dass die Beklagte zu 1) ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten und dass die Beklagte zu 2) Beratungspflichten verletzt habe. Kaufvertrag und Darlehensvertrag seien sittenwidrig. Die erworbene Wohnung habe im Kaufzeitpunkt einen Verkehrswert von weniger als der Hälfte des Kaufpreises gehabt. Soweit in dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten ein Verkehrswert von 95.000 DM ausgewiesen werde, sei dies nicht zutreffend. Die von der Beklagten zu 1) verlangte Beteiligung an dem Mietpool habe zudem unkalkulierbare Nachteile und Risiken mit sich gebracht. Das Mietpoolkonzept, das von der H. Gruppe gemeinsam mit der Beklagten zu 1) erarbeitet worden sei, habe generell - so auch in diesem Fall - betrügerisch von Anfang an fiktiv überhöhte Ausschüttungen vorgesehen, so dass den Erwerbern ein in Wahrheit nicht vorhandener und auch nicht erzielbarer Mietertrag vorgespiegelt worden sei. Schließlich beruft sich der Kläger darauf, er und seine Frau hätten über die komplizierten Zusammenhänge der Finanzierung informiert werden müssen.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung gegenüber beiden Beklagten stattgegeben. Das Urteil ist hinsichtlich der Beklagten zu 2) rechtskräftig. Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagte zu 1) zugelassenen Revision begehrt diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
- 7
- Im Anschluss an das Berufungsurteil haben sich der Kläger und seine Ehefrau mit notarieller Urkunde vom 28. August 2006 mit der Beklagten zu 2) dahin geeinigt, dass diese die Eigentumswohnung gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 150.000 € zurücknimmt. Hiermit sollten unabhängig von dem Urteil alle wechselseitigen Ansprüche zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger und dessen Ehefrau abgegolten sein. Der von der Beklagten zu 1) im Hinblick hierauf angeregten Gesamterledigung des Rechtsstreits hat der Kläger widersprochen.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Die Revision ist zulässig. Die Beklagte zu 1) hat auch angesichts der mittlerweile erfolgten Einigung zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Da der Kläger der von der Beklagten zu 1) angeregten Gesamterledigung widersprochen hat und eine einseitig gebliebene Erledigungserklärung der beklagten Partei wirkungslos ist (BGH, Beschluss vom 26. Mai 1994 - I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364 m.w.Nachw.), stehen die Anträge des Klägers, soweit sie die Beklagte zu 1) betreffen, weiter im Streit.
B.
- 9
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1) erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 10
- Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 11
- Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte ) wegen Verschuldens bei Vertragsschluss ein Anspruch auf Ersatz sämtlicher Schäden im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge von Dezember 1992 zu. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger über Nachteile und Risiken der Mietpoolkonstruktion, insbesondere die Gefahr überhöht kalkulierter Mietpoolausschüttungen und die Unseriosität der Verwalterin, aufzuklären, weil sie mit der im Darlehensvertrag enthaltenen Bedingung eines Beitritts zu einem Mietpool einen besonderen Gefährdungstatbestand geschaffen habe. Einen weiteren zur Aufklärung verpflichtenden Gefährdungstatbestand habe sie dadurch geschaffen , dass sie ihre hausinternen Wertermittlungen wissentlich an den systematisch überhöhten Mietausschüttungen ausgerichtet habe. Die Aufklärung in den vorliegenden Unterlagen sei insoweit nicht ausreichend. Die Gefährdung habe sich im Fall des Klägers auch realisiert, weil die Mietausschüttungen für seine Wohnung von Anfang an vorsätzlich erheblich überhöht gewesen seien. Die Beklagte sei dem Kläger zudem schadensersatzpflichtig , weil sie ihn und seine Ehefrau nicht ausreichend über die komplizierte Finanzierungskonstruktion aufgeklärt habe. Ob der Beklagten auch unter den Gesichtspunkten eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs oder einer Interessenkollision ein Aufklärungsverschulden zur Last falle, könne offen bleiben.
- 12
- Sie hafte aber zusätzlich wegen Beihilfe zum Betrug gemäß §§ 263, 27 StGB, §§ 823 Abs. 2, 31 BGB. Sie habe das Anlagegeschäft durch ihre Finanzierung ermöglicht, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass die Vertreter der H. Gruppe den Kläger über den Ertragswert der Wohnung jedenfalls insoweit getäuscht hätten, als in den angegebenen Mietpoolausschüttungen systematisch und vorsätzlich Reparaturen im Sondereigentum nicht einkalkuliert gewesen seien.
II.
- 13
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
- 14
- Das 1. Berufungsgericht hätte mit der gegebenen Begründung nicht annehmen dürfen, dass die Beklagte durch die in § 3 des Darlehensvertrages vorgesehene Bedingung, nach der die Auszahlung der Darlehensvaluta von einem Beitritt der Darlehensnehmer zu einem Mietpool abhängig war, einen besonderen Gefährdungstatbestand geschaffen hat, der sie zur Aufklärung über die damit verbundenen Risiken verpflichtet hätte.
- 15
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten bezüglich des finanzierten Geschäfts können sich daher nur aus den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (vgl. etwa BGHZ 159, 294, 316; 161, 15, 20 sowie Senatsurteile BGHZ 168, 1, 19 f., Tz. 41 und vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 76, vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830 sowie vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 877, Tz. 15). Davon ist auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen.
- 16
- b) Die Begründung, mit der es ein Aufklärungsverschulden angenommen hat, ist rechtlich aber nicht haltbar.
- 17
- aa) Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, aus der Verpflichtung des Klägers und seiner Ehefrau, dem für ihr Objekt bestehenden Mietpool beizutreten, folge auch ohne Hinzutreten spezifischer Gefahren des konkreten Mietpools eine umfassende Haftung der Beklagten wegen Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands.
- 18
- hat Dies der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 20. März 2007 (XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 877 f., Tz. 17-22), dem in den wesentlichen Punkten dieselbe - weitgehend wortgleiche - Begründung des Berufungsgerichts und eine vergleichbare Beitrittsvereinbarung zugrunde lag, entschieden und im Einzelnen begründet. Darauf wird Bezug genommen.
- 19
- bb) Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 20. März 2007 (aaO S. 879 f., Tz. 27 ff.) ebenfalls entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist hingegen der weitere Ansatz des Berufungsgerichts zutreffend, dass die finanzierende Bank, die - wie die Beklagte - den Beitritt zu einem Mietpool zur Bedingung der Darlehensauszahlung gemacht hat, bei Hinzutreten spezifischer Risiken des konkreten Mietpools Aufklärungspflichten wegen eines durch sie bewusst geschaffenen oder begünstigten besonderen Gefährdungstatbestands treffen können, deren Verletzung einen umfassenden Rückabwicklungsanspruch der Darlehensnehmer zur Folge haben kann. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Bank den Beitritt in Kenntnis einer bereits bestehenden Überschuldung des konkreten Mietpools oder in Kenntnis des Umstands verlangt, dass dem konkreten Mietpool Darlehen gewährt wurden, für die der Anleger als Poolmitglied mithaften muss. Gleiches gilt, wenn die finanzierende Bank den Beitritt verlangt, obwohl sie weiß, dass die Ausschüttungen des Pools konstant überhöht sind, d.h. nicht auf nachhaltig erzielbaren Einnahmen beruhen, so dass der Anleger nicht nur einen falschen Eindruck von der Rentabilität und Finanzierbarkeit des Vorhabens erhält, sondern darüber hinaus seine gesamte Finanzierung Gefahr läuft, wegen ständig erforderlicher Nachzahlungen zu scheitern (Senatsurteil vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 879, Tz. 27). Insoweit sind jedoch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichend.
- 20
- Mit (1) der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht beanstandet - nicht annehmen dürfen, der Mietpool We. , dem der Kläger und seine Ehefrau beigetreten sind, habe spezifische Risiken aufgewiesen, die eine besondere Gefährdung in diesem Sinn darstellten.
- 21
- Feststellungen, dass der Mietpool bei Beitritt des Klägers im Dezember 1992 überschuldet war, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Auch ist unstreitig, dass die Beklagte diesem Mietpool zu jenem Zeitpunkt noch kein Darlehen gewährt hatte. Soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, die Mietpoolausschüttungen seien schon bei Beitritt des Klägers bewusst und vorsätzlich systematisch überhöht gewesen und es hätten ihnen nach Kenntnis der H. Gruppe unter Berücksichtigung anfallender Kosten keine realen Einnahmen zugrunde gelegen, ist dieses Ergebnis mit der gegebenen Begründung - wie die Revision zu Recht beanstandet - nicht tragfähig, weil es auf lückenhaften und widersprüchlichen Feststellungen beruht.
- 22
- (a) Dies gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, es sei generell von einer systematisch vorsätzlichen betrügerischen Handhabung der M. auszugehen, zur Vortäuschung eines höheren Ertragswertes bei den von ihr geführten Mietpools überhöhte Ausschüttungen vorzunehmen.
- 23
- Von einem „generell“ betrügerischen System hätte das Berufungsgericht schon angesichts seiner eigenen Feststellung, „im Regelfall“ sei es zu vorsätzlich überhöhten Mietpoolausschüttungen gekommen, nicht ohne zusätzliche Feststellungen ausgehen dürfen. Solche Feststellungen waren insbesondere auch deshalb unabdingbar, weil das Berufungsgericht selbst ausdrücklich offen gelassen hat, ob und inwieweit in Einzel- fällen die Mietpoolausschüttungen kalkulatorisch korrekt waren und ob dies insbesondere auch darauf beruht habe, dass sie korrekt kalkuliert gewesen seien. Mangels entgegen stehender Feststellungen ist daher für die Revision davon auszugehen, dass es auch kalkulatorisch korrekte Mietpoolausschüttungen gegeben hat. Damit aber hätte es für den vom Berufungsgericht gezogenen Schluss, es liege ein generell betrügerisches System vor, unter Berücksichtigung einer genügend großen Anzahl anderer Mietpools näherer Feststellungen dazu bedurft, dass, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Abrechnungen fehlerhaft waren. Das Berufungsgericht hätte diese Frage daher nicht offen lassen dürfen.
- 24
- Unzulässig - weil ebenfalls auf lückenhafter Tatsachengrundlage beruhend - ist auch der aus dem praktizierten Abrechnungsverfahren der M. mit zwei „Ausgabeblöcken“, von denen der zweite (incl. Reparaturkosten des Sondereigentums) bei der Ausschüttungskalkulation nicht berücksichtigt worden sei, gezogene Rückschluss des Berufungsgerichts auf ein von Beginn an betrügerisches Konzept. Auch insoweit sind die Feststellungen lückenhaft, da das Berufungsgericht selbst feststellt, dieses Verfahren sei nur „teilweise“ gebräuchlich gewesen. Wenn aber nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts diese Verfahrensweise nur teilweise praktiziert wurde, hätte es unter Berücksichtigung einer genügend großen Anzahl anderer Mietpools näherer Feststellungen zu den tatsächlichen Umständen bedurft, die gleichwohl auf ein generelles Problem schließen ließen. Hierzu wären nähere - auf konkreter Tatsachenbasis beruhende - Feststellungen dazu erforderlich gewesen, in wie vielen Mietpools das beanstandete Abrechnungsverfahren angewandt wurde. Auch dazu fehlt jegliche Feststellung des Berufungsgerichts.
- 25
- Inwieweit die weiteren vom Berufungsgericht angeführten Gründe, insbesondere das werbungsmäßige Interesse der M. an einer konstant hohen Ausschüttung, Unterdeckungen bei verschiedenen (nicht allen) Pools, ihre Stützung durch Kaufpreisanteile und Äußerungen in der Vertriebsdirektorensitzung nach Zusammenbruch der Firmengruppe, geeignet sind, auf das Bestehen eines betrügerischen Systems hinzuweisen, lässt sich angesichts der Lückenhaftigkeit der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Diese Indiztatsachen können erst im Rahmen einer Gesamtschau endgültig bewertet werden.
- 26
- (b) Ob speziell im Mietpool des Objekts We. , dem der Kläger beigetreten ist, konstant von Anfang an überhöhte Mietpoolausschüttungen erfolgten, denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüber standen, so dass der Zusammenbruch des Mietpools schon bei Beitritt des Klägers zwangsläufig war, ist ebenfalls ohne weitere tatrichterliche Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Anders als zum Mietpool Sch. in dem Rechtsstreit XI ZR 414/04 (aaO S. 879, Tz. 32 f.) erweisen sich die Feststellungen des Berufungsgerichts, das den spezifischen Umständen des einzelnen Mietpools angesichts der von ihm verfolgten generellen Lösung keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt hat, auch in diesem Zusammenhang als lückenhaft und nicht ausreichend.
- 27
- Wie das Berufungsgericht aufgezeigt hat, lag zwar ein gewisses Risiko darin, dass die Verwalterin bei der Kalkulation der Ausschüttungen Reparaturaufwand am Sondereigentum insbesondere bei einem Mieterwechsel nicht berücksichtigt hatte (vgl. zur Kalkulierung entsprechen- der Abschläge BGHZ 156, 371, 377 f. und BGH, Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207). Der nicht kalkulierte Renovierungsaufwand allein belegt aber eine zwangsläufig entstehende erhebliche Unterdeckung im streitgegenständlichen Mietpool nicht. Dabei kann offen bleiben, ob die auf der Basis des vom Landgericht eingeholten , im Berufungsverfahren aber angegriffenen, Sachverständigengutachtens getroffene Feststellung des Berufungsgerichts, die Ausschüttungen seien aus diesem Grund um 52,13 DM (11,1%) monatlich zu hoch kalkuliert gewesen, fehlerfrei ist. Selbst wenn man die vom Berufungsgericht ermittelte Zahl zugrunde legt, steht - anders als in dem Verfahren XI ZR 414/04, in dem aus einer Aktennotiz hervorging, dass für jenen Mietpool die Ausschüttungen von Beginn an bewusst weit überhöht festgesetzt worden waren - hier auch angesichts der nicht sehr erheblichen nicht berücksichtigten Beträge für Renovierungsaufwand eine zwangsläufig entstehende erhebliche Unterdeckung des Mietpools noch nicht fest. Auch bei Zugrundelegung der vom Berufungsgericht ermittelten Zahl, würde der nicht kalkulierte Reparaturaufwand dies nur belegen, wenn zugleich feststünde, dass bei einer Betrachtung der zu erwartenden Ausgaben und Einnahmen von Beginn an den voraussichtlichen Ausgaben keine ausreichenden Einnahmen gegenüber standen, die trotz des nicht einkalkulierten Reparaturaufwands zu einer realistischen Kalkulation führen konnten. Dies hängt insbesondere davon ab, in welchem Renovierungszustand sich das Objekt befand, wie hoch der Anteil der vermieteten Wohnungen war und in welchem Umfang realistischerweise mit einer Neuvermietung von Wohnungen zu rechnen war. Hierzu fehlt es aber bislang an tatrichterlichen Feststellungen. Zu diesen hätte umso mehr Anlass bestanden als der vom Landgericht eingeschaltete Sachverständige , auf dessen Gutachten sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des auf die Renovierung entfallenden Betrags gestützt hat, in einem Ergänzungsgutachten für den Erwerbszeitpunkt einen nachhaltig erzielbaren Mietzins von 567 DM monatlich ermittelt hat, worauf die Revision zu Recht hinweist. Bei einem nachhaltig erzielbaren Mietzins in dieser Höhe aber hätten der im Besuchsbericht ausgewiesenen monatlichen „Mieteinnahme“ von 469 DM auch bei Berücksichtigung des vom Berufungsgericht angenommenen, nicht kalkulierten Renovierungsbedarfs von 52,13 DM entsprechende Einnahmen gegenüber gestanden. Schon deshalb durfte das Berufungsgericht nicht ohne weitere Feststellungen davon ausgehen, die nicht kalkulierten Renovierungskosten im Sondereigentum hätten den Mietpool zwangsläufig in eine Schieflage gebracht. Vielmehr lässt sich die Seriosität der Kalkulation ohne nähere Feststellungen insbesondere zum Vermietungsstand im Objekt nicht abschließend beurteilen.
- 28
- Ohne die genannten zusätzlichen Feststellungen zu den genauen Verhältnissen im streitgegenständlichen Mietpool rechtfertigen auch die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts nicht den Rückschluss auf vorsätzlich falsch kalkulierte Ausschüttungen bereits im Erwerbszeitpunkt. Soweit das Berufungsgericht auf das Hausgeld in Höhe von monatlich 279 DM verweist, das die WEG-Verwalterin bereits im ersten Jahr nach dem Erwerb vom Kläger und seiner Ehefrau gefordert hat, mag dies zwar ein Anhaltspunkt dafür sein, dass möglicherweise im Vorfeld des Vertragsschlusses falsche Angaben zu den monatlichen Aufwendungen und damit der Rentabilität der Anlage gemacht wurden. Das kann im Zusammenhang mit der Frage eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs von Bedeutung sein. Für den Mietpool selbst lag in der zusätzlichen Erhebung eines Hausgelds jedoch kein spezifisches Risiko, das die Beklagte wegen Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands zur Aufklärung verpflichtete. Soweit das Berufungsgericht aus der in der Mietpoolabrechnung für 1995 erkennbaren Position für „Kontokorrentzinsen , Kontogebühren“ auf eine bereits seit 1993 kontinuierlich aufgebaute Verschuldung des Mietpools schließt und daraus eine zusätzliche überhöhte Mietpoolausschüttung von durchschnittlich 107,26 DM herleiten will, handelt es sich mit der gegebenen Begründung um Spekulationen, denen gerade angesichts des vom Berufungsgericht selbst herangezogenen Sachverständigengutachtens zur nachhaltig erzielbaren Miete eine ausreichende Tatsachengrundlage fehlt. Allerdings hat die Beklagte dem Mietpool We. - wie die Revision selbst einräumt - im Jahr 1995 ein Darlehen in Höhe von 47.000 DM gewährt. Auch ergibt sich - worauf das Berufungsgericht, von der Revision nicht angegriffen, verweist - schon aus der Steuererklärung des Klägers von 1993, dass die Netto-Mieteinkünfte mit 369 DM monatlich bereits von Beginn an erheblich unter der im Besuchsbericht in Aussicht gestellten „Mieteinnahme“ von 469 DM monatlich lagen. Dies belegt, dass es in diesem Mietpool offenbar finanzielle Probleme gab. Die entscheidende Frage, welche Ursache diese hatten - eine ungünstige Entwicklung des Mietpools (etwa in Bezug auf den Leerstand) nach Abschluss der streitgegenständlichen Verträge oder von Anfang an falsch kalkulierte Mietausschüttungen, denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüber gestanden hatten - ist damit aber noch nicht beantwortet.
- 29
- Als (2) mit der gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft erweist sich auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Kläger und seine Ehefrau durch ihr Verlangen nach einem Beitritt zu dem Mietpool bewusst oder jedenfalls bedingt vorsätzlich mit spezifi- schen Risiken des Mietpools belastet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 680; Senatsurteile vom 18. November 2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 173 und vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 880, Tz. 34). Die hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
- 30
- Revision Die beanstandet mit Recht die Feststellung des Berufungsgerichts , der Beklagten selbst bzw. ihrem damaligen Vorstandsmitglied A. sei die Praxis systematisch überhöhter Ausschüttungen der M. bekannt gewesen. Wie der erkennende Senat bereits in dem eine vergleichbare Begründung desselben Senats des Berufungsgerichts betreffenden Urteil vom 20. März 2007 (XI ZR 414/04 aaO, Tz. 34 ff.) näher ausgeführt hat, beruht diese Annahme auf einem Verstoß des Berufungsgerichts gegen das aus § 286 Abs. 1, § 525 ZPO folgende Gebot, sich mit dem Streitstoff umfassend auseinander zu setzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 - VIII ZR 202/90, NJW 1992, 1768, 1769; Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, vom 18. November 2003 - XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 31 und vom 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 524). Die entsprechende Kenntnis der Beklagten ist - entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung - zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe von irgendwelchen Unregelmäßigkeiten im Bereich der von der M. durchgeführten Mietpoolverwaltung keine Kenntnis gehabt. Zum Beweis hat sich die Beklagte auf das Zeugnis ihres damaligen Vorstandsmitglieds A. berufen. Ohne die Vernehmung dieses Zeugen durfte das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, von der behaupteten Kenntnis der Beklagten nicht ausgehen.
- 31
- Dies gilt besonders, weil die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht aufgrund der Aktenlage ohne Vernehmung des benannten Zeugen nicht nur eine unvollständige Beweiswürdigung darstellt , sondern ihrerseits revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Das Berufungsgericht hat Vortrag der Beklagten und schriftlichen Äußerungen des ehemaligen Vorstandsmitglieds A. einen Inhalt beigemessen , der ihnen nicht zu entnehmen ist, und hat damit gegen Denkgesetze verstoßen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895, vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, WM 1993, 902, 905 ff. und vom 23. Januar 1997 - I ZR 29/94, WM 1997, 1493, 1497).
- 32
- Soweit A. nach dem Vortrag der Beklagten bekannt war, dass bei einzelnen Mietpools zeitweise Mietunterdeckungen und im Zusammenhang damit zu zahlende Reparaturen im Sondereigentum bei Mieterwechsel zu Verbindlichkeiten geführt haben, besagt dies nur etwas über seine Kenntnis von Unterdeckungen bei verschiedenen Pools aus den genannten Gründen. Dass er von einem systembedingten Problem überhöhter Ausschüttungen in sämtlichen Mietpools und damit auch im streitgegenständlichen Mietpool u.a. wegen generell nicht einkalkulierter Reparaturen im Sondereigentum wusste, ergibt sich daraus nicht. Gleiches gilt für seine Notizen vom 15. August 1994 und vom 16. März 1995, die zwar - möglicherweise rechtlich unzulässige - Überlegungen zum Ausgleich von Poolunterdeckungen enthalten, aber ebenfalls nicht deren Verursachung durch überhöhte Ausschüttungen zum Gegenstand haben.
- 33
- Durch Urkunden ist damit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allein das Wissen der Beklagten von Unterdeckungen bei mehreren von der M. verwalteten Mietpools belegt, nicht aber das Wissen, dass dies Ausdruck eines generellen, systembedingten Risikos bei dem Verwalter war und schon gar nicht, dass dieses Risiko auch gerade den konkreten Mietpool betraf. Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gezogene Rückschluss aus der späteren Insolvenz der M. ist schon mit Rücksicht darauf, dass die Insolvenz erst im Jahr 2000 und damit rund 8 Jahre nach dem Beitritt des Klägers zu dem Mietpool eintrat, nicht tragfähig.
- 34
- erforderliche Das Bewusstsein der Beklagten folgt auch nicht etwa aus der Kenntnis der Vertreter der H. Gruppe. Anders als das Berufungsgericht meint, kann deren Kenntnis der Beklagten nicht mit der Begründung zugerechnet werden, sie seien „im Rahmen des besonderen Gefährdungstatbestands“ Erfüllungsgehilfen der Beklagten. Die Wissenszurechnung kann Folge dieses Tatbestands sein, nicht aber zu seiner Begründung dienen.
- 35
- 2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei zur Aufklärung über Risiken des Mietpools verpflichtet gewesen, weil sie durch ihre internen Beleihungswertfestsetzungen in den Käufern nicht bekannten Beschlussbögen einen besonderen Gefährdungstatbestand geschaffen habe. Vielmehr vermag auch die vom Kläger behauptete fehlerhafte Ermittlung des Beleihungswerts durch die Beklagte keine einen Schadensersatzanspruch auslösende Aufklärungspflichtverletzung zu begründen. Wie der Senat mit Urteil vom 20. März 2007 (XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 880 f., Tz. 41) bestätigt und noch einmal im Einzelnen dargelegt hat, prüfen und ermitteln Kreditinstitute nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Wert der ihnen gestellten Sicherheiten grundsätzlich nur im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht aber im Kundeninteresse (BGHZ 147, 343, 349; 168, 1, 20 f., Tz. 45; BGH, Senatsurteile vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, vom 21. Oktober 1997 - XI ZR 25/97, WM 1997, 2301, 2302 und vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 27). Dementsprechend kann sich grundsätzlich aus einer lediglich zu bankinternen Zwecken erfolgten Beleihungswertermittlung keine Pflichtverletzung gegenüber dem Kreditnehmer und somit auch keine diesbezügliche Aufklärungspflicht ergeben (Senatsurteile BGHZ 168 aaO S. 21, Tz. 45 und vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 881, Tz. 41; a.A. OLG Celle ZGS 2007, 152, 156 f.). Der Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass es auf die Frage, ob die Bank mit der überhöhten Verkehrswertfestsetzung eigene wirtschaftliche Vorteile erstrebt, ebenso wenig ankommt wie auf die Frage, ob das finanzierende Kreditinstitut es dem Verkäufer durch die überhöhte Wertermittlung und Finanzierung ermöglicht, das Objekt zu einem überteuerten Kaufpreis zu veräußern (Senatsurteil vom 20. März 2007 aaO). Soweit die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang geltend macht, die Beklagte habe im Zusammenhang mit der Verkehrswertermittlung wissentlich auf die H. Gruppe Druck ausgeübt, die Mietpoolausschüttungen in unrealistischer Höhe zu kalkulieren, fehlt es an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts. Dieses hat lediglich ausgeführt, die Beklagte habe durch ihr Verfahren überhöhte Mietpoolausschüttungen provoziert, hat aber ausdrücklich offen gelassen, ob es insoweit überhaupt eine Absprache zwischen der Beklagten und der H. Gruppe gegeben hat.
- 36
- 3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, ein Rückabwicklungsanspruch des Klägers ergebe sich daraus, dass die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau nicht über etwaige Nachteile und Risiken der Finanzierung des Kaufpreises durch ein Vorausdarlehen in Kombination mit zwei neu abzuschließenden Bausparverträgen aufgeklärt habe. Ungeachtet der Frage, ob und unter welchen Umständen im Einzelfall insoweit überhaupt eine Pflicht der finanzierenden Bank, ungefragt über die spezifischen Vor- und Nachteile dieser Konstruktion aufzuklären , in Betracht kommt, rechtfertigt eine etwaige Aufklärungspflichtverletzung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die vom Kläger begehrte Rückabwicklung des Darlehens- oder gar des Kaufvertrages schon deshalb nicht, weil sie nur zum Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten führt (st.Rspr., siehe etwa Senatsurteil vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 881, Tz. 42 m.w.Nachw.). Solche Mehrkosten hat der Kläger nicht dargetan.
- 37
- Soweit das Berufungsgericht in Widerspruch zu seinen Ausführungen , eine nicht geringe Anzahl von Kreditinstituten habe zwischen 1990 und 1999 - teilweise systematisch - Immobilienkredite ohne ausreichende grundpfandrechtliche Absicherung gewährt, darauf abstellt, der Kläger und seine Ehefrau hätten bei entsprechender Aufklärung mangels anderweitiger Finanzierungsmöglichkeit möglicherweise von dem gesamten Anlagegeschäft abgesehen, rechtfertigt dies entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung angesichts des Schutzzwecks der Aufklärungspflicht keine andere Beurteilung. Dies hat der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - bereits mit Urteil vom 20. März 2007 (XI ZR 414/04 aaO, Tz. 43) zu den dort zugrunde liegenden identischen Ausführungen des Berufungsgerichts entschieden und näher begründet. Die Revisionserwiderung gibt dem Senat keinen Anlass, seine dortigen Ausführungen zu ändern oder zu ergänzen.
- 38
- Ebenso wie dort sind auch hier die in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen des Berufungsgerichts verfehlt, die Beklagte habe möglicherweise die Verpflichtung getroffen, dem Kläger und seiner Ehefrau von einer Finanzierung im Rahmen des vorgesehenen Finanzierungsmodells abzuraten. Das Berufungsgericht verkennt insoweit die Unterschiede zwischen einer schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung und einer Beratungspflichtverletzung, die nur in Betracht kommen kann, wenn zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2007 aaO, Tz. 44 m.w.Nachw.). Einen solchen nimmt auch das Berufungsgericht bezogen auf die finanzierende Bank nicht an.
- 39
- 4. Da es - wie ausgeführt - an fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zur Kenntnis der Beklagten von Unregelmäßigkeiten im Bereich der von M. durchgeführten Mietpoolverwaltung, insbesondere von bewusst und planmäßig überhöhten Ausschüttungen beim Mietpool We. fehlt, ist schließlich auch ihre Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug gemäß §§ 263, 27 StGB, 823 Abs. 2, 31 BGB nicht haltbar. Es stellt, wie die Revision zu Recht rügt, insbesondere einen groben, grundrechtsrelevanten Verfahrensfehler dar, wenn das Berufungsgericht dem ehemaligen Vorstandsmitglied A. Beihilfe zum Betrug vorwirft, ohne ihn auch nur gehört zu haben.
III.
- 40
- Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zu weiteren möglichen Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten fehlt es bislang an Feststellungen.
- 41
- 1. Dies gilt zunächst für die Frage, ob sich die Beklagte im Zeitpunkt der Kreditgewährung in einem zur Aufklärung verpflichtenden schwerwiegenden Interessenkonflikt befand. Hierfür reicht es nicht aus, dass die kreditgebende Bank zugleich Kreditgeberin des Bauträgers oder Verkäufers einer Immobilie ist, oder ihm eine globale Finanzierungszusage erteilt hat (BGHZ 161, 15, 21; BGH, Senatsurteil vom 27. Januar 2004 - XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 624). Feststellungen, dass die Beklagte bei Abschluss des Darlehensvertrages Ende 1992 etwa das Risiko eines eigenen notleidenden Kreditengagements bei der H. Gruppe auf die Erwerber abgewälzt hat (vgl. Weber EWiR 2005, 657, 658), hat das Berufungsgericht bislang nicht getroffen.
- 42
- 2. Auch zu der Frage, ob die Beklagte zur Aufklärung über die vom Kläger behauptete Unangemessenheit des Kaufpreises verpflichtet war, fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine Aufklärungspflicht der finanzierenden Bank besteht insoweit wegen eines Wissensvorsprungs nur dann, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorliegt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Senatsurteil vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1225 m.w.Nachw.), wenn also der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (vgl. etwa Senatsurteile vom 20. Januar 2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521, 524 und vom 23. März 2004 aaO, jeweils m.w.Nachw.). Nach dem erstinstanzlich eingeholten - vom Kläger allerdings angegriffenen - Sachverständigengutachten, ausweislich dessen die Wohnung im Erwerbszeitpunkt einen Verkehrswert von 95.000 DM hatte, sind diese Voraussetzungen angesichts eines Kaufpreises von 129.812 DM nicht gegeben. Feststellungen hat das Berufungsgericht, das die Höhe des Verkehrswerts ausdrücklich offen gelassen hat, insoweit nicht getroffen.
- 43
- 3. Ob im Anschluss an die Urteile des erkennenden Senats vom 16. Mai 2006 (BGHZ 168, 1, 22 ff., Tz. 50 ff.) und vom 20. März 2007 (XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882 f., Tz. 52 ff.) eine Haftung der Beklagten für eigenes Aufklärungsverschulden unter dem Gesichtspunkt eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs im Hinblick auf den von der Beklagten veranlassten Mietpoolbeitritt des Klägers und seiner Ehefrau besteht, lässt sich nicht abschließend beurteilen, nachdem sich das Berufungsgericht ausdrücklich nicht veranlasst gesehen hat, im Anschluss an das Urteil vom 16. Mai 2006, mit dem der erkennende Senat seine Rechtsprechung zum Bestehen von Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank ergänzt hat, entsprechende Feststellungen zu treffen.
- 44
- Nach a) dieser Rechtsprechung (BGHZ 168, 1, 22 ff., Tz. 50 ff.; 169, 109, 115, Tz. 23; Senatsurteile vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 205/05, WM 2007, 114, 115, Tz. 17 f., vom 5. Dezember 2006 - XI ZR 341/05, ZIP 2007, 414, 418, Tz. 29 und vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882, Tz. 53) können sich die Anleger in Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.
- 45
- b) Die Frage, ob bei Anwendung dieser im Urteil des erkennenden Senats vom 16. Mai 2006 (BGHZ 168, 1, 23 f., Tz. 53-55) näher dargelegten Grundsätze hier eine widerlegliche Vermutung besteht, dass die Beklagte von einer arglistigen Täuschung des Klägers über die erzielte Miete Kenntnis hatte, kann ohne weitere Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beantwortet werden.
- 46
- Allein aa) auf den nicht berücksichtigten Reparaturaufwand am Sondereigentum lässt sich bislang eine widerlegliche Vermutung nicht stützen, weil es angesichts einer nach den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um 11,1% überhöhten Kalkulation der Nettomiete insoweit an der erforderlichen Evidenz einer möglichen Täuschung fehlt.
- 47
- bb) Immerhin blieben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Nettomieteinkünfte allerdings von Beginn an hinter den dem Kläger mitgeteilten Einkünften zurück. In dem Besuchsbericht waren Mieteinnahmen von 469 DM und in der Wirtschaftlichkeitsberechnung eine Nettomiete (nach Abzug von Verwaltungs- und Nebenkosten) von 469,20 DM ausgewiesen; tatsächlich aber hatten der Kläger und seine Ehefrau nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits unmittelbar im Anschluss an den Erwerb der Wohnung seit Beginn des Jahres 1993 ein zusätzliches Hausgeld von 279 DM monatlich zu zahlen, obwohl das Hausgeld ausweislich Ziff. 3 a) der Vereinbarung über Mietenverwaltung angeblich aus den Einnahmen des Mietpools geleistet werden sollte. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, ihm sei von Anfang an eine in Wahrheit nicht zu erzielende Miete und Rendite vorgetäuscht worden. Entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts, das ausdrücklich offen gelassen hat, ob der Vermittler fahrlässig oder vorsätzlich zu hohe Mieteinnahmen angesetzt und damit dem Kläger ein falsches Bild von der Wirtschaftlichkeit der Wohnung vermittelt habe, fehlen.
- 48
- Es wird insoweit zu klären sein, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, der Vermittler habe ihn und seine Frau durch vorsätzlich überhöhte Angaben zur Mietpoolausschüttung arglistig über die Rentabilität des Anlageobjekts getäuscht. Außerdem wird ggf. zu klären sein, ob die nach Behauptung des Klägers vorgespiegelte Miete auch objektiv evident unrichtig war.
- 49
- Sofern das der Fall sein sollte, würde die Kenntnis der Beklagten von diesen objektiv evident fehlerhaften Angaben zur Miete widerlegbar vermutet, weil die weiteren Voraussetzungen für die Beweiserleichterung nach dem im Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt vorliegen. Dies hat der Senat bereits wiederholt zu vergleichbaren Sachverhalten ausgeführt (vgl. etwa Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882, Tz. 56 und vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, Umdruck S. 15 f., Tz. 27).
- 50
- hiernach Ihre ggf. widerlegbar zu vermutende Kenntnis von den fehlerhaften Angaben des Vermittlers zu der unter Berücksichtigung anfallender Kosten erzielten Miete hat die Beklagte bestritten und für ihre fehlende Kenntnis Beweis angeboten. Ihr müsste daher für den Fall der Annahme einer widerlegbaren Vermutung Gelegenheit gegeben werden, die Vermutung zu widerlegen.
IV.
- 51
- angefochtene Das Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Das Berufungsgericht wird - nachdem die Parteien im Hinblick auf die Ergänzung der Rechtsprechung zu einem zur Aufklärung verpflichtenden besonderen Gefährdungstatbestand und zum konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag hatten - die erforderlichen weiteren Feststellungen zu den Voraussetzungen eines möglichen Schadensersatzanspruchs des Klägers aus Aufklärungsverschulden zu treffen haben. Nach der Aufhebung und Zurückverweisung besteht auch Gelegenheit, die Klageanträge der neuen Sachlage anzupassen , die durch die zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger am 28. August 2006 geschlossene notarielle Vereinbarung und deren Umsetzung entstanden ist.
Mayen Maihold
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.07.2004 - 8 O 33/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.06.2006 - 15 U 64/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bank verlangt Ausgleich eines der Höhe nach unstreitigen Sollsaldos auf einem Wertpapier-Verrechnungskonto. Der Beklagte begehrt mit seiner Widerklage Schadensersatz wegen angeblicher Pflichtverletzungen der Klägerin. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin erbringt Wertpapierdienstleistungen als sogenannter Discount-Broker. Sie beschränkt sich auf die Ausführung von Wertpapieraufträgen und lehnt jede Beratung und individuelle Aufklärung ihrer Kunden ab.
Der Beklagte, ein damals dreißigjähriger Doktorand der Rhetorik, der als Werbetexter ein durchschnittliches Jahreseinkommen von etwa 30.000 DM erzielte, eröffnete im August 1998 bei der Klägerin ein Wertpapierdepot samt Depotbegleitkonto. Bei der Vertragsanbahnung füllte er Formulare der Klägerin aus, in denen er sein zur freien Verfügung stehendes Nettovermögen auf 20.000 DM bezifferte und angab, er verfüge über die notwendigen Kenntnisse für ausgewogene Anlageentscheidungen in der Risikoklasse 5 - die unter anderem den Handel mit ausländischen Aktien, insbesondere Nebenwerten, und Optionsscheinen umfaßte - sowie über Anlageerfahrung seit zwölf Jahren. Als Anlageziel nannte er sehr hohe Ertragserwartung und Risikobereitschaft bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Er unterzeichnete ferner Formblätter der Klägerin, in denen diese darauf hinwies, daß sie als Discount-Broker keine Beratung und Aufklärung erbringe und der Kunde seine Geschäfte in Eigenregie durchführe, und in denen er bestätigte, sich darüber im klaren zu sein, daß er nur solches Kapital für Spekulationen einsetzen sollte , dessen Verlust seine Existenz nicht gefährde, und daß spekulative Käufe niemals kreditfinanziert werden sollten. Außerdem erhielt der Beklagte von der Klägerin die Informationsschrift "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren", in der unter anderem ausgeführt wurde:
"Risiko bei kreditfinanzierten Wertpapierkäufen ... Aber beachten Sie: kreditfinanzierte, spekulative Engagements sollten, selbst wenn Sie sehr risikofreudig sind, einen bestimmten Teil der Anlage nicht übersteigen. Nur so bleibt gewährleistet, daß Sie Wertpapiere nicht in ein Börsentief hineinverkaufen müssen, weil Sie das Geld benötigen oder die Börsenlage unsicher geworden ist."
Der Beklagte tätigte bei der Klägerin zunächst OptionsscheinGeschäfte mit eigenen Mitteln. Im Dezember 1999 führte er seinem Depot weitere 30.000 DM zu, die aus einem anderwärts aufgenommenen Kredit stammten. Fortan tätigte er in steigendem Umfang Aktienkäufe und -verkäufe, wobei er sein Depotkonto zunehmend überzog und bald auch die von der Klägerin berechneten Beleihungswerte seines Wertpapierdepots erheblich überschritt. Die Klägerin duldete zunächst die Kontoüberziehungen , verlangte vom Beklagten aber mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 sowie vom 26. Januar, 10. Februar, 2. März und 17. März 2000 die Rückführung des durch den jeweiligen Beleihungswert des Depots nicht gedeckten Teils der Kontoüberziehung. Dabei forderte sie den Beklagten in allen genannten Schreiben auf, er möge beachten, daß eine negative Börsenentwicklung zu einer Verringerung des Beleihungswertes und damit zu einer Erhöhung der unbesicherten Überziehung führen könne.
Der Beklagte erwarb gleichwohl bis Ende März 2000 eine Vielzahl weiterer Aktien, insbesondere große Mengen der dem sogenannten Neuen Markt zuzuordnenden israelischen Aktien OTI ON Track Innovations (im folgenden: OTI). Dabei gelang es ihm zunächst, ungeachtet seiner zunehmenden Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin ein beträchtliches Netto-Wertpapiervermögen aufzubauen.
Im weiteren Verlauf des Jahres 2000 kam es infolge fallender Wertpapierkurse zu starken Wertverlusten im Depot des Beklagten, wobei insbesondere die OTI-Aktien eine drastische Entwertung erfuhren. Der Beklagte begann Ende März 2000 mit dem Verkauf von Wertpapieren. Der Umfang dieser Verkäufe reichte jedoch nicht aus, um die Ver-
bindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Klägerin zu tilgen. Im September 2000 kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung, verwertete alle im Depot des Beklagten noch vorhandenen Wertpapiere und errechnete zum 31. Oktober 2000 eine restliche Kreditverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 298.029,82 DM.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten 152.380,23 und vorgerichtlichen Mahnkosten, der Beklagte begehrt mit seiner Wi- ! "#!$ % derklage Schadensersatz in Höhe von 6.000 Klägerin habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie sowohl eine besondere Aufklärung über die Risiken seiner Kreditspekulation unterlassen als auch pflichtwidrig die Kontoüberziehungen über seine Leistungsfähigkeit hinaus geduldet habe. Insbesondere wirft er der Klägerin vor, die Käufe der OTI-Aktien im März 2000 nicht verhindert zu haben, und behauptet, ohne diese Käufe hätte sich für ihn statt des von der Klägerin eingeklagten Sollsaldos ein Habensaldo von mehr als 6.000 rgeben.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seine vorinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Dem Beklagten stünden keine Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, die er der Klageforderung entgegenhalten oder auf die er die Widerklage stützen könnte. Die Klägerin habe keine Pflichten aus § 31 WpHG gegenüber dem Beklagten verletzt.
Allerdings sei § 31 WpHG ungeachtet der aufsichtsrechtlichen Natur des Wertpapierhandelsgesetzes als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Darüber hinaus müsse der gesetzliche Pflichtenkatalog des § 31 WpHG als Ausgestaltung derjenigen Sorgfaltsnebenpflichten bei Vertragsanbahnung oder Auftragsausführung aufgefaßt werden, deren Verletzung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder der positiven Vertragsverletzung haftungsbegründend zu berücksichtigen sei. Für einen Discount-Broker, der der Kundschaft gegenüber deutlich mache, daß er weder zu einer Beratung noch zu einer auf die individuellen Verhältnisse des konkreten Anlegers zugeschnittenen Aufklärung bereit sei, ergebe sich jedoch auch unter Berücksichtigung des § 31 WpHG sowie der dem Wertpapierhandelsgesetz zugrunde liegenden Europäischen Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen nur ein reduzierter Pflichtenumfang. Er könne seine Informationspflichten auch dadurch erfüllen, daß er den Kunden eine standardisierte Aufklärung zu den beabsichtigten Wertpapiergeschäften und deren Risiken zur Verfügung stelle.
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin dem Beklagten gegenüber durch mehrfache Hinweise verdeutlicht, daß sie allenfalls in reduziertem Umfang Aufklärung im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG erbringen werde, und dadurch ihren Pflichtenumfang im Verhältnis zum Beklagten deutlich vermindert. Das demnach geschuldete Maß an Information habe die Klägerin mit den dem Beklagten überlassenen Aufklärungsbroschüren erfüllt. Eine weitergehende Aufklärungsarbeit, insbesondere eine individuelle Aufklärung des Beklagten, sei nach § 31 Abs. 2 WpHG nicht erforderlich gewesen.
Das gelte ebenfalls für die Kreditgewährung zu Spekulationszwekken. Auch insoweit habe die Klägerin den Beklagten auf der Grundlage einer hinreichenden Ermittlung seiner Kenntnisse, Erfahrungen, Anlageziele und finanziellen Verhältnisse ausreichend informiert. Sie habe dem Beklagten nicht nur zu Beginn der Geschäftsbeziehung in Aufklärungsbroschüren und Formularen allgemeine Hinweise auf die besonderen Gefahren einer kreditfinanzierten Wertpapierspekulation erteilt, sondern ihm zusätzlich von der ersten den Beleihungswert überschreitenden Kontoüberziehung an wiederholt individuelle, auf den jeweiligen konkreten Vorgang bezogene Belehrungen zuteil werden lassen und dabei auch auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung einer unbesicherten Kontoüberziehung hingewiesen. Darüber hinaus habe die Klägerin kein weiteres Eingreifen geschuldet. Die Anlegerschutzvorschriften des § 31 WpHG enthielten keine Einschränkung des Rechts einer Bank, ihren Kunden Kredit einzuräumen, und des Rechts der Kunden, Kredit in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin sei daher nicht verpflichtet gewesen, die Ausfüh-
rung ihr erteilter Wertpapierkaufaufträge zu verweigern oder die damit verbundenen Kontoüberziehungen nicht zuzulassen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Dabei kann offenbleiben, ob dem Berufungsgericht darin zu folgen ist, daß Verstöße gegen § 31 WpHG nicht nur unter den Gesichtspunkten des Verschuldens bei Vertragsschluß und der positiven Vertragsverletzung, sondern auch nach § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatzpflichten begründen können (offengelassen bereits im Senatsurteil BGHZ 142, 345, 356). Mit Recht hat das Berufungsgericht jedenfalls eine Pflichtverletzung der Klägerin gegenüber dem Beklagten verneint.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Klägerin gegenüber dem Beklagten nur eingeschränkte Informationspflichten oblagen. Da die Klägerin den Beklagten vor Beginn der Geschäftsbeziehungen deutlich darauf hingewiesen hatte, daß sie als Discount -Broker keine individuelle Beratung und Aufklärung erbringe, und der Beklagte sich als erfahren in Wertpapiergeschäften bezeichnet sowie bestätigt hatte, keine persönliche Beratung zu wünschen, gelten im Verhältnis der Parteien die Grundsätze des Senatsurteils vom 5. Oktober 1999 (BGHZ 142, 345, 353 ff.). Danach durfte die Klägerin auf die Angaben des Beklagten vertrauen und eine individuelle Aufklärung und Beratung für entbehrlich halten. Ihre Pflichten aus § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG beschränkten sich darauf, dem Beklagten geeignetes schriftliches
Material mit standardisierten Informationen über die in Aussicht genommenen Wertpapiergeschäfte zur Verfügung zu stellen.
2. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gelangt , daß die Klägerin diese Pflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt hat.
a) Die Klägerin hat dem Beklagten schriftliche Unterlagen zur Verfügung gestellt, in denen über die Risiken von Wertpapiergeschäften im allgemeinen sowie von Börsentermingeschäften im besonderen hinreichend informiert wurde und eindringliche Warnungen davor enthalten waren, Wertpapierspekulation auf Kredit zu betreiben. Sie durfte - insbesondere auch angesichts der akademischen Vorbildung des Beklagten und der von ihm angegebenen langjährigen Anlageerfahrung - davon ausgehen, daß der Beklagte diese Informationen und Warnhinweise verstanden hatte und bei seinen Wertpapiergeschäften in der Lage war, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
Zu Unrecht macht die Revision demgegenüber geltend, die Klägerin habe gegen § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpHG verstoßen, weil sie den Beklagten nicht hinreichend gründlich, detailliert und konkret nach seinen Kenntnissen und Erfahrungen in Wertpapiergeschäften befragt habe. Die Angaben, die die Klägerin vom Beklagten verlangt und erhalten hat, waren konkret und deutlich genug, um ihn für einen kundigen, langjährig erfahrenen und in hohem Maße risikobereiten Wertpapierspekulanten zu halten, der über das standardisierte schriftliche Informationsmaterial hinaus keine weitere Aufklärung und Beratung benötigte. Nach Einzelheiten, die sie in die Lage versetzt hätten, die Angaben des Beklagten zu über-
prüfen, brauchte die Klägerin nicht zu fragen. Sie durfte vielmehr auf die Angaben des Beklagten vertrauen. § 31 Abs. 2 WpHG hat nicht den Sinn, den Anleger vor sich selbst zu schützen (Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 aaO S. 356). Überdies ist weder festgestellt noch ersichtlich , daß die Angaben des Beklagten unrichtig waren.
b) Auch im Zusammenhang mit der hohen Kreditaufnahme des Beklagten hat die Klägerin keine ihr ihm gegenüber obliegenden Pflichten verletzt.
aa) Die Wertpapierspekulation auf Kredit bringt immer dann, wenn - wie in der Regel - die erworbenen Wertpapiere als Kreditsicherheit dienen , besondere Gefahren für den Spekulanten mit sich, weil sie dazu führen kann, daß bei fallenden Kursen die Sicherheit nicht mehr ausreicht und die kreditgebende Bank den Spekulanten zwingt, seine Papiere in die Baisse hinein zu verkaufen und dadurch erhebliche Verluste zu realisieren. Das kann zum völligen Verlust des eingesetzten Kapitals und darüber hinaus auch zur Überschuldung des Spekulanten führen. Gleichwohl ist es den Banken nicht verboten, ihren Kunden für Wertpapiergeschäfte Kredite zur Verfügung zu stellen. Das Wertpapierhandelsgesetz hat daran nichts geändert. Es geht im Gegenteil, wie sein § 2 Abs. 3 a Nr. 2 zeigt, von der grundsätzlichen Zulässigkeit solcher Kredite aus und unterwirft sie als Wertpapiernebendienstleistungen den Wohlverhaltensregeln des § 31.
bb) Diesen hat die Klägerin genügt. Das Informationsmaterial, das sie dem Beklagten bei Beginn der Geschäftsbeziehungen zur Verfügung gestellt hat, enthielt alle notwendigen Informationen und Warnhinweise
über die Risiken der Kreditspekulation. Insbesondere die einschlägigen Ausführungen in der Informationsschrift "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Besondere individuelle Warnungen des Beklagten waren jedenfalls zu Beginn seiner Kreditaufnahme für Wertpapierkäufe nicht erforderlich.
cc) Die Frage, ob später das zunehmende Ausmaß der Verschuldung des Beklagten die Klägerin zu besonderen Warnungen verpflichtete , kann offenbleiben. Grundsätzlich kann auch ein Discount-Broker zu besonderen Warnungen verpflichtet sein, wenn Kundenaufträge von den zuvor erklärten Zielvorstellungen deutlich abweichen oder wenn erkennbar ist, daß Tragweite und Risiken eines Auftrags falsch eingeschätzt wurden (Siol, Festschrift Schimansky, S. 781, 789 m.w.Nachw.). Ob diese Voraussetzungen hier ungeachtet der vom Beklagten bekundeten besonders hohen Risikobereitschaft gegeben waren, braucht nicht entschieden zu werden, weil die Klägerin einer etwa bestehenden besonderen Warnpflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Auch eine Geschäftsbank anstelle der Klägerin hätte nicht mehr tun müssen.
Jedenfalls solange die Kontoüberziehungen des Beklagten den Beleihungswert seines Wertpapierdepots noch nicht überschritten hatten, bestand für die Klägerin kein Anlaß zu besonderen, über die in dem schriftlichen Informationsmaterial enthaltenen Warnhinweise hinausgehenden Warnungen. Da die in dem Depot des Beklagten enthaltenen Wertpapiere in den Beleihungswert nur mit unterschiedlichen, nach der Volatilität abgestuften Teilen ihres Marktwertes eingingen und z.B. ausländische Aktien nur mit 50% sowie Optionsscheine überhaupt nicht be-
rücksichtigt wurden, brachte die Verschuldung des Beklagten, solange der Beleihungswert nicht überschritten wurde, keine Gefahren mit sich, die über das allgemeine Risiko jeder Kreditspekulation, vor dem die Klägerin bereits hinreichend gewarnt hatte, hinausgegangen wären.
Eine Verpflichtung der Klägerin zu besonderen Warnungen konnte daher allenfalls zu dem Zeitpunkt entstehen, als der Beklagte durch immer neue Aktienkäufe seine Kontoüberziehungen über den Umfang des Beleihungswerts seines Depots hinaus vergrößerte und sich damit der unmittelbaren Gefahr aussetzte, für zusätzliche Sicherheiten oder für eine Reduzierung seiner Kreditschuld sorgen zu müssen. Sollte eine solche Warnpflicht bestanden haben, so wäre die Klägerin ihr umfassend nachgekommen. Sie hat es, beginnend mit dem 17. Dezember 1999, an wiederholten Mahnungen zur Rückführung der Überziehungen nicht fehlen lassen, dabei auf die mit den hohen Kreditschulden verbundenen Gefahren hingewiesen und insbesondere auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung unbesicherter Überziehungen aufmerksam gemacht.
dd) Wenn der Beklagte gleichwohl alle Mahnungen und Warnungen der Klägerin bis Ende März 2000 in den Wind geschlagen und auch danach nur unzureichend befolgt hat, kann er die Klägerin nicht für den dadurch entstandenen Schaden verantwortlich machen. Insbesondere kann er ihr nicht vorwerfen, sie habe seine Kaufaufträge nicht ausführen und die damit verbundenen Kontoüberziehungen nicht zulassen dürfen. Die Interessenwahrungspflicht des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG hat nicht die Funktion, hinreichend aufgeklärte und gewarnte Kunden durch Begrenzung ihrer Entscheidungsfreiheit vor sich selbst zu schützen. Die Entscheidung und Verantwortung, ob risikoreiche Spekulationsgeschäfte
trotz unzureichender Eigenkapitalausstattung abgeschlossen werden sollen, obliegt vielmehr auch nach dem Inkrafttreten des Wertpapierhan- delsgesetzes allein dem Kunden bzw. einem für ihn handelnden Vertreter. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf daher auch objektiv unvernünftige Aufträge hinreichend informierter Kunden ausführen (Senatsurteil BGHZ 147, 343, 349).
ee) Daran vermag entgegen der Ansicht der Revision die Richtlinie 93/22/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (ABl. Nr. L 141/27 vom 11. Juni 1993) nichts zu ändern. Auch im Lichte dieser Richtlinie ist § 31 WpHG nicht dahin auszulegen, daß er eine Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens begründen könnte, sich über den erklärten Willen eines ausreichend informierten Kunden hinwegzusetzen. Weder dem Artikel 11 der Richtlinie, der den Mitgliedstaaten den Erlaß von Wohlverhaltensregeln über das Handeln der Wertpapierfirmen "im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden" vorschreibt, noch den der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründen über den Anlegerschutz als eines der Ziele der Richtlinie läßt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet werden sollten, ihre Kunden zu bevormunden und die Ausführung von Aufträgen eines hinreichend informierten Kunden mit der Begründung abzulehnen, sie entsprächen nicht seinem wohlverstandenen Interesse. Für die von der Revision in diesem Punkt als notwendig angesehene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften besteht kein Anlaß.
Die von der Revision aufgeworfene Frage nach der europarechtlichen Zulässigkeit einer völligen Freistellung der sogenannten Discount-
Broker von individuellen Hinweis- und Warnpflichten rechtfertigt die Ein- schaltung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ebenfalls nicht. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Klägerin, wie oben dargelegt, dem Beklagten wegen seiner ausufernden Kreditinanspruchnahme alle erforderlichen individuellen Warnungen und Mahnungen erteilt hat.
ff) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch den Vorwurf des Beklagten , die Duldung seiner Kontoüberziehungen durch die Klägerin sei im Hinblick auf seine finanziellen Verhältnisse nicht banküblich gewesen, nicht durchgreifen lassen. Die Bonität ihrer Kunden ebenso wie die Werthaltigkeit von ihnen gestellter Sicherheiten (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 147, 343, 349 sowie vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977 und vom 21. Oktober 1997 - XI ZR 25/97, WM 1997, 2301, 2302) hat eine Bank grundsätzlich nur im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht dagegen im Kundeninteresse zu prüfen. Eine Bank, die den Kreditwünschen eines Kunden über das nach banküblichen Gepflogenheiten vertretbare Maß hinaus entgegenkommt, begeht damit keine Pflichtverletzung gegenüber dem Kunden.
III.
Die Revision des Beklagten konnte danach keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (im Folgenden : Zedent) die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten in Anspruch.
- 2
- Der Zedent, früher Geschäftsführer und leitender Angestellter bedeutender Unternehmen der Medienbranche, war Kunde der Bank und mit deren Beratung hinsichtlich seiner Wertpapieranlagen unzufrieden. Er übertrug deswegen Anfang des Jahres 2005 sein Wertpapierdepot zur Beklagten zu 1), in dem sich neben Zertifikaten und Genussscheinen überwiegend Aktien befanden. In einem mit dem früheren Beklagten zu 2), einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) (im Folgenden: Berater) geführten Erstgespräch im Januar 2005 wurden die Grundlagen der Zusammenarbeit sowie die Anlagestrategie besprochen und festgelegt.
- 3
- Über das Wertpapierdepot wickelte der Zedent in der Folgezeit zahlreiche Wertpapiergeschäfte ab, u.a. erwarb er auf - teilweise telefonische - Empfehlungen des Beraters im November 2007, Dezember 2007 und im Juli 2008 jeweils 50 Zertifikate der L. zum Kurswert von insgesamt 137.046,50 € sowie im Dezember 2007 und August 2008 insgesamt 1.000 Zertifikate der B. zum Kurswert von insgesamt 76.015 €. Die Beklagte zu 1) stellte dem Zedenten Provisionen von 0,5% bzw. 1% in Rechnung und erhielt von den Emittenten für die Vermittlung der Zertifikate weitere Provisionen in Höhe von jeweils 3 - 4% des Ausgabepreises.
- 4
- Mit der Klage hat die Klägerin, gestützt auf den Vorwurf mehrerer Aufklärungs - und Beratungsfehler, sowohl die Beklagte zu 1) als auch den Beklagten zu 2) als Berater Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate auf Rückzahlung der Anlagebeträge einschließlich der in Rechnung gestellten Provisionen von insgesamt 214.709,15 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer nur noch gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Berufung hat die Klägerin zuletzt Zahlung von 208.675,52 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Zertifikate sowie die Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 6.033,63 € aufgrund erlangter Ausschüttungen erledigt hat. Hilfsweise hat die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 183.690,55 € wegen unterbliebener Mitteilung über das herabgestufte Rating der L. im Juli 2008 verlangt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu 1) dem Hauptantrag entsprechend verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zu 1).
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Zwischen dem Zedenten und der Beklagten zu 1) sei konkludent ein Beratungsvertrag zustande gekommen, als sich dieser Anfang des Jahres 2005 an die Beklagte zu 1) gewandt habe, um hinsichtlich möglicher Anlagestrategien und -formen beraten zu werden. Die Beratung der Beklagten zu 1) sei wegen zweier Aufklärungspflichtverletzungen fehlerhaft gewesen.
- 8
- Zunächst sei der Zedent über das allgemeine Emittentenrisiko, das nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer vollständigen Risikodarstellung der Anlageform gehöre, nicht aufgeklärt worden, obwohl ein dahin gehender Aufklärungsbedarf bestanden habe, weil dem Zedenten das Risiko nicht bewusst gewesen sei.
- 9
- Da die Empfehlung, in Zertifikate zu investieren, dem Zweck habe dienen sollen, die Risiken der Einzelinvestitionen des Zedenten in Aktienwerte und in Genussscheine zu verringern, habe die Beklagte zu 1) die Aufklärung geschuldet , dass die Kapitalrückzahlung am Fälligkeitstag von der Zahlungskraft des jeweiligen Emittenten abhängen würde. Darüber habe der Berater den Zedenten , was die Beweisaufnahme ergeben habe, mündlich nicht aufgeklärt. Die von dem Berater bekundete Risikoaufklärung habe sich nämlich auf das konkrete Emittentenrisiko beschränkt, da eine Aufklärung über die Bedeutung des Ratings eines Emissionshauses nur dessen aktuelle Bonität anspreche. Sie treffe aber keine Aussage über mögliche Auswirkungen einer mangelnden Bonität, erfasse insbesondere nicht das generelle Gegenparteirisiko.
- 10
- Die mündliche Aufklärung des Zedenten über das generelle Gegenparteirisiko bei Zertifikaten sei auch nicht mangels Aufklärungsbedarfs entbehrlich gewesen. Zwar entfalle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Aufklärungspflicht der Bank, wenn der Anleger das generelle Gegenparteirisiko von Zertifikaten - beispielsweise aus seinem bisherigen Anlageverhalten - kenne oder sich insoweit als erfahren geriere. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe aber zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Zedent bei Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere kein präsentes Wissen davon gehabt habe, dass die Rückzahlung des in Zertifikate investierten Kapitals - im Unterschied zu Wertpapierfonds und vergleichbar von ihm abzustoßender Einzelanlagen in Aktien und Genussscheinen - von der Bonität des Emittenten abhänge. Der als Zeuge vernommene Zedent habe angegeben, er habe zwar gewusst, dass von ihm gehaltene Genussscheine und Einzelaktien ein Emittentenrisiko bergen würden, er habe aber gedacht, dass bei Zertifikaten sein Geld ähnlich angelegt sei wie in Aktienfonds. Zwar hätten sich im Depot des Zedenten ausweislich der Depotübersicht vom 16. Dezember 2004 bereits Zertifikate befunden. Der Zedent habe jedoch plausibel erklärt, dass dies auf Empfehlun- gen der Wertpapierberater der Bank beruht habe, mit deren Beratung und Betreuung er unzufrieden gewesen sei.
- 11
- Zu Unrecht habe das Landgericht einen Aufklärungsbedarf des Zedenten unter Bezugnahme auf eine von der Beklagten zu 1) herausgegebene Broschüre "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" (im Folgenden : Basisinformationen) verneint. Zwar könne eine gebotene Aufklärung auch durch Übergabe und Verweis auf schriftliche Informationen erfolgen. Die nach der nicht zu beanstandenden Feststellung des Landgerichts anlässlich der Erstellung von WpHG-Erfassungsbögen erfolgte Übergabe der umfangreichen Broschüre sei aber nicht geeignet gewesen, den Zedenten in gebotener Weise über das allgemeine Emittentenrisiko aufzuklären. Es hätte vielmehr eines ausdrücklichen Hinweises darauf bedurft, dass der Zedent ergänzende Angaben zu der Struktur und den Risiken von Zertifikaten dieser Broschüre entnehmen möge. An einer solchen ausdrücklichen Bezugnahme auf die schriftlichen Angaben in der Broschüre habe es gefehlt, da der Berater dem Zedenten nicht bestimmte Seiten der Basisinformationen, etwa die Seiten über Zertifikate, zur Lektüre anempfohlen habe.
- 12
- Weiter habe es die Beklagte zu 1) unterlassen, die ihr seitens der Emittenten der empfohlenen Wertpapiere versprochenen (Innen-)Provisionen offenzulegen. Der Bundesgerichtshof habe die Frage des Bestehens einer Aufklärungspflicht über der Bank zufließende Vergütungen im Urteil vom 26. Juni 2012 - XI ZR 356/11 für den Fall, dass der Kunde bei Vereinbarung eines Kommissionsgeschäfts eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag an die Bank zahle, unentschieden gelassen. Diese Frage sei für den vorliegenden Fall ungeachtet dessen zu bejahen, dass es sich ausweislich der vorgelegten Wertpapierabrechnung um Festpreisgeschäfte gehandelt habe, weil der Zedent an die Bank Provisionen habe entrichten müssen.
- 13
- Die Beklagte zu 1) habe neben den Außenprovisionen in Höhe von 0,5% bzw. 1%, die sie dem Zedenten für ihre Vermittlungstätigkeit in Rechnung gestellt habe, unstreitig Innenprovisionen von 3% - 4% von den Emittenten erlangt. Darüber habe der Berater den Zedenten nur unvollständig informiert. Der Berater habe zwar angegeben, dem Zedenten die Provisionen offengelegt zu haben, indem er sie auf die Dauer der Laufzeit umgerechnet habe. Er habe nach eigenem Bekunden den Zedenten aber nicht darauf hingewiesen, dass auch im Falle vorzeitiger Kapitalrückzahlung die Provisionen in voller Höhe von 3% bzw. 4% anfallen würden. Die Aufklärung des Zedenten sei daher im Hinblick auf den nicht fernliegenden Fall der vorzeitigen Kapitalrückzahlung unvollständig und damit falsch gewesen. Zudem hätte der Berater den Zedenten aufklären müssen, dass die jeweilige Provision des Emittenten neben der vom Zedenten an die Beklagte zu 1) zu zahlenden Provision anfalle.
II.
- 14
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 15
- 1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich eine Verletzung der Pflicht der Beklagten zu 1) aus dem - im Revisionsverfahren nicht mehr im Streit stehenden - Beratungsvertrag, den Zedenten auf das Zertifikaten innewohnende allgemeine Emittentenrisiko hinzuweisen, nicht annehmen.
- 16
- a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine beratende Bank den Anleger bei Erwerb von Zertifikaten über das sog. allgemeine Emittentenrisiko aufzuklären hat. Nach gefestigter Rechtsprechung gehört zu einer vollständigen Risikodarstellung der Anlageform des Zertifikats gegenüber dem Anleger, dass kein vom sonstigen Vermögen des Emit- tenten getrenntes Sondervermögen gebildet wird und damit die Rückzahlung generell von der Bonität des jeweiligen Emittenten bzw. Garantiegebers zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt. Der Anleger muss informiert sein, dass er im Falle von dessen Zahlungsunfähigkeit das angelegte Kapital vollständig verliert (Senatsurteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 26 f. mwN).
- 17
- Zu den die Beratungspflicht im konkreten Fall bestimmenden Umständen in der Person des Anlegers gehört dessen Wissensstand über die Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art. Nicht aufklärungsbedürftig sind deshalb Kunden, die über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit den beabsichtigten Geschäften verfügen oder sich als erfahren gerieren (Senatsurteile vom 28. September 2004 - XI ZR 259/03, WM 2004, 2205, 2206, vom 28. Juni 2005 - XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 320, vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 30 und vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 30 f.).
- 18
- b) Die Aufklärungsbedürftigkeit des Zedenten hinsichtlich des allgemeinen Emittentenrisikos hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft bejaht.
- 19
- aa) Tatrichterliche Feststellungen zur Aufklärungsbedürftigkeit eines Anlegers über das mit Zertifikaten verbundene allgemeine Emittentenrisiko sind im Revisionsverfahren nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 9 sowie Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 21 und vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, WM 2011, 2272 Rn. 29, insoweit nicht in BGHZ 191, 119 abgedruckt, jeweils mwN). Die vom Beru- fungsgericht gegebene Begründung für eine Aufklärungsbedürftigkeit des Zedenten hält dieser Überprüfung nicht stand.
- 20
- bb) Entgegen der Auffassung der Revision kann allerdings nicht bereits aus der beruflichen Tätigkeit des Zedenten auf dessen mangelnde Aufklärungsbedürftigkeit geschlossen werden. Die berufliche Qualifikation eines Kunden allein reicht nicht aus, um Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit bestimmten Anlagegeschäften zu unterstellen, solange keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, dass er solche Kenntnisse im Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit tatsächlich erworben hat (Senatsurteil vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 25 mwN).
- 21
- cc) Der Zedent hatte aber vor der Übertragung seines Depots zur Beklagten zu 1) im Jahr 2005 bereits bei der Bank Zertifikate erworben. Zutreffend hat das Berufungsgericht zwar angenommen, dass solche, von der Beklagten zu 1) behauptete Vorerfahrungen gegen die Aufklärungsbedürftigkeit des Zedenten sprechen können. Es hat diese dann jedoch denkgesetzwidrig verneint.
- 22
- (1) Ob ein Anleger durch frühere Anlagegeschäfte ausreichende Kenntnisse bezüglich des betroffenen Anlageprodukts erworben hat, muss der Tatrichter aufgrund der Umstände des Einzelfalls bestimmen. Der Anleger kann bei diesen Anlagegeschäften über das konkret in Frage stehende Risiko aufgeklärt worden sein. Die Feststellung einer konkreten früheren Beratung ist aber nicht erforderlich, wenn der Anleger das generelle Gegenparteirisiko bei Zertifikaten unmittelbar aus seinen bisherigen Anlagegeschäften kennt (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 2005 - XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 320, vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 32 und vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 30 f.).
- 23
- (2) Ob der Zedent vorliegend im Zusammenhang mit den früheren Zertifikatgeschäften auf das allgemeine Emittentenrisiko hingewiesen worden ist oder dabei entsprechende Kenntnisse erworben hat, hat das Berufungsgericht nicht geklärt. Diese Lücke lässt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht durch die Feststellung schließen, der frühere Erwerb von Zertifikaten habe auf Anlageempfehlungen der damaligen Depotbank beruht, mit deren Beratungen und Betreuung er "unzufrieden gewesen sei". Denn dieser Umstand lässt durch vorangehende Beratungen oder Erfahrungen tatsächlich erworbene Kenntnisse nicht entfallen.
- 24
- dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind solche früher erworbenen Kenntnisse des Zedenten auch nicht deshalb von vornherein ohne Bedeutung, weil er im Zeitpunkt der Beratung insoweit kein "präsentes Wissen" hatte. Es besteht nämlich kein - erneuter - Aufklärungsbedarf, wenn der Anleger tatsächlich über ausreichende Kenntnisse zum allgemeinen Emittentenrisiko verfügt. Vergegenwärtigt er sich dieses Wissen im Zeitpunkt der konkreten Anlageentscheidung nicht, so geht das grundsätzlich zu seinen Lasten.
- 25
- c) Weiter hält die Begründung des Berufungsgerichts zur Verletzung der Hinweispflicht auf das allgemeine Emittentenrisiko durch die Beklagte zu 1) revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 26
- aa) Auf Grundlage der Feststellungen im Berufungsurteil kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zedent durch die übergebenen Basisinformationen über das allgemeine Emittentenrisiko hinreichend aufgeklärt worden ist.
- 27
- (1) Zutreffend geht das Berufungsgericht noch davon aus, dass die beratende Bank ihre Aufklärungspflicht durch die rechtzeitige Übergabe von schriftlichem Informationsmaterial erfüllen kann (BGH, Urteile vom 11. Mai 2006 - III ZR 205/05, WM 2006, 1288 Rn. 9, vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 17 aE und vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 20 f. mwN). Auch allgemein gehaltenes schriftliches Material - wie hier die Basisinformationen - kann geeignet sein, über das allgemeine Emittentenrisiko aufzuklären (vgl. Senatsurteile vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 26 f., vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 32, vom 29. April 2014 - XI ZR 477/12, juris Rn. 29 und vom 25. November 2014 - XI ZR 480/13, juris Rn. 32).
- 28
- (2) Die weitergehende Anforderung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1) hätte zur Erfüllung ihrer Pflicht, auf das allgemeine Emittentenrisiko hinzuweisen , jeweils ausdrücklich auf bestimmte Seiten der Basisinformationen Bezug nehmen und dem Zedenten diese Seiten zur Lektüre anempfehlen müssen , ist damit nicht vereinbar.
- 29
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schloss die Beklagte zu 1) mit dem Zedenten nicht erst im Zusammenhang mit den konkreten Empfehlungen zu den hier streitgegenständlichen Anlagegeschäften, sondern bereits im Rahmen des ausführlichen Erstgesprächs am 25. Januar 2005, in dem die Anlagestrategie festgelegt und zur Reduzierung der Risiken von Aktienanlagen allgemein der Erwerb von Zertifikaten vereinbart worden ist, konkludent einen Beratungsvertrag und übergab dabei die Basisinformationen. Durch die in einem solchen Zusammenhang erfolgte Übergabe von schriftlichem Informationsmaterial ist für einen Anleger hinreichend deutlich, dass diese Informationen der - ergänzenden - Aufklärung und Beratung für nachfolgende konkrete Anlagegeschäfte dienen sollen. Erfassen die übergebenen schriftlichen Informationen die später gezeichneten Anlagen - hier Zertifikate - kann der Anleger auch allgemein gehaltenem schriftlichem Material die zu dieser Anlageform mitgeteilten Risiken - hier das allgemeine Emittentenrisiko - entnehmen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. November 2014 - XI ZR 480/13, juris Rn. 32 mwN), ohne dass es eines ausdrücklichen Hinweises auf bestimmte Seiten der schriftlichen Informationen und einer Aufforderung zu deren Lektüre bedarf. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Berater später - ausdrücklich oder konkludent - den Eindruck erweckt hätte, den Anleger im Rahmen der Empfehlung der einzelnen Anlagen erschöpfend mündlich aufgeklärt und beraten zu haben. Dafür ist vorliegend jedoch nichts festgestellt.
- 30
- Aus der Senatsrechtsprechung zu "Basisinformationen über Börsentermingeschäfte" (Senatsurteile vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1215, vom 24. September 1996 - XI ZR 244/95, WM 1997, 309, 310 f. und vom 28. September 2004 - XI ZR 259/03, WM 2004, 2205, 2207) ergibt sich nichts Gegenteiliges, denn das dort in verschiedenen Formen überlassene sehr umfangreiche Informationsmaterial enthielt nicht nur verstreute und lückenhafte , sondern zum Teil widersprüchliche Angaben (Senatsurteile vom 14. Mai 1996 und vom 24. September 1996, jeweils aaO).
- 31
- Nach dem - mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts - im Revisionsverfahren zu unterstellenden Inhalt der Basisinformationen wäre damit der Zedent über das mit Zertifikaten verbundene allgemeine Emittentenrisiko aufgeklärt worden.
- 32
- bb) Weiter kann die Begründung, mit der das Berufungsgericht zwar eine mündliche Risikoaufklärung zum konkreten Emittentenrisiko bejaht, darin aber allgemein keinen Hinweis auf das generelle Gegenparteirisiko sieht, keinen Bestand haben. Zwar kann auch die Beweiswürdigung, ob der Anleger auf das allgemeine Emittentenrisiko ausreichend hingewiesen worden ist, im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, WM 2011, 2272 Rn. 29, insoweit nicht in BGHZ 191, 119 abgedruckt). Dieser Überprüfung hält die Be- gründung des Berufungsgerichts zum Fehlen eines Hinweises auf das allgemeine Gegenparteirisiko aber nicht stand.
- 33
- (1) Das Berufungsgericht geht davon aus, die Risikoaufklärung der Beklagten zu 1) habe zwar die Bedeutung des Ratings des Emissionshauses und folglich das konkrete Emittentenrisiko umfasst. Daraus habe sich aber aus Sicht des Zedenten nicht ableiten lassen, die Rückzahlung des Anlagekapitals sei an die Bonität der Emittentin gebunden, sodass eine Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko nicht erfolgt sei.
- 34
- (2) Dabei übersieht das Berufungsgericht, dass die Hinweispflichten zum allgemeinen und zum konkreten Emittentenrisiko dieselbe wirtschaftliche Gefahr für den Anleger betreffen, nämlich die mögliche Unfähigkeit des Emittenten der Anleihe zu deren Bedienung im Fälligkeitszeitpunkt. Das allgemeine Emittentenrisiko beschreibt die generelle Abhängigkeit der Rückzahlung von der Bonität des Emittenten (Senatsurteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 25), während das konkrete Emittentenrisiko im Einzelfall bestehende Anhaltspunkte für die drohende Zahlungsunfähigkeit dieses Emittenten betrifft (Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 24 und vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 28; Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 301/11, WM 2014, 123 Rn. 7), also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich das allgemeine Emittentenrisiko bei der konkret betroffenen Kapitalanlage verwirklichen könnte. Deswegen vermittelt eine Risikoaufklärung über die Bedeutung der aktuellen Bonität des Emittenten eines Zertifikates im Allgemeinen zugleich die zugrunde liegende Kenntnis, dass die Rückzahlung der betreffenden Anleihe von der Zahlungsfähigkeit dieses Emittenten abhängt.
- 35
- Weshalb dieser allgemeine Zusammenhang dem Zedenten, mit dem nach Feststellung des Berufungsgerichts das konkrete Emittentenrisiko bespro- chen worden ist, im vorliegenden Fall aufgrund besonderer Umstände verborgen geblieben sein soll, sodass die Beklagte zu 1) ihrer Aufklärungspflicht nicht genügt hätte, legt das Berufungsgericht nicht näher dar. Der Hinweis auf eine mögliche "Sicherstellung der Erstemission" weist - anders als die Revisionserwiderung annehmen will - weder einen Bezug zum Vortrag der Parteien auf noch wird deutlich, weshalb insoweit aus Sicht des Zedenten zwar ein die streitgegenständlichen Zertifikate betreffendes konkretes Bonitätsrisiko bestanden haben kann, nicht aber ein allgemeines Emittentenrisiko.
- 36
- 2. Eine Pflicht der Beklagten zu 1), den Zedenten, der die streitgegenständlichen Zertifikate von der Beklagten zu 1) im Wege eines Festpreisgeschäfts erworben hat, über ihr damit verbundenes Provisionsinteresse aufzuklären , bestand entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht.
- 37
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats muss die beratende Bank ihr generelles, für jeden Anbieter wirtschaftlicher Leistungen am Markt typisches Gewinnerzielungsinteresse nicht offenbaren (Senatsurteile vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 46, vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 49 und vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 23). Eine Bank ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Kunden darüber aufzuklären, dass sie fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts (§ 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG) oder des Eigenhandels (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG) zu einem über ihrem Einkaufspreis liegenden Preis veräußert (Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 37, vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 19 und vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 27). Ein Umstand, der - wie die Gewinnerzielungsabsicht des Verkäufers - für den Kunden im Rahmen des Kaufvertrags offensichtlich ist, lässt innerhalb des Beratungsvertrags seine Schutzwürdigkeit entfallen (Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 44, vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 19, vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013,244 Rn. 27 und vom 17. September 2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rn. 11). Dabei ist unerheblich, in welcher Weise die Bank bei einem Veräußerungsgeschäft ihr Gewinninteresse realisiert (Senatsurteile vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 19 und vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 28).
- 38
- Etwas anderes gilt lediglich, wenn besondere Umstände hinzutreten, die so schwer wiegen, dass sie dem Anleger zu offenbaren sind. Diese Voraussetzung ist, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, etwa dann erfüllt, wenn die beratende Bank, die als Kaufkommissionärin dem Kunden für die Beschaffung eines empfohlenen Wertpapiers eine Provision in Rechnung stellt, darüber hinaus auch eine verborgene Vertriebsvergütung vom Emittenten des empfohlenen Produkts erlangt (Senatsurteil vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 25 f.).
- 39
- b) Danach war vorliegend die Verfolgung eigener Gewinninteressen der Beklagten zu 1) für den Zedenten offenkundig.
- 40
- aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erwarb der Zedent die streitgegenständlichen Zertifikate von der Beklagten zu 1) im Wege eines Festpreisgeschäfts. Anders als bei einem Kommissionsgeschäft war damit die Beklagte zu 1) nicht für Rechnung des Zedenten, sondern - erkennbar - für eigene Rechnung tätig (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 31).
- 41
- Davon ausgehend war die Beklagte zu 1) nicht zur Aufklärung ihres mit den Veräußerungsgeschäften verbundenen Gewinninteresses verpflichtet. Unerheblich ist, dass sie ihren Gewinn vorliegend mit einer Provisionszahlung der Emittenten erzielt hat (vgl. dazu Senatsurteile vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 19 und vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 28). Ebenso ist - anders als die Revisionserwiderung meint - ohne Bedeutung, ob die Bank zusätzlich zum Nenn- oder Kurswert vom Anleger einen weiteren Aufschlag oder - wie hier - eine "Provision" verlangt hat (Senatsurteil vom 17. September 2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rn. 14). Beides - Nenn- bzw. Kurswert einerseits und Aufschlag bzw. Provision andererseits - sind lediglich Bestandteile des insgesamt von der Bank verlangten Verkaufspreises.
- 42
- bb) Die von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene Gegenrüge, die Feststellung des Berufungsgerichts, es hätten Festpreisgeschäfte vorgelegen, widerspreche den Wertpapierabrechnungen, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden (vgl. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b ZPO). Die Klägerin hat bereits keinen konkreten Verfahrensverstoß benannt, sondern lediglich die Würdigung des Berufungsgerichts beanstandet. Zudem ist der isolierte Hinweis auf eine als Anlage übergebene Wertpapierabrechnung unzureichend , da kein - übergangener - Parteivortrag der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rn. 13) dazu genannt wird, welches Erwerbsgeschäft zwischen den Parteien vereinbart worden sein soll. Ob das zwischen Anleger und Bank vereinbarte Effektengeschäft als Kauf- oder Kommissionsvertrag zu qualifizieren ist, richtet sich nämlich nicht nach den von der Bank später erstellten Wertpapierabrechnungen , sondern nach dem Inhalt der vertraglichen Abreden, die gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln sind. Die Bezeichnung des Erwerbsgeschäfts in der Wertpapierabrechnung liefert lediglich ein Indiz für vorher getroffene Absprachen (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2002 - XI ZR 239/01, WM 2002, 1687, 1688).
- 43
- Unabhängig davon sind die Wertpapierabrechnungen - auch nach Darstellung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung - aus sich heraus nicht eindeutig, da sie die Begriffe "Kommissionsgeschäft" und "Kauf" nebeneinander verwenden.
- 44
- 3. Ebenfalls zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bezüglich beider von ihm angenommenen Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1) keine Feststellungen zu deren Kausalität für den geltend gemachten Schaden getroffen hat.
- 45
- Nach der Rechtsprechung des Senats trägt im Falle einer feststehenden Aufklärungspflichtverletzung zwar die beratende Bank die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung, dass der Anleger das Kapitalanlagegeschäft auch bei gehöriger Aufklärung abgeschlossen hätte (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff., vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 38 und vom 15. Oktober 2013 - XI ZR 51/11, juris Rn. 24). Die Revision weist aber zu Recht auf Vorbringen der Beklagten zu 1) hin, mit dem sie die Kausalität der Pflichtverletzungen in Abrede gestellt hat, sowie auf ein entsprechendes Beweisangebot. Beides ist vom Berufungsgericht rechtsfehlerhaft übergangen worden.
III.
- 46
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat die Klage im Hauptantrag nicht - unabhängig von einer Hinweispflicht auf Provisionszahlungen der Emittenten - bereits deswegen Erfolg, weil der Berater diese Vergütungen falsch dargestellt hätte. Das ist nämlich weder von dem Berufungsgericht festgestellt worden, noch ergeben sich dafür tragfähige Anhaltspunkte.
- 47
- 1. Die Angaben eines Anlageberaters zu Provisionszahlungen müssen allerdings unabhängig davon inhaltlich zutreffend sein, ob ein Hinweis aufgrund des Beratungsvertrags geschuldet ist (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 36 und vom 23. April 2013 - XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 Rn. 23).
- 48
- 2. Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen zu positiv falschen Angaben des Beraters getroffen, sondern sogar offen gelassen, ob der Berater den Zedenten überhaupt auf Zahlungen der Emittenten hingewiesen hat. Die Klägerin ist bei ihrem durch die Angaben des Zedenten gestützten Vortrag geblieben, dass über Vergütungen der Emittenten an die Beklagte zu 1) nicht gesprochen worden sei. Sie hat sich die Angaben des als Zeugen vernommenen Beraters, er habe die von den Emittenten gezahlten Provisionen als auf die Laufzeit des Zertifikats verteilte Jahresbeträge dargestellt, nicht zu eigen gemacht.
- 49
- Ohnehin wäre - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - eine rechnerische Darstellung solcher Zahlungen anhand von Jahresbeträgen, die auf die Laufzeit der Zertifikate verteilt werden, nicht ohne Weiteres unrichtig, da eine solche Angabe erkennbar von der vollen Laufzeit des Zertifikats ausgeht und damit aus objektiver Empfängersicht keine verbindliche Information zur Berechnung von Vergütungen im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Zertifikats enthält. Dass diese Angaben des Beraters, worauf die Revisionserwiderung im Anschluss an das Berufungsgericht abstellt, zur genauen Höhe der Provision unvollständig gewesen sein könnten, wäre hier - anders als im Falle einer Vollständigkeit verlangenden Aufklärungspflicht zu Anfall und Höhe von Provisionen - nur dann von Bedeutung, wenn der Berater seine Angaben aus- drücklich oder konkludent als erschöpfend dargestellt hätte. Dafür fehlen Anhaltspunkte.
- 50
- Zudem stünde die Kausalität solcher Angaben des Beraters zu Provisionszahlungen für die streitgegenständlichen Anlageentscheidungen des Zedenten nicht fest. Kennt nämlich der Anleger die von der Bank empfangene Vergütung dem Grunde nach, stellt dies ein vom Tatrichter zu würdigendes, gegen die Kausalität einer fehlerhaften Aufklärung sprechendes Indiz dar (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2013 - XI ZR 8/12, BKR 2013, 203 Rn. 22 und Senatsurteil vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 19). Vorliegend hätte der Zedent nicht nur den Anfall, sondern auch die Maximalhöhe der von der Beklagten zu 1) erzielbaren Vergütung gekannt. Allenfalls wäre er unzutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1) diesen Maximalbetrag bei vorzeitiger Kündigung des Zertifikats nicht vollständig erhält. Dass gerade von diesem Missverständnis der Entschluss des Zedenten, die streitgegenständlichen Anlagen zu zeichnen, beeinflusst worden ist, erschließt sich nicht ohne Weiteres.
IV.
- 51
- Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat hat dabei von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
- 52
- 1. Das Berufungsgericht wird zu der Pflichtverletzung, die die Klägerin in einem fehlenden Hinweis der Beklagten zu 1) auf das allgemeine Emittentenrisiko sieht, Feststellungen zur Aufklärungsbedürftigkeit des Zedenten und ggf.
- 53
- 2. Sofern die Klage nicht wegen einer Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko erfolgreich ist, wird sich das Gericht mit den weiteren behaupteten Pflichtverletzungen und ggf. mit dem Hilfsantrag zu befassen haben.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.02.2012 - 2-10 O 463/10 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 28.05.2013 - 3 U 92/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bank verlangt Ausgleich eines der Höhe nach unstreitigen Sollsaldos auf einem Wertpapier-Verrechnungskonto. Der Beklagte begehrt mit seiner Widerklage Schadensersatz wegen angeblicher Pflichtverletzungen der Klägerin. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin erbringt Wertpapierdienstleistungen als sogenannter Discount-Broker. Sie beschränkt sich auf die Ausführung von Wertpapieraufträgen und lehnt jede Beratung und individuelle Aufklärung ihrer Kunden ab.
Der Beklagte, ein damals dreißigjähriger Doktorand der Rhetorik, der als Werbetexter ein durchschnittliches Jahreseinkommen von etwa 30.000 DM erzielte, eröffnete im August 1998 bei der Klägerin ein Wertpapierdepot samt Depotbegleitkonto. Bei der Vertragsanbahnung füllte er Formulare der Klägerin aus, in denen er sein zur freien Verfügung stehendes Nettovermögen auf 20.000 DM bezifferte und angab, er verfüge über die notwendigen Kenntnisse für ausgewogene Anlageentscheidungen in der Risikoklasse 5 - die unter anderem den Handel mit ausländischen Aktien, insbesondere Nebenwerten, und Optionsscheinen umfaßte - sowie über Anlageerfahrung seit zwölf Jahren. Als Anlageziel nannte er sehr hohe Ertragserwartung und Risikobereitschaft bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Er unterzeichnete ferner Formblätter der Klägerin, in denen diese darauf hinwies, daß sie als Discount-Broker keine Beratung und Aufklärung erbringe und der Kunde seine Geschäfte in Eigenregie durchführe, und in denen er bestätigte, sich darüber im klaren zu sein, daß er nur solches Kapital für Spekulationen einsetzen sollte , dessen Verlust seine Existenz nicht gefährde, und daß spekulative Käufe niemals kreditfinanziert werden sollten. Außerdem erhielt der Beklagte von der Klägerin die Informationsschrift "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren", in der unter anderem ausgeführt wurde:
"Risiko bei kreditfinanzierten Wertpapierkäufen ... Aber beachten Sie: kreditfinanzierte, spekulative Engagements sollten, selbst wenn Sie sehr risikofreudig sind, einen bestimmten Teil der Anlage nicht übersteigen. Nur so bleibt gewährleistet, daß Sie Wertpapiere nicht in ein Börsentief hineinverkaufen müssen, weil Sie das Geld benötigen oder die Börsenlage unsicher geworden ist."
Der Beklagte tätigte bei der Klägerin zunächst OptionsscheinGeschäfte mit eigenen Mitteln. Im Dezember 1999 führte er seinem Depot weitere 30.000 DM zu, die aus einem anderwärts aufgenommenen Kredit stammten. Fortan tätigte er in steigendem Umfang Aktienkäufe und -verkäufe, wobei er sein Depotkonto zunehmend überzog und bald auch die von der Klägerin berechneten Beleihungswerte seines Wertpapierdepots erheblich überschritt. Die Klägerin duldete zunächst die Kontoüberziehungen , verlangte vom Beklagten aber mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 sowie vom 26. Januar, 10. Februar, 2. März und 17. März 2000 die Rückführung des durch den jeweiligen Beleihungswert des Depots nicht gedeckten Teils der Kontoüberziehung. Dabei forderte sie den Beklagten in allen genannten Schreiben auf, er möge beachten, daß eine negative Börsenentwicklung zu einer Verringerung des Beleihungswertes und damit zu einer Erhöhung der unbesicherten Überziehung führen könne.
Der Beklagte erwarb gleichwohl bis Ende März 2000 eine Vielzahl weiterer Aktien, insbesondere große Mengen der dem sogenannten Neuen Markt zuzuordnenden israelischen Aktien OTI ON Track Innovations (im folgenden: OTI). Dabei gelang es ihm zunächst, ungeachtet seiner zunehmenden Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin ein beträchtliches Netto-Wertpapiervermögen aufzubauen.
Im weiteren Verlauf des Jahres 2000 kam es infolge fallender Wertpapierkurse zu starken Wertverlusten im Depot des Beklagten, wobei insbesondere die OTI-Aktien eine drastische Entwertung erfuhren. Der Beklagte begann Ende März 2000 mit dem Verkauf von Wertpapieren. Der Umfang dieser Verkäufe reichte jedoch nicht aus, um die Ver-
bindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Klägerin zu tilgen. Im September 2000 kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung, verwertete alle im Depot des Beklagten noch vorhandenen Wertpapiere und errechnete zum 31. Oktober 2000 eine restliche Kreditverbindlichkeit des Beklagten in Höhe von 298.029,82 DM.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten 152.380,23 und vorgerichtlichen Mahnkosten, der Beklagte begehrt mit seiner Wi- ! "#!$ % derklage Schadensersatz in Höhe von 6.000 Klägerin habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, weil sie sowohl eine besondere Aufklärung über die Risiken seiner Kreditspekulation unterlassen als auch pflichtwidrig die Kontoüberziehungen über seine Leistungsfähigkeit hinaus geduldet habe. Insbesondere wirft er der Klägerin vor, die Käufe der OTI-Aktien im März 2000 nicht verhindert zu haben, und behauptet, ohne diese Käufe hätte sich für ihn statt des von der Klägerin eingeklagten Sollsaldos ein Habensaldo von mehr als 6.000 rgeben.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seine vorinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Dem Beklagten stünden keine Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, die er der Klageforderung entgegenhalten oder auf die er die Widerklage stützen könnte. Die Klägerin habe keine Pflichten aus § 31 WpHG gegenüber dem Beklagten verletzt.
Allerdings sei § 31 WpHG ungeachtet der aufsichtsrechtlichen Natur des Wertpapierhandelsgesetzes als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Darüber hinaus müsse der gesetzliche Pflichtenkatalog des § 31 WpHG als Ausgestaltung derjenigen Sorgfaltsnebenpflichten bei Vertragsanbahnung oder Auftragsausführung aufgefaßt werden, deren Verletzung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder der positiven Vertragsverletzung haftungsbegründend zu berücksichtigen sei. Für einen Discount-Broker, der der Kundschaft gegenüber deutlich mache, daß er weder zu einer Beratung noch zu einer auf die individuellen Verhältnisse des konkreten Anlegers zugeschnittenen Aufklärung bereit sei, ergebe sich jedoch auch unter Berücksichtigung des § 31 WpHG sowie der dem Wertpapierhandelsgesetz zugrunde liegenden Europäischen Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen nur ein reduzierter Pflichtenumfang. Er könne seine Informationspflichten auch dadurch erfüllen, daß er den Kunden eine standardisierte Aufklärung zu den beabsichtigten Wertpapiergeschäften und deren Risiken zur Verfügung stelle.
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin dem Beklagten gegenüber durch mehrfache Hinweise verdeutlicht, daß sie allenfalls in reduziertem Umfang Aufklärung im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG erbringen werde, und dadurch ihren Pflichtenumfang im Verhältnis zum Beklagten deutlich vermindert. Das demnach geschuldete Maß an Information habe die Klägerin mit den dem Beklagten überlassenen Aufklärungsbroschüren erfüllt. Eine weitergehende Aufklärungsarbeit, insbesondere eine individuelle Aufklärung des Beklagten, sei nach § 31 Abs. 2 WpHG nicht erforderlich gewesen.
Das gelte ebenfalls für die Kreditgewährung zu Spekulationszwekken. Auch insoweit habe die Klägerin den Beklagten auf der Grundlage einer hinreichenden Ermittlung seiner Kenntnisse, Erfahrungen, Anlageziele und finanziellen Verhältnisse ausreichend informiert. Sie habe dem Beklagten nicht nur zu Beginn der Geschäftsbeziehung in Aufklärungsbroschüren und Formularen allgemeine Hinweise auf die besonderen Gefahren einer kreditfinanzierten Wertpapierspekulation erteilt, sondern ihm zusätzlich von der ersten den Beleihungswert überschreitenden Kontoüberziehung an wiederholt individuelle, auf den jeweiligen konkreten Vorgang bezogene Belehrungen zuteil werden lassen und dabei auch auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung einer unbesicherten Kontoüberziehung hingewiesen. Darüber hinaus habe die Klägerin kein weiteres Eingreifen geschuldet. Die Anlegerschutzvorschriften des § 31 WpHG enthielten keine Einschränkung des Rechts einer Bank, ihren Kunden Kredit einzuräumen, und des Rechts der Kunden, Kredit in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin sei daher nicht verpflichtet gewesen, die Ausfüh-
rung ihr erteilter Wertpapierkaufaufträge zu verweigern oder die damit verbundenen Kontoüberziehungen nicht zuzulassen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Dabei kann offenbleiben, ob dem Berufungsgericht darin zu folgen ist, daß Verstöße gegen § 31 WpHG nicht nur unter den Gesichtspunkten des Verschuldens bei Vertragsschluß und der positiven Vertragsverletzung, sondern auch nach § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatzpflichten begründen können (offengelassen bereits im Senatsurteil BGHZ 142, 345, 356). Mit Recht hat das Berufungsgericht jedenfalls eine Pflichtverletzung der Klägerin gegenüber dem Beklagten verneint.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Klägerin gegenüber dem Beklagten nur eingeschränkte Informationspflichten oblagen. Da die Klägerin den Beklagten vor Beginn der Geschäftsbeziehungen deutlich darauf hingewiesen hatte, daß sie als Discount -Broker keine individuelle Beratung und Aufklärung erbringe, und der Beklagte sich als erfahren in Wertpapiergeschäften bezeichnet sowie bestätigt hatte, keine persönliche Beratung zu wünschen, gelten im Verhältnis der Parteien die Grundsätze des Senatsurteils vom 5. Oktober 1999 (BGHZ 142, 345, 353 ff.). Danach durfte die Klägerin auf die Angaben des Beklagten vertrauen und eine individuelle Aufklärung und Beratung für entbehrlich halten. Ihre Pflichten aus § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG beschränkten sich darauf, dem Beklagten geeignetes schriftliches
Material mit standardisierten Informationen über die in Aussicht genommenen Wertpapiergeschäfte zur Verfügung zu stellen.
2. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gelangt , daß die Klägerin diese Pflichten gegenüber dem Beklagten erfüllt hat.
a) Die Klägerin hat dem Beklagten schriftliche Unterlagen zur Verfügung gestellt, in denen über die Risiken von Wertpapiergeschäften im allgemeinen sowie von Börsentermingeschäften im besonderen hinreichend informiert wurde und eindringliche Warnungen davor enthalten waren, Wertpapierspekulation auf Kredit zu betreiben. Sie durfte - insbesondere auch angesichts der akademischen Vorbildung des Beklagten und der von ihm angegebenen langjährigen Anlageerfahrung - davon ausgehen, daß der Beklagte diese Informationen und Warnhinweise verstanden hatte und bei seinen Wertpapiergeschäften in der Lage war, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
Zu Unrecht macht die Revision demgegenüber geltend, die Klägerin habe gegen § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpHG verstoßen, weil sie den Beklagten nicht hinreichend gründlich, detailliert und konkret nach seinen Kenntnissen und Erfahrungen in Wertpapiergeschäften befragt habe. Die Angaben, die die Klägerin vom Beklagten verlangt und erhalten hat, waren konkret und deutlich genug, um ihn für einen kundigen, langjährig erfahrenen und in hohem Maße risikobereiten Wertpapierspekulanten zu halten, der über das standardisierte schriftliche Informationsmaterial hinaus keine weitere Aufklärung und Beratung benötigte. Nach Einzelheiten, die sie in die Lage versetzt hätten, die Angaben des Beklagten zu über-
prüfen, brauchte die Klägerin nicht zu fragen. Sie durfte vielmehr auf die Angaben des Beklagten vertrauen. § 31 Abs. 2 WpHG hat nicht den Sinn, den Anleger vor sich selbst zu schützen (Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 aaO S. 356). Überdies ist weder festgestellt noch ersichtlich , daß die Angaben des Beklagten unrichtig waren.
b) Auch im Zusammenhang mit der hohen Kreditaufnahme des Beklagten hat die Klägerin keine ihr ihm gegenüber obliegenden Pflichten verletzt.
aa) Die Wertpapierspekulation auf Kredit bringt immer dann, wenn - wie in der Regel - die erworbenen Wertpapiere als Kreditsicherheit dienen , besondere Gefahren für den Spekulanten mit sich, weil sie dazu führen kann, daß bei fallenden Kursen die Sicherheit nicht mehr ausreicht und die kreditgebende Bank den Spekulanten zwingt, seine Papiere in die Baisse hinein zu verkaufen und dadurch erhebliche Verluste zu realisieren. Das kann zum völligen Verlust des eingesetzten Kapitals und darüber hinaus auch zur Überschuldung des Spekulanten führen. Gleichwohl ist es den Banken nicht verboten, ihren Kunden für Wertpapiergeschäfte Kredite zur Verfügung zu stellen. Das Wertpapierhandelsgesetz hat daran nichts geändert. Es geht im Gegenteil, wie sein § 2 Abs. 3 a Nr. 2 zeigt, von der grundsätzlichen Zulässigkeit solcher Kredite aus und unterwirft sie als Wertpapiernebendienstleistungen den Wohlverhaltensregeln des § 31.
bb) Diesen hat die Klägerin genügt. Das Informationsmaterial, das sie dem Beklagten bei Beginn der Geschäftsbeziehungen zur Verfügung gestellt hat, enthielt alle notwendigen Informationen und Warnhinweise
über die Risiken der Kreditspekulation. Insbesondere die einschlägigen Ausführungen in der Informationsschrift "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Besondere individuelle Warnungen des Beklagten waren jedenfalls zu Beginn seiner Kreditaufnahme für Wertpapierkäufe nicht erforderlich.
cc) Die Frage, ob später das zunehmende Ausmaß der Verschuldung des Beklagten die Klägerin zu besonderen Warnungen verpflichtete , kann offenbleiben. Grundsätzlich kann auch ein Discount-Broker zu besonderen Warnungen verpflichtet sein, wenn Kundenaufträge von den zuvor erklärten Zielvorstellungen deutlich abweichen oder wenn erkennbar ist, daß Tragweite und Risiken eines Auftrags falsch eingeschätzt wurden (Siol, Festschrift Schimansky, S. 781, 789 m.w.Nachw.). Ob diese Voraussetzungen hier ungeachtet der vom Beklagten bekundeten besonders hohen Risikobereitschaft gegeben waren, braucht nicht entschieden zu werden, weil die Klägerin einer etwa bestehenden besonderen Warnpflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Auch eine Geschäftsbank anstelle der Klägerin hätte nicht mehr tun müssen.
Jedenfalls solange die Kontoüberziehungen des Beklagten den Beleihungswert seines Wertpapierdepots noch nicht überschritten hatten, bestand für die Klägerin kein Anlaß zu besonderen, über die in dem schriftlichen Informationsmaterial enthaltenen Warnhinweise hinausgehenden Warnungen. Da die in dem Depot des Beklagten enthaltenen Wertpapiere in den Beleihungswert nur mit unterschiedlichen, nach der Volatilität abgestuften Teilen ihres Marktwertes eingingen und z.B. ausländische Aktien nur mit 50% sowie Optionsscheine überhaupt nicht be-
rücksichtigt wurden, brachte die Verschuldung des Beklagten, solange der Beleihungswert nicht überschritten wurde, keine Gefahren mit sich, die über das allgemeine Risiko jeder Kreditspekulation, vor dem die Klägerin bereits hinreichend gewarnt hatte, hinausgegangen wären.
Eine Verpflichtung der Klägerin zu besonderen Warnungen konnte daher allenfalls zu dem Zeitpunkt entstehen, als der Beklagte durch immer neue Aktienkäufe seine Kontoüberziehungen über den Umfang des Beleihungswerts seines Depots hinaus vergrößerte und sich damit der unmittelbaren Gefahr aussetzte, für zusätzliche Sicherheiten oder für eine Reduzierung seiner Kreditschuld sorgen zu müssen. Sollte eine solche Warnpflicht bestanden haben, so wäre die Klägerin ihr umfassend nachgekommen. Sie hat es, beginnend mit dem 17. Dezember 1999, an wiederholten Mahnungen zur Rückführung der Überziehungen nicht fehlen lassen, dabei auf die mit den hohen Kreditschulden verbundenen Gefahren hingewiesen und insbesondere auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung unbesicherter Überziehungen aufmerksam gemacht.
dd) Wenn der Beklagte gleichwohl alle Mahnungen und Warnungen der Klägerin bis Ende März 2000 in den Wind geschlagen und auch danach nur unzureichend befolgt hat, kann er die Klägerin nicht für den dadurch entstandenen Schaden verantwortlich machen. Insbesondere kann er ihr nicht vorwerfen, sie habe seine Kaufaufträge nicht ausführen und die damit verbundenen Kontoüberziehungen nicht zulassen dürfen. Die Interessenwahrungspflicht des § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG hat nicht die Funktion, hinreichend aufgeklärte und gewarnte Kunden durch Begrenzung ihrer Entscheidungsfreiheit vor sich selbst zu schützen. Die Entscheidung und Verantwortung, ob risikoreiche Spekulationsgeschäfte
trotz unzureichender Eigenkapitalausstattung abgeschlossen werden sollen, obliegt vielmehr auch nach dem Inkrafttreten des Wertpapierhan- delsgesetzes allein dem Kunden bzw. einem für ihn handelnden Vertreter. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf daher auch objektiv unvernünftige Aufträge hinreichend informierter Kunden ausführen (Senatsurteil BGHZ 147, 343, 349).
ee) Daran vermag entgegen der Ansicht der Revision die Richtlinie 93/22/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 1993 (ABl. Nr. L 141/27 vom 11. Juni 1993) nichts zu ändern. Auch im Lichte dieser Richtlinie ist § 31 WpHG nicht dahin auszulegen, daß er eine Pflicht des Wertpapierdienstleistungsunternehmens begründen könnte, sich über den erklärten Willen eines ausreichend informierten Kunden hinwegzusetzen. Weder dem Artikel 11 der Richtlinie, der den Mitgliedstaaten den Erlaß von Wohlverhaltensregeln über das Handeln der Wertpapierfirmen "im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden" vorschreibt, noch den der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründen über den Anlegerschutz als eines der Ziele der Richtlinie läßt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet werden sollten, ihre Kunden zu bevormunden und die Ausführung von Aufträgen eines hinreichend informierten Kunden mit der Begründung abzulehnen, sie entsprächen nicht seinem wohlverstandenen Interesse. Für die von der Revision in diesem Punkt als notwendig angesehene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften besteht kein Anlaß.
Die von der Revision aufgeworfene Frage nach der europarechtlichen Zulässigkeit einer völligen Freistellung der sogenannten Discount-
Broker von individuellen Hinweis- und Warnpflichten rechtfertigt die Ein- schaltung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ebenfalls nicht. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Klägerin, wie oben dargelegt, dem Beklagten wegen seiner ausufernden Kreditinanspruchnahme alle erforderlichen individuellen Warnungen und Mahnungen erteilt hat.
ff) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch den Vorwurf des Beklagten , die Duldung seiner Kontoüberziehungen durch die Klägerin sei im Hinblick auf seine finanziellen Verhältnisse nicht banküblich gewesen, nicht durchgreifen lassen. Die Bonität ihrer Kunden ebenso wie die Werthaltigkeit von ihnen gestellter Sicherheiten (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 147, 343, 349 sowie vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977 und vom 21. Oktober 1997 - XI ZR 25/97, WM 1997, 2301, 2302) hat eine Bank grundsätzlich nur im eigenen Interesse sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, nicht dagegen im Kundeninteresse zu prüfen. Eine Bank, die den Kreditwünschen eines Kunden über das nach banküblichen Gepflogenheiten vertretbare Maß hinaus entgegenkommt, begeht damit keine Pflichtverletzung gegenüber dem Kunden.
III.
Die Revision des Beklagten konnte danach keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Nobbe Bungeroth Müller
Wassermann Appl
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verfolgt Schadensersatzansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.
- 2
- Der Sohn des Beklagten gründete Ende 1995 als Gesellschafter die N. GmbH. Diese betrieb ein Effekten- und Depotgeschäft, vertrieb amerikanische Aktien und vermittelte sie an von ihr beratene Kunden. Die N. GmbH war nicht im Besitz einer Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz.
- 3
- Der Beklagte war 1995 und 1996 Geschäftsführer der N. GmbH, danach - bis zum 2. Juli 1998 - deren Prokurist. In dieser Funktion war er unter anderem mit der Buchhaltung und der Auszahlung von Mitarbeiterprovisionen befasst.
- 4
- Der Kläger wurde von der N. GmbH beraten. Deren Mitarbeiter empfahlen ihm, amerikanische Aktien der Firma P. entweder über sie direkt oder über die Hausbank zu erwerben. Der Kläger erwarb über seine Hausbank P.-Aktien für umgerechnet 71.989,16 €, und zwar in insgesamt acht Kaufaufträgen zwi- schen dem 5. Mai 1998 und dem 22. Juni 1998 sowie in zwei weiteren Käufen vom 19. August 1998.
- 5
- Die N. GmbH erwirtschaftete seit Beginn ihrer Geschäftstätigkeit Verluste. Der Sohn des Beklagten verbrauchte Anlegergelder für sich, statt sie weisungsgemäß zum Erwerb von Aktien zu verwenden. Er wurde später wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
- 6
- Der Kläger verlangt Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises für die P.-Aktien vom Beklagten, weil dieser, als er 1996 noch Geschäftsführer war, den unerlaubten Geschäftsbetrieb nicht unterbunden habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung der Klageforderung Zug um Zug gegen Herausgabe der P.-Aktien verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG zuerkannt, weil die N. GmbH ohne die nach § 32 KWG erforderliche schriftliche Erlaubnis des Bundesaufsichtsamts im Hinblick auf die vom Kläger im Jahr 1998 erworbenen P.Aktien eine gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen erlaubnispflichtige Anlagevermittlung in Form der Nachweismakelei betrieben habe.
- 8
- Der Beklagte hafte für diesen Schadensersatzanspruch jedenfalls als Gehilfe gemäß § 830 Abs. 2 BGB. Er habe den rechtswidrigen Geschäftsbetrieb und die Erreichung der Ziele seines Sohns gefördert und unterstützt, indem er die betriebliche Tätigkeit der N. GmbH durch die Übernahme von Leitungsfunktionen zunächst als Geschäftsführer, dann als Prokurist, formal und tatsächlich handelnd mindestens durch die Gewährleistung von Buchhaltung und Provisionsbearbeitung im Wege einer für Mittäter und Gehilfen typischen Arbeitsteilung unterstützt habe. In subjektiver Hinsicht habe der Beklagte entweder positive Kenntnis von dem Geschäftsmodell der Gesellschaft gehabt oder dieses zumindest keiner Überprüfung unterzogen, sondern seinem Sohn das unkontrollierte Betreiben des Geschäftsmodells ermöglicht und damit zumindest bedingt vorsätzliche Beihilfe zu der unerlaubten Handlung geleistet.
- 9
- Die Schadenshöhe betreffend sei der Kläger so zu stellen, als habe er die Anlagen nicht getätigt. Zum Schaden gehörten dabei auch die Ausgaben, die ihm wegen der zeitlich nach dem Ausscheiden des Beklagten liegenden zwei Transaktionen vom 19. August 1998 entstanden seien, weil insoweit noch eine adäquate Kausalität des vom Beklagten unterstützten Geschäftsbetriebs bestanden habe. Der Anspruch sei auch nicht verjährt.
II.
- 10
- Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers ist (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 2006 - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rn. 13 f. und - VI ZR 340/04, WM 2006, 1896 Rn. 12 f.; vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rn. 16; vom 9. November 2010 - VI ZR 303/09, VersR 2011, 218 Rn. 8; vom 23. November 2010 - VI ZR 244/09, VersR 2011, 216 Rn. 10; BGH, Urteile vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 379 f.; vom 21. April 2005 - III ZR 238/03, VersR 2005, 1394, 1395; vom 19. Januar 2006 - III ZR 105/05, BGHZ 166, 29 Rn. 17; vom 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, NJW 2010, 1077 Rn. 13). In der ab 1. Januar 1998 gültigen, hier einschlägigen Fassung dieser Vorschrift aufgrund des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen (6. KWG-Novelle) vom 22. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2518; im Folgenden : KWG a.F.) bedurfte derjenige, der im Inland gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen wollte, der vorherigen schriftlichen Erlaubnis des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - BaFin). Das Berufungsgericht hat jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen, dass die N. GmbH im Hinblick auf den Erwerb von P.-Aktien durch den Kläger Mitte des Jahres 1998 gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG a.F. erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen erbracht hat.
- 12
- a) Eine nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG a.F. erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung stellte die Anlagevermittlung im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG a.F. dar. Den Begriff der Anlagevermittlung definierte das Gesetz als die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten oder deren Nachweis. Aktien gehörten gemäß § 1 Abs. 11 Satz 1, 2 Nr. 1 Fall 1 KWG a.F. unter dem Oberbegriff der Wertpapiere zu den Finanzinstrumenten im Sinne des Gesetzes.
- 13
- Der Tatbestand der Anlagevermittlung erfasste nach der Intention des Gesetzgebers die Tätigkeit des Nachweismaklers im Sinne des § 34c GewO, soweit sie sich auf Finanzinstrumente im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG bezog (BT-Drucks. 13/7142, S. 65). Damit war klargestellt, dass das Merkmal "oder deren Nachweis" ausschließlich auf die Tätigkeit des Nachweismaklers im Sinne des § 34c GewO Bezug nahm (vgl. HessVGH, NJW 2003, 3578; ZIP 2010, 1841, 1845; VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. November 2002 - 9 G 2819/02, juris Rn. 7; WM 2005, 1028; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 1 Rn. 122; Serafin/Weber in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/ Weber , KWG 2009, § 1 Rn. 38; MünchKommStGB/Janssen, 2010, § 54 KWG Rn. 50; Schröder in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 10. Teil 3. Kap. Rn. 62; Hammen, WM 2001, 929, 932; Jung, BB 1998, 649, 650). § 34c Abs. 1 Satz 1 GewO zählt eine Reihe von Geschäften auf, hinsichtlich derer die gewerbsmäßige Vermittlung des Abschlusses von Verträgen oder der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen einer behördlichen Erlaubnis bedarf. Die dort in einzelnen Fällen unter Erlaubnisvorbehalt gestellte Nachweismakelei wird in § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB normiert (vgl. HessVGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - 6 A 1676/08, ZIP 2010, 1841, 1842 und juris Rn. 58 - insoweit in ZIP 2010, 1841 nicht abgedruckt; Ennuschat in Tettinger /Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl., § 34c Rn. 18; Pielow/Martinez, GewO, 2009, § 34c Rn. 12 und BeckOK GewO, § 34c Rn. 12 (Stand: April 2012)). Entsprechend dem zivilrechtlichen Verständnis besteht auch aus gewerberechtlicher Sicht der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen darin, dass der Gewerbetreibende dem Auftraggeber einen bisher unbekannten Interessenten oder ein Objekt und den künftigen Vertragspartner benennt, so dass der Auftraggeber von sich aus Vertragsverhandlungen aufnehmen kann (vgl. VG Frankfurt am Main, WM 2005, 1028 f.; Ennuschat in Tettinger /Wank/Ennuschat, aaO; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, § 34c Rn. 13 (Stand: August 2009); Pielow/Martinez, GewO, aaO Rn. 12 f. und BeckOK GewO, aaO Rn. 12 f. (Stand: April 2012); Hammen, aaO; Informationsblatt 1/98 des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen für inländische Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor (Stand: April 1998), S. 2).
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- b) Die Anlagevermittlung ist von der Anlageberatung abzugrenzen. Die Anlageberatung wurde 1998 als Tätigkeit eines Finanzunternehmens gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 KWG a.F. eingestuft und war damit nicht erlaubnispflichtig (vgl. VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. November 2002 - 9 G 2819/02, aaO; Jung, aaO S. 651 f.). Eine Erlaubnispflicht als Finanzdienstleistung besteht insoweit erst seit dem 1. November 2007 gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG in der Fassung des FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetzes vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330). § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG n.F. definiert die Anlageberatung nunmehr als "die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird."
- 15
- Hiermit im Einklang steht die schon vor Inkrafttreten des Kreditwesengesetzes zur vertraglichen Haftung ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Anlagevermittlung einerseits, Anlageberatung andererseits (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80, VersR 1982, 194, 195 und vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92, VersR 1993, 1104, 1105). Danach liegt regelmäßig eine Anlageberatung vor, wenn der Kapitalanleger selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat und deshalb nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren - häufig auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene - fachkundige Bewertung und Beurteilung erwartet, die er, der Kapitalanleger, auch besonders honoriert. Demgegenüber hat der Anlagevermittler in der Regel für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf eine ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen, wobei der Kapitalanleger von dem Anlagevermittler in erster Linie eine Auskunftserteilung über die tatsächlichen Umstände der ins Auge gefassten Anlageform erwartet (zur Abgrenzung vgl. weiterhin OLG München, Urteil vom 6. September 2006 - 20 U 2694/06, juris Rn. 44, 46; LG Münster, Urteil vom 4. September 2007 - 11 O 386/06, juris Rn. 19; aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: HessVGH , NJW 2003, 3578 f.; VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. November 2002 - 9 G 2819/02, aaO Rn. 8 f.; aus der Literatur: von Heymann/Edelmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 4 Rn. 3 f.; Brogl in Reischauer/Kleinhans, KWG, § 1 Rn. 181 (Stand: Februar 2010); Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, KWG, 2009, § 1 Rn. 77, 80; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO Rn. 123; Informationsblatt 1/98 des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen für inländische Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor , aaO; Merkblatt der BaFin: Hinweise zum Tatbestand der Anlagevermittlung, abrufbar unter www.bafin.de).
- 16
- c) Anhand der Feststellungen des Berufungsgerichts über die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kläger und der N. GmbH sowie zum konkreten Erwerbsvorgang betreffend die P.-Aktien kann nicht zweifelsfrei beurteilt werden, ob die N. GmbH im Fall des Klägers eine erlaubnispflichtige Nachweismakelei oder eine zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erlaubnispflichtige Anlageberatung betrieben hat. Zwar haben die Mitarbeiter der N. GmbH nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kläger konkrete Finanzinstrumente in Form der P.-Aktien zum Zwecke der Kapitalanlage empfohlen. Es fehlen jedoch hinreichende Feststellungen, dass die N. GmbH Geschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG a.F. nachgewiesen hat. Der Kläger hat die in Rede stehenden Aktien nicht direkt über die N. GmbH, sondern über seine Hausbank erworben. Zu den weiteren Einzelheiten des Erwerbsvorgangs sowie zu etwaigen Provisionszahlungen hat das Berufungsgericht ebenso wenig nähere Feststellungen getroffen wie zu etwaigen vertraglichen Vereinbarungen. Das Berufungsurteil unterliegt mithin bereits deshalb der Aufhebung, weil die getroffenen Feststellungen einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB nicht tragen.
- 17
- 2. Darüber hinaus tragen auch die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dessen Annahme einer Teilnahme des Beklagten im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB an einer (unterstellten) unerlaubten Handlung seines Sohnes. Die Voraussetzungen hierfür richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Danach verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war (Senatsurteile vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 182/73, BGHZ 63, 124, 126; vom 24. Januar 1984 - VI ZR 37/82, BGHZ 89, 383, 389; vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 102; vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, VersR 2004, 1273, 1275). Auch im Rahmen eines Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG a.F. ist eine Haftung aus § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nur bei vorsätzlicher Beteiligung an einem fremden Vorsatzdelikt gegeben (Senatsurteil vom 11. Juli 2006 - VI ZR 339/04, aaO Rn. 31; OLG Dresden, Beschlüsse vom 22. August 2007 - 8 U 956/07, juris Rn. 13 und vom 1. Oktober 2007 - 8 U 956/07, juris Rn. 1). Nach diesen Grundsätzen sind die Feststellungen, die das Berufungsgericht bisher im Hinblick auf eine Teilnahme des Beklagten an einer von ihm angenommenen fremden Schutzgesetzverletzung getroffen hat, unzureichend.
- 18
- a) Es fehlt bereits an Feststellungen zum Vorliegen einervorsätzlichen Haupttat. Soweit sich das Berufungsgericht darauf beschränkt, den Sohn des Beklagten ohne nähere Begründung als "Haupttäter" zu bezeichnen, reicht dies zur Feststellung einer Vorsatztat nicht aus.
- 19
- aa) Wer entgegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG a.F. ohne entsprechende Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbrachte, machte sich bei vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person - wie hier für die N. GmbH -, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO, § 54 Rn. 10; Wegner in Beck/Samm/- Kokemoor, KWG, § 54 Rn. 52 (Stand: August 2010); Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 54 KWG Rn. 2 (Stand: Juni 2011); Park/Janssen, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., § 54 KWG Rn. 16; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., Rn. 969 und in Achenbach/Ransiek, aaO Rn. 89; Redenius-Hövermann in Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, aaO, § 54 Rn. 2; Reischauer/Kleinhans, aaO, § 54 Rn. 4 (Stand: Juni 1999); Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, aaO, § 54 Rn. 12). Sie trifft denjenigen , der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin den oder die Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG; vgl. Senatsurteile vom 12. März 1996 - VI ZR 90/95, VersR 1996, 713, 714; vom 11. Juli 2006 - VI ZR 339/04, aaO Rn. 28; BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 238/03, aaO S. 1396; OLG München, WM 2006, 1765, 1768). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob der Sohn des Beklagten, den es im Hinblick auf die Beurteilung einer Teilnahme des Beklagten als "Haupttäter" bezeichnet , im Jahre 1998 Geschäftsführer der N. GmbH war.
- 20
- bb) Auch zu der Frage, ob der Sohn des Beklagten als möglicher damaliger Geschäftsführer der N. GmbH als Haupttäter Vorsatz in Bezug auf das Betreiben einer etwaigen erlaubnispflichtigen Anlagenvermittlung aufwies und damit den subjektiven Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. verwirklicht hat, verhält sich das Berufungsurteil nicht; es fehlt diesbezüglich an Feststellungen zur inneren Tatseite, wenn auch nach den Umständen des Streitfalles ein vorsätzliches Handeln zumindest nahe liegen mag.
- 21
- (1) Ausreichend für eine vorsätzliche Tatbegehung ist die Kenntnis der Umstände des Geschäfts sowie dessen Umfang, welche beim Täter in aller Regel vorliegen wird; es genügt insoweit eine "Parallelwertung in der Laiensphäre" (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, VersR 1984, 1071, 1072; BGH, Urteil vom 24. September 1953 - 5 StR 225/53, BGHSt 4, 347, 352). Die rechtlich richtige Beurteilung der normativen Tatbestandsmerkmale gehört demgegenüber nicht zum Vorsatz (Senatsurteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, aaO; BGH, Urteil vom 24. September 1953 - 5 StR 225/53, aaO). Es ist deshalb unerheblich, ob die von der N. GmbH betriebenen Geschäfte nach der Vorstellung des Haupttäters rechtlich als Nachweismakelei beziehungsweise als Finanzdienstleistungen einzuordnen waren.
- 22
- (2) Soweit eine Unkenntnis des Haupttäters von der seit Beginn des Jahres 1998 in § 32 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG a.F. statuierten Erlaubnispflicht in Betracht kommt, könnte ihn dies grundsätzlich nicht entlasten. Denn im Zivilrecht gilt zwar grundsätzlich die sogenannte Vorsatztheorie, wonach zum Vorsatz auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört, so dass bei einem Verbotsirrtum eine Haftung entfällt; handelt es sich jedoch um ein strafrechtliches Schutzgesetz, bei dessen Verletzung ein Verbotsirrtum nach der sogenannten Schuldtheorie nur entlastet, wenn er unvermeidbar war, so gilt dasselbe auch im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, aaO S. 1071 f.; BGH, Urteil vom 26. Februar 1962 - II ZR 22/61, VersR 1962, 481, 482). Soweit hier § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG a.F. verletzt ist, handelt es sich zwar nicht um ein Strafgesetz. Da seine Missachtung aber in § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG a.F. unter Strafe gestellt wird, muss auch bezüglich eines etwaigen Verbotsirrtums der Vorsatz in Übereinstimmung mit dem Strafrecht beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, aaO).
- 23
- Hält der Täter des § 54 KWG seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so stellt dies aus strafrechtlicher Sicht einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) dar, der die Tat nur dann als entschuldigt erscheinen lässt, wenn er unvermeidbar war (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1953 - 5 StR 225/53, aaO; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO Rn. 12 f.; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, aaO, § 54 Rn. 15; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, aaO Rn. 967 und in Achenbach/Ransiek, aaO Rn. 88). Unvermeidbarkeit ist hierbei anzunehmen, wenn der Täter genügende Er- kundigungen über eine Erlaubnispflicht eingezogen hat, vorzugsweise durch Einholung einer Auskunft der Erlaubnisbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1953 - 5 StR 225/53, aaO S. 352 f.; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO Rn. 13; Schwennicke in Schwennicke /Auerbach, aaO). Allgemein gilt, dass für jemanden, der im Geschäftsleben steht, kaum jemals ein Irrtum über das Bestehen eines Schutzgesetzes unvermeidbar ist, das für seinen Arbeitsbereich erlassen wurde, weil jeder im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet ist, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen zu unterrichten (Senatsurteile vom 21. Dezember 1955 - VI ZR 280/54, LM § 823 (Bc) BGB Nr. 1 und vom 10. Juli 1984 - VI ZR 222/82, aaO S. 1072).
- 24
- bb) Ob der Beklagte zu einer solchen Tat vorsätzlich Beihilfe geleistet hat, lässt sich anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zumindest in subjektiver Hinsicht ebenfalls nicht ausreichend beurteilen.
- 25
- (1) Zu Unrecht beanstandet die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht den Beklagten als leitenden Mitarbeiter der N. GmbH angesehen hat. Denn als Prokurist der N. GmbH war der Beklagte zu deren gerichtlicher und außergerichtlicher Vertretung ermächtigt (§ 49 Abs. 1 HGB). Der Prokurist ist in der Regel leitender Angestellter im Unternehmen oder im Betrieb (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Täter des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. kann neben dem vertretungsberechtigten Organ einer juristischen Person auch derjenige sein, der für den Betrieb in leitender Funktion tätig oder mit weitreichenden Befugnissen beauftragt ist (vgl. § 14 Abs. 2 StGB); sonstige, untergeordnete Angestellte können nur Anstifter oder Gehilfen sein (Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO, § 54 Rn. 10 f.; Wegner in Beck/Samm/- Kokemoor, aaO, § 54 Rn. 53 (Stand: August 2010); Häberle in Erbs/Kohlhaas, aaO Rn. 2 (Stand: Juni 2011); Redenius-Hövermann in Luz/Neus/Scharpf/- Schneider/Weber, aaO, § 54 Rn. 2; Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, aaO, § 54 Rn. 12). Da der Beklagte als damaliger leitender Angestellter der N. GmbH mithin zumindest tauglicher Gehilfe eines Vergehens nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 KWG a.F. war, kommt er - eine vorsätzliche Haupttat vorausgesetzt - jedenfalls als Teilnehmer der unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB in Betracht, so dass sich eine genaue Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe vorliegend erübrigt.
- 26
- (2) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Teilnahme in der Person des Beklagten als erfüllt angesehen, weil dieser den Geschäftsbetrieb formal und tatsächlich handelnd mindestens durch die Gewährleistung von Buchhaltung und Provisionsbearbeitung im Wege einer für Mittäter und Gehilfen typischen Arbeitsteilung unterstützt habe.
- 27
- Sogenannte neutrale beziehungsweise berufstypische Handlungen können zwar eine objektive Hilfeleistung darstellen. Sie sind jedoch nur als Beihilfe zu werten, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Hilfeleistende Kenntnis hiervon hat; weiß dieser nicht, wie sein Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, sondern hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34; Urteile vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112; vom 18. Juni 2003 - 5 StR 489/02, NStZ 2004, 41 Rn. 12; vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, NJW-RR 2011, 197 Rn. 47; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, NJW-RR 2011, 551 Rn. 48; vom 8. Februar 2011 - XI ZR 168/08, NJW-RR 2011, 1188 Rn. 42; vom 3. Mai 2011 - XI ZR 373/08, WM 2011, 1465 Rn. 53).
- 28
- (3) Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Teilnehmervorsatz des Beklagten bejaht hat, halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 29
- Bereits der vom Berufungsgericht gewählte rechtliche Ausgangspunkt für die Prüfung des Teilnehmervorsatzes erweist sich als fehlerhaft. Das Berufungsgericht zieht als Prüfungsmaßstab nämlich die Grundsätze heran, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für den Teilnehmervorsatz in einer Reihe von Fällen entwickelt hat, in denen deutsche Kapitalanleger von verschiedenen ausländischen Brokerhäusern Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Börsentermin- und Optionsgeschäften begehrt hatten (BGH, Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 33 ff.; vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, aaO Rn. 42 ff.; vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, aaO Rn. 43 ff.; vgl. zu diesem Komplex etwa auch die Urteile vom 25. Januar 2011 - XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rn. 37 ff. und - XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 40 ff.; vom 8. Februar 2011 - XI ZR 168/08, aaO Rn. 37 ff.; vom 3. Mai 2011 - XI ZR 373/08, aaO Rn. 48 ff.).
- 30
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich die von ihm herangezogenen Grundsätze zur Haftung ausländischer Broker jedoch nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen. In den vom XI. Zivilsenat entschiedenen Fällen haben zwei selbständig handelnde Unternehmer - Brokerhaus und Terminoptionsvermittler - in haftungsrechtlich relevanter Weise zusammengewirkt. Hier hingegen bekleidete der Beklagte, der zur fraglichen Zeit nur Prokurist war, eine dem Haupttäter untergeordnete Position im selben Unternehmen. Als "Geschäftsmodell" kommt hier nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts allein das Betreiben von Finanzdienstleistungen ohne entsprechende Erlaubnis in Betracht. Indem das Berufungsgericht einer Kenntnis von diesem "Geschäftsmodell" beziehungsweise dessen ungeprüfter Hinnahme durch den Beklagten einen haftungsrechtlich relevanten Unrechtsgehalt beimisst und darauf maßgeblich die Annahme eines Gehilfenersatzes des Beklagten stützt, verkennt es die Aufgabenverteilung zwischen Prokurist und Geschäftsführer. Der Prokurist ist - worauf die Revision zutreffend hinweist - lediglich im Außenverhältnis zur Vertretung des Unternehmens berechtigt, unterliegt im Innenverhältnis aber den Weisungen seines Geschäftsführers. Eine Verpflichtung den Geschäftsführer dahingehend zu kontrollieren, ob dieser die ihm nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG obliegenden Pflichten erfüllt hatte, trifft ihn nicht.
- 31
- 3. Das Berufungsurteil erweist sich im Ergebnis auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Soweit die Revisionserwiderung darauf hinweist, dass die N. GmbH bereits während der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten erlaubnispflichtige Bankgeschäfte betrieben habe, kann auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts eine darauf gestützte Haftung des Beklagten nicht angenommen werden, weil es jedenfalls an dem für eine zivilrechtliche Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt.
- 32
- Effekten- und Depotgeschäfte waren zwar in den Jahren 1995/96 gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bzw. 5 KWG in der ab 1. Juli 1985 geltenden Neufassung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 11. Juli 1985 (BGBl. I S. 1472) als Bankgeschäfte erlaubnispflichtig. Als damaliger Geschäftsführer der N. GmbH war der Beklagte grundsätzlich für die fehlende Erlaubnis verantwortlich. Er handelte insoweit jedenfalls fahrlässig (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, Abs. 2 KWG a.F.), denn er hätte sich vor Aufnahme der Geschäfte als Geschäftsführer der N. GmbH über etwaige Erlaubniserfordernisse unterrichten müssen (vgl. Se- natsurteile vom 11. Juli 2006 - VI ZR 339/04, aaO Rn. 26 und - VI ZR 340/04, aaO Rn. 24; BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 238/03, aaO S. 1395).
- 33
- Eine Schadensersatzpflicht besteht jedoch nur, wenn der geltend gemachte Schaden bei wertender Betrachtung nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt; es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm geschaffen worden ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 263; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359, 367; vom 2. Juli 1991 - VI ZR 6/91, BGHZ 115, 84, 86 f.; vom 1. Dezember 1981 - VI ZR 111/80, VersR 1982, 243, 244; vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993 und vom 7. Dezember 2010 - VI ZR 288/09, BGHZ 187, 379 Rn. 10). Dies ist im Streitfall nicht gegeben. Bei den hier in Rede stehenden Schäden handelt es sich nicht um solche aus unerlaubten Effekten- oder Depotgeschäften, sondern (allenfalls) um solche aus unerlaubter Nachweismakelei. Diese Schäden werden nicht vom Schutzzweck des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 iVm § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erfasst.
- 34
- 4. Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit es die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, die Frage der Verjährung - unter Berücksichtigung der Argumente der Revision und der Revisionserwiderung - erneut zu prüfen. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 27.05.2010 - 10 O 11/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.05.2011 - I-17 U 124/10 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt die Feststellung, der allein noch am Prozess beteiligten Beklagten zu 2) (künftig: Beklagte) aus vier Zinssatz-Swap-Verträgen nichts mehr zu schulden. Die Beklagte macht widerklagend Erfüllungsansprüche aus diesen Verträgen geltend.
- 2
- Die Klägerin, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 30.000 Einwohnern, stand mit der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten (künftig einheitlich : Beklagte), einer Landesbank, in ständiger Geschäftsbeziehung. Am 28. April 2006 schlossen die Parteien einen "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte" (künftig nur: Rahmenvertrag), dem ein "Anhang für Verträge mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts" beigefügt war. In diesem Rahmenvertrag hieß es unter anderem: "1. Zweck und Gegenstand des Vertrages […] (2) Für jedes Geschäft, das unter Zugrundelegung dieses Rahmenvertrages abge- schlossen wird (nachstehend ‚Einzelabschluss‘ genannt), gelten die nachfolgenden Bestimmungen. Alle Einzelabschlüsse bilden untereinander und zusammen mit diesem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag (nachstehend der ‚Vertrag‘ genannt); sie werden im Sinne einer einheitlichen Risikobetrachtung auf dieser Grundlage und im Vertrauen darauf getätigt. […] 7. Beendigung (1) Sofern Einzelabschlüsse getätigt und noch nicht vollständig abgewickelt sind, ist der Vertrag nur aus wichtigem Grund kündbar. […] (2) Der Vertrag endet ohne Kündigung im Insolvenzfall. […] (3) Im Fall der Beendigung durch Kündigung oder Insolvenz (nachstehend ‚Beendigung‘ genannt) ist keine Partei mehr zu Zahlungen oder sonstigen Leistungen nach Nr. 3 Abs. 1 verpflichtet, die gleichtägig oder später fällig geworden wären; an die Stelle dieser Verpflichtungen treten Ausgleichsforderungen nach Nrn. 8 und 9. 8. Schadensersatz und Vorteilsausgleich (1) Im Fall der Beendigung steht der kündigenden bzw. der solventen Partei (nachste- hend ‚ersatzberechtigte Partei‘ genannt) ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Schaden wird auf der Grundlage von unverzüglich abzuschließenden Ersatzgeschäften ermittelt, […] Der Schaden wird unter Berücksichtigung aller Einzelabschlüsse berech- net; ein finanzieller Vorteil, der sich aus der Beendigung von Einzelabschlüssen (einschließlich solcher, aus denen die ersatzberechtigte Partei bereits alle Zahlungen oder sonstigen Leistungen der anderen Partei erhalten hat) ergibt, wird als Minderung des im Übrigen ermittelten Schadens berücksichtigt.
- 3
- In dem "Anhang für Verträge mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts" stand unter anderem: "Ergänzend zu den Bestimmungen des Rahmenvertrags vereinbaren die Parteien […]: 1. Der Vertragspartner [gemeint: die Klägerin] wird Einzelabschlüsse ausschließlich zu den ihm nach öffentlichrechtlichen, insbesondere kommunal- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften gestatteten Zwecken tätigen. 2. Der Vertragspartner sichert zu, (a) die Fähigkeit zu besitzen, Verpflichtungen nach dem Rahmenvertrag und den darunter abgeschlossenen Einzelabschlüssen rechtsverbindlich und durchsetzbar einzugehen sowie entsprechende Verfügungen vorzunehmen und (b) mit dem Abschluss von Einzelgeschäften nicht gegen die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften, insbesondere das Spekulationsverbot, zu verstoßen sowie (c) Einzelabschlüsse nur zur Erfüllung dieses Zwecks zu tätigen und dem Erfordernis der Konnexität des Einzelabschlusses gemäß das Volumen und die Laufzeit des Einzelabschlusses dem zugrunde liegenden Grundgeschäft anzupassen. 3. Die unter Nr. 2 dieses Anhangs erfolgte Zusicherung gilt mit und für jeden neuen Einzelabschluss als wiederholt […]."
- 4
- Auf der Grundlage des Rahmenvertrags schlossen die Parteien am 6. Dezember 2007 einen Invers-CMS-Stufen-Swap-Vertrag mit einer Laufzeit vom 15. Dezember 2007 bis zum 15. Dezember 2014 (künftig: Invers-CMSStufen -Swap). Die Beklagte verpflichtete sich während der Laufzeit vierteljährlich zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe von 3,75% p.a. auf den Nominalbetrag von 5 Mio. €. Die Klägerin schuldete jeweils bezogen auf den Nominalbetrag im ersten Jahr der Laufzeit vierteljährlich Zinsen in Höhe von 3% p.a. und ab dem 15. Dezember 2008 bis zum Laufzeitende vierteljährlich variable Zinsen. Die von der Klägerin am 15. März 2009 zu zahlenden variablen Zinsen betrugen vereinbarungsgemäß "3% plus 4,25% p.a. minus Basis-Satz" und an den nachfolgenden Zahlungsterminen bis zum Laufzeitende jeweils "variabler Satz für den unmittelbar vorangegangenen Berechnungszeitraum plus 4,25% p.a. minus Basis-Satz" auf den Nominalbetrag, jedoch höchstens 8,75% p.a und mindestens 0% p.a. Der Basis-Satz entsprach dem jeweils zwei Bankarbeitstage vor dem Ende des jeweiligen Berechnungszeitraums veröffentlichten Zehn-Jahres-Swapsatz.
- 5
- Am 30. Januar 2008 vereinbarten die Parteien einen CHF-Plus-SwapVertrag mit einer Laufzeit vom 10. Februar 2008 bis zum 10. Februar 2016 (künftig: CHF-Plus-Swap). Die Beklagte verpflichtete sich während der Laufzeit vierteljährlich zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe von 3% p.a. auf den Nominalbetrag in Höhe von 5 Mio. €. Die Klägerin hatte vierteljährlich variable Zinsen in Höhe von "2,00% + Basis-Satz", mindestens jedoch 2% p.a. auf den Nominalbetrag zu zahlen. Der vereinbarte Basis-Satz ist jeweils nach folgender Formel zu berechnen: (,x‘ minus EUR/CHF Kurs) * 100% EUR/CHF Kurs
- 6
- Den Wert für ‚x‘ legten dieParteien im ersten Jahr der Laufzeit auf 1,54 fest. Er verringerte sich mit jedem Jahr bis zum Laufzeitende um jeweils 0,01. Als "EUR/CHF Kurs" wurde der jeweils aktuelle Devisenkassakurs vereinbart.
- 7
- Am 14. Februar 2008 schlossen die Parteien einen Flexi-EStE-SwapVertrag mit einer Laufzeit vom 15. Februar 2008 bis zum 30. Juni 2021 (künftig: Flexi-EStE-Swap). Die Beklagte verpflichtete sich während der Laufzeit vierteljährlich zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe des jeweiligen Drei-MonatsEuribors. Die Klägerin hatte vierteljährlich entweder Zinsen in Höhe von 4,05% p.a. zu zahlen, falls der Drei-Monats-Euribor 6% p.a. oder weniger betrug , oder Zinsen in Höhe des jeweiligen Drei-Monats-Euribors. Der Vertrag sah in einem Anhang für die einzelnen Zinsperioden wechselnde Bezugsbeträge zwischen 1.208.434,77 € und 2.534.391,18 € vor.
- 8
- Ebenfalls am 14. Februar 2008 schlossen die Parteien einen FlexiStraBet -Swap-Vertrag (künftig: Flexi-StraBet-Swap) mit einer Laufzeit vom 2. Januar 2008 bis zum 30. März 2025 ab, in dem sich die Beklagte vierteljährlich zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe des jeweiligen Drei-Monats-Euribors verpflichtete und die Klägerin vierteljährlich entweder Zinsen in Höhe von 4,10% p.a. zu zahlen hatte, falls der Drei-Monats-Euribor 6% oder weniger betrug , oder Zinsen in Höhe des jeweiligen Drei-Monats-Euribors. Der Vertrag sah in einem Anhang für die einzelnen Zinsperioden wiederum wechselnde Bezugsbeträge zwischen 11.388 € und 2.437.438 € vor.
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- Weitere Zinssatz-Swap-Verträge zwischen den Parteien sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
- 10
- Bei allen vier streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen war der Marktwert im Zeitpunkt des Abschlusses negativ. Aus den vier Verträgen erwirtschaftete die Klägerin bis zum Jahr 2011 einen Verlust von insgesamt 575.256,80 €, während sie aus anderen Swap-Geschäften einen Gewinn von insgesamt 695.477,78 € erzielte. Auf die streitgegenständlichen vier ZinssatzSwap -Verträge leistet die Klägerin seit dem Jahr 2011 keine Zahlungen mehr.
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- Ihrem Antrag festzustellen, sie sei zu weiteren Zahlungen auf die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge nicht verpflichtet, hat das Landgericht entsprochen. Die weitergehende Klage, mit der die Klägerin Ausgleich ihres Verlustes in Höhe von insgesamt 575.256,80 € begehrt hat, hat das Landgericht abgewiesen. Abgewiesen hat es weiter die Widerklage der Beklagten, mit der sie die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von insgesamt 1.494.879,14 € aus den streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen beansprucht hat.
- 12
- Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nach Parteiwechsel auf Beklagtenseite in zweiter Instanz, mit der sie sich gegen den Feststellungsausspruch und die Abweisung ihrer Widerklage gewandt hat, und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr zweitinstanzliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 13
- Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht in der Revisionsinstanz bezüglich der Feststellungsanträge in Höhe von 1.494.879,14 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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- Das Berufungsgericht (WM 2013, 2026 ff.) hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
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- Die Beklagte schulde der Klägerin wegen der anlässlich des Abschlusses der Zinssatz-Swap-Verträge jeweils wiederholten Verletzung von Pflichten aus dem Rahmenvertrag bzw. einem vorgelagerten Beratungsvertrag Schadenersatz , weil sie die Klägerin bei Abschluss der Swap-Geschäfte nicht objektgerecht beraten habe. Sie habe es unterlassen, die Klägerin auf den anfänglichen negativen Marktwert der Swap-Geschäfte hinzuweisen. Sie habe sich, da sich ein Gewinn des einen Vertragspartners unmittelbar in einem Verlust des anderen Vertragspartners habe spiegeln müssen, bei Abschluss der Swap-Verträge, zu denen sie zugleich geraten habe, in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt befunden. Diesen Interessenkonflikt habe sie nicht dadurch auflösen können , dass sie die Chancen und Risiken mittels Hedging-Geschäften an Dritte weitergegeben habe. Diese Hedging-Geschäfte habe sie nur abschließen können , weil sie zu Vertragsbeginn einen negativen Marktwert in die streitgegenständlichen Swaps einstrukturiert habe. Der Vorteil, den die Beklagte aus der Weitergabe des Risikos am Markt erzielt habe, bilde nicht lediglich ihre "Gewinnmarge" ab. Die Bewertung von Swap-Geschäften erfolge gerade nicht rein willkürlich ohne jeden Bezug zu Marktdaten allein zu dem Zweck, solche Geschäfte handelbar zu machen, sondern anhand anerkannter finanzmathematischer Modellrechnungen, die die Grundlage für eine vom Markt akzeptierte Einordnung und Bewertung der Chancen und Risiken bildeten und Voraussetzung für den Abschluss kalkulierbarer Grundgeschäfte seien. Damit trage die Bewertung prognostische Züge, weil sie die Erwartungen der Marktteilnehmer - wenn nicht aufgrund konkreter, auf längere Sicht nicht hinreichend verlässlicher Zinsentwicklungsprognosen , so doch aufgrund der bezeichneten Simulationsmodel- le - abbilde. Darauf komme es indessen nicht nur für den Fall einer vorzeitigen Veräußerung, sondern auch zur Einschätzung der vom Markt erwarteten zukünftigen Zahlungspflichten und somit des eigenen Interesses des Kunden an einem solchen Geschäft an.
- 16
- Ihre Aufklärungspflicht habe die Beklagte nicht dadurch erfüllt, dass sie erklärt habe, Swap-Geschäfte verfügten überhaupt über einen sich ändernden (positiven oder negativen) Marktwert, sie habe in die Swaps jeweils eine "Gewinnmarge" eingepreist und verdiene an der Geld-Brief-Spanne durch HedgingGeschäfte. Alle diese Informationen hätten nichts darüber ausgesagt, wie der Markt bei Abschluss eines Swaps dessen künftige Entwicklung prognostiziere, dass diese Prognose im anfänglichen negativen Marktwert Ausdruck finde und dieser Marktwert nicht nur die Gewinnspanne der Beklagten abbilde, sondern anzeige, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts der Klägerin - wenn auch nur aufgrund finanzmathematischer Simulationsmodelle - höher als die eines Gewinns einschätze. Ebenso wenig werde deutlich, dass die Beklagte ihre Gewinnspanne gerade dadurch realisiere, dass sie das Chancen-RisikoProfil der Swaps bewusst zu Lasten der Klägerin ausbilde. Die Aufklärungspflicht knüpfe dabei nicht an der mehr oder weniger komplexen Struktur des jeweiligen Swaps, aus der sich weitere Beratungspflichten ergeben könnten, sondern an der allen streitgegenständlichen Swap-Geschäften eigenen Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwertes an.
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- Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflichten zumindest fahrlässig verletzt. Die Pflichtverletzung sei für den Abschluss der Swap-Geschäfte durch die Klägerin auch ursächlich geworden. Die von der Beklagten gegenbeweislich angebotenen Zeugen seien nicht zu vernehmen gewesen, weil das Beweisanerbieten unter der von der Beklagten nachhaltig vertretenen Prämisse gestanden habe, dass der anfängliche negative Marktwert lediglich die - von der Klägerin angeblich dem Grunde nach bekannte und von ihr akzeptierte - Marge der Beklagten abgebildet habe und im Übrigen ohne Bedeutung für den Abschluss der Geschäfte gewesen sei. Dass die Klägerin die Geschäfte auch dann abgeschlossen hätte, wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes - wenn auch nur aufgrund finanzmathematischer Simulationsmodelle - höher als die eines Gewinns einschätzte und sie somit gegen die Markterwartung agierte, trage die Beklagte, die diese Zusammenhänge gerade in Abrede stelle, selbst nicht vor, so dass ihr Beweisangebot unerheblich sei.
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- Bei der Ermittlung des Schadens der Klägerin seien die von ihr aufgrund sämtlicher nach Maßgabe des Rahmenvertrags abgeschlossenen Swap-Geschäfte erzielten Gewinne und Verluste zu saldieren. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag hätten die einzelnen Swap-Geschäfte nur "Bausteine" im Rahmen eines übergreifenden aktiven Schuldenmanagements gebildet. Aufgrund der Verklammerung aller Einzelabschlüsse mit dem Rahmenvertrag könne ein möglicher Schaden nur in der Form ermittelt werden, dass der Gewinn oder Verlust aller mit dem Kunden abgeschlossenen Einzelgeschäfte in eine Schadensberechnung eingestellt und ein Saldo gebildet werde. Ähnlich wie bei einem Kontokorrent verlören etwaige Schadenersatzansprüche aufgrund einer unzureichenden Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss von Einzelgeschäften ihre rechtliche Selbständigkeit und gingen als Einzelposten in eine Gesamtsaldierung ein, die bei einem negativen Saldo zu einem einheitlichen Schadenersatzanspruch führe. Da ein so errechneter Saldo nicht negativ, sondern positiv sei, scheitere der Zahlungsantrag der Klägerin. Etwaige Ansprüche der Beklagten auf Auskehrung eines in der Vergangenheit erzielten Überschusses seien nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
- 19
- Schadenersatzansprüche der Klägerin seien nicht nach § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung (künftig: WpHG aF) i.V.m. § 43 WpHG verjährt. Aufgrund der Einheitlichkeit des Rahmenvertrags und aller Einzelabschlüsse sowie der Schadensberechnung sei der Anspruch der Klägerin erst mit dem Abschluss des letzten Swaps am 14. Februar 2008 entstanden. Die mit diesem Tag anlaufende Verjährungsfrist habe die Klägerin rechtzeitig gehemmt. Deshalb könne dahinstehen, ob die Beklagte - die Anwendung des § 37a WpHG zu ihren Gunsten ausschließend - vorsätzlich gehandelt habe.
II.
- 20
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
- 21
- 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, eine erhebliche Schädigung der Klägerin wegen einer unzureichenden Information über den anfänglichen negativen Marktwert der Zinssatz-Swap-Verträge könne hier aus der Verletzung von Pflichten aus einem vor Abschluss des Rahmenvertrags geschlossenen "selbständigen Beratungsvertrag" oder aus dem Rahmenvertrag resultieren.
- 22
- a) Tragfähige Feststellungen zu dem Zustandekommen eines "selbständigen Beratungsvertrags" vor dem 28. April 2006, aus dem eine fortlaufende Verpflichtung zur Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert von Swap-Geschäften resultieren könnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 23
- aa) Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrags beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Bera- tungsgespräches angenommen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128, vom 25. September 2007 - XI ZR 320/06, BKR 2008, 199 Rn. 12 und vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rn. 21; außerdem MünchKommHGB/Nobbe/Zahrte, 3. Aufl., Anlageberatung Rn. 35; Clouth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier - und Derivategeschäft, 4. Aufl., Rn. 1193; ders., WuB 2015, 63, 64). Der Beratungsvertrag ist damit auf eine konkrete Anlageentscheidung bezogen. Mit der vollständigen und korrekten Erfüllung der diese Anlageentscheidung betreffenden Beratungspflichten sind die Leistungspflichten der Bank erfüllt (Senatsurteil vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 311; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 43 Rn. 9). Fortdauernde Überwachungs- und Beratungspflichten folgen aus einem solchen Beratungsvertrag nicht (Senatsurteil vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 Rn. 9; Edelmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts , 4. Aufl., § 3 Rn. 43). Der Frage, ob bei Abschluss der Zinssatz-SwapVerträge jeweils Einzelberatungsverträge zwischen den Parteien zustande kamen , ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen.
- 24
- bb) Das Zustandekommen eines Dauerberatungsvertrags, der es dem Kunden erlaubte, Beratungspflichten wiederholt auf derselben vertraglichen Grundlage abzurufen, und der bezogen auf ein konkretes Swap-Geschäft die Verpflichtung ergäbe, über einen anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären , hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Ein Dauerberatungsvertrag kommt nicht stillschweigend zustande, er muss ausdrücklich geschlossen werden (Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 43 Rn. 9). Tragfähige Feststellungen dazu fehlen.
b) Etwaige Beratungspflichten resultierten entgegen der Auffassung des
- 25
- Berufungsgerichts auch weder als Leistungspflichten noch als Rücksichtspflichten aus dem Rahmenvertrag.
- 26
- aa) Reichweite und Inhalt der durch den Rahmenvertrag begründeten Pflichten kann der Senat selbst ermitteln. Der Rahmenvertrag entspricht, worauf die Revision zu Recht hinweist, dem von den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes erarbeiteten Muster 1993 mit Änderungen 2001 (abgedruckt bei Neuhaus in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 7/1144 [Stand: September 2010]; Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., Anhang 1 zu § 114; vgl. dazu auch die Leitlinie der Europäischen Zentralbank 2001/833/EG, ABl. EG Nr. L 310 S. 31). Die Bestimmungen des Rahmenvertrags sind Formularklauseln (Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 60), die der Auslegung durch das Revisionsgericht unterliegen (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15 und vom 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 Rn. 21).
- 27
- bb) Durch den Rahmenvertrag werden Beratungspflichten als Leistungspflichten nicht begründet. Die Annahme einer (typisierten) Beratungspflicht als Nebenpflicht des Rahmenvertrags widerspräche dem Willen der vertragschließenden Parteien. Der Rahmenvertrag zieht Bedingungen von Finanztermingeschäften , deren künftigen Abschluss die Vertragsparteien des Rahmenvertrags in Aussicht nehmen, insoweit "vor die Klammer", als sie als Standard für sämtliche Finanztermingeschäfte gelten sollen. Er verlagert dadurch die Einigung über den Inhalt von Finanztermingeschäften in bestimmtem Umfang vor. Zu einer Beratung verpflichtet er dagegen nicht. Das hängt wesentlich mit dem Umstand zusammen, dass der Rahmenvertrag für einen Markt entwickelt wurde , bei dem sich Parteien hoher Bonität - international tätige Kreditinstitute und Unternehmen - gegenüberstehen (Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowksi, Bankrechts -Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 34). In einem solchen Verhältnis besteht kein Bedürfnis nach Beratung. Entsprechend verhält sich der Rahmenvertrag nicht zu den Vorgaben einer anleger- oder objektgerechten Beratung durch den Verwender, so dass er nicht Grundlage eines Schadenersatzanspruchs wegen der Verletzung entsprechender Pflichten sein kann (aA OLG München, Urteil vom 16. Juli 2014 - 7 U 3548/13, juris Rn. 21).
- 28
- Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im konkreten Fall dem Rahmenvertrag ein - ebenfalls vorformulierter und daher der Auslegung durch den Senat zugänglicher - "Anhang für Verträge mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts" beigefügt war. Die dort genannten "Zusicherungen" des Vertragspartners des Verwenders dienten nicht der Eingrenzung dessen, was Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne einer anlegergerechten Beratung empfohlen werden durfte. Vielmehr bekräftigten sie die Selbstverständlichkeit, dass Finanztermingeschäfte mit solchen Anstalten und Körperschaften nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen geschlossen werden sollten, was zu prüfen Sache der für die Anstalt oder Körperschaft verantwortlich Handelnden war.
- 29
- cc) Schließlich verkennt das Berufungsgericht mit seinem Verweis auf eine Haftung der Beklagten aus dem Rahmenvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, dass Beratungspflichten in dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sinne keine (bloßen) Rücksichtspflichten sind (vgl. zur Unterscheidung Senatsurteil vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370 Rn. 16 ff., 23 ff.). Die Herleitung von Beratungspflichten "aus dem Rahmenvertrag (§ 241 Abs. 2 BGB)" ist damit ebenfalls nicht tragfähig.
- 30
- 2. Das Berufungsgericht hat weiter unrichtig angenommen, eine unzureichende Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert der Zins- satz-Swap-Verträge stelle einen Verstoß gegen das Gebot der objektgerechten Beratung dar.
- 31
- Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils klargestellt hat, ist das Vorhandensein eines anfänglichen negativen Marktwerts eines Swap-Vertrags kein Umstand, über den die beratende Bank ihren Kunden im Rahmen der objektgerechten Beratung informieren müsste (Senatsurteil vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 33 ff.). Ein anfänglicher negativer Marktwert spiegelt nicht den voraussichtlichen Misserfolg des Geschäftes wider, sondern den Marktwert bei Abschluss des Vertrags, der zu diesem Zeitpunkt durch Glattstellung realisierbar wäre. Der jeweils aktuelle Marktwert wird anhand finanzmathematischer Berechnungsmodelle in der Weise ermittelt, dass - unter Berücksichtigung gegebenenfalls bestehender Optionsbestandteile und bei einem Währungsswap der Wechselkursentwicklung - die voraussichtlichen künftigen festen und variablen Zinszahlungen der Parteien gegenübergestellt und mit den an den entsprechenden Zahlungsterminen gültigen Abzinsungsfaktoren auf den Bewertungszeitpunkt abgezinst werden. Negativ wird der Marktwert, indem die Bank in diesen ermittelten "Modellwert" die Bruttomarge, ihren Nettogewinn und ihre Kosten, wie etwa zur Risikoabsicherung, Eigenkapitalunterlegung oder zur Geschäftsabwicklung, durch entsprechende Festlegung der Strukturelemente des Swaps einstrukturiert (vgl. Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 35 und vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 36).
- 32
- Für den Kunden bedeutet dies, dass er zunächst die einstrukturierte Bruttomarge erwirtschaften muss, um seinerseits in die Gewinnzone zu gelangen. Darin unterscheidet sich die Situation des Kunden nicht von der, in der er offen ausgewiesene Provisionen (z.B. Ausgabeaufschläge) zu zahlen hat. Zugleich muss er bei einer - allerdings von den Vertragsparteien regelmäßig nicht vorgesehenen - sofortigen Lösung vom Vertrag einen Verlust in Höhe des an- fänglichen negativen Marktwerts tragen. Eine überwiegende Verlustwahrscheinlichkeit indiziert der anfängliche stichtagsbezogene negative Marktwert dagegen nicht. Der Erfolg des Swaps hängt letztlich allein von der Zins- und/oder Währungskursentwicklung und gegebenenfalls der Entwicklung des "Spreads" während der Vertragslaufzeit ab. Die Empfehlung eines Swap-Vertrags kann daher trotz des anfänglichen negativen Marktwerts objektgerecht sein.
- 33
- 3. Eine von der Frage der objektgerechten Beratung gelöste Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert wegen eines schwerwiegenden Interessenkonflikts hat das Berufungsgericht - das Zustandekommen eines Beratungsvertrags unterstellt - ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei hergeleitet.
- 34
- a) Für das Dreipersonenverhältnis, in dem die Provision von einem Dritten (z.B. Emittenten, Initiatoren) an die beratende Bank gezahlt wird, besteht nach der Senatsrechtsprechung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts die Pflicht der Bank, den Anleger über Grund und Höhe der erhaltenen Provisionen aufzuklären.
- 35
- Für die Vergangenheit hat der Senat eine solche Aufklärungspflicht nur in zwei Fallgruppen bejaht, nämlich erstens bei verdeckt geflossenen Rückvergütungen (u.a. Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 22 f. und vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17 sowie Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07, WM 2009, 405 Rn. 12 und vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 20) und zweitens , wenn bei der entgeltlichen Kaufkommission eine verdeckte Vertriebsprovision vom Verkäufer gezahlt wird (Senatsurteil vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 24 ff.).
- 36
- Diese beiden Fallgruppen hat der Senat im Urteil vom 3. Juni 2014 (XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 Rn. 38) mit Wirkung ab dem 1. August 2014 zusammengefasst und auf alle Provisionszuflüsse, die die beratende Bank von einem Dritten erhält, erweitert, gleich ob sie offen ausgewiesen oder im Anlagebetrag versteckt sind.
- 37
- b) Demgegenüber gilt für das Zweipersonenverhältnis, in dem die beratende Bank zugleich Verkäuferin des empfohlenen Produkts ist, der Grundsatz, dass die Bank nicht verpflichtet ist, ihren Kunden darüber aufzuklären, dass sie mit Produkten, die sie in ihrer Beratung empfiehlt, Gewinne erzielt. Für den Kunden ist bei der gebotenen normativ-objektiven Betrachtungsweise offensichtlich , dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolgt, sodass darauf grundsätzlich nicht gesondert hingewiesen werden muss (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 38, vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 37 und - XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 40, vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 19, vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 Rn. 27 ff., vom 17. September 2013 - XI ZR 332/12, WM 2013, 1983 Rn. 11, vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rn. 28 und vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 31). Ein Umstand, der für den Kunden im Rahmen des aufgrund der Beratung zustande gekommenen Vertragsverhältnisses offenkundig ist, lässt auch innerhalb des Beratungsvertrags seine Schutzwürdigkeit entfallen (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 44 und - XI ZR 178/10, WM 2011, 2261 Rn. 47 sowie vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rn. 28).
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- Im Zweipersonenverhältnis erkennt der Senat von dieser Regel nur eine Ausnahme für den Fall einer reinen Zinswette an. Für den CMS-Spread-LadderSwap hat er die Aufklärungspflicht über das Gewinnerzielungsinteresse der zu einem Swap-Geschäft mit ihr selbst ratenden Bank auf die Besonderheit des konkret empfohlenen Produkts zurückgeführt, dessen Risikostruktur die Bank mittels der Einpreisung des anfänglichen negativen Marktwerts bewusst zu Las- ten des Kunden gestaltet hatte, ohne dass der Kunde die von einer komplizierten finanzmathematischen Berechnung abhängigen einzelnen Strukturelemente überblicken und das in der Möglichkeit des "Verkaufs" des Risikos liegende Gewinninteresse der Bank erkennen konnte (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 31 ff. und vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 31; vgl. auch Reiner, WuB I G 1. Anlageberatung 21.11; Schmieder, WuB I G 1. Anlageberatung 16.12). Die zu einem Swap-Vertrag mit ihr selbst ratende Bank realisiert ihren Gewinn ohne Rücksicht auf die konkrete Ausgestaltung des Swaps über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts. Das Einstrukturieren der Bruttomarge in die Risikostruktur des Swap-Vertrags kann der Kunde, der davon ausgeht, die Bank verdiene ausschließlich bei ihr günstigem Verlauf der Zinswette in Höhe der Zinsdifferenz, bei der gebotenen normativ-objektiven Betrachtungsweise unabhängig von den Bedingungen des Swap-Geschäfts nicht erkennen.
- 39
- c) Die Rechtsprechung zum CMS-Spread-Ladder-Swap ist, was das Berufungsgericht im Ansatz richtig erkannt hat, im Zweipersonenverhältnis auf Swap-Verträge generell übertragbar (aA Clouth, WuB 2015, 63, 64). Das Einpreisen der Bruttomarge ist kein Spezifikum des CMS-Spread-Ladder-Swaps. Es ist von der konkreten Gestaltung der Parameter, die Bank und Kunde tauschen , unabhängig. Da der schwerwiegende Interessenkonflikt, über den aufzuklären ist, allein aus dem Umstand folgt, dass der Kunde mit dem Einpreisen der Bruttomarge in die Risikostruktur des Swap-Geschäfts nicht rechnenmuss (Senatsurteile vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rn. 46, - XI ZR 355/11, BKR 2013, 17 Rn. 51, - XI ZR 259/11, juris Rn. 41 und - XI ZR 356/11, juris Rn. 50 sowie vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 23), ist die Komplexität des Swap-Vertrags kein Kriterium, das über das Bestehen oder Nichtbestehen der Aufklärungspflicht entscheidet.
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- Andererseits ist die Bank nicht verpflichtet zu erläutern, sie realisiere die Bruttomarge aufgrund des Umstands, dass der Markt das Risiko des Kunden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses negativ einschätzt. Ist der anfängliche stichtagsbezogene negative Marktwert keine Kennziffer für eine überwiegende Verlustwahrscheinlichkeit, sondern nur Spiegelbild der Bruttomarge der Bank, beschränkt sich die Hinweispflicht auf deren Bekanntgabe.
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- d) Die Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert schließt - entsprechend den sonst vom Senat entschiedenen Fällen einer Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts - die Verpflichtung zur Information über seine Höhe mit ein (OLG Köln, Beschluss vom 9. September 2013 - 13 U 120/12, juris Rn. 24). Nur bei Kenntnis auch der Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts kann der Kunde das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung des Swap-Vertrags richtig einschätzen (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 24, vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 15, vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rn. 26, vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 11 und vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12, WM 2014, 1036 Rn. 28).
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- e) Die beratungsvertragliche Pflicht zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert besteht dann nicht, wenn, wie der Senat mit Urteil vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 26) der Sache nach bereits entschieden hat, die beratende Bank zu Swap-Geschäften rät, die der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dienen (vgl. hierzu Endler in Zerey, Finanzderivate Rechtshandbuch, 3. Aufl., § 28 Rn. 24 ff.). Existiert ein konnexes Grundgeschäft mit gegenläufigem Risiko , dient ein Zinssatz-Swap-Vertrag nicht der spekulativen Übernahme einer offenen Risikoposition, sondern bezweckt allein den "Tausch" einer variabel verzinslichen Mittelaufnahme in eine festverzinsliche Verschuldung unter gleich- zeitigem Verzicht auf die Teilhabe an einer günstigen Entwicklung des Zinsniveaus.
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- f) Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben keinen sicheren Schluss darauf, die Beklagte habe die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert sämtlicher streitgegenständlicher Zinssatz-Swap-Verträge aufklären müssen. Für den Flexi-EStE-Swap und den Flexi-StraBet-Swap ist mangels näherer Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich der in den Vorinstanzen gehaltene Vortrag der Beklagten als richtig zu unterstellen, sie hätten Zinsrisiken aus konkreten variabel verzinslichen Darlehen der Klägerin abgesichert. War dies der Fall, bestand nach den oben dargelegten Grundsätzen keine Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts. Der Umstand, dass mit dem Flexi-EStE-Swap und dem Flexi-StraBet-Swap keine vollständige, sondern lediglich eine partielle Absicherung gegenläufiger Zinsrisiken der Beklagten aus konnexen Grundgeschäften bis zu einem Anstieg des Drei-Monats-Euribors auf 6% verbunden war, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Das Risiko der Klägerin, einen Zinsdienst in Höhe des Drei-Monats-Euribors jenseits der 6%-Marke leisten zu müssen, beruhte nach dem revisionsrechtlich als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten nicht auf den abgeschlossenen Flexi-Swap-Verträgen, sondern allein auf den konnexen Grundgeschäften.
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- 4. Von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent hat das Berufungsgericht angenommen, die für die Klägerin streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei nur dann widerlegt, wenn die Beklagte darlege und beweise, dass die Klägerin die Zinssatz-Swap-Verträge auch "gegen die Markterwartung" abgeschlossen hätte. Damit ist das Berufungsgericht indessen ebenfalls einem Rechtsirrtum unterlegen. Fällt der beratenden Bank eine Aufklärungspflichtverletzung nur unter dem Aspekt einer unzureichenden Unterrichtung über einen schwerwiegenden Interessenkonflikt zur Last, muss sie lediglich darlegen und beweisen, dass der Kunde den Swap-Vertrag auch bei Unterrichtung über das Einpreisen einer Bruttomarge als solcher und über die Höhe des eingepreisten Betrags abgeschlossen hätte. Die beratende Bank muss dagegen nicht widerlegen , dass der Kunde seine Anlageentscheidung von der Art und Weise der Realisierung des Gewinns über Hedging-Geschäfte, also von der anfänglichen Marktbewertung, abhängig gemacht hätte.
- 45
- 5. Nicht frei von Rechtsfehlern ist schließlich die Feststellung des Berufungsgerichts , die Beklagte könne der Klägerin betreffend den Invers-CMSStufen -Swap nicht entgegenhalten, das Schadenersatzbegehren der Klägerin sei gemäß § 37a WpHG aF i.V.m. § 43 WpHG verjährt, weil der Klägerin ein "einheitlicher" Schadenersatzanspruch zustehe, der erst mit Abschluss des letzten Swap-Vertrags am 14. Februar 2008 entstanden sei, so dass die Verjährungsfrist auch nicht vor dem 14. Februar 2008 habe anlaufen können.
- 46
- a) Richtig ist allerdings die auch von anderen Obergerichten (OLG Frankfurt am Main, NZG 2013, 1111, 1112; OLG München, Urteil vom 16. Juli 2014 - 7 U 3548/13, juris Rn. 18) vertretene Rechtsauffassung des Berufungsgerichts , § 37a WpHG aF finde auf (zu Anlagezwecken getätigte) SwapGeschäfte Anwendung. Das trifft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c, Abs. 2b und 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG in der zwischen dem 1. November 2007 und 25. März 2009 geltenden Fassung zu (vgl. auch Kropf, ZIP 2013, 401, 406; Zoller, BKR 2012, 405, 409 mit Fn. 44). Richtig ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts , Empfehlungen in der Zeit zwischen dem 6. Dezember 2007 und dem 14. Februar 2008 seien vom zeitlichen Anwendungsbereich des § 37a WpHG aF erfasst.
b) Zu trifft außerdem die unausgesprochene Annahme des Berufungsge47 richts, es komme bei der Entscheidung der Frage, ob die Klägerin einem Leistungsbegehren der Beklagten aus den Zinssatz-Swap-Verträgen eine schadensbegründende Fehlberatung entgegensetzen könne, darauf an, ob eigene Forderungen der Klägerin auf Leistung von Schadenersatz verjährt seien.
- 48
- aa) Die Klägerin, die der Inanspruchnahme durch die Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB entgegenhält, beruft sich auf eine unselbständige Einwendung, die mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (zur Anwendung des § 194 BGB auf unselbständige Einreden vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 194 Rn. 6). Dieser Anspruch lautet auf Vertragsaufhebung nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB (BGH, Urteile vom 20. Februar 1967 - III ZR 134/65, BGHZ 47, 207, 214 und vom 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1066). Ist Grund des Leistungsverweigerungsrechts der Klägerin der Umstand, dass der Beklagten ein schutzwürdiges Interesse an der Leistung auf die Verpflichtung aus den Zinssatz-Swap-Verträgen fehlt, weil sie zur alsbaldigen Rückgewähr verpflichtet ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 242 Rn. 52), steht hinter dem Einwand aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB also der Gedanke der Prozessökonomie (Wacke, JA 1982, 477), entfällt die Rechtfertigung der Einwendung, wenn ein zweiter Prozess auf Rückgewähr im Hinblick auf § 214 Abs. 1 BGB erfolgreich nicht mehr geführt werden könnte.
- 49
- bb) Eine Regelung, die den Einwand aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB über den Ablauf der Verjährung des zugrunde liegenden Anspruchs aufrechterhielte, existiert nicht. § 215 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht anwendbar, weil der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe sie aufgrund der von ihr behaupteten Beratungspflichtverletzung so zu stellen, als seien die Zinssatz-Swap-Verträge nicht zustande gekommen, keine Aufrechnung mit einem gleichartigen Gegenanspruch beinhaltet. In der Einwendung der Klägerin liegt auch nicht die Gel- tendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Sinne des § 215 BGB, weil Leistungen aus den Zinssatz-Swap-Verträgen - das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Vertragsaufhebung nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB unterstellt - gerade nicht Zug um Zug gegen die Vertragsaufhebung zu erfüllen wären (OLG Nürnberg, WM 2014, 2364, 2366). Ebenfalls zugunsten der Klägerin nicht anwendbar sind die §§ 821, 853 BGB.
- 50
- cc) Eine analoge Anwendung der §§ 215, 821, 853 BGB kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (OLG Nürnberg, WM 2014, 2364, 2366 f.; aA OLG Hamm, Urteil vom 31. März 2011 - 28 U 63/10, juris Rn. 81, 162 f.; in diese Richtung auch OLG Bremen, WM 2006, 758, 768; offen BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 - IX ZR 69/11, juris Rn. 11). Der Gesetzgeber hat den Erhalt der Einrede der unzulässigen Rechtsausübung über die Verjährung des zugrundeliegenden Anspruchs hinaus für den Sonderfall der deliktischen Schädigung ausdrücklich geregelt. Damit hat er zugleich zu erkennen gegeben, in anderen Fällen bleibe es bei § 214 Abs. 1 BGB. Dass die Interessenlage bei der Geltendmachung der §§ 242, 249 Abs. 1 BGB der bei der Aufrechnung entspricht (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 281; Wacke, JA 1982, 477 f.), genügt zur Begründung einer Analogie nicht.
- 51
- c) Das Berufungsgericht hat aber rechtsfehlerhaft angenommen, der von ihm der Sache nach geprüfte Einwand aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB beruhe auf einem "einheitlichen" Schadenersatzanspruch, dessen Verjährung erst mit dem letzten haftungsbegründenden Ereignis angelaufen sei. Das trifft nicht zu:
- 52
- aa) Die Annahme des Berufungsgerichts als richtig unterstellt, die Beklagte habe durch das Verschweigen des anfänglichen negativen Marktwerts der streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge - wenn auch wiederholt - gegen dieselbe vertragliche Beratungspflicht aus einem Dauerberatungsvertrag verstoßen, wäre dieser Umstand für sich doch nicht geeignet, einen "einheitlichen" Schadenersatzanspruch zur Entstehung zu bringen. Denn dadurch änderte sich nichts an dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt, dass die - hier unterstellte - Schädigung der Klägerin auf unterschiedlichen haftungsbegründenden Ereignissen beruhte, die bei der Anspruchsentstehung je für sich zu betrachten sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - II ZR 90/11, WM 2013, 456 Rn. 27). Die Gleichförmigkeit der vertragswidrigen Unterlassung verknüpfte die wiederholten Pflichtverletzungen nicht zu einer einheitlichen Schädigungshandlung , die sich lediglich im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität weiterentwickelte. Vielmehr entstanden mit jeder unterstellten Schädigung der Klägerin durch den zeitlich gestaffelten Abschluss der Swap-Geschäfte selbständige Schadenersatzansprüche, die verjährungsrechtlich getrennt zu betrachten waren (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2015 - XI ZR 278/14, Umdruck Rn. 26; BGH, Urteile vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 93 f., vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 255, vom 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788, vom 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107 und vom 1. Dezember 2005 - IX ZR 115/01, WM 2006, 148, 150; Clouth, WuB 2015, 63, 65).
- 53
- bb) Überdies irrt das Berufungsgericht, wenn es der Sache nach annimmt , unterschiedliche haftungsbegründende Ereignisse seien gemäß Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrags so miteinander verklammert, dass sie "ihre rechtliche Selbständigkeit" verlören und ein einheitliches Schadensereignis bildeten (in diese Richtung auch Stackmann, NJW 2012, 2913, 2915).
- 54
- Das Berufungsgericht übersieht bei seiner Interpretation des Rahmenvertrags , dass, was der Senat durch eigene Auslegung ermitteln kann, die in Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrags geregelte Zusammenfassung der einzelnen Finanztermingeschäfte zu einem "einheitlichen Vertrag" die Funktion hat, die Gesamtheit der Finanztermingeschäfte gemäß § 104 Abs. 2 Satz 3 InsO zu ei- nem gegenseitigen Vertrag im Sinne der §§ 103, 104 InsO zu verbinden (vgl. Behrends in Zerey, Finanzderivate Rechtshandbuch, 3. Aufl., § 6 Rn. 3 f.; Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 37). Der Gesetzgeber hat diesen Gedanken bei der Schaffung des Art. 15 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (BGBl. I 1994, S. 1749) aufgenommen (Jahn aaO; vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 168, BT-Drucks. 12/7303, S. 118 und BT-Drucks. 12/7918, S. 126). In diesem Zusammenhang hat er den Regelungszweck der an die formularvertragliche angelehnten gesetzlichen Bestimmung dahin beschrieben, es solle sichergestellt werden, dass im Insolvenzfall alle noch nicht erfüllten Ansprüche aus zwischen zwei Parteien bestehenden Finanzgeschäften saldiert werden könnten. Damit ist der insolvenzrechtliche Bezug offensichtlich. Zugleich dienen die Vorschriften des Rahmenvertrags, die die einzelnen Finanztermingeschäfte zusammenfassen, einer einheitlichen Risikobetrachtung und der Reduzierung des Gesamtrisikos (Jahn in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 37; Decker, WM 1990, 1001, 1010). Mit einer "Verklammerung" von Schadenersatzansprüchen wegen fehlerhafter Beratung zu einem einheitlichen Schadenersatzanspruch hat alles dies nichts zu tun (OLG Frankfurt am Main, NZG 2013, 1111, 1112; Clouth, WuB 2015, 63, 65; vgl. auch OLG München, BKR 2013, 262 Rn. 17; Kropf, ZIP 2013, 401, 406; Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345, 363 f.).
III.
- 55
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
- 56
- 1. Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Auffassung der Klägerin sind die vier streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge nicht, was der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen hätte, deswegen unwirksam, weil ihr Abschluss nicht von dem der Klägerin gesetzlich zugewiesenen Wirkungskreis umfasst wäre. Selbst unterstellt, sämtliche streitgegenständlichen ZinssatzSwap -Verträge stünden in keinem konnexen Zusammenhang zu Grundgeschäften der Klägerin, sondern hätten ausschließlich der Erzielung eines (Spekulations -)Gewinns gedient, hätte in ihrem Abschluss keine Überschreitung des der Klägerin gesetzlich zugewiesenen Wirkungskreises gelegen.
- 57
- a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können juristische Personen des öffentlichen Rechts allerdings außerhalb des ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs nicht wirksam rechtlich handeln. Die von ihnen außerhalb dieses Bereichs vorgenommenen Rechtsakte sind nichtig (BGH, Urteil vom 28. Februar 1956 - I ZR 84/54, BGHZ 20, 119, 122 ff.; Beschluss vom 15. Juli 1969 - NotZ 3/69, BGHZ 52, 283, 286).
- 58
- b) Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist (kritisch etwa Schmitt/ Geier, WM 2014, 1902, 1905 ff.; Schneider/Busch, WM 1995, 326 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung, da der Abschluss von Zinssatz-Swap-Verträgen der vorliegenden Art vom gemeindlichen Wirkungskreis umfasst ist.
- 59
- aa) Die Frage, ob Gemeinden durch das Abschließen von Swap-Verträgen , die in keinem konnexen Zusammenhang mit Grundgeschäften stehen, den ihnen gesetzlich zugewiesenen Wirkungskreis überschreiten, wird in der Instanzrechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet. Eine Auffassung in der Literatur stuft derartige Swap-Verträge im Hinblick auf ihren spekulativen Charakter als nichtig ein (vgl. Bader/Wilkens, wistra 2013, 81, 83; Elster, EWiR 2009, 73, 74; Kirchberg, FS Bryde, 2013, S. 393, 406; Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, 1999, S. 324; Morlin, NVwZ 2007, 1159 f.; Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345, 363; Weck/Schick, NVwZ 2012, 18, 20). Die Gegenauffassung hält sie demgegenüber für wirksam, weil ihr Abschluss von dem gemäß Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Recht der Gemeinden zur Selbstverwaltung umfasst sei (vgl. OLG Frankfurt am Main, WM 2010, 1790, 1792; LG Ulm, ZIP 2008, 2009, 2010 f.; LG Wuppertal, WM 2008, 1637, 1639 f.; LG Dortmund, NVwZ 2013, 1362, 1366; LG Köln, Urteil vom 12. März 2013 - 21 O 472/11, juris Rn. 108 ff.; Endler in Zerey, Finanzderivate Rechtshandbuch, 3. Aufl., § 28 Rn. 115; Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 110d; Lehmann, BKR 2008, 488, 489 f.; Schmitt/Geier, WM 2014, 1902, 1905 ff.; Tiedemann, NVwZ 2013, 1367 f.).
- 60
- bb) Die zuletzt genannte Meinung ist zutreffend.
- 61
- Der gemeindliche Wirkungskreis ist universal (BVerfGE 79, 127, 146). Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (sog. "Allzuständigkeit", BVerfGE 56, 298, 312; 79, 127, 146; 83, 37, 54). Der der Selbstverwaltung der Gemeinden offenstehende Aufgabenkreis ist dabei nicht sachlich-gegenständlich beschränkt, sondern umfassend, soweit ihr gebietlicher Wirkungsbereich betroffen ist (BVerfGE 83, 37, 54). Zu dem Bereich der eigenverantwortlichen Gemeindeverwaltung zählt insbesondere die Finanzhoheit, die den Gemeinden eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens und eine eigenverantwortliche Verwaltung ihres Vermögens gewährleistet (BVerfGE 125, 141, 159; BVerfG, NVwZ 1999, 520, 521).
- 62
- Demgemäß fällt die Vornahme von Finanzanlagen, zu denen auch der Abschluss von Finanztermingeschäften wie hier der streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge gehört, in den der Klägerin von Verfassungs wegen zugeordneten Wirkungskreis der eigenverantwortlichen Gemeindeverwaltung in der Ausprägung der eigenverantwortlichen Vermögensverwaltung. Ob die von der Klägerin abgeschlossenen Swap-Verträge ein bereits von ihr eingegangenes Marktpreisrisiko reduzieren oder ob mit ihnen ausschließlich ein separater Spekulationsgewinn erwirtschaftet werden soll, spielt für die Zuordnung der Geschäfte zum gemeindlichen Wirkungskreis keine Rolle. Die Auswahl der im Einzelnen abgeschlossenen Finanzanlagen obliegt allein der für die Verwaltung ihres Vermögens von Verfassungs wegen zuständigen Klägerin (vgl. Bücker, Finanzinnovationen und kommunale Schuldenwirtschaft, 1993, S. 156). Die Frage, ob die von ihr konkret getroffene Anlageentscheidung mit den für sie gültigen haushaltsrechtlichen Grundsätzen, wie insbesondere dem Gebot, bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten (§ 90 Abs. 2 Satz 2 GO NRW), vereinbar ist, betrifft nicht die Reichweite des gemeindlichen Wirkungskreises , sondern die verwaltungsrechtliche Rechtmäßigkeit des klägerischen Handelns (vgl. LG Köln, Urteil vom 12. März 2013 - 21 O 472/11, juris Rn. 111; aA offenbar Maunz/Dürig/Mehde, GG, Art. 28 Rn. 79 [Stand: 2014]). Selbst wenn die Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss der SwapVerträge gegen haushaltsrechtliche Grundsätze verstoßen und damit rechtswidrig gehandelt hätte, läge darin kein Handeln "ultra vires" (vgl. OLG Köln, Urteil vom 13. August 2014 - 13 U 128/13, juris Rn. 26; Bücker, aaO, S. 190 f.; Lammers, NVwZ 2012, 12, 15; vgl. außerdem BGH, Urteil vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 243).
- 63
- 2. Die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge sind auch nicht, was dem Senat ebenfalls von Amts wegen zu untersuchen obliegt (BGH, Urteil vom 20. Mai 1992 - VIII ZR 240/91, NJW 1992, 2348, 2350 aE), gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen ein etwaiges kommunalrechtliches Spekulationsverbot nichtig.
- 64
- a) In der Literatur findet sich allerdings teilweise die Auffassung, SwapVerträge , die keinen konnexen Zusammenhang zu bereits bestehenden Grundgeschäften aufwiesen, seien unter diesem Aspekt gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. Bücker, Finanzinnovationen und kommunale Schuldenwirtschaft, 1993, S. 195; Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, 1999, S. 324; Morlin, NVwZ 2007, 1159, 1160; Träber, AG 2008, R356-R358 und AG 2010, R238-R240, R456). Die Instanzrechtsprechung dagegen verneint das Vorhandensein eines Verbotsgesetzes als Voraussetzung der Anwendung des § 134 BGB (OLG Naumburg, WM 2005, 1313, 1317; OLG Bamberg, WM 2009, 1082, 1085 f.; OLG Frankfurt am Main, WM 2010, 1790, 1792; OLG Köln, Urteil vom 13. August 2014 - 13 U 128/13, juris Rn. 30; LG Ulm, ZIP 2008, 2009, 2010 f.; LG Wuppertal, WM 2008, 1637, 1639 f.; LG Würzburg, WM 2008, 977, 979; LG Köln, Urteil vom 12. März 2013 - 21 O 472/11, juris Rn. 113; aus dem Schrifttum vgl. Endler in Zerey, Finanzderivate Rechtshandbuch, 3. Aufl., § 28 Rn. 65; Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 114 Rn. 110d; Held/Winkel/Klieve, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., § 90 Rn. 3; Lehmann, BKR 2008, 488, 490).
- 65
- b) Für das nordrhein-westfälische Gemeinderecht ist die zuletzt genannte Auffassung richtig.
- 66
- aa) Die Frage, ob der Abschluss der streitgegenständlichen ZinssatzSwap -Verträge gegen ein Verbotsgesetz verstößt, entscheidet sich nach nordrhein -westfälischem Gemeinderecht, das der Senat selbst auslegen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 197/12, BGHZ 198, 14 Rn. 20 mwN). Auf das Gemeinderecht ausfüllende Runderlasse des nordrhein-westfälischen Innenministeriums kommt es nicht an. Gesetze im Sinne des § 134 BGB sind Gesetze im formellen Sinne, Verordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht (Staudinger/Sack/Seibl, BGB, Neubearb. 2011, § 134 Rn. 16 f.; Palandt/ Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 134 Rn. 2 unter Bezugnahme auf Art. 2 EGBGB).
- 67
- bb) Das nordrhein-westfälische Gemeinderecht enthält kein nach § 134 BGB wirksames Spekulationsverbot. Die Klägerin hatte nach den für sie geltenden Haushaltsgrundsätzen (§§ 75 ff. GO NRW) ihre Haushaltswirtschaft gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW in der hier maßgeblichen, bis zum 28. September 2012 gültigen Fassung zwar "wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen" und bei Geldanlagen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 GO NRW auf eine "ausreichende Sicherheit" zu achten. Soweit aus dem in diesen haushaltsrechtlichen Vorschriften verankerten Wirtschaftlichkeitsprinzip ein Spekulationsverbot für Gemeinden folgte (vgl. hierzu etwa Endler in Zerey, Finanzderivate Rechtshandbuch , 3. Aufl., § 28 Rn. 18 f.), band es aber allein die Klägerin im Innenverhältnis. Denn die haushaltsrechtlichen Regelungen sind reines Innenrecht. Ihr Geltungsanspruch ist auf den staatlichen Innenbereich beschränkt (BVerwGE 129, 9 Rn. 11 f.). Ihre Einhaltung ist allein durch die staatliche Rechtsaufsicht , nicht aber durch ein im Außenverhältnis wirkendes zivilrechtliches Verbotsgesetz sicherzustellen (vgl. BAGE 46, 394, 399 f. zu § 69 Abs. 2 SGB IV).
- 68
- 3. Die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge sind schließlich, was das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang richtig gesehen und der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (BGH, Urteil vom 23. Januar 1981 - I ZR 40/79, NJW 1981, 1439 aE), nicht nach § 138 BGB nichtig.
- 69
- a) Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteile vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 301, vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 11 und vom 3. April 2008 - III ZR 190/07, WM 2008, 996 Rn. 21, jeweils mwN). Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (st. Rspr., BGH, Urteile vom 9. November 1978 - VII ZR 54/77, BGHZ 72, 308, 314 und vom 10. Februar 2012 - V ZR 51/11, WM 2012, 2015 Rn. 13 mwN).
- 70
- b) Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig ist, kann nicht ohne eine konkrete Betrachtung des Geschäfts entschieden werden. Zinssatz-Swap-Verträge wie die hier streitgegenständlichen sind atypische gegenseitige Verträge (Jahn in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch , 4. Aufl., § 114 Rn. 75; Decker, WM 1990, 1001, 1004; Roller/Elster/ Knappe, ZBB 2007, 345, 352 f.) mit aleatorischem Charakter (Roberts, DStR 2010, 1082, 1083 f.). Bei solchen Verträgen mit Spiel- oder Wettcharakter kann sich die Sittenwidrigkeit auch aus deren Inhalt ergeben (MünchKommBGB/ Habersack, 6. Aufl., § 762 Rn. 17). Allerdings hat im Unterschied zum echten Austauschvertrag eine auffällige Abweichung vom Vergleichswert bei Spiel- und Wettverträgen keine indizielle Aussagekraft (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , 1994, S. 481, 484; Roberts, DStR 2010, 1082, 1083 f.). Im Besonderen ist hier die Wertung des § 37e Satz 1 WpHG in der Fassung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes (BGBl. I 2002, S. 2010) bei der Auslegung der ausfüllungsbedürftigen Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen (dazu KK-WpHG/Roth, 2. Aufl., § 37e Rn. 31). Mit der Schaffung des § 37e Satz 1 WpHG verfolgte der Gesetzgeber das Anliegen, durch den Ausschluss des Spieleinwands gegen Finanztermingeschäfte eine sichere Rechtssphäre zu schaffen (BT-Drucks. 14/8017, S. 96). Daraus folgt, dass Finanztermingeschäfte allein wegen ihres spekulativen Charakters nicht sittenwidrig sind. Hinzukommen müssen weitere Umstände (Roth aaO). In Anlehnung an die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Terminoptionsgeschäften gilt, dass ein Swap-Geschäft erst dann sittenwidrig ist, wenn es darauf angelegt ist, den Vertragspartner der Bank von vornherein chancenlos zu stellen (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26, vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 39 und vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 40).
- 71
- c) Gemessen daran sind die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge nicht nach § 138 BGB nichtig. Sie stellten die Klägerin nicht chancenlos. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Klägerin mit den vier streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen vielmehr bei anderer Entwicklung Gewinne erzielen können.
IV.
- 72
- Das angefochtene Urteil ist damit gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das gilt auch für den am 6. Dezember 2007 abgeschlossenen Invers-CMS-StufenSwap -Vertrag.
- 73
- Zwar steht fest, dass ein Schadenersatzanspruch der Klägerin nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB, soweit er auf eine fahrlässige Falschberatung der Beklagten - ein unvermeidbarer Rechtsirrtum kommt nicht in Betracht (Senatsurteil vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 39; insoweit unzutreffend OLG München, Urteil vom 18. Juni 2014 - 7 U 328/13, juris Rn. 16; OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2015 - 31 U 73/14, juris Rn. 37) - gestützt wird, gemäß § 37a WpHG aF verjährt ist. Die dreijährige Verjährungsfrist lief mit Abschluss des Vertrags am 6. Dezember 2007 an und am 6. Dezember 2010 ab, ohne dass sie vorher gehemmt worden wäre. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - aber keine Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Vorsatzhaftung getroffen hat, die ihrerseits nicht unter die Verjährungsfrist des § 37a WpHG aF fällt (vgl. Senatsurteile vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 312, vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 20 und vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 18), kann der Senat die Frage der Verjährung nicht abschließend beantworten.
- 74
- Das Berufungsgericht hat weiter - von seinem Rechtsstandpunkt aus wiederum konsequent - keine Feststellungen zu sonstigen Beratungspflichtverletzungen der Beklagten getroffen, bei denen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vermutung vorsätzlichen Handelns widerlegen müsste. Von der Verjährung eines Anspruchs unter dem Gesichtspunkt eines Verschweigens des schwerwiegenden Interessenkonflikts abgesehen kommen deshalb auch unverjährte Ansprüche aufgrund sonstiger Beratungsfehler in Betracht.
V.
- 75
- Der Senat verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 76
- 1. Das Berufungsgericht wird Feststellungen zum Zustandekommen von Einzelberatungsverträgen nachzuholen haben. Sollte das Berufungsgericht das Zustandekommen von Beratungsverträgen feststellen, wird es nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze zu klären haben, ob die Beklagte bei sämtlichen streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen eine Verpflichtung zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert traf und sie diese Verpflichtung erfüllt hat.
- 77
- 2. Sollte das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung unter diesem Aspekt verneinen, wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob die Beratung der Beklagten anlegergerecht war. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob die vier streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge vor dem Hintergrund der Risikobereitschaft der Klägerin als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft als für sie geeignete Finanzinstrumente anzusehen waren. Insoweit wird es auch Feststellungen zu dem Vorbringen der Beklagten zu treffen haben, die Swap-Geschäfte hätten konnexe Grundgeschäfte abgesichert. Auf das Bestehen der haushaltsrechtlichen Bindungen einer Gemeinde (hier nach den §§ 75 ff. GO NRW) musste die Beklagte als beratende Bank allerdings nicht hinweisen (vgl. Kropf, ZIP 2013, 401, 406).
- 78
- 3. Sollte das Berufungsgericht die Beratung der Beklagten als anlegergerecht ansehen, wird es weiter Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Beklagte gegen ihre Verpflichtung zur objektgerechten Beratung verstoßen hat. Das Berufungsgericht wird sich im Zusammenhang mit der Klärung einer objektgerechten Beratung insbesondere damit zu befassen haben, ob die Klägerin hinsichtlich des Invers-CMS-Stufen-Swaps in verständlicher Weise über die Hebelwirkung in der Zinsformel (vgl. hierzu Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345, 347 f.) aufgeklärt worden ist, die zur Folge hat, dass sich eine für die Klägerin günstige Entwicklung des Zehn-Jahres-Swapsatzes nicht sogleich in einer für sie vorteilhaften Zinslast niederschlägt, sondern erst ein in den vorangegangenen Berechnungszeiträumen entstandener hoher Zinssatz abgebaut werden muss. Hinsichtlich des CHF-Plus-Swaps wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagte der Klägerin die Konsequenzen des Fehlens einer Zinsobergrenze ("Cap") im Zusammenhang mit der vereinbarten Zinsformel anhand des Szenarios einer nicht nur unerheblichen Abwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken hinreichend klar erläutert hat.
- 79
- 4. Sollte das Berufungsgericht zu einer Beratungspflichtverletzung gelangen , wird es zu untersuchen haben, ob die Beklagte die zugunsten der Klägerin streitende Kausalitätsvermutung widerlegen kann.
- 80
- Dabei wird es sich bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer unzureichenden Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert für den geltend gemachten Schaden im Sinne eines gegen die Kausalität der Pflichtverletzung sprechenden Indizes auch mit dem Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung zu beschäftigen haben, die Klägerin habe aufgrund der Ausführungen der Beklagten Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte eine Bruttomarge in die Bedingungen der Zinssatz-Swap-Verträge einpreise. Denn die Kenntnis von der Realisierung einer Bruttomarge auf diesem Weg ohne Wissen um deren Umfang könnte nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen, die Klägerin habe die Swap-Geschäfte auch im Falle einer Unterrichtung über die Höhe des eingepreisten anfänglichen negativen Marktwerts abgeschlossen (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 15. Januar 2013 - XI ZR 8/12, BKR 2013, 203 Rn. 22).
- 81
- Außerdem wird das Berufungsgericht bei der tatrichterlichen Würdigung des Prozessstoffs in Rechnung zu stellen haben, dass das Festhalten an wirtschaftlich günstig verlaufenden Verträgen ein Indiz dafür sein kann, dass sich der Beratungsfehler auf den Anlageentschluss nicht ursächlich ausgewirkt hat, sofern der Bank bei der Erfüllung beratungsvertraglicher Pflichten der gleiche Beratungsfehler unterlaufen ist und der Anleger trotz (nachträglicher) Kenntniserlangung von der Falschberatung nicht unverzüglich die Rückabwicklung auch solcher für ihn vorteilhafter Verträge geltend macht (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50 und vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, WM 2014, 1670 Rn. 29).
- 82
- 5. Entgegen der Auffassung der Revision wird das Berufungsgericht dagegen keine Veranlassung haben, dem auf §§ 242, 249 Abs. 1 BGB gestützten Einwand der Klägerin in Höhe von 120.220,99 € den Erfolg zu versagen, weil die Klägerin in diesem Umfang aus anderen als den streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen durch Verrechnung mit ihrem rechtskräftig abgewiesenen Zahlungsantrag nicht verbrauchte Gewinne erwirtschaftet hat.
- 83
- a) Zwar schließt es die Prozesslage grundsätzlich nicht aus, solche Gewinne im Rahmen der negativen Feststellungsklage der Klägerin zu berücksichtigen. Das auf §§ 242, 249 Abs. 1 BGB gegründete Ziel der negativen Feststellungsklage , die Klägerin möge im Wege des Schadenersatzes so gestellt werden , als hätte sie die Zinssatz-Swap-Verträge nicht abgeschlossen, ist zwar mit dem erlangten Vorteil in Gestalt etwaiger Gewinne der Klägerin nicht gleichartig. Die bei ungleichartigen Vorteilen sonst auszusprechende Zug-um-ZugVerurteilung (Senatsurteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 21 mwN) könnte hier nicht erfolgen, weil eine negative Feststellung "Zug um Zug" gegen Zahlung mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsurteils im eigentlichen Sinne prozessual ins Leere geht (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 297/08, WM 2011, 829 Rn. 28; aA Zoller, BKR 2012, 405, 410). Den Besonderheiten einer prozessualen Situation, in der einem unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes begründeten Leistungsverweigerungsrecht ein im Wege der Vorteilsausgleichung berücksichtigungsfähiger geldwerter Vorteil gegenüber steht, könnte indessen mit einer betragsmäßigen Einschränkung der negativen Feststellung Rechnung getragen werden.
- 84
- b) Entgegen der Auffassung der Revision unterliegen Gewinne der Klägerin aus den von der Beklagten als mit Erfolg für die Klägerin abgeschlossen benannten Swap-Geschäften aber nicht der Vorteilsausgleichung.
- 85
- aa) Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (BGH, Urteile vom 15. November 1967 - VIII ZR 150/65, BGHZ 49, 56, 61 f. und vom 16. Januar 1990 - VI ZR 170/89, NJW 1990, 1360; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 68). Ist, wie oben dargelegt, Schadensereignis eine Beratungspflichtverletzung anlässlich des Abschlusses konkreter Swap-Geschäfte, können Vorteile, die aus zu anderen Zeiten geschlossenen Swap-Verträgen aufgrund einer gesonderten Beratung resultieren, mangels Nämlichkeit des Schadensereignisses im Zuge der Vorteilsausgleichung keine Berücksichtigung finden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, NJW-RR 2013, 948 Rn. 11 und - XI ZR 472/11, juris Rn. 11; Illhardt/Scholz, DZWiR 2013, 512, 514; Lederer, AG 2013, R226, R227). Daran ändert auch die Gleichartigkeit der Pflichtverletzung nichts. Sämtliche von der Klägerin mit Gewinn abgewickelten Swap-Geschäfte kamen nach dem Vortrag der Beklagten zu anderen Zeiten zustande als die streitgegenständlichen.
- 86
- bb) Aus dem Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 2013 (II ZR 90/11, WM 2013, 456 Rn. 27) ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes. Dort stand die Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft wegen pflichtwidrig abgeschlossener Zinsderivate in Rede. Der II. Zivilsenat hat die Anrechnung von Gewinnen aus in gleicher Weise vom Vorstand pflichtwidrig abgeschlossenen Zinsderivategeschäften in analoger Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung (dazu Illhardt/ Scholz, DZWiR 2013, 512, 514 f.; früher schon Fleischer, DStR 2009, 1204, 1210) auf einen Schadenersatzanspruch der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG vor allem darauf gestützt, dass sich die Gesellschaft treuwidrig verhalte, wenn sie ein Organmitglied für einen Fehler ersatzpflichtig mache, aber den Gewinn behalte, wenn das Organ den gleichen Fehler erneut begehe.
- 87
- cc) Auch sonst besteht in wertender Anwendung des § 242 BGB keine Veranlassung, sinngemäß die Grundsätze der Vorteilsausgleichung über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus auf die hier zur Entscheidung stehende Fallkonstellation zu erstrecken. Verhält sich der geschädigte Kunde in seiner Reaktion auf die immer gleiche Pflichtverletzung widersprüchlich, indem er an für ihn günstig verlaufenden Geschäften festhält, während er ihm nachteilige Geschäfte rückabzuwickeln sucht, kann dem - wie unter 4. ausgeführt - Indizwirkung bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität zukommen. Ist die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens unter Berücksichtigung dieses Umstands nicht widerlegt, kann dem Kunden der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens nicht gemacht werden, wenn er einen Gewinn aus anderen Geschäften behält. Der Verzicht auf eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung sichert den Anreiz, Beratungspflichten stets und immer zu genügen.
- 88
- dd) Dass für die zwischen den Parteien geschlossenen Swap-Geschäfte die Bestimmungen des Rahmenvertrags gelten, dass die auf dessen Grundlage geschlossenen einzelnen Swap-Geschäfte einen "einheitlichen Vertrag" bilden und dass für die einzelnen Geschäfte eine einheitliche Risikobetrachtung anzustellen ist (vgl. Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrags), rechtfertigt nicht die Anrechnung von Gewinnen aus nicht streitgegenständlichen Swap-Geschäften, die auf der Grundlage des Rahmenvertrags geschlossen wurden (aA OLG München, WM 2013, 369, 373; Stackmann, NJW 2012, 2913, 2915; Zoller, BKR 2012, 405, 410). Eine solche Anrechnung ist entsprechend dem oben Ausgeführten nicht Regelungsgegenstand der Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrags. Um Ausgleichsforderungen nach den Nrn. 8 und 9 des Rah- menvertrags, die einen Vorteilsausgleich vorsehen, handelt es sich bei Schadenersatzansprüchen der Klägerin ebenfalls nicht.
- 89
- ee) Im konkreten Fall gilt nicht deshalb ausnahmsweise etwas anderes, weil das Berufungsgericht, was mangels Angriffs der Klägerin nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, das Leistungsbegehren der Klägerin auf Erstattung der von ihr auf die streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträge erbrachten Zahlungen in Höhe von 575.256,79 € mit dem Argument abgewiesen hat, die Klägerin müsse sich Gewinne aus anderen Zinssatz-Swap-Verträgen in Höhe von 695.477,78 € entgegenhalten lassen. Die Begründung des Berufungsgerichts für diese Verrechnung nimmt an der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht teil. Sie präjudiziert damit auch nicht die zwischen den Parteien geltenden Grundsätze der Vorteilsausgleichung.
- 90
- ff) Schließlich besteht im konkreten Fall entgegen der Auffassung der Revision kein Anlass zu einer Anrechnung wegen der von der Klägerin in der Berufungsinstanz - bezogen auf ihren rechtskräftig aberkannten Zahlungsantrag - abgegebenen Erklärung, sie akzeptiere eine Anrechnung von Gewinnen aus anderen Geschäften und stütze das Zahlungsbegehren (nur noch) auf den Gesichtspunkt der Nichtigkeit der Zinssatz-Swap-Verträge nach § 138 BGB. Die Klägerin hat für ihr Feststellungsbegehren entsprechende Konsequenzen nicht gezogen.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.05.2012 - 8 O 77/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.10.2013 - I-9 U 101/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach Abschluss zweier Swap-Verträge in Anspruch.
- 2
- Die Klägerin stand mit der Beklagten in Geschäftsbeziehung. Am 29. Januar 2007 schlossen die Parteien einen "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte" (künftig: Rahmenvertrag). Die Klägerin war zugleich Darlehensnehmerin einer mit der Beklagten im genossenschaftlichen Kreditverbund stehenden dritten Bank. Im Jahr 2008 war ein weiteres Darlehen bei dieser dritten Bank in Aussicht genommen.
- 3
- Auf der Grundlage des Rahmenvertrags einigten sich die Parteien am 3. September 2008 auf einen Zinssatz-Swap-Vertrag Nr. 5 mit einer Laufzeit vom 1. September 2009 bis zum 1. September 2018. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von 4,65% p.a. auf einen Bezugsbetrag von anfänglich 5 Mio. €, der sich ab dem 1. September 2010 halbjährlich um 100.000 € reduzierte. Die Beklagte übernahm die Verpflichtung, Zinsen in Höhe des 6-Monats-Euribors auf dieselben Bezugsbeträge zu leisten.
- 4
- Außerdem schlossen die Parteien am 3. September 2008 einen Zinsund Währungs-Swap-VertragNr. 4 mit einer Laufzeit vom 5. September 2008 bis zum 31. Januar 2012. Sie einigten sich darauf, die Klägerin solle der Beklagten insgesamt 5.280.602 CHF, zahlbar zunächst in halbjährlichen Raten in Höhe von zunächst 120.525 CHF, gegen insgesamt 3.286.000 €, zahlbar in halbjährlichen Raten in Höhe von zunächst 75.000 €, leisten. Am Laufzeitende sollte die Klägerin der Beklagten restliche 4.557.452 CHF gegen 2.836.000 € zahlen. Die Klägerin schuldete während der Laufzeit auf den sich durch die halbjährlichen Zahlungen fortlaufend verringernden Bezugsbetrag Zinsen in Höhe von 3,25% p.a., während die Beklagte entsprechend Zinsen in Höhe des 6-Monats-Euribors zu leisten hatte.
- 5
- In beide Swap-Verträge preiste die Beklagte eine Bruttomarge ein, so dass der Marktwert aus Sicht der Klägerin anfänglich negativ war. Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.
- 6
- Die Parteien beendeten den Zinssatz-Swap-Vertrag vorzeitig zum 22. Dezember 2011 gegen eine Ausgleichszahlung der Klägerin in Höhe von 751.700 €. Der Zins- und Währungs-Swap-Vertrag lief zum 31. Januar 2012 mit einem zulasten der Klägerin negativen Saldo aus. Die Klägerin beziffert ihren aus beiden Swap-Geschäften resultierenden Schaden auf insgesamt 2.352.047,45 €.
- 7
- Die Klägerin hat unter dem 31. August 2011 gegenüber der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg (künftig: ÖRA) Antrag auf Durchführung eines Güteverfahrens gestellt. Die ÖRA hat die Bekanntgabe des Güteantrags an die Beklagte veranlasst. Sie hat am 20. Dezember 2011 das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt. Die Klägerin hat am 18. Juni 2012 ihre Klage auf Zahlung und Feststellung anhängig gemacht. Die Klage ist der Beklagten nach Anforderung des Kostenvorschusses am 20. Juni 2012 und Einzahlung der Gerichtskosten am 4. Juli 2012 am 11. Juli 2012 zugestellt worden.
- 8
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen dem Zahlungsantrag entsprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 10
- Das Berufungsgericht (BeckRS 2015, 09396) hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 11
- Die Beklagte sei der Klägerin in Höhe von 2.352.047,45 € zuzüglich Zinsen zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Klägerin nicht über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts in die SwapVerträge unterrichtet habe. Eine Pflicht zur Aufklärung über diesen Umstand habe unabhängig davon bestanden, ob zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Eine Aufklärungspflicht habe jedenfalls als Nebenpflicht aufgrund der Empfehlung des eigenen Produkts im Rahmen der Finanzdienstleistung bestanden. Dieser Aufklärungspflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Dass der Abschluss der Swap-Verträge in Zusammenhang mit Darlehensverträgen bei einer dritten Bank gestanden habe, habe an der Aufklärungspflicht der Beklagten nichts geändert. Das Verschulden der Beklagten werde vermutet. Die zugunsten der Klägerin weiter streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt. Hierzu genüge nicht der Umstand, dass es der Klägerin unbedingt darum gegangen sei, sich gegen steigende Zinsen abzusichern. Gewinne aus Swap-Geschäften, die eine andere Handelsgesellschaft - wenn auch mit nämlichem Gesellschafterbestand - erzielt habe, müsse sich die Klägerin nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt, weil die Veranlassung der Bekanntgabe des von der Klägerin gestellten Güteantrags die Verjährung gehemmt habe.
II.
- 12
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
- 13
- 1. Die Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, es könne für die Herleitung einer Aufklärungspflicht dahinstehen, ob vor Abschluss der Swap-Verträge am 3. September 2008 zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustandegekommen sei. Das trifft nicht zu. Die Verpflichtung der zum Abschluss eines SwapVertrags im Zweipersonenverhältnis ratenden Bank, die Einpreisung einer Bruttomarge und deren Höhe zu offenbaren, resultiert nicht als Nebenpflicht aus dem mit dem Swap-Vertrag begründeten Austauschverhältnis. Vielmehr trifft die Bank nur bei Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags diese aus dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts folgende Verpflichtung (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 31 ff., vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 33 ff., vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 31 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 24).
- 14
- 2. Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht außerdem - soweit man eine Beratungspflichtverletzung unterstellt - zur Frage der Kausalität einer Pflichtverletzung unter Verstoß gegen § 286 ZPO entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen.
- 15
- Bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer unzureichenden Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert für den geltend gemachten Schaden ist im Sinne eines gegen die Kausalität der Pflichtverletzung sprechenden Vorbringens die Behauptung beachtlich, der Kunde habe Kenntnis davon gehabt , dass die Bank eine Bruttomarge in die Bedingungen eines Swap-Vertrags einpreise. Denn die Kenntnis von der Realisierung einer Bruttomarge auf diesem Weg ohne Wissen um deren Umfang kann nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen, der Kunde hätte das Swap-Geschäft auch im Falle einer Unterrichtung über die Höhe des eingepreisten anfänglichen negativen Marktwerts abgeschlossen (Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 80 mwN). Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin wäre die Verpflichtungen aus den Swap-Verträgen auch dann eingegangen, wenn sie die Höhe der eingepreisten Bruttomarge gekannt hätte. Sie hat für ihre Behauptung Beweis durch Vernehmung eines für die Klägerin an den Verhandlungen mit der Beklagten beteiligten Gesellschafters angeboten. Mit diesem erheblichen Vorbringen hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.
- 16
- Die Verfahrensrüge der Beklagten ist auch unter einem weiteren Aspekt begründet. Kann ein vom Kunden gewünschtes Anlageziel nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Anlagen mit vergleichbar eingepreister Bruttomarge erreicht werden, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts mangels vorhandener Alternativen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53). Dies hat die Beklagte geltend gemacht , ohne dass sich das Berufungsgericht mit diesem Vortrag befasst hat.
III.
- 17
- Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), da es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Eine andere die Verurteilung selbständig tragende Pflichtverletzung der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
IV.
- 18
- Der Senat kann nicht zugunsten der Beklagten in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 19
- 1. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision kommt ein das Verschulden ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum der Beklagten nicht in Betracht (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 39 und vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 73).
- 20
- 2. Die Beklagte kann sich gegen ihre Inanspruchnahme auch nicht erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen (§ 214 Abs. 1 BGB). Zwar lief die Verjährungsfrist - zugunsten der Beklagten eine bloß fahrlässige Pflichtverletzung unterstellt - gemäß § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit § 43 WpHG am 3. September 2008 an und mit Ablauf des 3. September 2011 ab. Die Veranlassung der Bekanntgabe des von der Klägerin am 31. August 2011 bei der ÖRA eingereichten Güteantrags hemmte indessen den Ablauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB in der bis zum 25. Februar 2016 geltenden Fassung (Senatsurteil vom 22. September 2009 - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 13 ff.; BGH, Urteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, WM 2015, 2088 Rn. 22 und - IV ZR 526/14, WM 2015, 2292 Rn. 30).
- 21
- Der Güteantrag konkretisierte das nach Auffassung der Klägerin haftungsbegründende Schadensereignis, die fehlerhafte Beratung der Klägerin im Vorfeld des Abschlusses zweier in ihren Bedingungen individuell auf sie abgestimmter und mit einem beträchtlichen finanziellen Volumen ausgestatteter Swap-Verträge, im konkreten Einzelfall entgegen den Beanstandungen der Revision noch ausreichend. Der Angabe, die Klägerin habe "zum Ende der Präsentation die gegenständlichen Swap-Verträge" abgeschlossen, grenzte den Zeitpunkt der schädigenden Handlung hinreichend auf den Zeitraum unmittelbar vor dem genannten "Abschlussdatum" ein. Mittels der Nennung der Vertragsnummern war der Beklagten ein Nachvollzug möglich. Schließlich war das angestrebte Verfahrensziel bezeichnet.
- 22
- Innerhalb der mit der Veranlassung der Bekanntgabe der Einstellungsverfügung an die Klägerin (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, WM 2015, 2088 Rn. 26 ff.) angelaufenen Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB hat die Klägerin die Verjährung erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO gehemmt (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2009 - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 21).
V.
- 23
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
- 24
- 1. Das Berufungsgericht wird Feststellungen zum Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags nachzuholen haben. Dabei wird es sich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit den Feststellungen des Landgerichts zu befassen haben, zwischen den Parteien sei es am 17. Juli 2008 zu einem Gespräch gekommen , anlässlich dessen eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin den Abschluss zweier Swap-Verträge empfohlen habe. Das Berufungsgericht wird seiner rechtlichen Bewertung zugrunde zu legen haben, dass in Fällen, in denen der Kunde an die Bank oder die Bank an den Kunden herantritt, um über den Abschluss von Swap-Verträgen beraten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen wird (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128, vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 23 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 21).
- 25
- 2. Die aus einem Beratungsvertrag resultierende Verpflichtung zur Aufklärung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts entfällt auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines konnexen Gegengeschäfts. Eine die Aufklärungspflicht ausschließende Konnexität ist nur gegeben, wenn die Parteien wirtschaftlich betrachtet zumindest partiell entweder ein bei der beratenden Bank bestehendes variabel verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein bei der beratenden Bank bestehendes Festzinsdarlehen in ein synthetisch variabel verzinsliches Darlehen umwandeln (Senatsurteil vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 26 ff.). Nur dann, wenn die beratende Bank nicht nur Vertragspartnerin des Swap-Vertrags, sondern auch Darlehensgeberin des Kunden ist, muss der Kunde bei normativobjektiver Betrachtung damit rechnen, dass die Bank nicht nur mit dem Darlehensgeschäft , sondern auch mit dem wirtschaftlich einer Änderung der Bedingungen des Darlehensvertrags gleichkommenden Swap-Geschäft eigennützige Interessen verfolgt, die über das Interesse in Höhe der Zinsdifferenz bei ihr günstigem Verlauf der Zinswette hinausgehen. Hier war die Klägerin nicht Darlehensnehmerin der Beklagten.
- 26
- 3. Das Berufungsgericht wird außerdem davon auszugehen haben, dass, was die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten kann, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 41 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 37). Sollten für die Klägerin Handelnde dem Grunde nach gewusst haben, dass die Beklagte eine Bruttomarge in die Swap-Verträge ein- preisen werde, ist dies entgegen der Rechtsmeinung der Revision kein Aspekt, der nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen wäre. Er kann allenfalls bei der Kausalität der Pflichtverletzung oder im Rahmen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Rolle spielen.
- 27
- 4. Das Berufungsgericht wird keinen Anlass haben, Vorteile einer anderen Handelsgesellschaft mit dem nämlichen Gesellschafterbestand aus SwapVerträgen mit der Beklagten zulasten der Klägerin im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind diejenigen Vorteile zuzurechnen, die dem Geschädigten in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (Senatsurteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 85 mwN). Daran fehlt es hier.
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 20.11.2013 - 2-12 O 155/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.03.2015 - 16 U 228/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Beklagten, die für die W. AG bzw. P. AG in den Rechtsstreit eingetreten ist, aus einem Zinssatz-Swap-Vertrag nichts mehr zu schulden. Die Beklagte macht widerklagend Zahlungsansprüche geltend.
- 2
- Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig einheitlich: Beklagte) stand mit der Klägerin, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen mit rund 67.000 Einwohnern, in Geschäftsbeziehungen.
- 3
- Am 16. Dezember 2003 schlossen die Parteien einen (Formular-) "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte". Auf der Grundlage des Rahmenvertrags einigten sich die Parteien, die verschiedene Swap-Geschäfte miteinander ECLI:DE:BGH:2016:260716UXIZR356.14.0 tätigten, am 19. Februar 2009 auf einen CHF-Plus-Swap. Dieser ZinssatzSwap -Vertrag sollte eine Laufzeit vom 15. Februar 2009 bis 15. November 2017 haben. Die Beklagte schuldete die Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 2,5% p.a. auf einen Bezugsbetrag von 5 Mio. €. Die Klägerin schuldete Zinsen zunächst in einem Zeitraum zwischen dem 15. Februar 2009 und dem 15. Februar 2010 in Höhe von 2% p.a. auf einen Bezugsbetrag von 5 Mio. €. Ab dem 15. Februar 2010 schuldete sie Zinsen ("variabler Satz") in Höhe von 2% zuzüglich eines Aufschlags nach der Formel (1,5050 CHF/€ – €/CHF) : €/CHF-Devisenkassakurs x 100% auf einen Bezugsbetrag von 5 Mio. €. War der von der Klägerin geschuldete "variable Satz" an einem Feststellungstag kleiner oder gleich 2% p.a., sollte die Klägerin zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 2% p.a. verpflichtet sein. War der von der Klägerin geschuldete "variable Satz" an einem Feststellungstag größer oder gleich 6,25% p.a., sollte die Klägerin Zinsen in Höhe von 6,25% p.a. schulden.
- 4
- Mittels dieses Zinssatz-Swap-Vertrags lösten die Parteien einen am 5. November 2007 geschlossenen "Doppel-Digitalswap" ab, aus dem der Klägerin eine Zahlungspflicht in Höhe von 46.875 € drohte. Außerdem schlossen die Parteien am 5. Mai 2009 weitere Swap-Verträge.
- 5
- Bei dem am 19. Februar 2009 geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrag war der Marktwert aus Sicht der Klägerin (unstreitig) im Zeitpunkt des Abschlusses negativ. Wie hoch der anfängliche negative Marktwert war, ist nicht festgestellt. Die Beklagte leistete auf den Zinssatz-Swap-Vertrag Zahlungen in Höhe von 68.750 €. Inzwischen ist das Geschäft für die Klägerin nachteilig. Sie erbrachte keine Zahlungen.
- 6
- Auf den Antrag festzustellen, dass die Klägerin zu weiteren Zahlungen aus dem oben angeführten Swap-Geschäft nicht verpflichtet sei, soweit diese einen Betrag von 68.750 € überstiegen, hat das Landgericht festgestellt, die Beklagte sei "verpflichtet […], die Klägerin von der Verpflichtung zu weiteren Zahlungen […] freizustellen, soweit nicht diesen Zahlungen anzurechnende Vorteile" gegenüberstünden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Widerklage der Beklagten, mit der sie Ansprüche aus den am 5. Mai 2009 geschlossenen Swap-Verträgen in Höhe von 57.094,16 € nebst Zinsen geltend gemacht hat, hat es entsprochen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil gemäß dem schon in erster Instanz formulierten Klageantrag dahin abgeändert, es werde festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, auf den CHF-Plus-Swap vom 19. Februar 2009 weitere Zahlungen zu leisten, „soweit diese über den Betrag in Höhe von 68.750 €“ hin- ausgingen. Dabei hat es das Vorbringen der Klägerin übernommen, sie habe, "nachdem sie Kenntnis von de[r] Beratungspflichtverletzung" der Beklagten erlangt habe, "aus dem streitgegenständlichen Geschäft noch über eine positive Zwischenbilanz in Höhe von 68.750 € verfügt". Die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre vom Senat zugelassene Revision , mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die zu ihren Gunsten rechtskräftig titulierte Widerklage steht nicht mehr in Streit und war weder Gegenstand des Berufungs- noch ist sie Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 16680) hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Die Beklagte schulde der Klägerin wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Rahmenvertrag bzw. einem dem Rahmenvertrag vorgelagerten Beratungsvertrag Schadensersatz, weil sie die Klägerin bei Abschluss des SwapGeschäfts nicht objektgerecht beraten habe. Sie habe es unterlassen, die Klägerin auf den anfänglichen negativen Marktwert des Swap-Geschäfts und dessen Höhe hinzuweisen. Ihre Aufklärungspflicht habe die Beklagte nicht dadurch erfüllt, dass sie erklärt habe, Swap-Geschäfte verfügten überhaupt über einen sich ändernden (positiven oder negativen) Marktwert, sie habe in den Swap eine Gewinnmarge eingepreist und verdiene an der Geld-Brief-Spanne durch Hedging-Geschäfte. Alle diese Informationen hätten nichts darüber ausgesagt, wie der Markt bei Abschluss eines Swaps dessen künftige Entwicklung prognostiziere , dass diese Prognose im anfänglichen negativen Marktwert Ausdruck finde und dieser Marktwert nicht nur die Gewinnspanne der Beklagten abbilde, sondern anzeige, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts der Klägerin - wenn auch nur aufgrund finanzmathematischer Simulationsmodelle - höher als die eines Gewinns einschätze. Ebenso wenig werde deutlich, dass die Beklagte ihre Gewinnspanne gerade dadurch realisiert habe, dass sie das Chancen-Risiko-Profil des Swaps bewusst zu Lasten der Klägerin ausgebildet habe. Die Aufklärungspflicht knüpfe dabei nicht an der mehr oder weniger komplexen Struktur des jeweiligen Swaps, aus der sich weitere Beratungspflichten ergeben könnten, sondern an der allen Swap-Geschäften eigenen Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwerts an.
- 10
- Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflichten zumindest fahrlässig verletzt. Die Vermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB habe sie nicht widerlegt. Insbesondere habe das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, dass sich die Beklagte in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden habe.
- 11
- Die Pflichtverletzung sei für den Abschluss des Swap-Geschäfts durch die Klägerin auch ursächlich geworden. Soweit die Beklagte anderes behaupte, trage sie ins Blaue hinein vor. So lasse die Rechtsverteidigung der Beklagten zur Kausalitätsfrage bereits offen, auf wessen Einschätzung und Willensbildung es bei der Prüfung der für den Geschäftsabschluss relevanten Umstände ankommen solle. Die Klägerin entscheide und handele im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung durch ihre Gremien sowie "durch hierarchisch strukturierte Entscheidungsträger und Weisungsempfänger in der Verwaltung". Deshalb könne auch "der Anlageentschluss nicht schlechthin auf die Willensbetätigung einzelner Personen und deren subjektive Kenntnisse, Erfahrungen und Wertungen zurückgeführt werden". Das Vorbringen der Beklagten stehe, soweit es um die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Auswirkungen gehe, unter der nachdrücklich vertretenen Prämisse, dass der anfängliche negative Marktwert lediglich die der Klägerin angeblich dem Grunde nach bekannte und von ihr akzeptierte Marge abbilde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Dass die Klägerin das Geschäft auch dann abgeschlossen hätte, wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes - wenn auch nur aufgrund finanzmathematischer Simulationsmodelle - höher als die eines Gewinns eingeschätzt und sie damit gegen die Markterwartung agiert habe, trage die Beklagte, die diese Zusammenhänge gerade in Abrede stelle, nicht vor. Die Beklagte habe durchaus auch günstigere Konditionen angeboten. Dass die Klägerin nicht (sofort) auch die für sie günstig verlaufenen Geschäfte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes rückabzuwickeln versucht habe, widerlege die Kausalitätsvermutung ebenfalls nicht. Die Beklagte, die dies anführe, lasse auch in diesem Zusammenhang unberücksichtigt, dass sich die Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwerts nicht in einer gleichsam geschäftsneutralen Marge erschöpfe, sondern dass der Klägerin nicht hinreichend deutlich gemacht worden sei, dass und in welchem Umfang sie gegen die im anfänglichen negativen Marktwert abgebildeten Erwartungen des Marktes agiere. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin sei nicht nach § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung (künftig: a.F.) in Verbindung mit § 43 WpHG verjährt.
II.
- 12
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
- 13
- 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, eine erhebliche Schädigung der Klägerin wegen einer unzureichenden Information über den anfänglichen negativen Marktwert des Zinssatz-Swap-Vertrags könne hier aus der Verletzung von Pflichten aus einem vor Abschluss des Rahmenvertrags vom 16. Dezember 2003 geschlossenen Beratungsvertrag oder aus dem Rahmenvertrag resultieren. Das trifft nicht zu. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen in seinem Urteil vom 28. April 2015 (XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 21 ff.).
- 14
- 2. Das Berufungsgericht hat weiter unrichtig angenommen, eine unzureichende Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert des Zinssatz -Swap-Vertrags stelle einen Verstoß gegen das Gebot der objektgerechten Beratung dar. Das Vorhandensein eines anfänglichen negativen Marktwerts eines Swap-Vertrags ist kein Umstand, über den die beratende Bank ihren Kunden im Rahmen der objektgerechten Beratung informieren müsste (näher Senatsurteile vom 28. April 2015 - XI ZR 278/13, BGHZ 205, 117 Rn. 30 ff. und vom 20. Januar 2015 - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 33 ff.). Die Verpflichtung , bei Swap-Verträgen im Zweipersonenverhältnis anlässlich einer vertraglich geschuldeten Beratung das Einpreisen einer Bruttomarge zu offenbaren, sofern es an konnexen Grundgeschäften fehlt, folgt vielmehr aus dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 31 ff., vom 28. April 2015 aaO Rn. 33 ff., vom 20. Januar 2015 aaO Rn. 31 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 24). Diese Verpflichtung schließt - wie vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt und entsprechend den sonst vom Senat entschiedenen Fällen einer Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts - die Verpflichtung zur Information über die Höhe der eingepreisten Bruttomarge ein (Senatsurteil vom 28. April 2015 aaO Rn. 41).
- 15
- 3. Das Berufungsgericht hat außerdem die Anforderungen an die Erheblichkeit des Vortrags der Beklagten zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung überspannt. Dem Vorbringen der Beklagten war die Behauptung zu entnehmen, die verantwortlich Handelnden der Klägerin, nämlich ihr Bürgermeister und zwei ihrer Mitarbeiter, hätten den Zinssatz-Swap-Vertrag auch in Kenntnis von Grund und Höhe des von der Beklagten eingepreisten anfänglichen negativen Marktwerts abgeschlossen. Damit hat die Beklagte die entscheidungserhebliche Tatsache - Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus , stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39).
- 16
- Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, es könne bei der Prüfung der Frage, ob die "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" widerlegt sei, nicht schlechthin auf die Willensbildung einzelner Personen und deren subjektive Kenntnisse, Erfahrungen und Wertungen ankommen, geht es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab aus. Es kommt nach § 166 Abs. 1 BGB nicht darauf an, ob "Gremien" und "hierarchisch strukturierte Entscheidungsträger" der Klägerin den Zinssatz-Swap-Vertrag auch dann geschlossen hätten, wenn sie Kenntnis von Grund und Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts gehabt hätten. Vielmehr hätte das Berufungsgericht auf den Entschluss der für die Klägerin bei Abschluss des Zinssatz-Swap-Vertrags handelnden Vertreter abstellen müssen.
III.
- 17
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere ist der von den Parteien geschlossene Zinssatz-Swap-Vertrag nicht nichtig (Senatsurteile vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 56 ff. und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 51).
IV.
- 18
- Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 19
- 1. Gemäß den Grundsätzen, die der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteilen vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 26 ff.) und vom 12. Juli 2016 (XI ZR 150/15, Umdruck Rn. 25) aufgestellt hat, ist der Zinssatz-Swap-Vertrag nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der Beklagten nicht konnex mit einem Darlehen verknüpft gewesen, so dass eine Pflicht zur Belehrung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts bestanden hat.
- 20
- 2. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision kommt ein das Verschulden ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum der Beklagten nicht in Betracht (Senatsurteile vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 39 und vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 73).
- 21
- 3. Der Senat kann auch nicht dahin erkennen, die Beklagte könne sich erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen. Insoweit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt, die Klägerin habe eine - zugunsten der Beklagten unterstellt am 19. Februar 2009 angelaufene - Verjährungsfrist rechtzeitig gehemmt.
V.
- 22
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
- 23
- Sollte das Berufungsgericht nach Maßgabe der Vorgaben des Senatsurteils vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 40 ff.) weitere anrechenbare Vorteile ermitteln, wird es diese Vorteile zu dem Betrag von 68.750 € zu addieren haben. Die Klägerin hat durchgängig beantragt festzustellen, sie sei aus dem streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Vertrag zu Zahlungen nicht verpflichtet, soweit sie einen von der Beklagten auf den Zinssatz-Swap-Vertrag erbrachten Betrag von 68.750 € überstiegen. Sonstige nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung anrechenbare Vorteile wird das Berufungsgericht, das - wie von ihm zutreffend gesehen - im Rahmen der Antragsbindung (§ 308 Abs. 1 ZPO) die anrechenbaren Vorteile jedenfalls nicht geringer wird veranschlagen können, hinzuzurechnen haben.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.03.2013 - 8 O 31/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.06.2014 - I-14 U 94/13 -
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.01.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage der Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 247.545,69 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 25.957,34 € seit dem 30.09.2012,
aus weiteren 37.326,60 € seit dem 15.11.2012,
aus weiteren 37.236,60 € seit dem 15.02.2013,
aus weiteren 36.370,61 € seit dem 15.05.2013,
aus weiteren Text 36.370,61 € seit dem 15.08.2013,
aus weiteren 38.869,30 € seit dem 30.09.2013
und aus weiteren 35.504,63 € seit dem 15.11.2013 zu zahlen;
Auf die erweiterte Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte weitere 242.474,70 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 36.293,62 € seit dem 17.02.2014,
aus weiteren 33.868,89 € seit dem 15.05.2014,
aus weiteren 34.638,64 € seit dem 15. August 2014
aus weiteren 37.211,93 € seit dem 30.09.2014,
aus weiteren 34.523,16 € seit dem 17.11.2014,
aus weiteren 33.397,41 € seit dem 16.02.2015
und aus weiteren 32.541,05 € seit dem 15.05.2015 zu zahlen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
(§ 540 ZPO)
A)
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Kreisstadt im Regierungsbezirk Z im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit etwa 31.800 Einwohnern.
2Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche der Klägerin bzw. der Beklagten aus insgesamt 4 Swap-Geschäften, die die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Y AG (seit 02.07.2012 A AG -im Folgenden einheitlich: Beklagte), zwischen November 2006 und Februar 2009 abgeschlossen hat.
3Im Jahr 2005 bzw. 2006 entstand die Geschäftsbeziehung der Klägerin zur Beklagten, nachdem die Beklagte zuvor bereits teilweise der Klägerin festverzinsliche Darlehen gewährt hatte. Am 06.07.2005 wurde der Klägerin erstmals anhand einer von der Beklagten vorbereiteten Präsentation der Sinn und Nutzen des Einsatzes von Derivaten zur Optimierung der Zinsbelastung in der kommunalen Haushaltsführung vorgestellt.
4In einer Übersicht betreffend das aktive Zinsmanagement mit Derivaten für die Stadt G (B 21) vom 08.02.2006 findet sich unter der Überschrift „Handlungsmöglichkeiten“ der Hinweis, dass sich im Portfolio eine Häufung von Zinsanpassungen im sehr langen Laufzeitbereich findet, kaum dagegen Zinsbindungen mit mittlerer Laufzeit. Hinsichtlich der Zins- und Tilgungsverpflichtungen nur in Euro bestehe dagegen ein deutlicher Zinsvorteil im Schweizer Franken, der durch den Abschluss von Zins- und Währungsswaps genutzt werden kann. Ferner heißt es dort, dass die Durchschnittsverzinsung über dem aktuellen Zinsniveau bei gleicher Duration liegt, wobei dieser Zinsaufwand durch strukturierte Derivate wie z.B. Differenz-Swaps, Kündbare Spread-Swaps etc. reduziert werden könne. Als Optimierungsvorschläge sind ein Forward-Swap, ein Flexi-Forward Swap, ein Zins- und Währungsswap, ein Differenz-Swap und ein kündbarer Spread-Swap genannt. Als Risiken werden genannt, dass der 6-Monate-Euribor dauerhaft über 5% ansteigt und dass die Zinsstrukturkurve dauerhaft verflacht, wobei dieses Risiko beim Differenz-Swap begrenzt und beim kündbaren Spread Swap theoretisch unbegrenzt ist. In einer Szenarioanalyse bezüglich des Differenz-Swap wird der mögliche Nettovorteil auf 78.000 € und der mögliche Nettonachteil auf 22.500 € beziffert. Die Übersicht endet mit dem Fazit, dass eine Analyse des Schuldenportfolios der Stadt G verschiedene Ansatzpunkte für eine Zinsoptimierung zeigt. Die vorhandenen Zinsbindungen werden insgesamt als sehr langfristig beurteilt. Für Darlehensaufnahmen in den nächsten Jahren böten sich unter Umständen eher Zinsbindungen im mittleren Laufzeitbereich an, z.B. über der Einsatz eines Forward-Swaps oder eines Forward Flexi-Swaps. Ferner findet sich der Hinweis, dass sich im Portfolio bislang ausschließlich festverzinsliche Darlehen finden, die ausschließlich auf Euro-Basis lauten. Die Vorteile einer günstigeren Finanzierung in Ländern mit einem geringeren Zinsniveau würden bislang nicht genutzt.
5Schließlich endet das Term-Sheet mit dem Hinweis, dass die Durchschnittsverzinsung des Schuldenportfolios im Vergleich zur Duration relativ hoch ist. Es würden sich strukturierte Derivate zur Reduzierung des Zinsaufwandes anbieten. Dabei hänge die Produktart von der Zinsmeinung der Stadt G ab.
6Am 23.06.2006/29.01.2007 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte ab, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 2 verwiesen wird. Dabei war zwischen den Parteien stillschweigend vereinbart, dass die Regelungen dieses Vertrages auch für ein erstes, bereits im November 2006 erworbenes Derivat Geltung haben sollten. In § 1 Abs. 1 dieses Rahmenvertrags heißt es, dass „die Parteien beabsichtigen, zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Finanztermingeschäfte abzuschließen“. Im Anhang zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vom 23.06.2006 für Verträge mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts (K3) sichert der Vertragspartner der Beklagten in Punkt 2 lit. b) zu, mit dem Abschluss von einzelnen Geschäften nicht gegen die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften, insbesondere das Spekulationsverbot, zu verstoßen. Punkt lit. c) enthält die Zusicherung der Klägerin, Einzelabschlüsse nur zur Erfüllung dieses Zwecks zu tätigen und dem Erfordernis der Konnexität des Einzelabschlusses gemäß das Volumen und die Laufzeit des Einzelabschlusses dem zu Grunde liegenden Grundgeschäft anzupassen.
7Auf der Grundlage dieses Rahmenvertrags schloss die Klägerin jeweils nach einer Beratung durch die Beklagte folgende Verträge (vgl. Übersicht B 11):
8Am 29.11.2006 schloss die Klägerin mit der Beklagten den flexiblen Restrukturierungs-Swap 1465030D über 1.510.550,00 € mit einer Laufzeit von 20 Jahren ab; dieser Swap wurde der Klägerin als Instrument zur Zinssicherung eines im Zusammenhang mit dem Swap aufgenommenen Darlehens angeboten. Hierbei handelte es sich um ein Tilgungsdarlehen mit Festzinsfestschreibung bis zum 30.09.2010. Bislang tauschten die Parteien 5 Fixings aus. Die Klägerin konnte bis zum 24.10.2012 per Saldo einen Gewinn i.H.v. 6.023,79 € realisieren. Eine von der Klägerin am 30.09.2012 zu Gunsten der Beklagten fällige Differenzzahlung für den Berechnungszeitraum vom 30.09.2011 bis zum 30.09.2012 i.H.v. 25.957,34 € leistete die Klägerin nicht (GA 221). Der Marktwert des Kontraktes, Stand 31.08.2012, betrug 224.477,79 € zu Lasten der Klägerin (GA 46). In der Produktbeschreibung vom 27.11.2006 (B 23) findet sich unter der Überschrift „Risiko“ folgender Hinweis:
9„Wenn es zu einem breit angelegten, nachhaltigen Aufschwung kommt, bzw. auch die Inflation tendenziell eher weiter ansteigt, wird auch der 12-Monats-Euribor weiter anziehen und das Risiko, dass der Fixing-Schwellenwert von 6 % überschritten wird, steigt. Der Break-Even für den Flexi-Restrukturierungs-Swap würde aber erst dann erreicht, wenn der Geldmarktsatz in mehreren 12-Monats-Perioden über 6% gefixt würde. Auf einem Niveau von über 6% befand sich der 12-Monats-Euribor in den letzten Jahren aber nur kurzzeitig. Durch Veränderungen der Zinsstruktur oder anderer bewertungsrelevanter Parameter während der Laufzeit können sich Bewertungsnachteile ergeben, die jedoch nur bei einer vorzeitigen Auflösung des Flexi- Restrukturierungs-Swap realisiert werden müssten.“
10Der flexible Restrukturierung-Swap vom 29.11.2006 über 1.510.550 € mit einer Laufzeit von 20 Jahren hatte einen anfänglichen negativen Marktwert. Wie hoch dieser negative Marktwert konkret war, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
11Am 12.10.2007 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung mit der Kennziffer 2097544D über 2.427.400 Euro mit einer Laufzeit von 8 Jahren ab; dieser Swap sollte der Optimierung bestehender Zinsverbindlichkeiten dienen (GA 63). Konkret war der Swap dem Darlehen mit den Endnummern 904 zugeordnet, welches eine Laufzeit bis zum 15.08.2033 hat und die Klägerin zur Zahlung von 4,3 % Zinsen p.a. verpflichtete (GA 63). Bei diesem Swap-Geschäft erhielt die Klägerin von der Beklagten einen Festzins i.H.v. 1,8 % p.a. bezogen auf einen dynamischen Bezugsbetrag von anfänglich 2.427.400 € (GA 47). Im Gegenzug hierzu schuldete die Klägerin einen variablen Zahlungsstrom, dessen Höhe davon abhängen sollte, ob sich der „10 Jahres-Swapsatz“ innerhalb einer definierten, dynamisch konzipierten Bandbreite bewegen oder diese Bandbreite nach oben oder unten durchbrochen wird. Liegt der „10-Jahres Swapsatz“ innerhalb der Bandbreite, sollte die Klägerin einen Zinssatz von 0,8% per anno schulden. Sollte der „10-Jahres Swapsatz“ die Bandbreite nach oben oder unten verlassen, schuldete die Klägerin einen Zinssatz von 4,8 % per anno. Die Parteien tauschten bei insgesamt 4 Fixings 63.112,40 € aus. Die Klägerin erwirtschaftete dabei insgesamt 24.274 € Gewinn (GA 67, 224). In der Produktpräsentation (B 26) heißt es unter dem Oberbegriff Risiko:
12„Die Zinsbelastung der Stadt erhöht sich, sollte der 10-Jahres-Euro-Swapsatz am Periodenende außerhalb der jeweils gültigen Bandbreite festgestellt werden.
13Schlechtester Fall: 4,8 % p.a. vs. 1,8 % p.a.“
14In einer Szenarioanalyse I wird der mögliche Nettovorteil mit 170.464,17 €, in einer Szenarioanalyse II der „Nettovorteil“ mit -183.429,18 € angegeben.
15Der Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung vom 12.10.2007 über 2.427.400 € hatte einen negativen Marktwert von 59.000 €.
16Da sich im Zuge der Durchführung dieses Swaps ab der 2. Jahreshälfte 2008 eine negative Entwicklung für die Klägerin abzeichnete, schlug die Beklagte der Klägerin vor, den Digitalswap mit Bandbreitenanpassung ohne Ausgleichszahlung aufzulösen und stattdessen einen Forward-Swap abzuschließen. Die Klägerin war mit diesem Vorschlag der Beklagten einverstanden. Am 12.02.2009 trafen die Parteien eine Auflösungsvereinbarung über den Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung, wobei der negative Marktwert von der Klägerin nicht ausgeglichen, sondern in den später erworbenen Forward-Swap eingerechnet wurde (GA 68). Sodann schloss die Klägerin mit der Beklagten noch am selben Tag den ihr vorgeschlagenen Forward-Swap mit der Referenznummer 2333886D bzw. 2333884D. Dieser sieht vor, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ab dem 30.12.2027 ein Payer-Swap zu laufen beginnt. Dies bedeutet, dass die Klägerin dann einen festen Zinssatz zu bezahlen hat. Der Beklagten steht ein vierteljährlich ausübbares einseitiges Kündigungsrecht ohne Ausgleichszahlung ab dem 30.12.2032 zu (GA 69). Der Forward-Swap weist einen Bezugsbetrag von 4 Millionen € und eine Laufzeit vom 30.12.2027 bis zum 30.12.2047 aus. Zahlungen wurden im Rahmen der Durchführung dieses Forward-Swaps noch nicht ausgetauscht. Am 31.08.2012 lag der negative Marktwert des Swaps bei 480.552,02 € (GA 82). Der anfängliche negative Marktwert lag bei 258.000 €.
17In der Produktpräsentation vom 12.02.2009 heißt es unter der Überschrift „Kündbarer Forward Zahler-Swap“ wie folgt (B 35):
18„Chance
19- 20
der Festzinssatz von 3,09 % p. A. ist mindestens für 5 Jahre gesichert und somit ist die Stadt gegen steigende Zinsen geschützt.
- 21
Verbesserung der Konditionen durch Einräumung eines Kündigungsrechts (0,46 % p. A. im Vergleich zu einem alternativen Forward Zahlerswap ohne Kündigungsrecht).
- 22
Der Zinsswap kann jederzeit zu den dann gültigen Marktkonditionen wieder veräußert werden. Die Auflösung des Zinsswaps kann je nach Marktumfeld etwas kosten oder einen zusätzlichen Ertrag einbringen.
Risken
24- 25
„Es kann nicht an niedrigen 3- Monats Euribor Zinsen bzw. einem eventuellen niedrigeren Festzinsniveau partizipiert werden.
- 26
Die Y besitzt ein Kündigungsrecht.
- 27
Eine Kündigung des Swaps durch die Y kann für die Stadt zu höheren Finanzierungskosten in der Folgezeit führen“.
Schließlich schloss die Klägerin mit der Beklagten am 21.01.2008 einen CHF Plus– Swap mit Trigger (Referenznummer 2139224D – K 10) ab, wobei diesem Vertragsabschluss ebenfalls eine umfangreiche Präsentation durch die Beklagte vorausging. Zugeordnet war dieser Swap dem Darlehen mit der Kennung 906. Der Bezugsbetrag belief sich auf 2.385.720 € (B 30). Die Laufzeit des Swaps sollte am 15.02.2008 beginnen und am 15.02.2016 enden (GA 83). Bislang tauschten die Parteien in 18 Fixings Zahlungsströme aus. Hierbei erlitt die Klägerin zum Stand 31.10.2012 einen Verlust i.H.v. 381.758,79 € (GA 104). Der aktuelle Marktwert, Stand 30.08.2012, betrug 446.053,84 € zu Lasten der Klägerin (GA 104).
29Dieser Swap war so strukturiert, dass die Stadt G in der Periode 1 bis 4 einen Festzinssatz i.H.v. 0,95% und danach 0,95% + (Schwellenwert – Kassakurs) : Kassakurs x 100% p.a. zahlen sollte. Als Kassakurs ist definiert der Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken 2 Tage vor Periodenende (10:00 Uhr, New York).
30Erreicht oder überschreitet der Wechselkurs ab der 5. Periode den Wert 1.6400 (festgestellt von der Berechnungsstelle von Montag 6:00 Uhr Ortszeit Sydney bis Freitag 17:00 Uhr Ortszeit New York), gilt für die gesamte Restlaufzeit (einschließlich der laufenden Periode) ein Zinssatz 1 von 0,95 % p.a. Der Zinssatz ist auf 9,5 % p.a. begrenzt.
31Unter der Überschrift Chancen findet sich der Hinweis (B 30), dass der CHF-Plus-Swap vorteilhaft ist, wenn der Euro/Schweizer Franken-Wechselkurs nur geringfügig sinkt, gleich bleibt oder ansteigt. In den ersten 4 Perioden erwirtschaftet der Swap einen sicheren Zinsvorteil von 1 Prozent p.a. Anschließend hängt der von der Stadt zu zahlende Zinssatz von der Entwicklung des Euro/Schweizer Franken-Wechselkurs ab. Der Wechselkurs müsste unter anfänglich 1,5250 fallen, bevor zusätzlich zum Mindestzinssatz von 0,95 % noch ein Aufschlag zu zahlen wäre. Außerdem hat die Stadt die Chance, sich den maximalen Vorteil von 1,00% zu sichern. Dies ist der Fall, sobald der Wechselkurs ab der 5. Periode einmal den Schwellenwert von 1,6400 überschreitet. D.h., die Stadt sichert sich den Vorteil von 1% p.a., falls der Wechselkurs nur einmal den aktuellen Kassakurs erreicht oder überschreitet.
32Unter der Überschrift „Risiko“ findet sich der Hinweis, dass, wenn der EUR/CHF-Wechselkurs deutlich sinkt, das Risiko wächst, dass der Schwellenwert von anfänglich 1.5250 unterschritten wird. Dann zahlt die Stadt zusätzlich zum Mindestzinssatz von 0,95 % einen vom Wechselkurs abhängigen Aufschlag. Je weiter der Wechselkurs unter dem Schwellenwert liegt, umso höher ist der Aufschlag, so dass insgesamt auch deutlich negative Nettozahlungen anfallen können. Der von der Stadt zu zahlende Zinssatz ist jedoch bei 9.50 % p.a. begrenzt.
33Mit der Behauptung, es habe sich bei diesen Swaps um komplizierte Finanzinstrumente gehandelt, die nicht der Finanzierung konkreter Darlehen gedient hätten und die sie daher nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung gar nicht hätte abschließen dürfen, hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 351.461,00 € sowie die Feststellung verlangt, dass der Beklagten aus den im Klageantrag konkret benannten Swap-Verträgen keine Zahlungsansprüche gegen sie zustehen. Dabei hat die Klägerin behauptet, ihr drohe aus den Swaps ein Schaden in Höhe von 1.151.083,65 €. Sie habe bislang einen Schaden in Höhe von 351.461 € erlitten. Die Klägerin ist der Meinung, die Swap-Verträge seien unwirksam. Die Geschäfte seien von Anfang an ungeeignet gewesen, um den Schuldendienst zu optimieren. Mitarbeiter der Beklagten hätten ihr versichert, dass sie durch den Abschluss der Swap-Verträge nicht gegen das Spekulationsverbot verstoße. Dies sei aber der Fall gewesen. Mit dem CHF-Plus-Swap habe die Beklagte ihr das Risiko einer Abwertung des Euro auferlegt, so dass es an einem sachlichen Zusammenhang zu einem Darlehen gefehlt habe. Die fehlende Homogenität sämtlicher Swaps müsse nach der Auffassung der Klägerin zum Eingreifen der ultra vires Lehre und damit zur Unwirksamkeit der Swaps führen.
34Bei den Swaps habe es sich zudem nicht um leicht verständliche, sondern um hoch komplexe Finanzinstrumente gehandelt, deren Funktionsweise nur Finanzmathematiker verstehen könnten. Jedenfalls stünden ihr aber Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Y zu, weil die Beklagte sie trotz Bestehens entsprechender Beratungsverträge nicht über die konkrete Höhe des negativen Marktwerts der Swaps unterrichtet haben, der zwischen 3 und 5% gelegen habe. Sie habe nicht um den negativen Marktwert der Derivate gewusst (Beweisantritt GA 302, 356). Dass sich in den Termsheets jeweils der Hinweis finde, dass die Beklagte nicht als Finanzberater, sondern als Handelspartner tätig werde, sei ohne Belang, da die Beklagte sie – was unstreitig ist - tatsächlich beraten habe. Letzteres verdeutliche bereits die Präsentation vom 08.02.2006 (B 21), welche mit den Begriffen „Aktives Zinsmanagement mit Derivaten für die Klägerin“ überschrieben sei.
35Die Beratung der Beklagten sei weder anleger- noch anlagegerecht gewesen. Ihr Ziel sei es gewesen, die Zinsbelastungen zu managen und zu optimieren. Dieses Ziel sei mit den ihr empfohlenen Swaps nicht erreichbar gewesen. Zudem sei bereits die Empfehlung von Swaps als solche fehlerhaft gewesen, da ihr die Vornahme spekulativer Geschäfte untersagt sei. Nicht objektgerecht sei die Beratung gewesen, weil ihr die wirtschaftlichen Produkteigenschaften sowie damit verbundene Risiken nicht erläutert worden seien. Insbesondere seien ihr das konkrete Chancen-/Risikoverhältnis, Verlustrisiken und Entwicklungsmöglichkeiten von der Beklagten nicht offen gelegt worden.
36Zwar sei es zutreffend, dass auch Vertreter der E an den Erstgesprächen teilgenommen hätten. Diese seien jedoch nicht auf der Seite der Klägerin unterstützend tätig geworden. Vielmehr habe die E selber von den Geschäften profitiert, weil die Beklagte ihre Marge mit der E im Verhältnis 9 zu 1 geteilt habe. Ohnehin hätten die Mitarbeiter der E nicht aktiv an den Beratungsgesprächen teilgenommen und der Klägerin keinesfalls Elemente und Risiken der von der Beklagten angebotenen Swaps erläutert (GA 359).
37Zudem hat die Klägerin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, weil ihr wahrheitswidrig suggeriert worden sei, dass mit den von ihr erworbenen Swaps ein aktives Zinsmanagement betrieben werden könne.
38Wegen der genauen Höhe des von der Klägerin behaupteten Schadens nimmt der Senat Bezug auf die Tabelle GA 105.
39Auf die Einrede der Verjährung könne sich die Beklagte nach Auffassung der Klägerin nicht berufen. Denn die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt (GA 367). Die Beklagte habe spätestens ab September 2001 gewusst, dass es ihr verboten sei, Geschäfte zu empfehlen, von denen sie habe annehmen müssen, dass sie für den Kunden nachteilig seien. Dass ein Geschäft, das zu Lasten des Kunden negativ strukturiert sei, für den Kunden nachteilig sei, liege auf der Hand.
40Zudem erklärt die Klägerin die Aufrechnung gegen Ansprüche der Beklagten aus den streitgegenständlichen Derivaten mit Schadensersatzansprüchen aufgrund fehlerhafter Anlageberatung.
41Jedenfalls hätten die für sie handelnden Personen ihre Vertretungsmacht entweder überschritten oder in einer für die Beklagte evidenten Art und Weise missbraucht, weshalb die streitgegenständlichen Geschäfte schwebend unwirksam gewesen und mit Klageerhebung endgültig unwirksam geworden seien.
42Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat Widerklage über eine Forderung von ursprünglich 100.430,54 € nebst Zinsen erhoben (GA 160) und die Widerklage mit Schriftsatz vom 20.11.2013 auf einen Betrag von 247.545,69 € erhöht. Die Beklagte ist der Meinung, die Swap-Verträge seien wirksam zustande gekommen. Der Einsatz von Derivaten im kommunalen Schuldenmanagement sei Ausdruck der kommunalen Finanzhoheit, die verfassungsrechtlich geschützt sei. Ob eine konkrete Maßnahme des Schuldenmanagements haushaltsrechtlich zulässig sei oder nicht, sei keine Frage des Wirkungskreises einer Gemeinde. Es reiche aus, wenn ein Derivat einem beliebigen Kredit zugerechnet werden könne, wobei die Swapgeschäfte im vorliegenden Fall ohnehin konkreten oder konkret geplanten Krediten aus dem Schuldenportfolio der Klägerin zugeordnet gewesen seien (GA 214).
43Die Beklagte hat zudem behauptet, die Klägerin in nicht zu beanstandender Art und Weise beraten zu haben. Die Funktionsweise und Verlustrisiken seien der Klägerin vor Abschluss der Geschäfte anhand schriftlicher Unterlagen erläutert worden. Die Swaps hätten auch den Zielvorgaben der Klägerin und ihrem Risikoprofil entsprochen. Zudem habe die Klägerin jeweils einen Szenariorechner in Dateiform erhalten, mit dem sie selbst die jeweiligen Zahlungspflichten für beliebige Zins- und Wechselkursentwicklungen habe berechnen können. Ferner habe die Klägerin seit dem Beginn der Geschäftsbeziehung wöchentlich um monatlich aktuelle volkswirtschaftliche Research–Ausarbeitungen der Y zu den Entwicklungen auf den Finanzmärkten, die als eine Grundlage für die Herausbildung ihrer Zins- und Marktmeinung dienten, bezogen (GA 233). Ferner hätten im Rahmen des „Schuldenportfoliomanagement“ seit 2006 mindestens einmal jährlich persönliche Besprechungen zum aktuellen Stand des Schuldenmanagements der Klägerin stattgefunden. An diesen Besprechungen hätten auch Mitarbeiter der E teilgenommen. Ziel der Klägerin sei keinesfalls die Zinssicherung gewesen. Die Y habe die Vorstellungen und Risikobereitschaft der Klägerin ermittelt (GA 236). Die möglichen Zielsetzungen der Nutzung von Finanzderivaten im Rahmen der Schuldenportfolio-verwaltung seien sowohl zu Beginn der Geschäftsbeziehung als auch vor Abschluss der beiden ersten Swapgeschäfte im November 2006 und Oktober 2007 Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen (GA 236). Das erste Swapgeschäft habe zwar der Zinssicherung gedient. Bei den weiteren Swapgeschäften sei es jedoch um Zinsoptimierung gegangen (GA 237). Dabei sei die Klägerin bereit gewesen, Risiken einzugehen. Die Klägerin habe sich in dem von ihrem Bürgermeister unterschriebenen Formular „Angaben für Geschäfte in Finanzinstrumenten“ aus September 2011 als risikobewusst bezeichnet (B 19). Die Klägerin sei durch die Herren N, T und durch Frau B fundiert über die Ausgestaltung, Funktionsweise, Einsatzmöglichkeiten und Risiken von Finanzderivaten beraten worden (GA 240). Die Derivate hätten den Zielen der Klägerin entsprochen. Die Klägerin habe vor jedem Geschäft schriftliche Informationen über das jeweils abzuschließende Geschäft erhalten. Ohnehin seien die der Klägerin angebotenen Swaps keinesfalls so komplex, wie dies die Klägerin darzustellen versuche, sondern könnten auch von externen Dritten ohne Computerprogramme nachvollzogen werden.
44Die Preisbildungsmechanismen außerbörslicher Derivate, die u.a. ihre Gewinnmarge mitumfasst hätten, seien der Klägerin bekannt gewesen. Insbesondere sei der Klägerin bei Abschluss der Swapgeschäfte das in der Gewinnmarge dieser Geschäfte begründete Verdienstinteresse der Y am Zustandekommen der Transaktionen und damit auch das mit der Gewinnmarge einhergehende Phänomen des „anfänglich negativen Marktwerts“ bekannt gewesen (GA 242, 247). Die Mitarbeiter der Y hätten Fragen der Klägerin jeweils zutreffend dahingehend beantwortet, dass die Beratung und die sonstigen Leistungen der Y im Rahmen der Schuldenportfolioverwaltung ohne gesonderte Vergütung erbracht würden, die Y jedoch an den gegebenenfalls zu Stande kommenden Derivategeschäften verdient (GA 243). Vor diesem Hintergrund sei der Klägerin ihr Verdienstinteresse bekannt gewesen.
45Nach der im November 2007 erfolgten Umsetzung der Bestimmungen der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) habe sie ihre Präsentationsunterlagen – die Anlage B 20 habe der Zeuge T der Klägerin am 21.11.2007 zukommen lassen (GA 244) - um einen entsprechenden Passus ergänzt. Hierauf habe die Zeugin B den Kämmereimitarbeiter der Klägerin, Herrn C, ausdrücklich hingewiesen. Herr C habe diese Information an den Kämmerer, Herrn K, weitergegeben (GA 244).
46Tatsächlich habe der Umstand, dass sie an den Swaps verdient habe, für die Klägerin keine entscheidungserhebliche Rolle gespielt. Die Vertreter der Klägerin hätten sich im Vorfeld der Geschäftsabschlüsse weder nach der Höhe der Marge erkundigt noch hätten sie in irgendeiner Weise erkennen lassen, dass sie etwas gegen das Verdienstinteresse der Y am Zustandekommen der Geschäfte einzuwenden hatten (GA 245 mit Beweisantritt).
47Aus der Gegenüberstellung des „Doppel-Swap“ vom 28.11.2006 und des „Flexi-Restrukturierungs-Swap“ habe die Klägerin die lediglich „bedingte“ Zinssicherungswirkung des „Flexi-Restrukturierungs-Swap“ deutlich erkennen können.
48Chancen und Risiken des am 12.10.2007 abgeschlossenen „Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung“ seien in einem Gespräch den Herren L, K und C sowie für die E Herrn D durch die Mitarbeiterin der Y Frau B erläutert worden (GA 253). Dabei sei zu keinem Zeitpunkt von Mitarbeitern der Beklagten versichert worden, dass eine Entwicklung der 10-Jahres-Swaprate außerhalb der Vereinbarung der Bandbreite unwahrscheinlich sei. Da die Mitarbeiter der Klägerin an dem Abschluss eines „Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung interessiert gewesen seien, sei vereinbart worden, dass die Klägerin der Beklagten zwei Darlehen aus ihrem „Schuldenportfolio“ habe benennen sollen, auf deren Tilgungsverläufe und Zinssätze die Beklagte Vorschläge für einen CHF Digital-Swap und einen Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung habe machen sollen. Nach interner Prüfung habe sich die Klägerin dann für den Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung entschieden.
49Zum Abschluss des „CHF-Swap mit Höchstgrenze“ sei es gekommen, nachdem der Wechselkurs des Schweizer Franken im Verhältnis zum Euro erheblich gesunken sei (GA 255). Dabei seien Herrn C durch Herrn T in einem Telefonat sämtliche Chancen und Risiken mitgeteilt worden (GA 255). Im Zuge der Lehman-Krise sei dann die Bandbreite kurzfristig entgegen der Bedenken der Klägerin nach unten durchbrochen worden.
50Im Vorfeld der Auflösung des Digital-Swaps mit Bandbreitenanpassung und des Abschlusses des kündbaren Zahler-Swaps vom 12.02.2009 hätten Vertreter der Klägerin und der Beklagten aufgrund einer Präsentation (B 31) intensiv das seinerzeitige Marktumfeld und die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen des Schulden- und Derivateportfolios der Klägerin erörtert. Im Juni 2008 habe Herr C in einem Telefonat Bedenken geäußert, dass der CMS 10 möglicherweise ansteigen könne. Frau B habe Herrn C daraufhin erläutert, dass im Fall einer Auflösung die Klägerin 95.000 € zahlen müsse. Dabei sei dann erörtert worden, dass man die im Falle einer Aussetzung des Swaps fälligen Ausgleichszahlungen der Klägerin in einen kündbaren Zahler-Swap einkalkulieren könne (GA 259). Ein solcher sei sodann im Februar 2009 abgeschlossen wurden, wobei die Klägerin auf sämtliche Chancen und Risiken in Gesprächen zuvor hingewiesen worden sei.
51Ihr stehe gegen die Klägerin ein Zahlungsanspruch i.H.v. 247.545,69 € zu. Denn die Klägerin komme ihren Verpflichtungen aus dem Flexi-Restrukturierungs-Swap vom 29.11.2006 und dem CHF Plus-Swap mit Höchstgrenze vom 21.01.2008 nicht mehr nach (GA 262).
52Zur Aufklärung über den negativen Marktwert der Swaps sei sie nicht verpflichtet gewesen. Dies gelte auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Denn es handele sich bei den streitgegenständlichen Geschäften gerade nicht um einen CMS Spread Ladder Swap, für den der Bundesgerichtshof am 22.03.2011 (Az.: XI ZR 33/10) entschieden habe, dass die Bank verpflichtet sei, über den negativen Marktwerts aufzuklären. Denn bei den hier abgeschlossenen Geschäften habe es sich um solche im Rahmen der Schuldenverwaltung gehandelt. Es sei daher gerade nicht um eine Wette gegangen.
53Jedenfalls habe sie nicht vorsätzlich gehandelt. Die Beklagte als Organisation und die für sie handelnden Mitarbeiter seien bis zum Bekanntwerden des „CMS Spread Ladder Swap-Urteils“ des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass über Margen, die Banken im Zusammenhang mit dem Abschluss von Swapgeschäften verdienen, nicht gesondert habe aufgeklärt werden müssen (GA 442 mit Beweisantritt). Insbesondere hätten ihre Mitarbeiter es nicht für möglich gehalten, dass Derivate der vorliegenden Art als Wette klassifiziert werden könnten.
54Schließlich beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung. Dieses betreffe sämtliche Geschäfte, die bis zum 04.08.2009 abgeschlossen worden seien. Vorsätzlich habe sie nicht gehandelt; auch sei die Beklagte, beraten durch ihre Rechtsabteilung, davon ausgegangen, dass die Beratung der Klägerin den vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien der anleger- und anlagegerechten Beratung entsprochen habe (GA 283 f., Beweisantritt GA 284, 285 ff.).
55Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Klägerin könne nicht mit etwaigen verjährten Ansprüchen aufrechnen. Denn die Forderungen der Beklagten aus den Swapgeschäften und der etwaige Schadensersatzanspruch der Klägerin, der auf Naturalrestitution im Wege der Schuldbefreiung gerichtet sei, seien nicht gleichartig im Sinne von § 387 BGB (GA 446 ff.). Zudem lägen die Voraussetzungen des § 215 BGB nicht vor. Schadensersatzansprüche der Klägerin auf Schuldbefreiung und die erst seit September 2012 entstandenen Ansprüche der Beklagten hätten sich vor Eintritt der Verjährung der Schadensersatzansprüche zu keiner Zeit aufrechenbar gegenübergestanden.
56Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
57Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 351.461 € zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2012 zu zahlen. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagten aus dem Swap-Kontrakt vom 29.11.2006 mit der Referenznummer 1465430D, dem Swap-Kontrakt vom 12.10.2007 mit der Referenznummer 2097544D, dem Swap-Kontrakt vom 21.01.2008 mit der Referenznummer 2139224D und dem Swap-Kontrakt vom 12.02.2009 mit den Referenznummern 2333886D bzw. 2333884D keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin alle zukünftigen Schäden zu ersetzen hat, die aus dem Swap-Kontrakt vom 29.11.2006 mit der Referenznummer 1465430D, dem Swap-Kontrakt vom 12.10.2007 mit der Referenznummer 2097544D, dem Swap-Kontrakt vom 21.01.2008 mit der Referenznummer 2139224D und dem Swap-Kontrakt vom 12.02.2009 mit den Referenznummern 2333886D bzw. 2333884D noch entstehen. Zudem hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 18.305,15 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.06.2013 zu zahlen.
58Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.
59Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zustehe. Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen, den die Beklagte schuldhaft verletzt habe. Denn die Beklagte habe die Klägerin pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass und in welcher ungefähren Höhe der von ihr empfohlene Swap-Vertrag jeweils zum Abschlusszeitpunkt einen negativen Marktwert ausgewiesen habe. Dieser Schadensersatzanspruch sei nicht gemäß § 37 a WPHG verjährt. Denn die Beklagte habe nicht hinreichend konkret vorgetragen, dass sie hinsichtlich der Beratungspflichtverletzung nicht vorsätzlich gehandelt habe, weshalb es bei der allgemeinen Verjährungsregelung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bleiben müsse.
60Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Meinung, sie habe es nicht pflichtwidrig unterlassen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass und in welcher zumindest ungefähren Höhe der von ihr empfohlene Vertrag zum Abschlusszeitpunkt einen negativen Marktwert aufgewiesen habe. Die CMS-Spread-Ladder-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, was die Beklagte im Einzelnen ausführt. Im Übrigen sei diese Rechtsprechung auch falsch. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.03.2011 sei Folge eines Fehlverständnisses der Intermediärfunktion von Kreditinstituten, der Preisbildungsmechanismen im Derivategeschäft und des „Hedging-Vorgangs“. Der negative Marktwert eines Swaps sei von vornherein nicht geeignet, einen schwerwiegenden Interessenkonflikt und eine damit korrespondierende Aufklärungspflicht der beratenden Bank zu begründen. Tatsächlich habe es sich bei den Swap-Geschäften nicht um Wetten gehandelt. Der anfängliche negative Marktwert spiegele lediglich die Gewinnmarge der Beklagten wieder. Dies sei auch der Klägerin bewusst gewesen, ohne dass dies für die Klägerin von irgendeiner Bedeutung gewesen sei (GA 556). In den Jahren 2005 und 2006 hätten die Zeugen N, T und B die Fragen der Klägerin, auf welche Weise die Beklagte von den Geschäften profitiere, zutreffend erläutert. Zudem seien der Klägerin die Preisbildungsmechanismen bekannt gewesen. Ebenso sei die Klägerin darüber informiert gewesen, dass die E an den Geschäften verdient habe. Fehlerhaft habe das Landgericht die Kausalität bejaht. Sie habe unter Beweisantritt behauptet, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Swapgeschäfte mit der Y auch dann abgeschlossen hätte, wenn ihr die genaue Höhe der in die Konditionen der Swapgeschäfte eingerechneten Marge bekannt gewesen wäre. Ihren Beweisantritten hätte das Landgericht nachgehen müssen (GA 575, nochmaliger Beweisantritt GA 577). Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt, da sie nicht vorsätzlich gehandelt und dies auch ordnungsgemäß unter Beweis gestellt habe (erneuter Beweisantritt GA 592). Selbst der Senat sei in einer Entscheidung vom 10.11.2010 in dem Verfahren 31 U 121/08 noch davon ausgegangen, dass eine Aufklärungspflicht über den negativen Marktwert nicht bestehe. Ferner habe das Landgericht die Voraussetzungen der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verkannt. Denn der Klägerin seien die Preisbildungsmechanismen von vornherein bekannt gewesen. Zumindest treffe die Klägerin ein Mitverschulden.
61Die Widerklage hält die Beklagte für begründet. Ihr stehe neben den erstinstanzlich verlangten Beträgen aus dem Flexi-Restrukturierungs-Swap vom 29.11.2006 und dem CHF Plus-Swap vom 21.01.2008 iHv. 247.545,69 Euro ein weiterer Zahlungsbetrag i.H.v. 242.474,70 Euro aus diesen beiden Swap-Geschäften zu.
62Die Beklagte beantragt,
63unter Abänderung des am 30.01.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Paderborn, Akten Zeichnen 21 O 124/12, die Klage abzuweisen;
642. unter Abänderung des am 30.01.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Paderborn, Az. 21 O 124/12 die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 247.545,69 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
65aus 25.957,34 € seit dem 30.09.2012,
66aus weiteren 37.236,60 € seit dem 15.11.2012,
67aus weiteren 37.236,60 € seit dem 15.02.2013,
68aus weiteren 36.370,61 € seit dem 15.05.2013,
69aus weiteren 36.370,61 € seit dem 15.08.2013,
70aus weiteren 38.869,30 € seit dem 30.09.2013 und
71aus weiteren 35.504,63 € seit dem 15.11.2013 zu zahlen;
72sowie – unter Erweiterung der Widerklage –
733. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte weitere 242.474,70 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
74aus 36.293,62 € seit dem 17.02.2014,
75aus weiteren 33.868,89 € seit dem 15.05.2014,
76aus weiteren 34.638,64 € seit dem 15. August 2014,
77aus weiteren 37.211,93 € seit dem 30.09.2014,
78aus weiteren 34.523,16 € seit dem 17.11.2014,
79aus weiteren 33.397,41 € seit dem 16.02.2015
80und
81aus weiteren 32.541,05 € seit dem 15.05.2015 zu zahlen.
82Die Klägerin beantragt,
83die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Widerklage abzuweisen.
84Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Tatsachenvortrag. Insbesondere ist sie der Meinung, dass sich die Beklagte nicht auf die Einrede der Verjährung berufen könne, da sie vorsätzlich gehandelt habe. Die Beklagte habe die Derivate-Kontrakte bewusst, heimlich und wertmindernd zulasten der Klägerin strukturiert, um daraus einen geldwerten Vorteil für sich generieren zu können. Die Klägerin bleibt bei ihrer Auffassung, die Geschäfte seien ultra vires erfolgt und deshalb unwirksam. Zudem erklärt die Klägerin gegen etwaige Forderungen der Beklagten die Aufrechnung mit ihr zustehenden Schadensersatzansprüchen. Bei den Leistungspflichten der Parteien handele es sich ebenso wie etwa bei einem Darlehensvertrag mit variablem Zins um betagten Forderungen, nicht jedoch um noch nicht existente Forderungen. Solche betagte Ansprüche seien auch erfüllbar im Sinne des § 387 BGB. Zumindest stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht zu. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei einen Vertrag erfüllen müsse, der aufgrund einer Pflichtverletzung durch den Vertragspartner zustande gekommen sei. Zudem erklärt die Klägerin den Rücktritt von den Derivategeschäften.
85Die Widerklage hält die Klägerin für unbegründet. Denn die streitgegenständlichen Swaps seien unwirksam.
86Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
87Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N, T, B, Dr. Q und Dr. S. Wegen dieses Teils der Beweisaufnahme nimmt der Senat Bezug auf das Terminsprotokoll vom 24.08.2015. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X und I. Wegen des diesbezüglichen Teils der Beweisaufnahme nimmt der Senat Bezug auf das Terminsprotokoll vom 11.11.2015 (GA 911 ff. der Akten).
88B)
89Die Berufung der Beklagten hat auf der Grundlage der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme Erfolg. Die Klage der Klägerin ist dagegen mit allen Sachanträgen unbegründet.
90I. Die Klage ist unbegründet.
911. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Landgerichts sind die vorliegenden Swap-Verträge nicht gemäß § 138 I BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
92Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. § 138 BGB verweist vor allem auf die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien, wobei das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem in das Privatrecht eingreift (Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Auflage, § 138 Rz. 3). Unter Berücksichtigung der den Gemeinden im Grundgesetz in Art. 28 II GG eingeräumten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht feststellen, dass der Abschluss der Swap-Verträge objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Abgesehen davon, dass es schon im Ansatz an einem klägerischen Sachvortrag zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen einer Ausbeutung im Sinne des § 138 II BGB bzw. eines wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 I BGB fehlt, sind auch keine zureichenden Anhaltspunkte für eine objektiv sittenwidrige Verschiebung des Chancen-Risiko-Verhältnisses zu Lasten der Klägerseite dargetan. Zwar ist auch im Streitfall am Vorliegen eines signifikanten Ungleichgewichts zu Lasten der Kundenseite nicht zu rütteln. Diese Disparität erreicht aber bei weitem nicht das Ausmaß eines erheblichen oder gar groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, wie es für ein objektives Unwerturteil im Sinne des § 138 BGB vorausgesetzt wird.
93Die Erlasslage nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 09.10.2006 - 34-48.05.01-01 – in der Fassung vom 06.05.2011 über Kredite und kreditähnliche Rechtsgeschäfte der Gemeinden sah vor, dass Gemeinden Zinsderivate zur Zinssicherung und zur Optimierung ihrer Zinsbelastung nutzen können (Nr. 2.2.1 Satz 1), wenn und soweit Zinsderivate bereits bestehenden Krediten zugeordnet werden können (Nr. 2.2.1. Satz 3; vgl. auch Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, § 86 Nr. 2.2.1). Dabei sollen die vielfältigen Finanzinstrumente der Geld- und Kapitalmärkte im Rahmen einer Risikostreuung nur in einem angemessenen und vertretbaren Umfang in Anspruch genommen werden (Nr. 2.2.1. Runderlass). Zinsderivate werden von den Gemeinden eigenverantwortlich im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung (genutzt), wobei die Gemeinden im eigenen Interesse die Chancen und Risiken insbesondere beim Einsatz komplexer Zinsderivate nach den entsprechenden fachlichen Gesichtspunkten und mit gebotener Sorgfalt nutzen müssen (Nr. 2.2.2. Runderlass, Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, a.a.O., Nr. 2.2.2.). Auch die Aufnahme von Krediten in fremder Rechnung und der Abschluss entsprechender Zinsderivate sind nach dem Runderlass nicht ausgeschlossen. Die Aufnahme von Krediten in fremder Rechnung und der Abschluss entsprechender Zinsderivate ist selbst nach Auffassung der öffentlich-rechtlichen Literatur nicht ausgeschlossen, wenn und soweit die fremde Währung über einen längeren Zeitraum Gewähr für hinreichende Wechselkurssicherheit in Bezug auf die Eurozone bietet (Nr. 2.3.1; Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, a.a.O., Nr. 2.2.4.).
94Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann von einer Sittenwidrigkeit der von der Klägerin getätigten Swap-Verträge keine Rede sein (vgl. auch BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, Juris Rz.56 ff.).
95Ziffer 1 Abs. 1 des Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte vom 23.06.2006 / 29.01.2007 sieht vor, dass die Parteien beabsichtigen, zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Finanztermingeschäfte abzuschließen. Dabei sollte die Zinsbelastung der Klägerin aus dem Darlehensportfolio unter Berücksichtigung etwaiger Marktveränderungen nachhaltig optimiert werden.
96Der Anhang für Verträge mit Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts zum Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vom 23.06.2006 zwischen der Klägerin und der Beklagten (K 3) sieht in der Ziffer 1 vor, dass die Klägerin Einzelabschlüsse ausschließlich zu den ihr nach dem öffentlich-rechtlichen, insbesondere kommunal- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften gestatteten Zweck tätigen wird.
97Es ging den Parteien bei Abschluss der Verträge mithin um das Schuldenmanagement der Stadt und gerade nicht um den Abschluss spekulativer Optionsgeschäfte zur Gewinnerzielung. Ob die Geschäfte diesen Grundsätzen im Einzelfall entsprechend ordnungsgemäß zustande gekommen sind, ist keine Frage des § 138 BGB, sondern eine Frage der anleger- und anlagegerechten Beratung. Dies gilt erst Recht, weil selbst im Bereich der sog. Verbraucherverträge auch risikoreiche Geschäfte abgeschlossen werden dürfen, die nur unter besonders günstigen Umständen erfüllt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, Juris Rz. 62). Im vorliegenden Verfahren geht es zudem um einen Vertragspartner, der inzwischen vom Gesetzgeber als sog. „geeignete Gegenpartei“ eingestuft und damit der Kundenklasse mit dem niedrigsten Schutzniveau zugewiesen wird (vgl. § 31a IV 1 WpHG a.F., § 31a II 2 Nr. 3 WpHG n.F.).
982. Die Verträge sind auch nicht in Anwendung der sogenannten “ultra-vires” Lehre als unwirksam zu behandeln. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen diese Lehre auch nach den heute gültigen Maßstäben noch von Bedeutung ist. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich nämlich ohne weiteres, dass der Abschluss der Optionsgeschäfte der Durchführung einer öffentlichen Verwaltung, nämlich der Schuldenverwaltung diente. Ohnehin bedarf es keiner besonderen Kompetenznorm zum Abschluss von Derivategeschäften wegen der Allzuständigkeit der Gemeinden. Nach den Runderlassen, die die Innenministerien schon Mitte der 90-iger Jahre herausgaben, handelt es sich bei Derivategeschäften insbesondere nicht um Kreditaufnahmen (BGH, a.a.O., Juris Rz. 61 f.; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Llowski, Bankrechtshandbuch, 4. Auflage, § 114 Rz. 100e).
993. Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen einer fahrlässigen Schlechtberatung sind verjährt und zwar sowohl, soweit es um eine nicht anleger- und nicht anlagegerechte Beratung ging, als auch, soweit es um eine etwaige von der Beklagten unstreitig nicht eingehaltene Verpflichtung geht, die Klägerin vor Abschluss der entsprechenden Geschäfte ungefragt über den negativen Marktwert der Swap-Verträge aufzuklären. Soweit es um den Vorwurf der Klägerin geht, die Beklagte habe sie vorsätzlich nicht anleger- bzw. anlagegerecht beraten bzw. habe sie vorsätzlich nicht über die Höhe des negativen Marktwerts der von ihr abzuschließenden Geschäfts aufgeklärt, ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der sicheren Überzeugung (§ 286 Absatz 1 ZPO), dass die Beklagte den Nachweis erbracht hat, dass sie die Klägerin auch nicht nur bedingt vorsätzlich falsch beraten hat.
100a) Zwischen den Parteien bestand unstreitig zumindest ein konkludent zustande gekommener Anlageberatungsvertrag. Bereits seit 2005 hatte die Beklagte die Klägerin über die Optimierung ihres Zinsportfolios beraten und im Zuge dieser Beratungen den Einsatz von Derivaten empfohlen. Dies zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel.
101b) Die Beklagte war demnach zu einer anleger- und anlagegerechten Beratung verpflichtet. Bei einem Verstoß hiergegen könnte die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB verpflichtet sein.
102c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Klägerin nicht anleger- bzw. anlagegerecht beraten hat. Hinsichtlich des Vorwurfes der Klägerin, die Beklagte habe sie nicht konkret über die Höhe des negativen Marktwertes der Swap-Geschäfte aufgeklärt, gilt Folgendes:
103(1) Unstreitig hat die Beklagte hat die Klägerin nicht über die Höhe des negativen Marktwerts aufgeklärt.
104Entgegen der Ansicht der Beklagten hat diese ihre Beratungspflicht dadurch verletzt, dass sie die Klägerin nicht darüber aufgeklärt hat, dass die von ihr empfohlenen Verträge zum Abschlusszeitpunkt jeweils einen für die Klägerin negativen Marktwert hatten, deren Höhe die Beklagte auch im Klageverfahren nicht umfassend mitgeteilt hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, eine entsprechende Aufklärung habe nicht erfolgen müssen, weil der negative Marktwert lediglich den - für den Kunden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rein theoretischen - Betrag angebe, der im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung als Ausgleichzahlung zu erbringen sei. Das erfasst die Bedeutung des für den Kunden negativen Anfangswertes nicht.
105Für den Kunden bedeutet der negative Martkwert, dass er zunächst die einstrukturierte Bruttomarge erwirtschaften muss, um seinerseits in die Gewinnzone zu gelangen. Darin unterscheidet sich die Situation des Kunden nicht von der, in der er offen ausgewiesene Provisionen (z.B. Ausgabeaufschläge) zu zahlen hat. Zugleich muss er bei einer - allerdings von den Vertragsparteien regelmäßig nicht vorgesehenen - sofortigen Lösung vom Vertrag einen Verlust in Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts tragen. Eine überwiegende Verlustwahrscheinlichkeit indiziert der anfängliche stichtagsbezogene negative Marktwert zwar nicht (BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/15; Juris Rz: 32). Der Erfolg des Swaps hängt letztlich allein von der Zins- und/oder Währungskursentwicklung und gegebenenfalls der Entwicklung des "Spreads" während der Vertragslaufzeit ab. Die Empfehlung eines Swap-Vertrags kann daher trotz des anfänglichen negativen Marktwerts objektgerecht sein.
106Im Zweipersonenverhältnis, in dem die beratende Bank zugleich Verkäuferin des empfohlenen Produkt ist, gilt der Grundsatz, dass die Bank nicht verpflichtet ist, ihren Kunden darüber aufzuklären, wie sie mit Produkten, die sie in ihrer Beratung empfiehlt, Gewinne erzielt (BGH, a.a.O., Juris Rz. 37). Von diesem Grundsatz erkennt der Bundesgerichtshof nur eine Ausnahme für den Fall einer reinen Zinswette an. Für den CMS-Spread-Ladder-Swap hat der BGH die Aufklärungspflicht über das Gewinnerzielungsinteresse der zu einem Swap-Geschäft mit ihr selbst ratenden Bank auf die Besonderheit des konkret empfohlenen Produkts zurückgeführt, dessen Risikostruktur die Bank mittels der Einpreisung des anfänglichen negativen Marktwerts bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet hatte, ohne dass der Kunde die von einer komplizierten finanzmathematischen Berechnung abhängigen einzelnen Strukturelemente überblicken und das in der Möglichkeit des "Verkaufs" des Risikos liegende Gewinninteresse der Bank erkennen konnte (BGH, Urteile vom 22. 03.2011, XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rz. 31 ff. und vom 20. Januar 2015, XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rz. 31) Die zu einem Swap-Vertrag mit ihr selbst ratende Bank realisiert ihren Gewinn ohne Rücksicht auf die konkrete Ausgestaltung des Swaps über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts. Das Einstrukturieren der Bruttomarge in die Risikostruktur des Swap-Vertrags kann der Kunde, der davon ausgeht, die Bank verdiene ausschließlich bei ihr günstigem Verlauf der Zinswette in Höhe der Zinsdifferenz, bei der gebotenen normativ-objektiven Betrachtungsweise unabhängig von den Bedingungen des Swap-Geschäfts nicht erkennen (BGH, a.a.O., Juris Rz. 37).
107Die Rechtsprechung zum CMS-Spread-Ladder-Swap ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zweipersonenverhältnis auf Swap-Verträge generell übertragbar. Das Einpreisen der Bruttomarge ist kein Spezifikum des CMS-Spread-Ladder-Swaps. Es ist von der konkreten Gestaltung der Parameter, die die Bank und der Kunde tauschen, unabhängig. Da der schwerwiegende Interessenkonflikt, über den aufzuklären ist, allein aus dem Umstand folgt, dass der Kunde mit dem Einpreisen der Bruttomarge in die Risikostruktur des Swap-Geschäfts nicht rechnen muss (Senatsurteile vom 26. Juni 2012 - XI ZR 316/11, WM 2012, 1520 Rz. 46, - XI ZR 355/11, BKR 2013, 17 Rz. 51, - XI ZR 259/11, juris Rz. 41 und - XI ZR 356/11, Juris Rz. 50 sowie vom 24. September 2013 - XI ZR 204/12, WM 2013, 2065 Rz. 23), ist die Komplexität des Swap-Vertrags kein Kriterium, das über das Bestehen oder Nichtbestehen der Aufklärungspflicht entscheidet (BGH, a.a.O., Juris Rz. 39).
108Mit dem Beratungsvertrag übernimmt die Bank die Pflicht, eine allein am Kundeninteresse ausgerichtete Empfehlung abzugeben. Sie muss daher Interessenkollisionen, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden, vermeiden bzw. diese offen legen (BGH, a.a.O., Rz. 32).
109(2) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie gebe ihre Rolle als „Wettgegnerin“ dadurch weiter, indem sie ihre Risiken und Chancen des Geschäfts sofort durch "Hedge-Geschäfte" an andere Marktteilnehmer weiter gibt, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach Abschluss der "Hedge-Geschäfte" kann der Beklagten die weitere Entwicklung der Swaps nur deshalb gleichgültig sein, weil sie durch diese Gegengeschäfte bereits ihre Kosten gedeckt und ihren Gewinn erzielt hat. Dies hat die Beklagte dadurch ermöglicht, dass sie die Konditionen des Swap-Vertrages bewusst so strukturiert hat, dass diese zu Vertragsbeginn einen für die Klägerin negativen Marktwert aufwiesen. Bewertet der "Markt" - nach den zur Verfügung stehenden Simulationsmodellen - zum Abschlusszeitpunkt das Risiko, das die Klägerin übernimmt, negativ, bedeutet dies für die Beklagte, dass ihre Chancen in dieser Höhe positiv bewertet werden. Diesen Vorteil konnte sie sich durch die "Hedge-Geschäfte" abkaufen lassen (BGH, Urteil vom 22.03.2011, XI ZR 33/10, Juris Rz. 35).
110(3) Anders als die Beklagte meint, entfiel die Aufklärungsbedürftigkeit der Klägerin nicht deshalb, weil diese vom negativen Marktwert zum Abschlusszeitpunkt Kenntnis hatte. Selbst wenn der Klägerin – wie die Beklagte dies behauptet hat – die Berechnungsformeln für die Swap-Geschäfte bekannt gewesen sein sollten und selbst wenn sie davon ausgegangen sein sollte, dass die Beklagte an diesen Geschäften etwas verdient, läge gleichwohl ein Beratungsfehler vor. Denn die Beklagte behauptet selber nicht, die Klägerin konkret darüber aufgeklärt zu haben, wie hoch genau sie einen negativen Marktwert der Berechnung der Geschäfte zugrunde gelegt hat. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass eine Bank, die - wie hier - eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. Dies ist in einem solchen Fall für den Kunden offensichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 196/09, Juris Rz. 12). Der insofern bestehende Interessenkonflikt ist derart offenkundig, dass auf ihn nicht gesondert hingewiesen werden muss, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu. Der hier aufklärungspflichtige Interessenkonflikt besteht aber weder in der generellen Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten noch in der konkreten Höhe der von ihr einkalkulierten Gewinnmargen. Zu einer Aufklärungspflicht führt allein die Besonderheit der von ihr konkret empfohlenen Produkte, deren Risikostruktur sie bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet hat, um unmittelbar im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss das Risiko "verkaufen" zu können, dass der Kunde aufgrund ihrer Beratungsleistung übernommen hat. Dies kann der Kunde - anders als die generelle Gewinnerzielungsabsicht der Bank - gerade nicht erkennen.
111(4) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass in der Präsentation des CHF-Digital-Swaps sich der ohnehin nicht gesondert hervorgehobene, sondern leicht überlesbare Hinweis im Fließtext findet, dass bei Abschluss des Geschäfts eine Teilung der im Endpreis enthaltenen Marge mit der E im Verhältnis 9 zu 1 stattfindet. Denn die konkrete Höhe der Marge hatte die Beklagte auch in dieser Präsentation nicht offen gelegt.
112(5) Schließlich lässt sich nicht feststellen, dass die Swap-Geschäfte der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften gedient hätten. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten für die Annahme, die Geschäfte hätten allein dem „Tausch“ einer variabel verzinslichen Mittelaufnahme in eine festverzinsliche Verschuldung unter gleichzeitigem Verzicht auf die Teilnahme an einer günstigen Entwicklung des Zinsniveaus gedient (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, Juris Rz. 42).
113(6) Nach der bei einer Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen im Kapitalanlagerecht geltenden Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters gilt (BGH, a.a.O., Rz. 40), steht fest, dass die Pflichtverletzung der Beklagten für die Anlageentscheidungen der Klägerin ursächlich war. Ob die Beklagte den Beweis, dass die Klägerin die Geschäfte auch dann getätigt hätte, wenn sie um die konkrete Höhe der Margen gewusst hätte, führen könnte, kann im vorliegenden Verfahren aus den noch unter d) und e) genannten Gründen offen bleiben.
114(7) Anders als die Beklagte meint, ist der Schadensersatzanspruch auch nicht wegen eines Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 BGB zu kürzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Die gegenteilige Annahme stünde im Gegensatz zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht, nach denen der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Beratung vertrauen darf. Danach kommt eine Anspruchskürzung hier nicht in Betracht (BGH, a.a.O., Rz. 41). Die Entscheidung der Klägerin, die Anlagen zu tätigen, ohne das Anlagekonzept verstanden zu haben, ist gerade Ausdruck dieses besonderen Vertrauensverhältnisses, das den Anleger dazu bringt, sich in erster Linie an der Empfehlung "seines" Beraters zu orientieren, und ihn davon abhält, weitere Nachfragen zu stellen oder Nachforschungen anzustellen (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 41).
115d) Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen einer fahrlässigen Schlechtberatung bezüglich der streitgegenständlichen Swap-Verträge sind nämlich verjährt. Gemäß § 37a WpHG verjährt der Anspruch des Kunden gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen der Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
116(1) Bei den der Klägerin von der Beklagten empfohlenen Swaps handelte es sich um Derivate im Sinne von § 2 II Nr. 1 lit. e) WpHG a.F. (vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 5. Auflage, § 2 Rz. 48). Die Beratung der Klägerin zum Kauf der Derivate war eine Anlageberatung im Sinne des § 2 III Nr. 9 WpHG a.F.
117(2) Die Verjährungsfrist des § 37a WpHG begann in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin die streitgegenständlichen Swap-Geschäfte abschloss. Zwar ist der Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation genügt dafür grundsätzlich nicht (BGH, Urteil vom 17.02.2000, IX ZR 436/98, NJW 2000, 1498, 1499). Allerdings kann der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht dann schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (BGH, Urteil vom 08.07.2000, III ZR 249/09, Juris Rz. 24). So liegt der Sachverhalt auch hier. Die Verjährungsfrist des § 37a WpHG begann mithin im Zeitpunkt des Abschlusses der einzelnen Swapgeschäfte und endete vor Ablauf der am 12.12.2012 bei Gericht eingegangenen Klageschrift und erfasste sowohl Pflichtverletzungen wegen einer vermeintlich nicht anleger- bzw. nicht anlagegerechten Aufklärung als auch Pflichtverletzungen, soweit es um die aus Fahrlässigkeit nicht erfolgte Offenlegung der konkreten Höhe der negativen Marktwerte der der Klägerin von der Beklagten empfohlenen Swap-Verträge ging.
118e) Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat der sicheren Überzeugung (§ 286 ZPO), dass die Beklagte die Klägerin nicht vorsätzlich fehlerhaft beraten hat. Der Zeuge N hat überzeugend bekundet, er habe die Klägerin zwar beraten, jedoch zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran gehabt, dass die der Klägerin vorgeschlagenen Produkte ihren Ansprüchen und Wünschen entsprochen hätten. Der negative Marktwert sei seinerzeit überhaupt nicht Gegenstand der Gespräche gewesen, jedoch sei der Klägerin klar gewesen, dass die Y gut an den Produkten verdient habe. Insbesondere sei allen Gesprächspartnern klar gewesen, dass die Y eine Marge an den von ihr empfohlenen Produkten verdienen würde.
119Der Zeuge T hat ebenso überzeugend ausgesagt, dass der Inhalt und Umfang der Aufklärung bzw. Beratung der Kunden regelmäßig mit der Rechtsabteilung durchgesprochen und abgeglichen worden sei. Sein oberstes Ziel sei seinerzeit die Kundenzufriedenheit gewesen, wobei die Y natürlich an einem Produkt etwas habe verdienen wollen. Dies konnte der Zeuge schon deshalb überzeugend bekunden, weil für den Fall, dass ein Kunde aus dem Bereich der öffentlich Kunden mit den Leistungen der Y unzufrieden gewesen wäre, sich dies sehr schnell herumgesprochen und die Y mit diesem Kundenkreis keine Geschäfte mehr hätte machen können. Er habe seinerzeit nicht gewusst, dass er über einen „anfänglichen negativen Marktwert“ habe aufklären müssen. Gleichwohl sei es so gewesen, dass der Umstand, dass die Bank an den Geschäften etwas verdient habe, eigentlich in jedem Gespräch bzw. bei jedem Kunden ein Thema gewesen sei. Die der Klägerin empfohlenen Produkte hätten auch ihrem Anforderungsprofil entsprochen. Dass sie konkret über die Höhe des negativen Marktwerts hätten aufklären müssen, habe sich seiner Erinnerung nach erst aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011 ergeben.
120Die Zeugin B konnte glaubhaft bekunden, dass es grundsätzlich so gewesen sei, dass über eine Gemeinde vorbereitende Analysen und eine Aufstellung des Darlehensportfolios erstellt worden seien. Sodann seien weitere Unterlagen angefordert worden. Zudem sei eine Analyse des volkswirtschaftlichen Marktumfeldes erstellt worden. Anhand dieser Informationen seien dann mit dem Produktbetreuer Produktvorschläge für die Kommune ausgearbeitet worden. Die Anlageziele der Klägerin seien umfassend erörtert worden. Da sich die von der Klägerin gezahlten Kreditzinsen über dem Marktniveau bewegt hätten, sei es ein Ziel der Klägerin gewesen, eine Durationsverkürzung herbeizuführen, wodurch eine Zinsoptimierung habe erzielt werden sollen. Darauf, dass die Y an den von ihr empfohlenen Produkten etwas verdient habe, sei die Klägerin jeweils hingewiesen worden. Sie könne es für sich ausschließen, die Klägerin bewusst falsch beraten zu haben, zumal in diesem Fall die Gefahr bestanden habe, dass der Name der Y verbrannt werden würde, weil die Kommunen untereinander vernetzt seien. Chancen und Risiken der der Klägerin empfohlenen Produkte seien dieser jeweils deutlich benannt worden.
121Der Zeuge Q als der damals zuständige Leiter des Bereiches Kapitalmarkt und Handelsberatung bei der Y hat ebenso glaubhaft ausgesagt, dass neue Produkte in sämtlichen Bereichen der Bank jeweils vorgestellt worden seien, wobei auf die Risiken hingewiesen worden sei. Wenn nicht sämtliche Bereiche innerhalb der Bank ihre Zustimmung zu einem Produkt erteilt hätten, sei ein Produkt weder empfohlen noch angeboten worden. Hinsichtlich des negativen Marktwertes sei es so, dass eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt gegeben habe, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt habe. Diese Frage sei innerhalb der Y eingehend unter Auswertung auch anders lautender Gerichtsentscheidungen erörtert worden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass über die von der Bank vereinnahmte Marge trotz der Entscheidung des LG Frankfurt, die bankintern für falsch gehalten worden sei, nicht habe aufgeklärt werden müssen. Die Marge der Bank habe sich für die Y als ein allgemein bekanntes Phänomen dargestellt, weil auch jeder andere Händler eine entsprechende Marge verdiene. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt obergerichtlich bestätigt werden würde, sei innerhalb der Y als äußerst gering eingeschätzt worden. Jedenfalls sei innerhalb der Y die Auffassung vertreten worden, dass eine Aufklärungspflicht nicht bestehe, zumal diese Auffassung durch eine Entscheidung des Landgerichts Krefeld und ein weiteres Urteil aus dem landgerichtlichen Bereich bestätigt worden sei. Auch der Senat habe später noch bestätigt, dass eine Aufklärungspflicht nicht bestehe.
122Schließlich hat auch der Zeuge Dr. S als damals zuständiger Syndikus der Rechtsabteilung bei der Y nachvollziehbar und glaubhaft bestätigt, dass für die Y die Bond-Entscheidung des Bundesgerichtshofs den Schwerpunkt der Beratung gebildet habe. Insbesondere sei es für die Y wesentlich gewesen, dass das Produkt für den Kunden geeignet gewesen sei und er es auch habe verstehen können. Der Umstand, dass die Y an den von ihr empfohlenen Geschäften etwas verdient habe, sei aus Sicht der Y nicht aufklärungspflichtig gewesen. Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt sei in der Rechtsabteilung der Y diskutiert worden. Man sei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Urteil in der nächsten Instanz nicht bestätigt werden würde. Bestätigt worden sei die Auffassung der Y dadurch, dass die Landgerichte Wuppertal, Ulm und Krefeld anders lautende Entscheidungen getroffen hätten. Auch das Oberlandesgericht Bamberg habe eine Aufklärungspflicht bezüglich des anfänglichen negativen Marktwertes abgelehnt. Innerhalb der Rechtsabteilung sei es für unmöglich gehalten worden, dass aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt eine Rechtspflicht zu einer Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert folgen würde.
123Die letztgenannte Aussage hat der Zeuge I bei seiner Vernehmung durch den Senat in glaubhafter und für den Senat ohne weiteres nachvollziehbarer Art und Weise bestätigt. Er hat angegeben, seit Mai 2007 in der Rechtsabteilung der Y und zwar in dem Bereich Kapitalmarkt, Derivate-Rahmenverträge beschäftigt gewesen zu sein. Zwar sei er an konkreten Geschäftsabschlüssen mit der Stadt G nicht beteiligt gewesen. In der Rechtsabteilung seien jedoch die juristischen Themen betreffend die Swap-Geschäfte betreut worden. Dazu hätten sie Schrifttum und Rechtsprechung ausgewertet und die Kunden betreuenden Bereiche beraten. Zwar habe die Beratung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken der jeweiligen Produkte den jeweiligen Fachbereichen oblegen. Der Rechtsabteilung seien jedoch Dinge vorgelegt werden worden, um für die ausgewogene Darstellung in dem Termsheet zu sorgen. Der Begriff „anfänglicher negativer Marktwert“ sei ihm erstmals bei Bekanntwerden des Urteils des Landgerichts Frankfurt, es mag dasjenige vom 10.03.2008 gewesen sein, bekannt geworden. Er meine, dass insoweit unter Vorlage dieses Urteils eine Anfrage aus dem Fachbereich an sie herangetragen worden sei. Er sei gefragt worden, wie mit dem Inhalt dieses Urteils umgegangen werden solle. Er habe seinerzeit das Urteil überprüft und das von ihm gefundene Ergebnis mit Kollegen und der Gruppenleitung besprochen. Für ihn sei das Urteil des LG Frankfurt nicht nachvollziehbar gewesen. Er sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele, wobei er sich nicht habe vorstellen können, dass die darin angesprochene Aufklärungspflicht bezüglich eines anfänglichen negativen Marktwertes zur ständigen Rechtsprechung auch anderer Gerichte werden würde. In diesem Sinne habe er das Urteil auch auf dem wöchentlichen Treffen der Rechtsabteilung vorgestellt. Soweit er sich erinnern könne, seien auch die anderen Kollegen in der Rechtsabteilung überrascht gewesen. Seine Auffassung das Urteil betreffend habe dann die Zustimmung in der Rechtsabteilung sowie die Zustimmung des Gruppenleiters gefunden. Daraufhin sei dies dann so auch an die Fachbereiche weitergegeben worden.
124Der Zeuge X hat angeben können, er habe im Zeitraum November 2006 bis Ende 2008 den Bereich Öffentliche Kunden, Kapitalmarktprodukte geleitet. Seinerzeit sei es hauptsächlich um Derivate, insbesondere auch um Swaps gegangen. Sein Tätigkeitsbereich sei die Produktseite gewesen. Daneben habe es den Vertrieb gegeben,
125der die Produkte unmittelbar an den Kunden vermittelt habe. Bei der Stadt G sei er nicht unmittelbar vor Ort gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, die Aufklärung der öffentlichen Kunden sicherzustellen. Er habe dafür zu sorgen gehabt, dass insoweit ein sachgerechter Vertrieb erfolgt sei. Dies habe er in erneuter Abstimmung mit der Rechtsabteilung durchgeführt. Es seien hinsichtlich der einzelnen Produkte Termsheets entwickelt worden, und zwar nach vorheriger Absprache mit der Rechtsabteilung. In diesen Termsheets seien die Funktion des Produktes, dessen Chancen und Risiken sowie auch drei verschiedene Szenarien dargestellt. Es habe sich um ein positives, um ein mittleres und um ein negatives Szenario gehandelt. Der anfängliche negative Marktwert von Produkten sei seinerzeit kein Thema gewesen. Dabei sei das Verdienstinteresse der Bank bei den Derivaten selbstverständlich angesprochen und mitgeteilt worden. Bei diesen Produkten habe es sich um Zinsoptimierungsgeschäfte gehandelt, die nicht gegen das Spekulationsverbot verstoßen hätten. Denn letzteres hätte nur gegriffen, wenn keine Konnexität gegeben gewesen wäre. Dies sei bei den von ihnen empfohlenen Produkten jedoch nicht der Fall gewesen, weil zwischen den Grundgeschäften (Kredit) und den Swaps ein Zusammenhang bestanden habe. Hinsichtlich der Beratungsintensität sei es für ihn entscheidend gewesen, dass die Kunden die Entscheidungen selbst hätten treffen können. Dabei war sich der Zeuge sicher, dass ihre Aufklärungsmaßnahmen über den durchschnittlichen Werten gelegen hätten. Ihr Ziel sei die positive Entwicklung der vermittelten Geschäfte für die Kunden gewesen. Die Kunden hätten in die Lage versetzt werden sollen, vor Ort, beispielsweise im Innenausschuss, das Produkt selbst erklären zu können. In diesem Fall hätten sie ihre Aufklärung für gelungen gehalten.
126Der Senat ist der sicheren Überzeugung, dass die Aussagen der vernommenen Zeugen glaubhaft sind (§ 286 ZPO). Die Aussagen der Zeugen stimmen in der Sache überein. Im Hinblick auf den seinerzeitigen Stand der Rechtsprechung hält der Senat es zudem für glaubhaft, dass die Mitarbeiter der Beklagten es für ausgeschossen hielten, dass eine Verpflichtung der Beklagten bestand, im Rahmen eines Beratungsvertrags dem Vertragspartner die Höhe des in die Swaps einkalkulierten negativen Marktwerts mitzuteilen. Ferner ist der Senat der sicheren Überzeugung, dass die Zeugen die Klägerin anleger- und anlagegerecht beraten wollten. Letzeres ergibt sich ohne weiteres aus dem Inhalt der zur Gerichtsakte gereichen Produktbeschreibungen, in denen die Funktionsweise des Swaps einschließlich der maximalen Risiken der Papiere auch für einen Laien verständlich beschrieben werden. Soweit es um den negativen Marktwert der Swaps geht, spricht für die Glaubhaftigkeit der Zeugen insbesondere der Umstand, dass der Senat selbst noch in dem Verfahren 31 U 121/08 in seinem Urteil vom 11.10.2010 (BKR 2011, 68 ff.) im Hinblick auf den negativen Marktwert eines Swaps unter Berücksichtigung des hieraus zu Tage tretenden Interessenkonflikts eine Aufklärungspflicht verneint hatte.
127Gegen die Annahme, dass die Beklagte vorsätzlich gehandelt haben könnte, spricht ferner der Umstand, dass die Parteien am 12.02.2009 eine Auflösungsvereinbarung über den Digital-Swap mit Bandbreitenanpassung trafen und der negative Marktwert von der Klägerin nicht ausgeglichen, sondern mit ihrem Wissen in den später erworbenen Forward-Swap eingerechnet wurde. Überdies hat die Beklagte der Klägerin unstreitig die Unterlagen B 23, 26, 30 und 35 ausgehändigt, aus denen die Klägerin unschwer entnehmen konnte, welche Chancen und Risiken für sie mit den einzelnen Papieren verbunden waren. Insbesondere finden sich in diesen Unterlagen Szenarioanalysen I, II, in denen die maximal erzielbaren Nettovorteile ebenso wie die maximal hinzunehmenden Nettonachteile explizit ausgeführt werden. Angesichts der in diesen Szenarioanalysen angegebenen maximal hinzunehmenden Nachteile der einzugehenden Swaps kann auch keine Rede davon sein, dass es ausschließliches Ziel der Klägerin war, Zinszahlungen zu reduzieren. Vielmehr kam es der Klägerin auch und gerade darauf an, ihr Zinsmanagement mithilfe der Beklagten und unter Einsatz von Derivaten zu optimieren.
128II. Die Widerklage ist begründet und zwar auch, soweit Forderungen der Klägerin bestehen, aber verjährt sein sollten.
1291) Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) kommt nicht in Betracht, da es die Ansprüche der Beklagten faktisch vereiteln würde.
130Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB ist ein bloßes Sicherungsmittel und dient als Druckmittel der Durchsetzung eines eigenen Gegenanspruchs. Es gibt dem Schuldner eine lediglich aufschiebende Einrede. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts hat nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung an den Gläubiger Zug um Zug gegen Empfang der ihm gebührenden Gegenleistung zu verurteilen ist (§ 274 Abs. 1 BGB).
131Vor diesem Hintergrund ist anerkannt, dass dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zusteht, wenn dieses die Durchsetzung einer (für sich genommen unbestrittenen) Hauptforderung auf unabsehbare Zeit verhindern und so im Ergebnis zu einer faktischen Vereitelung ihrer Durchsetzung führen würde (BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, Juris Rz. 48 f.; BGH, Urteil vom 11.04.1984, VIII ZR 302/82, BGHZ 91, 73, Juris Rz. 56; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 273 Rz. 17; Staudinger-Bittner, BGB, Neubearbeitung 2004, § 273 Rz. 103; Mü-Ko-BGB/-Krüger, 6. Aufl., § 273 Rz. 72 jeweils m. w. N.). So aber liegt der Fall hier. Stünde der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht zu, wäre eine Forderungsdurchsetzung der Beklagten endgültig ausgeschlossen.
1322) Eine dauerhaft rechtshemmende Einwendung lässt sich auch nicht über eine – von der Klägerin geforderte - analoge Anwendung des § 853 BGB begründen.
133Hat ein Gläubiger eine Forderung durch eine von ihm begangene "unerlaubte Handlung" erlangt, kann der Schuldner gemäß § 853 BGB die Erfüllung auch nach Eintritt der Verjährung seines Gegenanspruchs (auf Forderungsaufhebung) verweigern. Das Erheben der Arglisteinrede aus § 853 BGB setzt demnach eine deliktische Haftung des Gläubigers voraus. Hieran fehlt es auch nach dem Vortrag der Klägerin.
134Für eine analoge Anwendung des § 853 BGB auch auf (vor-)vertragliche Haftungsfälle der hier interessierenden Art ist kein Raum, da es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt (BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, Juris Rz. 50). Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung übernahm § 215 BGB den Regelungsgehalt des schon zuvor die Aufrechnung mit bestimmten verjährten Ansprüchen zulassenden § 390 Satz 2 BGB a. F. und dehnte seinen Anwendungsbereich auf das Zurückbehaltungsrecht bezüglich bestimmter verjährter Forderungen aus. Die Beibehaltung bzw. Übernahme der Bindung von Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsmöglichkeit an die Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt der Entstehung des Gläubigeranspruchs der Gegenanspruch des Schuldners noch nicht verjährt war, erfolgte vor dem Hintergrund der zugleich vorgenommenen grundlegenden Umgestaltung des Verjährungsrechts. Von daher ist das Vorliegen einer Regelungslücke nicht ersichtlich. Es ist vielmehr so, dass § 853 BGB sowohl von seinem unmissverständlichen Wortlaut ("unerlaubte Handlung") als auch von seiner systematischen Stellung her eindeutig eine Sondernorm des Deliktsrechts darstellt, deren analoge Anwendung auf (vor-)vertraglich abgeleitete Schadensersatzansprüche die zeitliche Schranke des § 215 BGB faktisch leerlaufen ließe. Die von der Klägerin geforderte Ausdehnung des Rechtsgedankens des § 853 BGB findet demzufolge, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Kommentarliteratur keine Stütze.
1353) Ein Festhalten der Beklagten an ihren Ansprüchen stellt sich auch nicht in sonstiger Weise als eine gegen § 242 BGB verstoßende unzulässige Rechtsausübung dar.
136In die gebotene Gesamtabwägung ist als ein weiterer - gegen eine Anerkennung des Einwands aus § 242 BGB sprechender - maßgeblicher Umstand mit einzubeziehen, dass die Beklagte nicht in treuwidriger Weise zum Eintritt der jetzigen Situation beigetragen hat, in der die Klägerin ihr ihren zwischenzeitlich verjährten Aufhebungsanspruch nicht mehr wirksam entgegenhalten kann.
137Warum die Klägerin erst mit Klageschrift vom 11.12.2012 Schadensersatzansprüche in einer Weise geltend gemacht hat, die zur Hemmung der Verjährung geeignet gewesen wäre, ist nicht erläutert worden und auch sonst nicht ersichtlich. Es steht auch nicht im Raum, dass die Beklagte mit der Verfolgung eigener Ansprüche bis zum Verjährungseintritt des Gegenanspruchs bewusst zugewartet und durch vorheriges Verhalten bei der Klägerin die Vorstellung geweckt haben könnte, sie betrachte die Swaps als erledigt. Vielmehr wurden die Verpflichtungen aus den Verträgen über die Jahre hinweg laufend angemahnt.
1384) § 215 BGB steht der von der Klägerin erklärten Aufrechnung schon deshalb entgegen, weil die Ansprüche der Klägerin in dem Zeitpunkt, in dem die Ansprüche der Beklagten entstanden, bereits verjährt waren.
1395) Der Höhe nach sind die von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Forderungen unstreitig.
1406) Die der Beklagten zu8gesprochenen Zinsansprüche beruhen auf §§ 286 II Nr. 1, 288 II BGB a.F.
141III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
- die Sache befindet sich beim BGH -
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.