Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 07. Mai 2015 - 7 WF 422/15

ECLI: ECLI:DE:OLGKOBL:2015:0507.7WF422.15.0A
published on 07/05/2015 00:00
Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 07. Mai 2015 - 7 WF 422/15
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Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Westerburg vom 27.2.2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners.

2

Die Beteiligten sind Eltern des am 23.10.2011 geborenen Kindes L.

3

Sie hatten nach der Geburt am 27.7.2012 geheiratet und sind durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – W. vom 15.5.2014 geschieden worden.

4

Die Antragstellerin hatte vor der Geburt des Kindes „angewandte Biologie“ studiert und im August 2011 den „Bachelor of Science“ erfolgreich absolviert.

5

An sich hatte sie ein anschließendes Master-Studium geplant, hiervon jedoch mit Rücksicht auf die bevorstehende Geburt des Kindes Abstand genommen und dieses während der Ehe betreut.

6

Sie ist seit dem Wintersemester 2014/2015 an der Universität D. im Studienfach „Biochemie“ eingeschrieben und holt dort bisher nicht näher dargestellte Module nach, die ihr für den speziellen Masterabschluss im Fach Biochemie fehlen. Im Wintersemester 2015/2016 will sie das Masterstudium beginnen.

7

Sie begehrt deshalb Unterhalt über den 3. Geburtstag ihres Kindes, das eine Tagesstätte besucht, hinaus. Bis dahin hat ihr das Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe für den Antrag auf nachehelichen Unterhalt (Betreuungsunterhalt) bewilligt.

8

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung ihres Antrags, weil sie ein anderes Studium begonnen habe und hierfür Unterhalt nicht zu leisten sei. Im Übrigen beziehe sie ALG II-Leistungen und müsse Bafög beantragen. Sie sei, soweit andere Leistungen zur Verfügung ständen, auch nicht aktivlegitimiert.

9

Das Amtsgericht hat einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verneint mit der Begründung, die Antragstellerin habe mit dem Bachelorabschluss eine abgeschlossene Ausbildung, aufgrund derer sie eine Arbeitsstelle habe antreten können.

10

Soweit das Amtsgericht dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für Betreuungsunterhalt stattgegeben hat, hat es Rechtsanwältin H. nur zu den Bedingungen eines im Amtsgerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

11

Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich - wie die Begründung der Beschwerde ergibt - nur gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe betreffend den Antrag auf Leistung von Ausbildungsunterhalt.

12

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

13

Ein Anspruch nach § 1573 BGB scheidet aus, weil die Antragstellerin nicht dargelegt hat, dass sie trotz hinreichender Bemühungen keine angemessene Arbeit (§ 1574 Abs. 2 BGB) hat finden können.

14

In Betracht käme ein Anspruch aus § 1575 Abs. 1 BGB.

15

Danach kann ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung so bald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird. Dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.

16

Es soll hier zugunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass sie die Masterausbildung zumindest auch in Erwartung der Ehe nicht durchgeführt hat.

17

Der Senat neigt auch dazu, Bachelor und Master im selben Studiengang als einheitliches Studium und nicht als Zweitausbildung anzusehen mit der Folge, dass davon ausgegangen werden könnte, dass sie eine einheitliche Berufsausbildung abgebrochen hätte.

18

Das Oberlandesgericht Celle (FamRZ 2010, 1456 m.w.N.) weist zu Recht darauf hin, dass mit der Einführung gestufter Studiengänge und Abschlüsse aufgrund der Bologna-Erklärung vom 19. Juni 1999 eine größere Transparenz und Vereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union herbeigeführt werden sollte und die Universitäten seinerzeit davon ausgingen, dass zwischen 2/3 bis 90 %  der Bachelorabsolventen in einem Masterprogramm weiter studieren würden und daher der Charakter des Bachelors als Vorstufe zu einem Folgestudium betont wurde. Bedeutsamer erscheint aber vielmehr das vom OLG Celle genannte Argument, dass den Studierenden in vielen Fällen nach Abschluss eines Bachelorstudiengangs zwar der Eintritt in das Berufsleben grundsätzlich eröffnet ist, sie aber hier regelmäßig in Konkurrenz mit Bewerbern einer praktischen Ausbildung stehen, so dass die Fortsetzung ihres Studiums für eine bessere Qualifizierung sinnvoll ist.

19

Ob diese Beurteilung auch dann gilt, wenn zwar das Studium ebenfalls mit einem Master of Science beendet oder fortgesetzt werden kann, aber wesentliche Module des anderen Studienganges (hier: Biochemie-Bachelor-Studium) nachgeholt werden müssen, ist fraglich.

20

Jedenfalls wäre ein solcher Anspruch durch § 1575 Abs. 2 Satz 2 BGB begrenzt.

21

Im Ergebnis können die Fragen derzeit offen bleiben. Die Antragstellerin kann schon deshalb keinen Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe haben, weil sie nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass sie einen  bedarfsdeckenden Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bafög nicht hat.

22

Vielmehr hat sie selbst darauf hingewiesen, dass sie den Ausbildungsförderungsanspruch zu Beginn des Studiums geltend machen werde.

23

Unterhaltsansprüche gegenüber dem geschiedenen Ehegatten gehen nicht auf den Träger der Ausbildungsförderung über (§§ 37, 38 Bafög). Außerdem ist dem Bedürftigen die darlehensweise Inanspruchnahme von Bafög, die ohnehin nicht zu einem Übergang der Unterhaltsansprüche führt, wegen der günstigen Konditionen und seiner nachehelichen Eigenverantwortung in der Regel zumutbar.

24

Auf die Einwendungen des Antragsgegners kommt es hiernach nicht an.

25

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die fehlende Bedürftigkeit die Aktivlegitimation nicht berührt.

26

Auch soweit die Antragstellerin tatsächlich - von ihr bestritten - ALG II erhalten hätte, könnte sie ihren Antrag, der bisher kein Datum für den Beginn der Unterhaltszahlung enthält, in der Hauptsache anpassen.

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Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. (2) Reichen die Ei

(1) Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. (2) Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des

Annotations

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

(1) Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.

(2) Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.

(3) Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.

(1) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.

(2) Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.

(3) Verlangt der geschiedene Ehegatte nach Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung Unterhalt nach § 1573, so bleibt bei der Bestimmung der ihm angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2) der erreichte höhere Ausbildungsstand außer Betracht.

(1) Hat der Auszubildende für die Zeit, für die ihm Ausbildungsförderung gezahlt wird, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, so geht dieser zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch mit der Zahlung bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf das Land über, jedoch nur soweit auf den Bedarf des Auszubildenden das Einkommen der Eltern nach diesem Gesetz anzurechnen ist. Die Zahlungen, welche die Eltern auf Grund der Mitteilung über den Anspruchsübergang erbringen, werden entsprechend § 11 Absatz 2 angerechnet. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit der Auszubildende Ausbildungsförderung als Bankdarlehen nach § 18c erhalten hat.

(2) (weggefallen)

(3) (weggefallen)

(4) Für die Vergangenheit können die Eltern des Auszubildenden nur von dem Zeitpunkt an in Anspruch genommen werden, in dem

1.
die Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts vorgelegen haben oder
2.
sie bei dem Antrag auf Ausbildungsförderung mitgewirkt haben oder von ihm Kenntnis erhalten haben und darüber belehrt worden sind, unter welchen Voraussetzungen dieses Gesetz eine Inanspruchnahme von Eltern ermöglicht.

(5) (weggefallen)

(6) Der Anspruch ist von der Fälligkeit an mit 6 vom Hundert zu verzinsen. Zinsen werden jedoch erst vom Beginn des Monats an erhoben, der auf die Mitteilung des Amtes für Ausbildungsförderung über den erfolgten Anspruchsübergang folgt.

Hat der Auszubildende für die Zeit, für die ihm Ausbildungsförderung gezahlt wird, gegen eine öffentlich-rechtliche Stelle, die nicht Leistungsträger ist, Anspruch auf Leistung, die auf den Bedarf anzurechnen ist oder eine Leistung nach diesem Gesetz ausschließt, geht dieser mit der Zahlung in Höhe der geleisteten Aufwendungen auf das Land über. Die §§ 104 und 115 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberührt.