Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 13. Apr. 2017 - 14 W 161/17

Gericht
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22. März 2017 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Mainz im Beschluss vom 06.03.2017, zugestellt am 09.03.2017, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 581,12 € (60% von 968,54 €) festgesetzt.
Gründe
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1 ZPO). Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Sachverständigengutachten gehören nur ausnahmsweise dazu (BGH NJW 2003, 1398; BGH NJW 2006, 2415). Eine auf Schadensersatz in Anspruch genommene Partei hat ihre Einstandspflicht nämlich in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen, so dass die durch die vorprozessuale Einholung eines Privatgutachtens entstehenden Kosten nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie unmittelbar prozessbezogen und zugleich erforderlich sind (BGH MDR 2009, 231; BGH NJW-RR 2009, 422; BGH VersR 2008, 801; siehe auch BGHZ 153, 235; VersR 2006, 1236, 1237; Senat in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa Beschluss v. 10.10.2016, 14 W 537/16; Senat VersR 2008, 802; Senat MDR 2009, 471 = OLGR Koblenz 2009, 383 = JurBüro 2009, 259; OLG Koblenz v. 17.03.2010, 14 W 135/10).
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Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird. Vielmehr muss sich das Gutachten auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert. Aus diesem Grunde kommt auch die Erstattung der Kosten einer allgemeinen Prozessbegleitung durch einen Sachverständigen nicht in Betracht. Die Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen. Die Tätigkeit des Privatsachverständigen muss vielmehr in unmittelbarer Beziehung zu dem sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit und dem hier erforderlichen Vortrag, nicht aber zur Prüfung der eigenen Einstandspflicht stehen (Senat MDR 2009, 471 = OLGR Koblenz 2009, 383 = JurBüro 2009, 259 Senat v. 21.09.2010, 14 W 521/10 = JurBüro 2011, 649). Der Auftrag an den Privatsachverständigen muss des Weiteren im konkreten Fall auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung sein. Die Beurteilung dieser Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen, wobei eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht kommt, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist. Dabei darf die durch den Privatgutachter gewährte Hilfe oder Zuarbeit mit prozessualen Mitteln, etwa durch ein Beweissicherungsverfahren, nicht zu erreichen sein. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO verlangt dabei die Glaubhaftmachung der Kostenposition, die sich nicht nur auf die Vorlage des Kostenbeleges, sondern auch auf die der Annahme der Erstattungsfähigkeit zugrunde liegenden Tatsachen zu erstrecken hat (Insgesamt hierzu Senat, Beschluss vom 11.04.2017, 14 W 132/17).
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Gemessen an diesen Anforderungen hat das Landgericht die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten zu Recht verneint. Wie sich zwanglos aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, ist eine Prozessbezogenheit nicht anzunehmen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (Bl. 350, 352 ff. GA) diente die Tätigkeit des außergerichtlich beauftragten Sachverständigen dazu, einen Sachverhalt zu ermitteln aus dem sich dann beurteilen ließ, ob eine Einstandspflicht der Beklagten bestand oder ob kausal nicht auf das Unfallereignis zurückgehende Schäden abgerechnet werden sollen. Ihre eigene Einstandspflicht zu beurteilen, gehört aber zu den Obliegenheiten der Beklagten.
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Es fehlt aber auch an der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Privatgutachtens. Die zur Begründung der entgegenstehenden Auffassung in Bezug genommenen Entscheidungen begründen für den hier vorliegenden Fall auf der Grundlage des konkreten Sachvortrages der Beklagten keine abweichende Sicht der Dinge. Insbesondere in der Beschwerdebegründung bleiben alle Ausführungen abstrakt und ohne Bezug zum konkreten Fall. Ganz ersichtlich will die Beklagte für sich in Anspruch nehmen, beim Verdacht eines fingierten Unfallereignisses stets ein Privatgutachten einholen und die Kosten als solche des Rechtsstreites deklarieren zu dürfen. Dem ist entgegenzutreten. Es war der Beklagten zumutbar, die gerichtliche Beweisaufnahme abzuwarten. Sie konnte sich aufgrund der ihr vorliegenden Indizien für die mangelnde Schadenskompatibilität, die nach ihren eigenen Darlegungen Ausgangspunkt für die Beauftragung eines Sachverständigen waren, auf das Bestreiten des Schadensumfanges beschränken. Die Darlegungs- und Beweislast lag insoweit bei der Klägerin. Soweit die Beklagte vor dem Prozess eine weitergehende Gewissheit gewinnen wollte, ist dies nicht Prozessbezogen, sondern Teil ihrer eigenen Prüfung zur Einstandspflicht. Eine Verlagerung der Beweisaufnahme in den vorgerichtlichen Bereich war demgegenüber nicht angezeigt, zumal auch hier Möglichkeiten der gerichtlichen Beweissicherung bestanden hätten. Entzieht die Partei eine Feststellung von Tatsachen bewusst der gerichtlichen Verfahrenshoheit, hat sie die daraus folgenden Kosten selbst zu tragen. Für den notwendigen Prozessvortrag der Beklagten waren die Feststellungen des Sachverständigen nicht erforderlich. Soweit sie für die Entscheidung des Rechtsstreites erheblich waren, war die Feststellung der gerichtlichen Beweisaufnahme vorbehalten.

Annotations
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.
(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.
(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)