Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 15. Aug. 2014 - 1 Verg 7/14

ECLI: ECLI:DE:OLGKOBL:2014:0815.1VERG7.14.0A
published on 15/08/2014 00:00
Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 15. Aug. 2014 - 1 Verg 7/14
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Tenor

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 30. Juli 2014 wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Die Beschwerdegegnerin ist die Betreibergesellschaft des im Hunsrück gelegenen Flughafens Frankfurt-Hahn; ihre Gesellschafter sind die Bundesländer Rheinland-Pfalz (82,5%) und Hessen (17,5%).

2

Die Beschwerdeführerin erbringt seit etwa 15 Jahren IT-Leistungen für den Flughafenbetreiber; alle Verträge laufen am 31. Dezember 2014 aus. Anfang 2014 beschloss die Geschäftsführung der Beschwerdegegnerin, die IT-Leistungen in einem förmlichen Vergabeverfahren zu vergeben und beauftragte die zuständigen Fachabteilungen mit der „Ausarbeitung der Ausschreibung“. Mitte Mai 2014 teilte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin schriftlich mit, sie beabsichtige, die IT-Leistungen in Lose aufzuteilen und „öffentlich“ auszuschreiben (wobei der Begriff „öffentlich“, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, untechnisch gemeint ist und lediglich zum Ausdruck bringen soll, dass eine von der Beschwerdeführerin angedachte Direktvergabe nicht in Betracht kommt).

3

Nach Mitteilung der Beschwerdegegnerin befindet man sich noch in der Vorbereitungsphase (Erarbeitung der Vergabeunterlagen); nach dem derzeitigen Stand der Dinge ist demnächst die Bekanntmachung eines Dienstleistungsauftrags im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union beabsichtigt.

4

Am 26. Juni 2014 stellte die Beschwerdeführerin einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer mit Beschluss vom 30. Juli 2014 als verfrüht und deshalb kostenpflichtig als unzulässig verworfen hat. Zugleich hat sie die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdegegnerin für notwendig erklärt.

5

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der mit einem Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB verbundenen sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, die Beschwerdegegnerin habe bei funktionaler Betrachtungsweise bereits mit der Ankündigung, „öffentlich“ ausschreiben zu wollen, ein der Nachprüfung zugängliches Vergabeverfahren eingeleitet. Tatsächlich handele es sich bei dem fraglichen Auftrag um eine Dienstleistungskonzession, deren Ausschreibung den Geheimwettbewerb verletze, weil die Beschwerdegegnerin wegen einer im Jahre 2000 vereinbarten „Last-Call-Option“ verpflichtet sei, ihr – der Beschwerdeführerin – das wirtschaftlichste Angebot eines Dritten offenzulegen. Zudem bestünde die Möglichkeit einer passgenauen Beschaffung durch ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter. Die geplante Losvergabe sei in der SektVO nicht vorgesehen. Schließlich könne die Beschwerdegegnerin derzeit überhaupt nicht ausschreiben, weil sie sich in dem Dilemma befinde, einerseits das LTTG anwenden zu müssen, andererseits die dort enthaltene Regelung über den vergaberechtlichen Mindestlohn aber dem EU-Recht widerspreche.

6

2. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist ungeachtet erheblicher Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen, weil die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 30. Juli 2014 jedenfalls in der Hauptsache offensichtlich unbegründet ist.

7

a) Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind, wie sich u.a. aus § 104 Abs. 2 GWB ableiten lässt, Handlungen und Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers in einem laufenden Vergabeverfahren; vorbeugender Rechtsschutz gegen vermutete Vergaberechtsverstöße in einem künftigen Vergabeverfahren wird nicht gewährt. Zwar ist die Bekanntmachung eines förmlichen Vergabeverfahrens keine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 107 ff. GWB; es kann z.B. ausreichen, dass ein öffentlicher Auftraggeber in einem ungeregelten Verfahren der Beschaffung dienende Verhandlungen mit nur einem Unternehmen aufnimmt (BGH v. 01.02.2005 - X ZB 27/04). Die bloße Absichtsbekundung gegenüber dem derzeitigen Leistungserbringer, den nach Ablauf bestehender Verträge weiterhin gegebenen Bedarf – möglicherweise anders als früher – in einem förmlichen Vergabeverfahren decken zu wollen, ist aber – wie die Vergabekammer zutreffend festgestellt hat – noch keine Einleitung eines der Nachprüfung zugänglichen Vergabeverfahrens (im materiellen Sinne).

8

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es derzeit nichts gibt, das der Überprüfung zugänglich wäre. Gegen die Absicht eines öffentlichen Auftraggebers, geltendes Vergaberecht anzuwenden, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Ob ein Dienstleistungsauftrag i.e.S. oder eine Dienstleistungskonzession vergeben werden soll, wird man ohnehin frühestens sehen, wenn die Bekanntmachung erfolgt ist. Welche Verfahrensart die Beschwerdegegnerin gemäß § 6 SektVO gewählt hat oder wählen wird, ist noch unbekannt; ebenso, ob/wie sie Lose ausschreibt (und damit dem selbstverständlich auch für Sektorenauftraggeber geltenden Gebot des Losvergabe < § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB; siehe auch § 30 Satz 1 SektVO > Rechnung trägt). Schließlich ist nicht ersichtlich, dass und warum es Auftraggebern in Rheinland-Pfalz bis zur Entscheidung des EuGH zum vergaberechtlichen Mindestlohn (rechtlich?) nicht möglich sein soll, ein Vergabeverfahren durchzuführen. Mit dem von der Beschwerdeführerin angesprochenen Dilemma muss sich zunächst die Beschwerdegegnerin befassen; noch ist das LTTG geltendes Recht. Rechte Dritter sind gegebenenfalls von diesen wahrzunehmen.

9

3. Die Beschwerdeführerin wird gebeten, binnen einer Woche mitzuteilen, ob und ggfs. mit welchen Anträgen das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden soll.

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(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von be

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst: 1. die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Baut
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published on 01/02/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 27/04 vom 1. Februar 2005 in dem Nachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GWB § 97 Abs. 7, § 102 § 97 Abs. 7 GWB begründet ein subjektives Recht auf Einleitung und Durchführung eines n
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(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.

(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1.
die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,
2.
die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,
3.
Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder
4.
Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1.
bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder
2.
der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

(1) Organmitglieder oder Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers oder eines im Namen des öffentlichen Auftraggebers handelnden Beschaffungsdienstleisters, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, dürfen in einem Vergabeverfahren nicht mitwirken.

(2) Ein Interessenkonflikt besteht für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können und die ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte.

(3) Es wird vermutet, dass ein Interessenkonflikt besteht, wenn die in Absatz 1 genannten Personen

1.
Bewerber oder Bieter sind,
2.
einen Bewerber oder Bieter beraten oder sonst unterstützen oder als gesetzliche Vertreter oder nur in dem Vergabeverfahren vertreten,
3.
beschäftigt oder tätig sind
a)
bei einem Bewerber oder Bieter gegen Entgelt oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrates oder gleichartigen Organs oder
b)
für ein in das Vergabeverfahren eingeschaltetes Unternehmen, wenn dieses Unternehmen zugleich geschäftliche Beziehungen zum öffentlichen Auftraggeber und zum Bewerber oder Bieter hat.

(4) Die Vermutung des Absatzes 3 gilt auch für Personen, deren Angehörige die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nummer 1 bis 3 erfüllen. Angehörige sind der Verlobte, der Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten und Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten und Lebenspartner, Geschwister der Eltern sowie Pflegeeltern und Pflegekinder.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Der Auftraggeber stellt den interessierten Unternehmen auf deren Anfrage die technischen Anforderungen zur Verfügung, auf die er sich in seinen Aufträgen regelmäßig bezieht oder die er anzuwenden beabsichtigt.

(2) Diese technischen Anforderungen sind elektronisch uneingeschränkt, vollständig, unentgeltlich und unmittelbar zugänglich zu machen.

(3) Können die technischen Anforderungen nicht gemäß Absatz 2 elektronisch zugänglich gemacht werden, so wählt der Auftraggeber einen anderen Weg, um die technischen Anforderungen zugänglich zu machen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Auftraggeber Anforderungen an die Vertraulichkeit von durch ihn den Bewerbern oder Bietern zur Verfügung gestellten Unterlagen oder Dokumenten nach § 41 Absatz 4 stellt.