Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 03. Aug. 2004 - 18 UF 248/02

bei uns veröffentlicht am03.08.2004

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg vom 15.10.2002 – 46 F 287/02 – im Kostenpunkt aufgehoben, im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, über den mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt Erfurt vom 12.07.2001 festgesetzten monatlichen Unterhaltsbetrag hinaus ab dem 01.08.2002 bis 31.12.2003 weitere 230 Euro monatlich jeweils im voraus zum 2. Werktag eines jeden Monats an die Klägerin zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 844,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes ab 13.08.2002 zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin ist die am ... geborene, jetzt also volljährige Tochter des Beklagten. Nachdem die Eltern sich 1997 getrennt hatten, hat der Beklagte am 18.4.1998 mit der damals 12-jährigen Klägerin vereinbart, dass er für sie ein Pferd kauft und die Kosten der Unterhaltung übernimmt; die Einzelheiten ergeben sich aus dem "Vertrag" I 25. Inzwischen will der Beklagte die Kosten nicht mehr tragen und hat den Vertrag mit dem Reitclub gekündigt. Die Klägerin hat deshalb einen eigenen Pferdeeinstellungsvertrag mit dem Reitclub ... abgeschlossen und muss seit 1.5.2002 monatlich 230 Euro bezahlen.
Diesen Betrag macht sie mit der Klage als monatlichen Unterhaltsanspruch für die Zeit ab 01.05.2002 geltend. Sie ist der Auffassung, es handle sich bei diesen Kosten um Mehrbedarf, den der Beklagte (zusätzlich zu dem durch Jugendamtsurkunde vom 12.07.2001 titulierten Betrag von 1.050 DM abzüglich Kindergeld) tragen müsse. Außerdem verlangt sie Erstattung eines Sonderbedarfs in Höhe von 1.502,69 Euro für verschiedene Tierarztrechnungen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Da der Beklagte der Klägerin das Pferd geschenkt habe, ohne mit der Mutter eine vertragliche Vereinbarung über deren Beteiligung an den Kosten getroffen zu haben, sei er für den Mehrbedarf allein verantwortlich.
Mit der Berufung macht der Beklagte geltend: Das amtsgerichtliche Urteil lasse eine saubere Rechtsprüfung vermissen. Auf die Vereinbarung vom 18.4.98 könne ein Anspruch nicht gestützt werden, da sie wegen der Minderjährigkeit der Klägerin unwirksam sei und übrigens auch ein Rechtsbindungswille gefehlt habe. Schließlich sei jedenfalls durch einen Übergang des Pferdeeigentums auf die Tochter (Eintragung der Klägerin als Alleineigentümerin im Zuchtausweis) sowie durch den Abschluss eines neuen Pferdeeinstellungsvertrages eine etwaige Verpflichtung des Beklagten weggefallen. Auch aus dem Gesichtspunkt des Mehrbedarfs sei die Klage nicht begründet. Hierunter fielen schon begrifflich Krankheitskosten, Internatskosten etc., nicht aber die Kosten der Pferdehaltung. Im übrigen seien für die Deckung von Mehrbedarf beide Eltern anteilig heranzuziehen. Entgegen dem Vortrag der Klägerin sei die Mutter von Anfang an mit dem Kauf des Pferdes einverstanden gewesen, ja habe sogar durch den Abschluss des neuen Einstellungsvertrages die alleinige Verantwortung für die weitere Pferdehaltung übernommen. Die im Jahr 1998 erfolgte Schenkung könne nicht dazu führen, dass der Beklagte verpflichtet sei, die Unterhaltungskosten in aller Zukunft allein und zusätzlich zum Tabellenunterhalt zu tragen. Die Mutter habe ganz erhebliches Einkommen. Die Tierarztkosten schließlich seien weder als Sonder- noch als Mehrbedarf ersatzfähig und im übrigen der Höhe nach bereits in erster Instanz bestritten worden.
Die Klägerin verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und weist darauf hin, dass ihre Mutter schon freiwillig einige Kosten für das Pferd trage.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts Freiburg vom 15.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
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1. Für den Zeitraum August 2002 bis Dezember 2003 schuldet der Beklagte den eingeklagten Unterhaltsbetrag von 230 Euro monatlich. Insoweit hat das Amtsgericht mit Recht den Beklagten an seiner Entscheidung von 1998 festgehalten, der Klägerin die Haltung eines Pferdes zu ermöglichen.
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a) Ein Anspruch ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem "Vertrag" von 1998. Die Vereinbarung mit der damals 12 - jährigen Klägerin war, da sie ihr nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil brachte, unwirksam (§ 107 BGB). Im übrigen ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass der "Vertrag" bei vernünftiger Auslegung nicht rechtsverbindlich gemeint war.
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b) Dass der Beklagte der Klägerin das Pferd geschenkt und ihr zugesagt hat, er werde für die Unterhaltung des Pferdes aufkommen, hat aber unterhaltsrechtliche Wirkungen: Infolge dieser Zusage wird der Aufwand für die Unterhaltung des Pferdes zum Mehrbedarf im unterhaltsrechtlichen Sinn. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Haltung eines Pferdes einen Luxus darstellt, dessen der Unterhaltsberechtigte im Normalfall nicht "bedarf". Dadurch, dass der Beklagte aber damals seiner 12-jährigen Tochter, die offenbar unter der Trennung der Eltern litt, mit dem Pferd "F" eine Freude machen und zu ihrer emotionalen Stabilisierung beitragen wollte, hat er einen entsprechenden Bedarf geschaffen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Klägerin in der Folgezeit das Pferd nicht einfach wieder entzogen werden durfte.
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Für den Mehrbedarf muss der Beklagte auch allein aufkommen. Die mitsorgeberechtigte Mutter war seinerzeit an der Entscheidung, das Pferd anzuschaffen, erkennbar nicht beteiligt. Ob sie gegen oder für die Anschaffung war, spielt keine Rolle. Aus dem "Vertrag" ergibt sich klar, dass der Beklagte auch die Bezahlung der Folgekosten als seine Sache behandeln wollte. Daran muss er sich festhalten lassen. An dieser Rechtslage hat sich auch nichts geändert, wenn die Klägerin im Jahr 2000 (im Zusammenhang mit ihrer Eintragung im Zuchtausweis) Alleineigentümerin des Pferdes geworden sein sollte.
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Die Unterstellkosten sind auch in voller Höhe von 230 Euro monatlich als Mehrbedarf geschuldet. Dass die Eltern in der Vereinbarung vom 27.7.2000 nur eine Belastung des Beklagten von 300 DM zugrunde gelegt haben, steht nicht entgegen. Denn diese vergleichsweise Regelung hat nur im Innenverhältnis Bedeutung. Sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Mutter bei der Berechnung ihres eigenen Unterhaltsanspruchs die Pferdekosten zunächst überhaupt nicht als einkommensmindernden Abzugsposten berücksichtigen wollte.
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c) Nach Auffassung des Senats endet der Mehrbedarf aber mit dem Eintritt der Volljährigkeit, sodass die letzte Zahlung für Dezember 2003 zu erfolgen hatte.
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Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte "auf ewig" verpflichtet ist, der Klägerin das Pferd zu finanzieren. Das war weder gewollt noch ist es vom Zweck der Unterhaltspflicht her geboten. Auch erscheint es nicht angemessen, den Beklagten bis zum Abschluss der Schulausbildung (der nach den Angaben der Klägerin im Senatstermin frühestens in zwei Jahren zu erwarten ist) an seiner vor über 5 Jahren getroffenen Entscheidung festzuhalten. Der Senat hat zwar volles Verständnis dafür, dass die Klägerin auch jetzt noch an dem Pferd hängt. Dennoch ist es nunmehr, da sie volljährig ist, ihre eigenverantwortliche Entscheidung, ob sie sich die weitere Unterhaltung leisten und wie sie sie finanzieren kann. Insofern besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem Grundbedarf, der im Ausbildungsfall auch nach dem Eintritt der Volljährigkeit von den Eltern gedeckt werden muss, und den Aufwendungen für ein Luxusgut.
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2. Ferner ist die Berufung insoweit begründet, als das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung rückständiger 690 Euro verurteilt hat (Ziffer 2 der amtsgerichtlichen Urteilsformel). Hierfür fehlt es an einem Vortrag der Verzugsvoraussetzungen (§ 1613 I BGB). Der Ausnahmetatbestand des § 1613 Abs. II Nr. 1 BGB gilt nur für Sonderbedarf, nicht für Mehrbedarf (Palandt-Diederichsen, 63.Aufl., Rdnr. 17 zu § 1613). Da die Klage erst im August zugestellt wurde, kann der Mehrbedarf erst ab 1. August (§ 1613 Abs. I Satz 2 BGB) geltend gemacht werden.
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3. Bei den Tierarztkosten handelt es sich rechtlich, da sie nicht regelmäßig anfallen, um Sonderbedarf. Das oben Ausgeführte gilt hier entsprechend. Der Beklagte muss für diesen Sonderbedarf aufkommen, so wie es in Ziffer 3 des "Vertrages" vorgesehen war.
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Der Höhe nach ist die Klage allerdings teilweise unbegründet. Die Klägerin hat die Rechnung Nr. ... vom 14.05.2001 (I 103) zu Unrecht mit dem Endbetrag von 1.657,60 DM geltend gemacht. In diesem Endbetrag sind nämlich auch "alte Rechnungen" enthalten. Der eigentliche Rechnungsbetrag beträgt nur 371,20 DM. Hieraus ergibt sich eine Korrektur des Gesamtbetrages von 2.939,00 DM auf 1.652,60 DM = 844,96 Euro.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 107 Einwilligung des gesetzlichen Vertreters


Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.