Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 16. Sept. 2014 - 13 WF 810/14
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellervertreters wird der Beschluss des Amtsgerichts Familiengerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 26.08.2014 abgeändert.
Auf die Erinnerung des Antragstellervertreters wird die Kostenfestsetzung des Amtsgerichts Familiengerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler abgeändert. Die dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten werden auf 1.618, 40 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Zwischen den beteiligten Eheleuten war vor dem Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Trennungsunterhaltsverfahren anhängig, das im Termin am 06.06.2014 durch gerichtlichen Vergleich beendet wurde. Im Vergleich verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von laufend 500,00 € bis zur Rechtskraft der Scheidung und 4 Monate darüber hinaus. Für die Zeit ab 5 Monat nach Rechtskraft der Scheidung verzichteten die Beteiligten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt. Der Verfahrenswert wurde vom Familiengericht mit 10.608,00 € für das Verfahren und ebenfalls 10.608,00 € für den Vergleich festgesetzt, sowie auf 2.400,00 € für den "Mehrvergleich" im Trennungsunterhaltsverfahren und dem analog geführten eA Verfahren zum Trennungsunterhalt.
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Durch Beschluss vom 17.06.2014 (im Hinblick auf die Ratenhöhe modifiziert durch Beschluss vom 30.06.2014) bewilligte das Amtsgericht "für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab 08.05.2014 Verfahrenskostenhilfe".
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Der der Antragstellerin beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte beantragte, aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von 1.618,40 € festzusetzen. Darin enthalten waren u.a. eine Differenzverfahrensgebühr und eine Terminsgebühr jeweils aus dem vollen Vergleichswert (10.608,00 € + 2.400,00 € = 13.008,00 €).
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Die Rechtspflegerin setzte die Vergütung auf 1.576,75 € fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung - soweit die Differenz Verfahrens- und Terminsgebühr zzgl. Umsatzsteuer abgesetzt worden seien - wies das Amtsgericht durch Beschluss vom 26.08.2014 zurück, weil die (Differenz) Verfahrens- und Terminsgebühr nicht von der Verfahrenskostenhilfebewilligung erfasst seien.
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Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Beschwerde.
II.
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Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Gemäß §§ 45 ff. RVG sind die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 1.618,40 € festzusetzen, weil sich die vorliegende Verfahrenskostenhilfebewilligung im konkreten Falle in Bezug auf den Wert des Mehrvergleichs auch die Erstattung einer Verfahrens- und einer Terminsgebühr umfasst.
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1. In welchem Umfang einem beigeordneten Rechtsanwalt bei Abschluss eines Mehrvergleichs eine Vergütung gegen die Staatskasse zusteht, ist umstritten (vgl. den Meinungsstand zusammenfassend OLG Bamberg FamRZ 2011, 1605 und OLG Köln AGS 2013, 350 und OLG Koblenz (Senat) 13 WF 369/14). Der Senat hat sich durch Beschluss vom 19.05.2014 - 13 WF 369/14 - umfassend hierzu geäußert. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, von den dort niedergelegten Grundsätzen - insbesondere im Hinblick auf die Reichweite von § 48 Abs.3 RVG - abzuweichen.
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a. Nach § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach der Entscheidung, durch die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet wurde. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst hinsichtlich des Mehrvergleichs neben der Einigungsgebühr gemäß KV RVG Nr. 3101 und 3104 auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr aus. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit - zweifelsfrei angefallener - Gebühren aus der Staatskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses.
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b. Wenn das Gericht nach dem Inhalt seiner Verfahrenskostenhilfeentscheidung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf alle mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also auch die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) erstreckt hat, so sind sowohl das Ausgangsgericht als auch das Rechtsmittelgericht im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 48 Abs. 1 RVG an eine solche umfassende Bewilligung und Beiordnung gebunden.
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2. Der nach Verfahrensbeendigung durch den Vergleich, aber "mit Wirkung ab dem 08.05.2014" erlassene Beschluss vom 17.06.2014 bewilligt nach seinem Wortlaut schlicht für das (Trennungsunterhalts-) Verfahren Verfahrenskostenhilfe, ohne sich näher zum Umfang der Bewilligung zu äußern.
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a. Aus einer solch offenen Formulierung, wie sie in der Praxis üblich ist, kann regelmäßig nicht notwendig hergeleitet werden alle mit dem Mehrvergleichsabschluss im Zusammenhang stehenden Gebühren sollten von der Bewilligungsbeschluss umfasst seien (vgl. Senat 13 WF 369/14, m.w.N.). Allerdings kann hieraus auch nicht zwingend auf das Gegenteil geschlossen werden. Ein solcher weder präzise gefasster noch näher begründeter Bewilligungsbeschluss ist zum Zwecke der Ermittlung seiner Reichweite vielmehr nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Dabei kann nach der Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 außerhalb dessen Anwendungsbereichs nicht mehr davon ausgegangen werden, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Mehrvergleich erstrecke sich neben der Einigungsgebühr ohne Weiteres auch auf die Verfahrens- und Terminsgebühr (Senat 13 WF 369/14).
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b. Zunächst erstreckt sich die Verfahrenskostenhilfebewilligung ohne Weiteres auf den Vergleichsabschluss im vorliegenden Trennungsunterhaltsverfahren, auch wenn der Bewilligungsbeschluss nur von "Verfahren" spricht, denn der Vergleich ist Bestandteil dieses Verfahrens.
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c. Er erstreckt sich hier aber wegen des engen Sachzusammenhangs auch auf den Mehrvergleich, der den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und die Weiterzahlung des Unterhalts für 5 Monate nach Rechtskraft der Scheidung betrifft. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt verschiedene Streitgegenstände. Gleichwohl bleiben sie vom Tatsächlichen her und insbesondere in der Anschauung der Beteiligten eng miteinander verzahnt. Es macht für den Unterhaltsschuldner keinen Unterschied, ob er den Unterhalt als Trennungsunterhalt zahlen muss oder als nachehelichen Unterhalt, ebenso ist das für die Unterhaltsgläubigerin gleichgültig. Maßgebend ist für beide alleine, in welcher Höhe und wie lange Unterhalt zu zahlen ist. Genau dieses ist hier durch den Vergleich geregelt worden.
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d. Das Amtsgericht hat in Kenntnis dessen nachträglich seine Entscheidung erlassen, (nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im Übrigen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich insoweit um Entscheidung gebeten hatte). Es gibt - aus Sicht eines objektiven Adressaten - keinen Anhaltspunkt dafür, dass insoweit eine Einschränkung beabsichtigt war. Dass das Amtsgericht in seiner Entscheidung über die Erinnerung einen anderen Standpunkt vertreten hat, ändern daran nichts. Der Senat hat in der zitierten Entscheidung festgehalten, dass es auf nachträgliche Ausführungen und Interpretationen des entscheidenden Gerichts nicht ankommen kann. Daran ist festzuhalten.
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Ein Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Annotations
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.
(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen und die Beiordnung eine Berufung, eine Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands betrifft, wird eine Vergütung aus der Staatskasse auch für die Rechtsverteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel und, wenn der Rechtsanwalt für die Erwirkung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung beigeordnet ist, auch für deren Vollziehung oder Vollstreckung gewährt. Dies gilt nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag
- 1.
den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, - 2.
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, - 3.
die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, - 4.
die Regelung des Umgangs mit einem Kind, - 5.
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen, - 6.
die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder - 7.
den Versorgungsausgleich
(4) Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.
(5) In anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Dies gilt insbesondere für
- 1.
die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung und den Verwaltungszwang; - 2.
das Verfahren über den Arrest, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, die einstweilige Verfügung und die einstweilige Anordnung; - 3.
das selbstständige Beweisverfahren; - 4.
das Verfahren über die Widerklage oder den Widerantrag, ausgenommen die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(6) Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.