Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 14. Okt. 2016 - 3 Ws 560/16

published on 14/10/2016 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 14. Okt. 2016 - 3 Ws 560/16
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Gründe

 
I. Das LG verurteilte den Beschwerdeführer (Bf.) am 10.10.2007 wegen schweren Bandendiebstahls u.a. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Das Urteil ist seit dem 20.3.2008 rechtskräftig.
Der Bf., der spanischer Staatsangehöriger ist, folgte der Ladung zum Strafantritt auf den 19.5.2008 nicht. Aufgrund des Ergebnisses polizeilicher Ermittlungen musste die StA seit Anfang September 2008 davon ausgehen, dass er nach Spanien geflüchtet war, um sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Am 8.9.2008 wurde gegen ihn Vollstreckungshaftbefehl erlassen und der Verurteilte national zur Fahndung ausgeschrieben. Das Polizeipräsidium R. wies mit Schreiben vom 20.6.2013 die StA darauf hin, dass neue Fahndungsmaßnahmen keinen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Gesuchten ergeben hätten, dieser sich vielmehr im Jahr 2008 nach Spanien abgesetzt haben dürfte; eine Schengen-Fahndung bestehe nach wie vor nicht. Erst am 24.11.2014 erließ die StA einen Europäischen Haftbefehl, aufgrund dessen der Verurteilte am 5.3.2015 in T./Spanien festgenommen werden konnte.
Das zuständige spanische Gericht entließ ihn mit Beschluss vom 7.3.2015 vorläufig wieder aus der Haft, nachdem er einer Übergabe an die deutsche Strafvollstreckungsbehörde widersprochen und den Wunsch geäußert hatte, die Strafe aus dem Urteil vom 10.10.2007 in Spanien zu verbüßen. Ein daraufhin verfasstes entsprechendes Ersuchen des Justizministeriums Bad.-Württ. um Übernahme der Strafvollstreckung in Spanien vom 3.6.2015 blieb erfolglos. Auf ein Rechtsmittel des Verurteilten lehnte das dortige Zentrale Strafgericht am 12.1.2016 eine Anerkennung und Vollstreckung des Urteils vom 10.10.2007 ab, weil nach spanischem Recht Vollstreckungsverjährung bereits im Oktober 2012 eingetreten und von diesem fakultativen Versagungsgrund nach Artikel 9 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27.11.2008 im Hinblick auf die erfolgte Resozialisierung des in Spanien unbeanstandet und in geregelten Verhältnissen lebenden Verurteilten Gebrauch zu machen sei.
Die StA beantragte vor diesem Hintergrund unter dem 10.2.2016, die ursprüngliche Vollstreckungsverjährungsfrist von hier zehn Jahren (§ 79 Abs. 3 Nr. 3 StGB) um weitere 5 Jahre auf insgesamt 15 Jahre zu verlängern. Dem trat der Bf. mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13.4.2016 entgegen. Mit Beschluss vom 12.7.2016 folgte das LG dem Antrag der StA. Gegen diese ihm am 19.7.2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Bf. mit sofortiger Beschwerde vom 25.7.2016.
II. Die sofortige Beschwerde (§ 462 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StPO) des Bf. ist zulässig und begründet.
Nach § 79 b StGB kann die Vollstreckungsverjährungsfrist vor ihrem Ablauf auf Antrag der Vollstreckungsbehörde um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann. Besteht Rechtshilfeverkehr, so muss die Auslieferung erfolglos versucht worden sein (Fischer, StGB, 63. Aufl., Rdn. 2 zu § 79 b). Die Vorschrift soll die Möglichkeit der deutschen Strafvollstreckung auch in Fällen erhalten, in denen während der regulären Fristen des § 79 StGB die Vollstreckung der Strafe wegen Flucht des Verurteilten ins Ausland und der zeitraubenden Besonderheiten des internationalen Rechtshilfeverkehrs nicht begonnen werden konnte (vgl. OLG Stuttgart, Die Justiz 2002, 553).
Diese Voraussetzungen für eine Verlängerung der Vollstreckungsverjährung gemäß § 79 b StGB sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist der Verurteilte von Deutschland nach Spanien geflüchtet und hält sich dort weiterhin auf; auch konnte seine Übergabe an die deutsche Vollstreckungsbehörde bzw. eine Strafvollstreckung in Spanien nicht erreicht werden. Ursächlich für das Scheitern dieser Bemühungen war jedoch in erster Linie die langjährige Untätigkeit der StA als zuständige Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO), die seit September 2008 über den wahrscheinlichen Verbleib des Verurteilten informiert war, aber erst im November 2014 einen Europäischen Haftbefehl erließ. Der Bf. hat sich nach Aktenlage in dieser Zeit nicht vor den spanischen Behörden verborgen gehalten, so dass sich im Falle einer von deutscher Seite rechtzeitig eingeleiteten europaweiten Fahndung die Frage einer Verlängerung der Vollstreckungsverjährung heute nicht stellen dürfte. Da die Rechtseinrichtung der Verjährung dem Rechtsfrieden dienen und einer etwaigen Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens gerade entgegentreten soll (BGHSt 11, 393; 12, 335; vgl. LK-Schmid, StGB, 12. Aufl., Rdn. 1 vor § 78), darf eine Vollstreckungsverjährung nicht verlängert werden, um gravierende Versäumnisse der Vollstreckungsbehörde bei der Strafvollstreckung auszugleichen.
Diese Versäumnisse treten vorliegend - angesichts ihres Gewichts - nicht hinter dem gemäß § 79 b StGB nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfenden fortdauernden Bedürfnis nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe (vgl. OLG Hamm, NStZ 1991, 186) zurück. Die Vielzahl und Schwere der von dem damals 24-jährigen Verurteilten überwiegend im Jahr 2006 begangenen Straftaten und die Höhe der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe lassen zwar, wie die StrK zutreffend ausführte, eine Strafvollstreckung grundsätzlich weiterhin geboten erscheinen. Andererseits sind seit Rechtskraft des Urteils mehr als 8½ Jahre vergangen, in denen sich der Bf. in Spanien straffrei führte. Ausweislich des Beschlusses des spanischen Zentralen Strafgerichts vom 12.1.2016 verfügt er über einen stabilen und festen Arbeitsplatz und lebt in geregelten familiären und sozialen Verhältnissen. Angesichts dessen kommt dem noch bestehenden Strafbedürfnis keine Bedeutung zu, die es rechtfertigen könnte, die Vollstreckungsverjährung unter Außerachtlassung der Versäumnisse der StA zu verlängern.
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(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

(1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Ur

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden. (2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht. (3) Die Verjährungsfrist be

Annotations

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

(2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
2.
zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
3.
zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
4.
fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen,
5.
drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen.

(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
2.
zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.

(5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht.

(6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden.

(2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
2.
zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
3.
zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
4.
fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen,
5.
drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen.

(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt

1.
fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
2.
zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.

(5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht.

(6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung.

(1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel.

(2) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nur insoweit zu, als die Landesjustizverwaltung sie ihnen übertragen hat.

(3) Die Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsbehörde ist, nimmt auch gegenüber der Strafvollstreckungskammer bei einem anderen Landgericht die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben wahr. Sie kann ihre Aufgaben der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft übertragen, wenn dies im Interesse des Verurteilten geboten erscheint und die Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer zustimmt.