Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 11. Jan. 2011 - 2 Ss 156/10

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2011:0111.2SS156.10.0A
bei uns veröffentlicht am11.01.2011

Die Revision des Angeklagten N. gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Goar vom 4. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten der Revision werden dem Angeklagten auferlegt.

Gründe

1

Das Amtsgericht St. Goar hat den Angeklagten N. mit Urteil vom 4. Mai 2010 wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot (§§ 3 Abs. 1, 28 VersammlG) zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt und die bei ihm sichergestellte Jungenschaftsjacke mit HDJ-Abzeichen eingezogen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten war als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung des Verteidigers vom 31. Dezember 2010 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO). Die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung tragen die Verurteilung wegen Vergehens nach den §§ 3 Abs. 1, 28 VersammlG.

2

Der Verteidigung ist zwar im Ansatz zuzugeben, dass das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung für sich allein genommen dem Verbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG noch nicht unterfällt. Eine abstrakte Gefährlichkeit des Tragens gleichartiger Kleidungsstücke gibt es nicht. Das Uniformverbot gilt vielmehr der Uniform als Symbol organisierter Gewalt. Uniformen und Kleidungsstücke, die Uniformen substituieren, symbolisieren aber die quasi-militärische Organisation einer Menge als „institutionelles Gehäuse“ für Gewaltbereitschaft, Bedrohung und Einschüchterung (vgl. Rühl in NJW 1995, 561) und sind in der Regel geeignet, bei dem Beobachter suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen (vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Versammlungsgesetz, § 3 Rdn 7; KG, Urteil vom 19. März 2001 – 1 Ss 344/00 (105/00) -). Das gilt um so mehr, wenn der Eindruck durch das Hinzutreten weiterer Umstände verstärkt wird (vgl. BVerfG in NJW 1982, 1803) wie die vom Amtsgericht festgestellte Durchführung eines Fahnenappells mit von Trommelschlägen begleitetem Marsch zum Fahnenmast und Hochziehen der Fahne bei halbkreisförmiger Aufstellung, die Aufstellung von mit Springerstiefeln, schwarzen Hosen und Koppeln bekleideten, um das Gelände des Turner- und Jugendheims patrouillierenden, dem Schutz vor linken oder antifaschistischen Gruppen dienenden Wachposten, das Tragen von Abzeichen und das teilweise als seltsam diszipliniert und appellmäßig empfundene, den Eindruck militärischen Drills erweckende Gebaren der Gruppe (vgl. BVerfG, a. a. O.). Hingegen sind Umstände, die der Annahme konkreter oder abstrakter Gefährlichkeit in obigem Sinne entgegenstehen würden (vgl. Wache, a. a. O.), den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen.

3

Dass das Amtsgericht keine ausdrücklichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen hat, wie die Verteidigung des Weiteren beanstandet, erweist sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe als unschädlich. Für die Zuwiderhandlung gegen § 3 VersammlG reicht bedingter Vorsatz aus, der in doppelter Hinsicht gegeben sein muss. So muss der Täter einmal das Bewusstsein haben, dass er eine Uniform oder gleichartige Kleidungsstücke trägt, die mit denen politisch Gleichgesinnter übereinstimmen, und zum Anderen durch das Tragen dieser Kleidungsstücke eine gemeinsame politische Gesinnung mit den Anderen zum Ausdruck bringen wollen (vgl. Wache, a. a. O., § 28 Rdn 5). Hieran kann im Fall des Angeklagten N. aufgrund des feststellten äußeren Geschehensablaufs indes kein Zweifel bestehen. Dasselbe gilt im Übrigen für die von dem Auftreten der Gruppe ausgehende mögliche massen-suggestive Wirkung.

4

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Versammlungsgesetz - VersammlG | § 3


(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. (2) Jugendverbänden, die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen,

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(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.

(2) Jugendverbänden, die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen, ist auf Antrag für ihre Mitglieder eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des Absatzes 1 zu erteilen. Zuständig ist bei Jugendverbänden, deren erkennbare Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, sonst die oberste Landesbehörde. Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat ist im Bundesanzeiger und im Gemeinsamen Ministerialblatt, die der obersten Landesbehörden in ihren amtlichen Mitteilungsblättern bekanntzumachen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.

(2) Jugendverbänden, die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen, ist auf Antrag für ihre Mitglieder eine Ausnahmegenehmigung von dem Verbot des Absatzes 1 zu erteilen. Zuständig ist bei Jugendverbänden, deren erkennbare Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, sonst die oberste Landesbehörde. Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat ist im Bundesanzeiger und im Gemeinsamen Ministerialblatt, die der obersten Landesbehörden in ihren amtlichen Mitteilungsblättern bekanntzumachen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.