Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 02. Feb. 2011 - 14 W 62/11

Gericht
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Koblenz vom 07.12.2010 teilweise geändert:
Die nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28.06.2010 von den Klägern an die Beklagten zu erstattenden weiteren Kosten werden festgesetzt auf 856,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2010.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten der Beschwerde haben die Beklagten zu tragen. Die Gebühr gemäß KV 1812 zum GKG wird nicht ermäßigt.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde (Wert: 3.118,63 €) tragen die Kläger zu 27 % und die Beklagten zu 73 %.
Gründe
I.
- 1
Die Kläger haben nach einem Verkehrsunfall vom 11.09.2005 Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung geltend gemacht. Der Unfallhergang, der auch Gegenstand eines gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahrens wegen fahrlässiger Tötung war, wurde durch Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten geklärt. Das Strafverfahren wurde letztlich eingestellt, die Zivilklage in zweiter Instanz abgewiesen.
- 2
Während des laufenden Strafverfahrens erstellte der Sachverständige S. im Oktober 2006 im Auftrag der beklagten Versicherung ein Gutachten für das er 2.261,83 € (1.742,50 € „Grundhonorar“ zzgl. Nebenkosten) berechnete.
- 3
Während des Zivilverfahrens hier, das im April 2007 anhängig gemacht wurde, beriet der Sachverständige die Beklagten zweimal und stellte dafür 327, 25 € unter dem 27.11.2008 und 529,55 € unter dem 06.11.2009 in Rechnung.
- 4
Die Kosten von insgesamt 3.118,63 € haben die Beklagten mit Eingang bei Gericht am 05.08.2010 zur Erstattung nachgemeldet. Mit der angefochtenen Entscheidung hat der Rechtspfleger deren Berücksichtigung abgelehnt.
II.
- 5
Die zulässige sofortige Beschwerde hat einen Teilerfolg (856,80 €); sie ist im Übrigen (2.261.83 €) nicht begründet.
- 6
1.1 Die Festsetzung der 2.261,83 € für das Gutachten S. (Rechnung vom 20.10.2006) hat der Rechtspfleger zu Recht abgelehnt. Insoweit ist das Rechtsmittel erfolglos.
- 7
Die Kosten eines vorprozessual privat eingeholten Gutachtens sind in Ausnahmefällen erstattungsfähig, wenn es gerade mit Rücksicht auf diesen konkreten Rechtsstreit in Auftrag gegeben wurde. Aufwendungen, die entstehen, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen deutlich abzeichnet, sind nicht erstattungsfähig (BGH NJW 2003, 1398). Dient das Gutachten der Prüfung der vertraglichen Einstandspflicht und wird es lange vor Prozessbeginn in Auftrag gegeben, so sprechen diese Indizien gegen einen konkreten Prozessbezug (Senat VersR 2007, 1100). Hinzu kommt hier die zeitliche und gegenständliche Nähe zum Strafverfahren, in dem das Gutachten zur Entlastung des Beklagten vorgelegt wurde (BGH NJW 2006, 2415). Auch von daher kann ein konkreter Bezug zum Zivilverfahren nicht festgestellt werden. Die Kosten für das Gutachten sind schon dem Grunde nach nicht zu erstatten.
- 8
1.2 Darüber hinaus hat der Sachverständige seine Kosten gegenüber der Beklagten auf der Basis eines pauschalen „Grundhonorars“ abgerechnet. Es ist nicht nachprüfbar, für welche Tätigkeiten, welcher Aufwand angefallen und berechnet worden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aber ein privat beauftragter Sachverständiger außerhalb der für ihn maßgeblichen Honorarordnung nicht pauschaliert abrechnen. Erforderlich ist vielmehr ein Einzelnachweis, damit der Umfang der sachverständigen Arbeiten und deren Prozessbezug überprüfbar sind (Senat in OLGR Koblenz 2006, 224).
- 9
2. Die weiter geltend gemachten 856,80 € sind hingegen notwendige Kosten des Rechtsstreits und zu Lasten der Kläger festzusetzen. Kosten eines innerprozessual eingeholten Privatgutachtens oder einer den Prozess begleitenden sachverständigen Beratung sind nämlich in Ausnahmefällen erstattungsfähig, wenn sich eine Partei sachverständiger Hilfe bedienen musste, um ihrer Substantiierungspflicht genügen oder ein gerichtlich eingeholtes Gutachten widerlegen zu können (Senat in VersR 2002, 1531, BauR 2002, 1131 und BauR 2004, 539). Dies war hier der Fall.
- 10
Die am 27.11.2008 berechneten 327,25 € für „1 Stunde Aktenstudium und 2 Stunden Ausarbeitung Stellungnahme“ (85 € je Stunde) zzgl. Nebenkosten standen ersichtlich im Zusammenhang mit der am 17.11.2008 verfassten und zu den Verfahrensakten abgegebenen Stellungnahme zum gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten. Dass ein Versicherungsunternehmen dazu aus eigener Sachkunde vortragen können müsse, ist eine nicht gerechtfertigte Unterstellung des Rechtspflegers. Der abgerechnete Aufwand ist angemessen.
- 11
Ebenso verhält es sich mit den Kosten von 529,55 €, die am 06.11.2009 berechnet wurden (2,5 Std. Aktenstudium, 2,5 St. Ausarbeitung Stellungnahme). Dieser Aufwand entstand ganz offensichtlich im Zusammenhang mit der am 08.12.2009 eingereichten Berufungserwiderung der Beklagten. Er war auch erforderlich, nachdem die Berufungsbegründung der Kläger vom 07.10.2009 auf das Gutachten erster Instanz und die Zeugenaussage bezogene erhebliche technische Ausführungen zum Unfallhergang und zur Beweiswürdigung des Landgerichts enthielt.
- 12
3. Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung auf die Beschwerde teilweise zu ändern; im Übrigen ist das Rechtsmittel gerichtskostenpflichtig zurückzuweisen. Wegen des überwiegenden Unterliegens ist eine Ermäßigung der Gebühr nach KV 1812 zum GKG nicht geboten.
- 13
Die außergerichtlichen Kosten sind zu quotieren (§ 92 Abs. 1 ZPO). Der Beschwerdewert entspricht den insgesamt angemeldeten Sachverständigenkosten.

Annotations
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.